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Spektroskopische Eigenschaften der Allenyliden-Komplexe

2. Reaktivität von Allenyliden-Komplexen

2.7. Spektroskopische und strukturanalytische Ergebnisse

2.7.1. Spektroskopische Eigenschaften der Allenyliden-Komplexe

IR-Spektren

Bei der Klärung der Struktur von Carbonylmetall-Komplexe kommt der IR-Spektroskopie eine außerordentlich große Bedeutung bei. Die Schwingungen der CO-Liganden liegen im Allgemeinen zwischen 1750 und 2100 cm-1 und damit in einem Bereich, der nur wenige Schwingungen anderer Strukturelemente aufweist. Zudem reagieren die Carbonylliganden empfindlich auf Veränderungen der Elektronendichte des Zentralmetalls und können so als zuverlässige Sensoren bei Reaktionen herangezogen werden.

Pentacarbonylmetall-Komplexe können prinzipiell bis zu fünf unterschiedliche ν(CO)-Schwingungen aufweisen. Bei C4v-Symmetrie sind drei Schwingungen IR-erlaubt (2x A1, 1x E). Häufig wird zusätzlich die IR-verbotene B1-Schwingung mit geringer Intensität beobachtet, was auf eine Störung der C4v-Symmetrie zurückzuführen ist. Damit können bis zu 4 verschiedene Banden beobachtet werden. Ein typisches Spektrum ist in Abb. 47 abgebildet.

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Wellenzahlen in cm-1

Absorbanz

Abb. 47: IR-Spektrum von Verbindung 7 mit Bandenmarkierung.

Allenyliden-Komplexe besitzen mit der ν(CCC)-Schwingung zudem eine weitere Schwingung im Bereich zwischen 1800 und 2100 cm-1. Die Lage dieser Bande im IR-Spektrum hängt maßgeblich von den Bindungsverhältnissen im Allenylidenliganden ab. In Tabelle 1 sind die ν(CO)- und ν(CCC)-Banden einiger Allenyliden-Komplexe zusammengestellt.

Verbindung ν(CO)-A1 ν(CO)-E ν(CCC) (CO)5Cr=C=C=CPh2[20]

(in Pentan) 1974 1999 1930

(CO)5Cr=C=C=C(Ph)NMe2[7] 1904 1929 1996

1c[28] 1905 1928 2011

Tabelle 1: IR-Daten ausgewählter Komplexe (soweit nicht weiter angegeben, in THF und in cm-1).

Aus den Daten ist ersichtlich, dass die Lagen dieser Schwingungen stark von den terminalen Substituenten abhängen. Den stärksten Effekt üben diese auf die ν(CCC)-Bande aus. Diese unterscheiden sich zwischen (CO)5Cr=C=C=CPh2

und dem cyclischen Diaminoallenyliden-Komplex 14 um 100 cm-1. Auch die Bandenlage der ν(CO)-Schwingungen ist von den elektronischen Eigenschaften der terminalen Substituenten abhängig, wenn auch der Effekt etwas geringer ist. Bei Amino-substituierten Allenyliden-Komplexen liegen die E-Banden im Allgemeinen bei ca. 1930 cm-1. Das Vorhandensein der zweiten Amino-Gruppe in den neuen Bis(amino)allenyliden-Komplexen verschiebt die E-Bande in auf ca. 1920 cm-1. Dies zeigt, dass die Elektronendichte am Pentacarbonylmetallfragment zwar ansteigt, jedoch bei weitem nicht so stark wie beim Wechsel von Bisarylallenyliden-Komplexen zu Mono(amino)allenyliden-Komplexen.

UV/Vis-Spektren

Die Farbe von Allenyliden(pentacarbonyl)metall-Komplexen hängt ebenfalls sehr stark von den terminalen Substituenten ab. So liegt die längstwellige Absorption bekannter Allenyliden-Komplexe in CH2Cl2 zwischen 636 nm [(CO)5Cr=C=C=CPh2][20] und 394 nm [(CO)5Cr=C=C=C(NMe2)2][27]. Zudem ist eine stark ausgeprägte, negative Solvatochromie zu beobachten. Der Grund hierfür ist in den Grenzorbitalen und der Ladungsverteilung in Grundzustand und angeregtem Zustand zu finden. Allenyliden(pentacarbonyl)-Komplexe besitzen, wie bereits beschrieben (Seite 9 ff.), einen ausgeprägt dipolaren Grundzustand, bei dem das Metallfragment negativiert, der Allenylidenligand positiviert ist. Der längstwellige Übergang bei Allenylidenkomplexen entspricht einer Anregung eines Elektrons vom HOMO-1 ins LUMO – das HOMO spielt in diesem Fall keine nennenswerte Rolle, da es senkrecht zum LUMO angeordnet ist und so das Übergangsdipolmoment sehr klein ist (vgl.

Abb. 48).

Abb. 48: Grenzorbitale von (CO)5Cr=C=C=C(NMe2)2.

Dieser qualitative Befund konnte zudem mithilfe der zeitabhängigen Dichtefunktionaltheorie (TDDFT, siehe auch Abschnitt 5.5.7, Seite 199) bestätigt werden. Diese erlaubt die Berechnung von angeregten Zuständen und deren Energien. Zudem erhält man auf diesem Weg die Oszillatorstärke der längstwelligen Übergänge und deren Zusammensetzung aus einzelnen Orbital-Orbital-Übergängen. Anhand der in Tabelle 2 zusammengestellten Daten für den Komplex [(CO)5Cr=C=C=C(NMe2)2] ist ersichtlich, dass die beiden Übergänge mit niedrigster Energie (größter Wellenlänge) nur eine minimale Oszillatorstärke aufweisen und dadurch „verboten“ sind. Der erste „erlaubte“

Übergang besteht zu großen Teilen aus der Anregung eines Elektrons aus dem HOMO-1 ins LUMO.

Nummer λ [nm] Oszillatorstärke Übergang (Anteil)

1 565.5 0.0005 HOMO->LUMO (97%)

2 451.2 0.0001 HOMO-2->LUMO (99%)

3 424.2 0.2909 HOMO-1->LUMO (74%)

4 341.1 0.0186 HOMO->LUMO+2 (95%)

5 340.2 0.0033 HOMO->LUMO+1 (85%)

6 336.8 0.0002 HOMO->LUMO+3 (98%)

Tabelle 2: Berechnete Übergänge für [(CO)5Cr=C=C=C(NMe2)2] (aus TDDFT-Berechnungen).

Da das HOMO-1 hauptsächlich Metallfragment-zentriert, das LUMO Ligand-zentriert ist, spricht man von einem MLCT-Übergang (Metall-to-Ligand-Charge-Transfer). Während des Übergangs wird also Elektronendichte vom Metallfragment auf den Liganden transferiert und dies wirkt dem starken Dipolcharakter des Komplexes entgegen, wodurch der angeregte Zustand weniger polar ist als der Grundzustand.

Polare Lösungsmittel führen schließlich dazu, dass besonders polare Zustände energetisch abgesenkt werden, wodurch der energetische Abstand zwischen angeregtem und Grundzustand größer wird und dies wiederum resultiert in einer Verschiebung der längstwelligen Absorption zu kürzeren Wellen.

Wie ausgeprägt die Solvatochromie ist, lässt sich aber besser an den absoluten Energieunterschieden der Übergänge in unterschiedlichen Lösungmitteln beziffern. In Tabelle 3 sind die entsprechenden Daten einiger dargestellter Komplexe enthalten. Die Daten für den Energieunterschied zwischen Pentan und DMF konnten aufgrund der geringen Löslichkeit einiger Komplexe in Penten nicht für alle Komplexe ermittelt werden.

Verbindung CH2Cl2

-DMF Pentan-DMF

1c[28] -22.15 -36.24

5 -16.35

9 -12.37

14 -12.24

19a -25.47 -47.76

20a -20.32

21a -48.87 -77.55

Tabelle 3: Energieunterschiede der längstwelligen Absorbtionen (in kJ/mol).

Es ist ersichtlich, dass die Bisaminoallenyliden-Komplexe 5, 9 und 14 nur eine schwach ausgeprägte negative Solvatochromie aufweisen. So ist auch kein nennenswerter Farbunterschied dieser Komplexe in unterschiedlichen Lösungmitteln zu beobachten. Im Gegensatz dazu ist bei allen Komplexen mit Benzamidinyl-Rest (wie Verbindungen 19a, 20a und 21a) im Vergleich zum

Eduktkomplex 1c eine deutlich stärkere Solvatochromie erkennbar. Der Substituent am Phenylring des Benzamidinylrestes hat zudem einen großen Einfluss, so dass die Solvatochromie sich mit steigender Akzeptorstärke des Restes (NH2 < H < NO2) erhöht.

Insgesamt deuten diese Daten darauf hin, dass die Modifikation der terminalen Substituenten sich vorrangig auf die Polarität des angeregten Zustandes und nur nachrangig auf die des Grundzustandes auswirkt. Daher weisen die Allenylidenkomplexe mit zwei starken Donorgruppen eine betragsmässig verringerte negative Solvatochromie auf.