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3.2.1 Auswertung von Kartenmaterial

Karten gelten gemeinhin als das beste Instrument, um raumbezogene Daten zu visualisieren. Um die räumlichen Auswirkungen der Umstrukturierungsprozesse auf den Industriearealen in der Region Bitterfeld -Wolfen zwischen 1989 und 1997 zu verdeutlichen, wurden verschiedene Karten analysiert, die freundlicherweise vom Landratsamt Bitterfeld sowie der BVV und WVV zur Verfügung gestellt wurden.

3.2.2 Qualitative Befragung: Explorative Interviews bzw.

Experteninterviews

Die Befragung ist das am häufigsten verwendete Instrument der empirischen Sozialforschung und auch dasjenige Instrument, das am weitesten entwickelt ist.

“Zwar gilt das persönliche Interview nicht mehr unbestritten als der ‘Königsweg’

unter den Verfahren der Datensammlung, wie etwa in den 1950er bis 1970er Jahren.

Dennoch hat es - trotz Kritik angesichts steigender Kosten und sin kender Ausschöpfungsquoten - seine dominierende Position in der Forschungspraxis bewahrt” (Kromrey 1995, S. 267).

Im Rahmen dieser Arbeit wurden im wesentlichen zwei qualitative27 mündliche Befragungsmethoden angewendet, mit denen verschiedene Zielsetzungen verfolgt wurden: das explorative Interview bzw. Experteninterview und das Leitfaden-interview.

Als Experte gilt im Rahmen dieser Interviews der “zur Befragung aufgrund der vermuteten Kompetenz ausgewählte Personenkreis, von dem qualifizierte Informationen zu einem Problemgebiet erwartet werden” (Fuchs-Heinritz (Hg.) 1995, S. 191). Der Begriff ‘Experte’ ist somit ein relationaler Status, der vom jeweiligen Forschungsinteresse abhängig ist. Die Auswahl der Gespächspartner für Experteninterviews erfolgt nicht “nach Gesichtspunkten statistischer Repräsen-tativität, sondern zur Repräsentation wichtiger Akteure oder Gruppen im Untersuchungsfeld” (Fuchs-Heinritz (Hg.) 1995, S. 191).

Explorative Interviews oder Expertengespräche zeichnen sich durch nicht-standardisierte Fragen aus, d.h. das Gespräch ist weder bezüglich der Fragen noch ihrer Reihenfolge strukturiert. Dem Interviewer sind nur Stichworte oder Themen vorgegeben, die er anzusprechen hat und der Befragte kann ohne Vorgabe, ohne präzise Einzelfragen dazu Stellung nehmen (vgl. Brosi et al. 1981, S. 3).

Im Gegensatz zur Methode des narrativen Interviews tritt der bzw. die Untersuchende nicht ohne jegliches Vorverständnis in die Erhebungsphase ein. Über Erkundungen im Untersuchungsgebiet und die Kenntnis entsprechender Literatur werden die relevant erscheinenden Aspekte des Problembereichs herausgefiltert, verknüpft und zu einem theoretischen Konzept verdichtet. Der Interviewer muß genügend Sachkompetenz besitzen, um den Kenntnisstand des Gesprächspartners und damit die Bedeutsamkeit der vermittelten Informationen einschätzen zu können (vgl. Brosi et al. 1981, S. 37).

27 Qualitative Interviews werden auch als Intensiv-, Tiefen-, unstrukturierte, detaillierte, zentrierte und offene, situationsflexible, problemzentrierte, rezeptive, nichtstandardisierte Interviews bezeichnet. Auch die Begriffe Informelles Gespräch oder Experteninterview sind geläufig. Diese Bezeichnungen werden in der Literatur uneinheitlich verwendet. Im Ra hmen dieser Arbeit wird hinsichtlich des Grades der Standardisierung der Fragen zwischen explorativen und Leitfrageninterviews unterschieden.

Der Vorteil der offenen Fragen und Antworten liegt darin, daß der Befragte nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Er hat die Möglichkeit, eine Antwort in einer Formulierung zu geben, die seiner Denkweise und Einstellung bzw. Meinung entspricht. Dies setzt allerdings eine hinreichend gute Artikulationsfähigkeit des Befragten, einen guten Informationsstand und seine Motivation zur Beantwortung der Fragen voraus, d.h. die offenen Fragen stellen höhere Anforderungen an die Be-fragten als geschlossene Fragen und auch an den Interviewer. Der Interviewer muß

“die Antwort ‘richtig’ verstehen, sie protokollieren, beidesmal ‘Wesentliches’ von

‘Unwesentlichem’ trennen (z.B. Wiederholungen, schmückende Beiwörter), also die eigentliche ‘Botschaft’ herausfiltern” (Stier 1996, S. 177). Offene Fragen sind daher immer anfällig gegenüber Interviewereffekten. Das Interview ist als Interaktions-prozeß zu betrachten, der kein neutrales Erhebungsinstrument sein kann.

Darüberhinaus ist die Auswertung nichtstandardisierter Interviews mit erheblich mehr Aufwand verbunden als die Auswertung geschlossener Fragen.

Im Zeitraum vom 18.06.1997 bis zum 20.10.1997 wurden 32 explorative Interviews bzw. Experteninterviews durchgeführt, die der Informationsgewinnung dienten und den Zugang zu internen Materialien, halbamtlichen Veröffentlichungen, vorliegenden Gutachten und Konzepten eröffneten (vgl. Anhang 1). Befragt wurden neben Akteuren der öffentlichen Verwaltungen in den Städten Bit terfeld und Wolfen und des Regierungsbezirkes Dessau auch Vertreter wis senschaftlicher Institutio nen. Mit den derzeitigen Industrieparkverwaltungen wurden zahlreiche Gespräche geführt und verschiedene sonstige relevante Akteure der Region interviewt. Die Gespräche dauerten zwischen 30 Minuten und 2 Stunden und dienten neben der Material-akquisition der Hypothesengewinnung und der Sondierung der relevanten Experten, die im Rahmen der Leitfadeninterviews befragt werden sollten. Die explorativen Interviews sind somit auch als Vorstufe der Haupterhebung zu betrachten (vgl. Brosi et al. 1981, S. 4; Atteslander 1995, S. 171).

3.2.3 Qualitative Befragung anhand eines Gesprächsleitfadens

Ausgehend von den Erkenntnis sen, die durch die explorativen Interviews gewonnen wurden, wurde als dritte Datenerhebungstechnik eine Expertenbefragung mittels eines qualitativen, problemzentrierten Interviews anhand eines Gesprächsleitfadens gewählt (vgl. Atteslander 1995, S. 174f). Mit diesen Leitfadeninterviews sollten kommunale und privatwirtschaftliche Akteure zur Regionalentwicklung in Bitterfeld-Wolfen befragt werden.

Nach Atteslander dienen Leitfadengespräche - ähnlich wie explorative Interviews - ganz allgemein der Hypothesenentwicklung und damit einer Systematisierung vorwissenschaftlicher Erkenntnisse.

Der Gesprächsleitfaden des teilstandardisierten Interviews enthält einen Stichwort-Katalog mit den wesentlichen Fragen, die während des Interviews abgearbeitet

werden sollen. Die Reihenfolge der Behandlung der Fragen sowie deren Ausformulierung liegen im Ermessen des Interviewers. Durch die Auswahl des Leitfadengesprächs als Datenerhebungstechnik soll eine gewisse Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews gesichert werden, darüberhinaus aber Spielräume freigehalten werden, die eine Schwerpunktsetzung der Akteure gewährleisten (vgl. Schnell et al.

1992, S. 390f).

Durch die Art des Auswahlverfahrens in Form einer willkürlichen, bewußten Auswahl, die Größe der Stichprobe und auch die Erhebungsmethode in Form eines Leitfadengesprächs wird die Repräsentativität der empirischen Untersuchung begrenzt (vgl. Schnell et al. 1992, S. 306).

Als Nachteile des Leitfadengespächs sind - ähnlich wie beim explorativen Interview - die aufgrund der offenen Frageformulierung stärkeren Intervieweinflüsse und die geringe Vergleichbarkeit der erhobenen Daten im Gegensatz zu standardisierten Interviews zu nennen. Darüberhinaus erfordert dieses Vorgehen höhere Anforderungen an die Befragten hinsichtlich ihrer Artikulationsfähigkeiten und ihrer sozialen Kompetenz (vgl. Schnell et al. 1992, S. 391f).

Im Rahmen dieser Arbeit wurden 13 Gespräche anhand eines strukturierten, nicht-standardisierten Gesprächsleitfadens mit relevanten kommunalen und privatwirtschaftlichen Akteuren der Region Bitterfeld -Wolfen geführt, die zwischen 45 Minuten und 1,5 Stunden dauerten (vgl. Anhang 2). Auf die Auswertung dieser Interviews wird in Kapitel 7 eingegangen.