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5.4 Entwicklungsziele des Landkreises Bitterfeld sowie der Städte

5.4.2 Die Städte Bitterfeld und Wolfen

Aufgrund der engen Zusammenarbeit zwischen Bitterfeld, Wolfen und Greppin in der

‘Interessengemeinschaft Westliche Mulde’55 mit dem Landkreis Bitterfeld, der EWG und dem Initiativkreis Bitterfeld-Wolfen e.V. kann bei den Städten Bitterfeld und Wolfen davon ausgegangen werden, daß das Nahziel ihrer Entwicklung im Erhalt der industriellen Kerne auf den Flächen des ChemieParks Bitterfeld und des

54 Der Initiativkreis Bitterfeld-Wolfen e.V. versteht sich als ein “gemeinnütziger und überparteilicher Verein aller natürlichen und juristischen Personen und Körperschaften, denen die Region Bitterfeld etwas bedeutet” (Landratsamt Bitterfeld et al. (Hg.) 1993, S. 17). Durch seine Aktivitäten sollen die wirtschaftlichen und ökologischen sowie sozialen und kulturellen Bedingungen für die Umstrukturierung der Region Bitterfeld-Wolfen verbessert werden.

55 Die Interessengemeinschaft ‘Westliche Mulde’ ist ein freiwilliger Zusammenschluß der Städte Bitterfeld, Wolfen und Jeßnitz sowie der Gemeinden Bobbau, Greppin und Holzweißig. In der Interessengemeinschaft werden kommunale Vorhaben gegenseitig bekanntgemacht, Vorschläge zur Koordinierung unterbreitet und gemeinsames Vorgehen abgestimmt (vgl. MZ vom 07.11.1997).

Diese Entscheidung zur interkommunalen Zusammenarbeit kann als entscheidender Schritt dahingehend gewertet werden, daß das kommunale Konkurrenzdenken zunehmend zurückgestellt und die Region Bitterfeld-Wolfen als ein Standort verstanden wird [28]. Die Int eressengemeinschaft Westliche Mulde kann somit nicht als Planungsverbund sondern als informelle Selbstverpflichtung der Kommunen verstanden werden [29].

Industrieparks Wolfen-Thalheim sowie weiterer Industrie- und Gewerbeflächen liegt.

Großer Wert wird auf die Ansiedlung von Gewerbe- und Dienstleistungsunternehmen gelegt. Geworben wird neben den hohen Investitionsfördermitteln mit der hohen Qualifikation der Arbeit nehmer und der Chemieakzeptanz der Bevölkerung.

Das langfristige Ziel der ‘Interessengemeinschaft Westliche Mulde’ liegt darin, die interkommunale Zusammenarbeit der Städte Bitterfeld und Wolfen und der Gemeinde Greppin dahingehend auszudehnen, daß durch Volksentscheid eine gemeinsame Stadt entsteht, um somit Einkünfte und Ausgaben gerechter zu verteilen und die Kräfte zu bündeln [44]. Schon jetzt unterliegen die Kommunen einer Selbstverpflichtung, die beispielsweise eine Abstimmung im Bereich der Sied-lungserweiterung durch Ausweisung neuer Wohngebiete vorsieht. Das Neubaugebiet

“Friedensstraße” in Bitterfeld wurde z.B. nur mit Zustimmung der Stadt Wolfen geplant, der durch die Abwanderung der Bevölkerung aus Wolfen-Nord in das attraktivere Wohngebiet soziale Probleme entstehen können [41].

Beide Städte beteiligen sich über den Landkreis auch mit einigen Einzelprojekten an der EXPO 2000 in der Region Dessau-Bitterfeld-Wittenberg (vgl. Kapitel 5.5.3).

Bereits vor der Verabschiedung des ‘Vorschaltgesetzes zur Raumordnung und Landesentwicklung’ wurden von den Gemeinden Flächennutzungs- und Bebauungs-pläne aufgestellt56 und trotz Einschränkungen durch die oberen Planungsbehörden große Baugebiets- und Gewerbeflächen ‘auf der grünen Wiese’ausgewiesen.

Besonders in der Nähe der großen Städte und der Kreuzung von Autobahnen und Bundesstraßen war dies der Fall. In der Region Bitterfeld -Wolfen sind dies z.B. die Gewerbegebiete Brehna und Heideloh. Hinzu kommt, daß nach allmählicher Klärung der Eigentumsfragen in den Städten viele industrielle Altstandorte, die schon infrastrukturell erschlossen sind, nach einem Flächenrecycling ebenfalls für eine erneute Nutzung verfügbar sind. Diese Gewerbegebiete bewirkten zusammen “mit den neuen Wohngebiets- und Sondernutzungsflächen den größten Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen in der geschichtlichen Entwicklung Sachsen-Anhalts”

(Oelke (Hg.) 1997, S. 272).

Vom Landratsamt Bitterfeld (Amt für Raumordnung und Wirtschaftsentwicklung) und der EWG wurde im Dezember 1995 eine “Analyse ausgewählter industrieller und gewerblicher Standorte im Landkreis Bitterfeld” herausgegeben. Darin soll der

“Stand der Entwicklung der industriellen und gewerblichen Hauptstandorte des Landkreises Bitterfeld dargestellt werden” (Landkreis Bitterfeld, EWG (Hg.) 1995, S.

1). Als Ergebnis dieser Analyse wurde erkannt, daß im Landkreis Bitterfeld zwar eine Vielzahl von Flächen zur Ansiedlung von Industrie- oder Gewerbestandorten zur Verfügung stehe, jedoch “zur Zeit für eine großflächige Industrieansiedlung im Landkreis keine Fläche vorgehalten werden kann. Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises ist die Belegung der Freiflächen und der durch Abbruch und Sanierung bereitgestellten Flächen an den ehemaligen Chemiestandorten in Bitterfeld und Wolfen, sowie dem ‘Füllen’ der nun erschlossenen Industrie- und Gewerbeflächen einer Neuerschließung ‘auf der grünen Wiese’ unbedingt der

56 Von der Stadt Bitterfeld zum Beispiel bereits im Jahr 1990.

Vorrang zu geben. Dieses schließt eine erfolgsorientierte Erschließung von Gewerbegebieten mit speziellem Nutzungs profil wie z.B. eine Ansiedlung von kleinflächigem und standortbezogenem Gewerbe im ländichen Bereich des Landkreises nicht aus” (Landkreis Bitterfeld, EWG (Hg.) 1995, S. 36).

In den Flächennutzungsplänen der Städte Bitterfeld und Wolfen, die im folgenden kurz mit ihrer Relevanz für die Umstrukturierung der Altindustriestandorte vorgestellt werden, lassen sich keine expliziten Aussagen zu einer Nachhaltigen Entwicklung in der Region finden. Beide Städte verfolgen zwar vorrangig das Ziel einer Innenentwicklung und Revitalisierung der Altindustriestandorte, die mögliche Ausweisung neuer Gewerbe- und Industriegebiete außerhalb der ursprünglichen Flächen wird jedoch eingeräumt. So wird im Flächennutzungsplan der Stadt Bitterfeld eine Erweiterung der Industrieflächen westlich der Fläche des ChemieParks als möglich ausgewiesen, im Flächennutzungsplan des Planungsverbandes Fuhne57 westlich und südlich des Industrieparkes. Für neue Gewerbegebiete mit besonderer Bedeutung (Investitionshöhe, Arbeitsplätze) wurden in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche bisher nicht erschlossene Flächen im Anschluß an die bestehenden Gebiete umgewidmet (z.B. die Ansiedlung der Bayer Bitterfeld GmbH auf der Gemarkung von Greppin sowie die Ansiedlungen von Guardian Flachglas und dem Deichmann Logistik-Center westlich und südlich des Industrieparkgeländes Wolfen-Thalheim). Den sich durch die geringeren Abstände zur bestehenden Wohnbebauung ergebenden Konflikte begegnen die Flächennutzungspläne durch Ausweisung der Gewerbe- und Industriegebiete nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz.

Weitere Konflikte, die sich durch die Ausweisungen in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen der Städte Bitterfeld und Wolfen ergeben, sind im ‘Masterplan Bitterfeld-Wolfen’ konstatiert worden und sollen hier lediglich kurz genannt werden:

• Die Wohngebietserweiterungen in die Muldeaue südlich und nördlich von Jeßnitz und nördlich von Thalheim nehmen zum Teil sensible Freiraum- und Grünbereiche in Anspruch.

• Großflächige Neuausweisungen respektive bereits vollzogene Erweiterungen für Gewerbe kollidieren mit dem Anspruch des Freiraumschutzes.

• Neue Ortsumfahrungen (B 183 n, B 184 n) queren sensible Landschaftsbereiche (Muldeaue, Fuhneniederung), zerschneiden Grünverbindungen und klimatisch wichtige Beziehungen (Fuhneniederung).

• Ehemalige Tagebaue sowie die Muldeaue sind durch Altablagerungen bzw.

Schadstoffanreicherungen stark kontaminiert und stellen eine Gefährdung von Schutzgütern dar. Insbesondere das Ansteigen des Grundwassers wird zu einer Veränderung des Nutzungsgefüges und Gefährdung bestehender Flächennutzungen führen.

57 Im Jahr 1991 schlossen sich die Stadt Wolfen und die Gemeinden Reuden und Thalheim zum Planungsverband Fuhne zusammen. Zwischenzeitlich wurde die Gemeinde Reuden zur Stadt Wolfen eingemeindet.

• Das weitere Zusammenwachsen von Siedlungsteilen (Bitterfeld und Greppin) verstärkt die ungünstige Bandstruktur, die sowohl Grünverbindungen als auch Sichtbeziehungen unterbricht und die Erkennbarkeit von Siedlungszusammen-hängen in Form von Ortsrändern, Wechseln der Landschaft und Bebauung und damit die Qualität des Landschaftsbildes verringert.

• Die konzipierte Aufwertung des Bitterfelder Zentrums zu einem leistungsfähigen Mittelzentrum mit oberzentralen Funktionen tritt in Konflikt mit dem gegenläufig strukturierten Einzugsbereich (große Distanz zum Siedlungsschwerpunkt Wolfen-Nord) (vgl. EWG (Hg.) 1996, S. 10f).

Der aktuelle Flächennutzungsplan der Stadt Bitterfeld mit Stand August 1996 bezieht sich in seinen Prognosen und Szenarien der zukünftigen Entwicklung der Region größtenteils auf die Berechnungen der Unternehmensberatungsfirma Arthur D. Little, die 1991 ihr Gutachten für den Raum Bitterfeld-Dessau-Gräfenhainichen vorlegte (vgl. Kapitel 6).

Die Zielvorgaben im Flächennutzungsplan beziehen sich auf eine arbeitsteilige Zusammenarbeit mit der Stadt Wolfen, um der im Landesentwicklungsprogramm vorgegebenen Bedeutung eines Mittelzentrums mit Teilfunktionen eines Oberzentrums gerecht zu werden. Eine Konzentration des produktiven Gewerbes auf den vorhandenen Industrieflächen bei gleichzeitiger Diversifizierung der Er-werbsstruktur und Aufteilung der Flächen für mittelständische Betriebsarten wird angestrebt. Vorhandene Industrieformen sollen gesichert, modernisiert und fortgeführt werden. Für die durch den Rückgang des Flächenbedarfs der chemischen Industrie bedingten anfallenden Brachflächen sollen nach erfolgter Sanierung Unternehmen der chemis chen, metallverarbeitenden und Zulieferindustrie und solche des Anlagenbaus, sowie innovative Umwelt- und Forschungseinrichtungen angesiedelt werden. Durch Neuordnung und Umstrukturierung von Gewerbeflächen unter der Zielsetzung ökologischer Anforderungen (Durchmischung mit Grünflächen, Verbesserung des Umfeldes) wird eine Optimierung der Gewerbeflächennutzung angestrebt (vgl. Stadt Bitterfeld 1996, S. 2ff).

Der Flächennutzungsplan Wolfen-Thalheim (Planungsverband Fuhne) mit Stand 1994 umfaßt in seinem Geltungsbereich die Gemarkungen der Gemeinde Thalheim und der Stadt Wolfen.

Der Flächennutzungsplan geht ebenfalls von der Annahme aus, daß die chemische Industrie im Rahmen des Strukturwandels weiterhin eine relativ gewichtige Stellung einnehmen wird. Neben der Sicherung des Kernbestands dieser Unternehmen und der Betriebsausgliederungen werden jedoch zur Kompensation der Wirtschaftskraft- und Arbeitsplatzverluste zahlreiche gewerbliche und industrielle Neuansiedlungen als notwendig angesehen. Die Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur soll durch Ansiedlung mittelständischer Unternehmen und neuer Branchen gefördert werden (vgl. Baudezernat der Stadt Wolfen (Hg.) 1994, S. 43).

Der dem Stadtzentrum zugewandte östliche Teil der Filmfabrik, der denkmal-geschützte Eingangsbereich, soll aufgrund der städtebaulichen Lage, der Gebäudesubstanz und der vorhandenen Ansätze von kerngebietstypischen Nutzungen

für tertiäre Nutzungen der öffentlichen und privaten Verwaltung bzw. privater Dienstleister vorbehalten bleiben. Aus diesem Grunde wurde für diesen Bereich ein Struktur- und Nutzungskonzept erstellt (vgl. Kapitel 6).

Während das Areal des Industrie- und Gewerbeparks Wolfen-Thalheim bereits 1992 durch Bebauungspläne unterlegt und somit baurechtlich gesichert wurde, stellte die Stadt Bitterfeld für das Areal des ChemieParks Bitterfeld dagegen erst im Jahr 1996/97 vier Bebauungspläne auf. Dieser Möglichkeit zur Wahrnehmung der kommunalen Hoheitsrechte gingen z.T. langwierige Diskussionen zwischen den Städten Bitterfeld und Wolfen und der BVV bzw. der WVV als regionalen BvS-Gesellschaften voraus [42; 44].

Sowohl in der Stadt Bitterfeld als auch in der Stadt Wolfen soll eine ‘Lokale Agenda 21’ erarbeitet werden. Nach Aussage der Bürgermeisterämter sind bisher “erste Schritte” [44] unternommen worden; es wurde ein Treffen mit ICLEI58 vereinbart und der Kontakt zum Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes aufgenommen. Während in Bitterfeld wegen Personalmangels bisher noch keine Arbeitsgemeinschaften gegründet wurden [44], ist in Wolfen auf Beschluß des Stadtrates ein Arbeitskreis Klimaschutz eingerichtet worden, der sich jedoch ebenfalls noch am Anfang der konzeptionellen Phase befindet [42]. “Langfristiges Ziel ist es, Wolfen zu einer Modellstadt Nachhaltiger Entwicklung auszuprägen, in der ein ressourcenschonendes und umweltgerechtes Energie- und Klimaschutz-konzept verwirklicht wird” (MZ vom 17.02.1998).

58 ‘Internationaler Rat für kommunale Umweltinitiativen’ (International Conference for Local Environment Initatives ICLEI). ICLEI wurde von den Vereinten Nationen im Jahr 1990 zur Koordination der weltweiten kommunalen Umweltinitiativen gegründet. Der internationale Kommunalverband hat sich zur Aufgabe gemacht, eine weltweite Bewegung von Kommunen aufzubauen, die durch lokale Aktionen meßbare Verbesserungen der globalen Umweltbedingungen erzielen. Heute sind 250 Kommunen Mitglied bei ICLEI. Von ICLEI wurde das Kapitel 28 der Agenda 21 vorformuliert; erwähnenswert sind darüberhinaus das Engagement auf europäischer Ebene bezüglich der Charta von Aalborg und die Herausgabe des Leitfadens ‘European Local Agenda 21 Planning Guide’.

5.5 Ansätze zur Implementierung einer Nachhaltigen