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2 Literaturübersicht

2.10 Störungen des Fe-Stoffwechsels

Zu den Eisenspeicherkrankheiten zählen die Hämosiderose und die Hämochromatose. Bei der Hämosiderose handelt es sich um eine Eisenüberladung des Organismus ohne bisher erfolgten Gewebeschaden. Sie wird als ein Vorstadium der Hämochromatose angesehen. Der primären Hämochromatose liegt eine

genetisch bedingte Störung der Mukosazellen im oberen Dünndarmbereich zugrunde. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Eisenresorption und zur Fe-Ablagerung in fast allen Organen, besonders aber in der Leber (O`TOOLE et al.

2001). Primäre Hämochromatosen sind umfassend in der Humanmedizin beschrieben (PREISEGGER u. DENK 2000). Ob es beim Rind durch eine Mutation zu einer herditären Hämochromatose kommen kann, ist noch unklar. Sekundär kann es durch wiederholte Bluttransfusionen, parenterale Eisengaben sowie gesteigerte Hämolyse zu einer Hämochromatose kommen (O`TOOLE et al. 2001).

2.10.2 Eisenvergiftung

Zu einer Eisenvergiftung kommt es in der Regel durch Fehlapplikation oder Fehldosierung eisenhaltiger Präparate. Nach parenteraler Applikation kann es durch Überschreiten der Bindungskapazität des Transferrins zu starken Vergiftungs-erscheinungen kommen. Freie Eisenionen sind in der Lage sauerstoffhaltige Moleküle in reaktive Hydroxylradikale umzuwandeln. Diese Radikale sind toxisch für Gefäße und das Leberparenchym. Außerdem wirkt Eisen in hohen Dosen schleimhautreizend. Symptome einer Vergiftung sind Krämpfe, Zähneknirschen, Kolik, Diarrhoe, Kapillardilatationen, Diapedeseblutungen; letztendlich kann es sogar zu einem kardiovaskulären Schock kommen. Vergiftungen aufgrund einer oralen Überdosierung sind nicht besonders wahrscheinlich, da die Eisenresorption reguliert wird. Therapiert wird eine Eisenvergiftung mit 100 mg/kg KM Deferoxamin, das freies Fe3+und Eisen aus Ferritin und Hämosiderin komplexiert (LÖSCHER et al. 2006).

2.10.3 Eisenmangel und Eisenmangelanämie

Eisenmangel entsteht durch ein unzureichendes Eisenangebot, eine gestörte Eisenresorption oder einen übermäßigen Eisenverlust.

Eine Anämie wird nach KRAFT u. DÜRR (2005) definiert als Verminderung der Erythrozytenzahl, des Hämoglobingehalts und/oder des Hämatokrits unter den Referenzbereich der Spezies, der Rasse und des Alters. Bei einer Eisenmangelanämie handelt es sich um eine hypochrome mikrozytäre Anämie, was

bedeutet, dass die Einzelerythrozyten eine verminderte Beladung mit Hämoglobin aufweisen und die Erythrozyten abnorm verkleinert sind (KRAFT u. DÜRR 2005).

Als Richtwert zur Deckung des Eisenbedarfs eines Kalbes werden 100 mg/kg TS angenommen. Für ein Jungrind sowie eine Milchkuh ist ein Eisengehalt von 50 mg/kg TS als ausreichend anzusehen (KIRCHGESSNER 1997).

Es wird unterschieden zwischen einem primären Eisenmangel, also einem Eisenmangel durch ein unzureichendes Eisenangebot, und einem sekundären Eisenmangel, der sich aufgrund anderweitiger Erkrankungen oder infolge von Fe-Antagonisten entwickelt (STAUFENBIEL 2006).

Von einem primären Eisenmangel sind in der Regel nur Kälber, die ausschließlich mit Vollmilch getränkt werden, betroffen. Vollmilch enthält circa 0,3-0,5 mg Fe/l (3-5 mg/kg TS), Kolostrum enthält 1,5-2,5 mg Fe/l (9-15 mg/kg TS). Demgegenüber steht der Bedarf von 100 mg Fe/kg TS. Der Speichereisenvorrat, der in Leber und Milz der neugeborenen Kälber eingelagert ist, reicht etwa drei bis vier Wochen aus, um eine reine Vollmilchfütterung zu überbrücken (STAUFENBIEL 2006). Der Hämoglobinwert des Kalbes beträgt zum Zeitpunkt der Geburt durchschnittlich 12,7±1,86 g/dl, wobei dieser Wert schon bis zum dritten Lebenstag auf 10,7±1,63 g/dl absinkt (GÜRTLER u. SCHÜTZLER 1970). Mit dem Plasmaeisenwert verhält es sich ähnlich. Geboren werden Kälber mit einem durchschnittlichen Plasmaeisenwert von 27,7±9,6 μmol/l. Dieser sinkt bis zum vierten Lebenstag auf 18,0±3,0 μmol/l ab (BOSTEDT et al. 1990). Erklären lässt sich dieses Phänomen (auch als

„physiologische larvierte Anämie“ bezeichnet) nach STAUFENBIEL (2006) und BOSTEDT et al. (1990) mit der Zunahme des Plasmavolumens durch die erste Tränkeaufnahme (postnatale Hydrämie). Auch die temporäre Stagnation des Knochenmarks sowie die Diskrepanz zwischen der hohen Wachstumsleistung und dem geringen Fe-Gehalt des Kolostrums sind entscheidend (BOSTEDT et al. 1990;

STAUFENBIEL 2006).

Des Weiteren kommt es post natum zu einem Zerfall der fetalen Erythrozyten. Dabei wird Eisen aus dem fetalen Hämoglobin (Hbf) freigesetzt und adulte Varianten des Hämoglobins (HbA, HbB) werden aufgebaut.

Diese weisen aber physiologischerweise eine höhere Eisenbeladung auf, so dass der Fe-Bedarf zu diesem Zeitpunkt massiv erhöht ist (BOSTEDT 2010).

Mit beginnender Beifutteraufnahme wird ein exogener nutritiver Ausgleich erreicht (BOSTEDT et al. 1990).

Durch Fütterungsfehler wie zum Beispiel ein fehlendes Angebot von Heu und Kraftfutter in den ersten Lebenswochen kann sich aus der „physiologisch larvierten Anämie“ eine klinisch manifeste Anämie entwickeln. Auch durch Enteritiden und eine dadurch bedingte Malabsorption kann es zu einer Verschärfung der „physiologisch larvierten Anämie“ kommen (STAUFENBIEL 2006). Außerdem können Kälber im präruminalen Entwicklungsabschnitt dreiwertige Eisenverbindungen, die mit der Nahrung aufgenommen werden, aufgrund des Milieus im Kälberlabmagen nur unzureichend resorbieren. Um Eisendefizite auszugleichen, sollten in diesem Entwicklungsabschnitt Präparate mit zweiwertigem Eisen verabreicht werden (VÖLKER u. ROTERMUND 2000).

Eine Eisenmangelanämie/ Sideropenie wird in drei Stadien unterteilt: Im Stadium des prälatenten Eisenmangels ist lediglich der Ferritingehalt im Serum und somit auch in den Organen vermindert. Liegt ein latenter Eisenmangel vor, sinkt zusätzlich der Serumeisengehalt und die totale Eisenbindungskapazität (TEBK) nimmt zu. Erst bei einem manifesten Eisenmangel ist auch der Hämoglobingehalt im Blut vermindert und es liegt eine hypochrome mikrozytäre Anämie vor (STAUFENBIEL 2006).

Symptome eines klinisch manifesten Eisenmangels sind vermindertes Wachstum, eine herabgesetzte Tränkeaufnahme, Trägheit, blasse Schleimhäute und eventuell eine Zunahme von Atem- und Pulsfrequenz. Durch die Beteiligung von Eisen an Enzymen des Immunsytems, kann es zu einem vermehrten Auftreten von Bronchitiden und Enteritiden kommen, sowie zu einer Atrophie der filiformen Papillen der Zunge. Der Hämatokritwert ist bei anämischen Kälbern <25%, der Hämoglobinwert <8 g/dl und der Serumeisengehalt <25 μmol/l. Die TEBK sowie die latente Eisenbindungskapazität sind erhöht und der Ferritingehalt im Serum ist

<30 μg/l. Die Erythrozyten sind hypochrom und mikrozytär (STAUFENBIEL 2006;

KRAFT u. DÜRR 2005).

Differentialdiagnostisch ist vor allem ein Kupfermangel abzuklären, der ebenfalls eine hypochrome mikrozytäre Anämie verursacht. Ebenso sollte ein Kobaltmangel in Betracht gezogen werden. In seltenen Fällen kann es durch eine massive Aufnahme von Wasser zu einer sogenannten Tränkehämoglobinurie kommen.

Posthämorrhagische Anämien können nach akuten Blutverlusten wie Nabelbluten, chirurgischen Eingriffen und Verletzungen sowie nach chronischen Blutverlusten durch Endoparasiten oder Magenulcera auftreten (STAUFENBIEL 2006).

Zur Behandlung des Eisenmangels beim Kalb stehen verschiedene Präparate zur parenteralen und oralen Applikation zur Verfügung.

LÖSCHER et al. (2006) empfehlen einmalig 50 mg/kg KM Eisen (III)-Dextran-Komplex in der ersten Woche post natum tief intramuskulär zu injizieren. Die Resorption von Eisen aus dem intramuskulären Depot erfolgt innerhalb von drei Tagen. Ferner sind einige Präparate zur oralen Eisenergänzung auf dem Markt erhältlich. Dabei handelt es sich in der Regel auch um dreiwertige Eisenverbindungen, die einmalig zum Kolostrum hinzugegeben werden können.

Handelsübliche Milchaustauscher enthalten circa 30-100 mg Fe/kg TS, so dass bei Einsatz derartiger Produkte geringere Mangelzustände kompensiert werden können.

2.10.4 Ursachen für die angeborene larvierte Anämie der Kälber

Circa 20% der neugeborenen Kälber aus milch- und fleischbetonten Rassen leiden bereits zum Zeitpunkt der Geburt an einer Anämie unterschiedlicher Ausprägung (BOSTEDT et al. 1990). Die Gründe für diese larvierte oder akute Sideropenie sind bisher nicht vollständig geklärt. Nach BOSTEDT (2010) sind die Eisenmengen, die während der Entwicklungsphase im Fetus gespeichert werden, relativ gering. Eine Erklärung wird in der bis zum siebten Gestationsmonat hohen Laktationsleistung der Mutterkuh gesucht, da es infolgedessen zu einem Eisenverlust über die Milch kommt. Ebenso werden genetische Komponenten im Hinblick auf Rasseeinflüsse, Störungen in der enteralen Eisenresorption der Kuh und Plazenta-transformationsstörungen diskutiert (BOSTEDT 2010). Auf Seiten des Fetus müssen laut BOSTEDT (2010) eine eventuell fehlende Eisenbindungskapazität und eine mangelhafte Eisenspeicherung bedacht werden. Weiterhin können große Mengen

der fetalen Erythrozytenmenge durch den Geburtsverlauf in den Eihäuten retiniert werden, was zu einer weiteren Verminderung des Eisens im Körper des Neugeborenen führt (STEINHARDT et al. 2003).