• Keine Ergebnisse gefunden

Sonderfall der Sportverletzungen

Im Dokument REFORMOPTIONEN IM GESUNDHEITSWESEN (Seite 168-171)

Geschätzte Finanzierungsdefizite

3. Sonderfall der Sportverletzungen

Innerhalb dieser Ausschlußgruppe von nicht spezifischen Krank-heitsrisiken nimmt die bisherige Abdeckung von Risiken, die aus verletzungsgefährdeten, riskanten und extravaganten Sportarten resultieren, eine besondere Stellung ein. Deshalb stehen bereits besondere Versicherungen für spezielle Risiken zur Diskussion.

Dies gilt nicht nur für Sportverletzungen, sondern auch für Rau-cher, Personen, die dem übermäßigen Konsum von Alkohol nicht entsagen wollen oder ähnlich ungesunde Lebensweisen. (Dies ist durch Einführung eines „Bonusheftes" hinsichtlich der

Zahnkon-57 Beske/Ha/lauer, a.a.O., S. 31 1. Sp.

58 Vgl. etwa Uhlenbruck, a.a.O., S. 432 1. Sp.

trolle bei der gesetzlichen Krankenversicherung üblich, um später einen möglicherweise notwendigen Anspruch auf Zahnersatz geltend machen zu können.)

Von der Gegenseite wird der Vorschlag vornehmlich mit dem Ar-gument abgelehnt, dadurch könnten sich nur noch die Vermö-genden gewisse sportliche Aktivitäten leisten und es würde einer Rationierung nach dem Verursacherprinzip quasi gleichzusetzen sein. Dies ist nicht zutreffend; denn während eine Rationierung nach dem Verursacherprinzip schon deshalb nicht zulässig wäre, da diese denjenigen benachteiligen würde, der aufgrund seiner genetischen Veranlagung gezwungen ist, häufige und z. T. teure Behandlungen über sich ergehen zu lassen59 , liegen bei Aus-übung von Sportarten völlig andere Voraussetzungen vor. Sie fallen allesamt in den Bereich der beeinflußbaren Risiken. Zum einen wird gerade nicht, wie es bei einer Rationierung nach dem Verursacherprinzip der Fall wäre, die ärztliche Schweigepflicht unterlaufen, da bestimmte Risiken gesondert versichert wären, damit der Arzt nicht gezwungen wäre, selbstverschuldete Krank-heitsursachen zu offenbaren.

Zum anderen könnte auf ähnliche Voraussetzungen der Kraft-fahrzeugversicherung abgestellt werden, die ebenfalls als alltäg-lich und notwendig erachtet wird. Denn diese haftet für das bloße Halten eines Kraftfahrzeugs auf der Grundlage des § 7 [1] StVG und die daraus resultierenden möglichen betriebsspezifischen Gefahren. Hiergegen wiederum wird eingewandt, die Autohaft-pflichtversicherung trete lediglich für fremden Schaden bei einem verschuldeten Unfall ein, während die Krankenversicherung le-diglich die Sorge um den eigenen finanziellen Schaden im Krank-heitsfall nimmt60 . So sei die Kraftfahrzeugversicherung nur eine differenzierte Ausgestaltung der §§ 61, 62 WG, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung jedenfalls dann frei ist, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt oder seiner Scha-denminderungspflicht nicht nachkommt. Vielmehr wird vorge-schlagen, insbesondere den Rechtsgedanken des § 62 WG auf die Krankenversicherungsnehmer zu übertragen. Danach wären insbesondere Suchtkranke, die nach erfolgreicher Entziehung ihr bisheriges Umfeld nicht meiden wollen, erneut rückfällig werden

59 Uhlenbruck, a.a.O., S. 432.

60 Blaul/Biesing, a.a.O., 43 ff. (46).

und infolgedessen eine erneute Entziehungskur benötigten, ge-nauso wie ungeübte, risikobereite Sporttreibende durch ihr Ver-halten von einer derartigen Regelung betroffen61 . Jedoch bergen Sportarten jeglicher Art gewisse unvermeidbare Risiken, genauso wie bei entsprechender Konstitution ein dosierter Alkoholkonsum durchaus positive gesundheitliche Auswirkungen haben kann.

Ohnehin ist nach § 52 SGB V eine Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden, insbesondere Vorsatz, vorgesehen, wenn dieses auch häufig an Feststellungsschwierigkeiten scheitert. Ei-ne der Kfz-Versicherung ähnlich geartete Versicherung soll aber schon auf eine umfassende Versicherungspflicht vor dem Betrei-ben einer Sportart abzielen, insbesondere bei gefährlicheren Sportarten wie Skifahren, Tiefseetauchen oder Bungee-Springen.

Aufgrund der aus der vorgeschlagenen Regelung resultierenden Beweislastumkehr wäre es zudem dem Sportler häufig unmög-lich, den Anscheinsbeweis der Versicherung zu erschüttern. Eine Ausgliederung aus der GKV und die Einführung einer einheitli-chen Zusatzversicherung erscheint nicht zuletzt aus ordnungs-politischen Gründen vorzugswürdig. Es besteht mithin kein Argu-ment, weshalb dies nicht auch für das Betreiben von Sportarten bzw. die bloße Möglichkeit des Betreibens durch Besitz des not-wendigen Materials hierzu möglich sein sollte. Dies würde die Krankenkassen entlasten und es den einzelnen Ärzten und den Krankenhäusern ermöglichen, nicht ständig aufgrund von Bud-getierung, Sonderentgelten, Fallpauschalen und Richtgrößen den an sich bestehenden Nachrang des Wirtschaftlichkeitsgebotes möglicherweise unberücksichtigt zu lassen. Bei vielen Sportarten, etwa Skifahren, ist diese Gefahr und die damit möglicherweise verbundenen erhöhten Kosten - zumindest im Ausland - ohnehin schon (teilweise) durch die Auslandskrankenversicherung abge-deckt. Ob somit eine von der Gegenseite behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG vorliegt, mag ernst-haft bezweifelt werden.

Da eine Tendenz zu immer gewagteren und vor allem immer häufiger praktizierten Sportarten in der heute zweifelsohne beste-henden „Freizeitgesellschaft" unverkennbar ist, wird ein Aus-schluß dieser Krankheitsrisiken langfristig nicht zu vermeiden sein. Über andere Modelle der Finanzierung, etwa Abgaben auf Produkte, könnte zudem nachgedacht werden.

&1 B/au//Biesing, a.a.O., S. 47 1. Sp.

Durch den Ausschluß dieser Risiken aus dem Leistungskatalog der GKV würden diese einem anderen Rationierungsverfahren, dem Preisausschlußverfahren, überantwortet62 . Das Rationie-rungskriterium des Preisausschlußverfahrens stellt dabei die in-dividuelle Zahlungsbereitschaft dar. Die Kapazitäten kämen dann nämlich den zahlungsbereitesten, nicht unbedingt den einkom-mensstärksten Patienten zugute. Durch die entstandene An-spruchsgesellschaft in der heutigen Zeit würde dies einen sicher besonders schmerzhaften Einschnitt darstellen. Jedoch auch heute gewährleistet die GKV lediglich eine, wenn auch umfang-reiche Grundversorgung. Darüber hinausgehende individuelle Gesundheitsbedürfnisse müssen in großem Umfang mit privaten Zusatzversicherungen oder direkten Zuzahlungen befriedigt wer-den oder sogar von vornherein unberücksichtigt bleiben.

Mit dem scheinbaren Ausschluß des Kernpunktes des Solidari-tätsprinzips läßt sich von seiten der Gegner dieser Auffassung dagegen nur schwerlich argumentieren. Vielmehr kann es gerade nicht Sinn und Zweck des Solidarprinzips sein, übermäßig hohe Risiken und damit möglicherweise verbundene Kosten eines rela-tiv kleinen Teils der Bevölkerung zu Lasten der Unvermögenden abzurechnen. Es erscheint dagegen angemessen, eine starre und einseitige Ablehnung von Beschränkungen des Leistungska-talogs der gesetzlichen Krankenversicherung kritisch und objektiv zu überdenken.

Ähnliche Überlegungen gelten in gleicher Weise für die Absiche-rung des Krankheitsrisikos bei Auto- und Motorradunfällen. Vor-aussetzung hierfür, um den Versicherungsfall klar definieren zu können, ist ein eindeutiger Zusammenhang zwischen individuel-lem Verhalten und Risikoeintritt63 . Dieser ist zumindest bei Unfäl-len mit Personenschäden eindeutig erfüllt, da das versicherte Verhalten, d. h. die Benutzung eines Autos oder Motorrades, ur-sächlich für die Gesundheitsschäden des Unfallverursachers ist.

Im Dokument REFORMOPTIONEN IM GESUNDHEITSWESEN (Seite 168-171)