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3. Derivatisierung von Bisarylallenyliden-Komplexen

3.2. Bisarylallenyliden-Komplexe mit ausgedehntem π-System

3.2.4. Cyclovoltammetrische Untersuchungen

Theoretische Grundlagen

Bei der Cyclovoltammetrie handelt es sich um ein Verfahren, das einen Einblick in oxidative und reduktive Prozesse ermöglicht[121]. Es wird hierzu analog herkömmlicher voltammetrischer Methoden in einer Meßzelle eine Lösung des zu untersuchenden Substrats einer sich ändernden Spannung ausgesetzt. Dabei wird die Spannung mit einer bestimmten Geschwindigkeit (Vorschubgeschwindigkeit) vom Anfangswert E0 auf den Endwert Eλ geändert und anschließend wieder zu E0 zurückgeführt. Dieser Cyclus kann mehrere Male durchfahren werden (siehe Abb. 71). Parallel dazu wird der in der Zelle fließende Strom gemessen.

Abb. 71: Zeitlicher Potentialverlauf bei der Cyclovoltammetrie[29].

Im Allgemeinen wird ein Versuchsaufbau mit drei Elektroden gewählt, einer Meßelektrode, einer Gegenelektrode und einer Referenzelektrode (in vielen Fällen eine Standard-Kalomel-Elektrode). Um einen Massentransport der elektroaktiven Spezies durch Diffusion zu ermöglichen, wird kein Rührer verwendet und der Meßlösung wird, neben dem Substrat, noch ein Elektrolyt wie zum Beispiel Tetraalkylammonium-hexafluorophosphat zugesetzt.

Abb. 72: Typisches Cyclovoltammogramm eines reversiblen Prozesses[29].

Ist das Substrat eine elektroaktive Substanz, so findet in einem Verbindungs-abhängigen Spannungsbereich an der Meßelektrode eine Oxidation oder Reduktion der Verbindung statt. Zusätzlich fließt dann ein Faradayscher Strom I, welcher zeitabhängig aufgezeichnet wird (vgl. Abb. 72). Epk und Epa sind dabei die Peakpotentiale, Ipk und Ipa die Peakströme. Letztere berechnen sich abzüglich des Ruhestroms IR.

Die elektrochemischen Vorgänge in der Lösung bzw. an der Elektrode lassen sich folgendermaßen beschreiben:

Sobald eine Spannung angelegt wird, fließt ein relativ geringer, kapazitiver Strom IR, begründet in einer elektrolytischen Doppelschicht an der Elektrode.

Erreicht die angelegte Spannung einen bestimmten Wert, so beginnt die Umsetzung des elektroaktiven Substrats, wodurch der Stromfluss zunimmt. An der Elektrode nimmt die Konzentration der elektroaktiven Verbindung ab und ein Konzentrationsgefälle entsteht. Diffusionskontrolliert beginnt ein Massentransport des Substrats zur Elektrode, wodurch der Anstieg des Stroms verringert wird. Beim Erreichen des Potentials Ep ist der maximale Strom Ip

erreicht. Jetzt ist die Konzentration der elektroaktiven Verbindung an der Elektrodenoberfläche verschwindend klein, und der nur noch von der Diffusion bestimmte Strom sinkt ab. Ist die Umkehrspannung Eλ erreicht, so wird das Potential wieder zurückgefahren und das umgesetzte Substrat reagiert (idealerweise) wieder in den Ausgangszustand zurück. Dabei ist die Geschwindigkeit des Ladungsaustausches an der Elektrodenoberfläche für eine Reversibilität der Redoxreaktion ausschlaggebend.

Ist der Ladungsaustausch an der Elektrodenoberfläche schnell, so bildet sich an der Grenzfläche zum Elektrolyt ein thermodynamisches Gleichgewicht. Die Konzentration an oxidierter und reduzierter Spezies hängt dann nur noch vom angelegten Potential ab und der langsamste Schritt (der Massentransport) bestimmt den Stromfluss (Diffusionskontrolle). Man spricht dann von einem ideal reversiblen Prozess.

Ist der Ladungsaustausch sehr langsam, so wird er zum geschwindigkeitsbestimmenden Schritt (Durchtrittskontrolle). Dies kann dazu führen, dass die umgesetzte Spezies schneller von der Elektrode wegdiffundiert

als die Rückreaktion bei Rückführung der Spannung stattfinden kann. Dadurch ist dann kein Strom meßbar, es fehlt also der entsprechende Peak im Cyclovoltagramm. Es handelt sich dann um einen völlig irreversiblen Prozess.

Ein reales System kann ebenso zwischen diesen beiden Extremen liegen, und quasi-reversibel reagieren, wenn sowohl die Diffusion als auch der Ladungsaustausch die Geschwindigkeit bestimmen. Ob dies der Fall ist, zeigen Versuche mit unterschiedlichen Vorschubgeschwindigkeiten. Liegt ein quasi-reversibler Prozess vor, so verschieben sich dann die relativen Peaklagen und -höhen.

Meßbedingungen

Die Cyclovoltammogramme von Komplex 32 konnten in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis von Prof. Dr. R. F. Winter (Universität Regensburg) aufgenommen werden. Hierbei wurden Lösungen von Tetrabutylammonium-hexafluorophosphat (0.1 M) als Elektrolyt und unterschiedliche Vorschubgeschwindigkeiten (200, 100 und 50 mV/s) verwendet. Die Spannungen wurden in Relation zu Cp2Fe0/+ ermittelt.

Ergebnisse

Das Cyclovoltammogramm von Verbindung 32 (Abb. 73) zeigt eine reiche Elektrochemie. Es sind Wellen von 5 getrennten Redoxprozessen zu erkennen.

Abb. 73: Cyclovoltammogramm von 32 im Bereich von 1.2 bis -2.2 V (v = 200 mV/s).

Drei davon liegen bei positiven Spannungen (relativ zu Cp2Fe0/+) und stellen sukzessive Oxidationen des Substrats dar. Zwei weitere, reduktive Prozesse finden bei Spannungen unter -0.8 V statt.

Die erste Oxidation besitzt ein mittleres Peakpotential von E1/2ox1 = 140 mV gegenüber Cp2Fe0/+ und scheint anhand der Peakhöhen näherungsweise vollständig reversibel zu sein (Ipk/Ipa ≈ 1). Die Reversibilität wurde des weiteren durch Variation der Vorschubgeschwindigkeit überprüft (siehe Abb. 75 links), hier bleibt sowohl das mittlere Peakpotential als auch das Verhältnis der Peakströme annäherend konstant. Da das Potential der Oxidation ähnlich dem von Ferrocen ist, liegt es nahe anzunehmen, dass die erste Oxidation am Ferrocenylrest der Verbindung stattfindet. Dies steht auch im Einklang mit den Koeffizienten des HOMO, welches fast vollständig am Ferrocenylsubstituenten lokalisiert ist (vgl. Abb. 74).

Abb. 74: HOMO von Verbindung 32.

Die Abweichung vom Oxidationspotential des unsubstituierten Ferrocens kann mit den Elektronen-ziehenden Eigenschaften der Allenyliden-(pentacarbonyl)chrom-Einheit erklärt werden. Diese sorgen dabei für eine Herabsetzung der Elektronendichte am Ferrocenylrest in 32, worin eine Oxidation bei höherer Spannung begründet ist.

Abb. 75: Cyclovoltammogramme der ersten (links) und zweiten (rechts) Oxidation bei RT und unterschiedlichen Vorschubsgeschwindigkeiten v = 50; 100; 200 mV/s.

Die weiteren Oxidationswellen (Abb. 75 rechts und Abb. 76 rechts) weisen bei Raumtemperatur eine erkennbare quasi-Reversibilität auf (bei E1/2ox2 = 490 mV und E1/2ox3 = 895 mV, jeweils bezüglich Cp2Fe0/+), da der gemessene Strom bei der Re-Reduktion merklich geringer ist, als bei der ursprünglichen Oxidation.

Abb. 76: Cyclovoltammogramme der zweiten Oxidation bei -78 °C (links) und der dritten Oxidation bei RT (rechts).

Durch Verringerung der Temperatur auf -78 °C kann im Fall der zweiten Oxidation jedoch eine sehr hohe Reversibilität erreicht werden (Abb. 76 links).

Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die höher oxidierten Spezies von Verbindung 32 thermisch instabil sind und eine Zersetzungsreaktion nach der zweiten Oxidation zur Abweichung von der idealen Reversibilität führt. Die Cyclovoltagramme der Reduktionsreaktionen sind in Abb. 77 dargestellt. Die erste Reduktion findet bei einer Spannung von E1/2red1 = -920 mV statt und ist

näherungsweise vollständig reversibel – die Variation der Vorschubgeschwindigkeit v ändert das Potential und das Verhältnis Ipk/Ipa ≈ 1 nicht. Im Vergleich dazu ist die zweite Reduktion bei E1/2red2 ≈ -1780 mV quasi-reversibel. Das Verhältnis der Peakströme ist deutlich kleiner als eins und durch Änderung der Vorschubgeschwindigkeit auf 100 bzw. 50 mV/s ändert die Lage des Mittelwerts der Peakpotentiale auf -1766 bzw.

-1762 mV.

Abb. 77: Cyclovoltagramme der Reduktionen von 32 bei v = 200 mV/s (links) und mit unterschiedlichen v (50; 100; 200 mV/s, rechts) bei RT.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Cyclovoltammetrie deuten zumindest für die jeweils ersten Oxidations- und Reduktionsschritte aufgrund ihrer Reversibilität auf eine relativ hohe Stabilität der entsprechenden Monokationen bzw. –anionen hin.

Ausgehend vom Potential kann angenommen werden, dass die erste Oxidation vermutlich am endständigen Ferrocenylrest stattfindet. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der Grenzorbital-Rechnung (siehe S. 70).

In Tabelle 12 sind die Oxidationspotentiale von Verbindung 32 im Vergleich mit denen literaturbekannter Komplexe[29, 87] (vgl. auch Abb. 78) dargestellt. Bei allen vier Komplexen sind dabei die Potentiale der ersten Oxidationen zu positiveren Spannungen bezgl. Cp2Fe0/+ verschoben und liegen in einem vergleichbaren Spannungsbereich. Bei den Referenzverbindungen R0 bis R2 konnten jedoch keine höheren Oxidationswellen im Cyclovoltammogramm beobachtet werden.

C C C (CO)5Cr

N Et

Fc

n Rn (n = 0, 1, 2)

Abb. 78: Vergleichssubstanzen R0 bis R2[29, 87].

Verbindung E1/2ox1 E1/2ox2 E1/2ox3

32 140 mV 485 mV 895 mV

R0 154 mV n.b. n.b.

R1 122 mV n.b. n.b.

R2 133 mV n.b. n.b.

Tabelle 12: Elektrochemische Daten (bzgl. Cp2Fe0/+) des Komplexes 32 im Vergleich mit Literaturwerten[29, 87].

Nachdem die aus der Cyclovoltammetrie erhaltenen Daten für eine Eisen-zentrierte Oxidation sprachen, war nun vor allem von Interesse, inwiefern eine elektronische Kommunikation zwischen dem Pentacarbonylchrom-Fragment und dem Ferrocenylrest stattfindet. Dies lässt sich beispielsweise anhand einer IR-spektroelektrochemischen Untersuchung der des Komplexes beleuchten.