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Da unicht differenzierbar ist, k ¨onnen Grenzwerte von Folgen von H also aus dem Raum hinausf ¨uhren. Damit kann der Darstellungssatz von Riesz nicht angewendet wer-den. Gibt es einen Ausweg aus diesem Problem? Ja, er besteht darin, den Funktionen-raum zu ¨andern. Eine Idee lautet, den RaumHbez ¨uglich seiner Norm zu vervollst¨andi-gen, d.h. den RaumHzu betrachten, wobei der Abschluss bez ¨uglich der oben definier-ten Norm zu verstehen ist. Solche vervollst¨andigdefinier-ten R¨aume heißen Sobolevr¨aume. Wir untersuchen sie im folgenden Abschnitt genauer, bevor wir uns der L ¨osung des Pro-blems (5.3) zuwenden.

5.2 Sobolevr¨ aume

Wir definieren in diesem Abschnitt Sobolevr¨aume, die f ¨ur die schwache L ¨osbarkeit el-liptischer Differentialgleichungen essentiell sind, und notieren einige ihrer wichtigsten Eigenschaften. Die Beweise aller Eigenschaften w ¨urde den Rahmen dieses Manuskripts sprengen, und wir m ¨ussen f ¨ur Details auf die Literatur ¨uber Sobolevr¨aume verweisen;

siehe z.B. Adams [1] oder Troianiello [13].

Es sei im FolgendenΩ⊂Rneine offene Menge undkN0. Wir definieren auf dem VektorraumC()das Skalarprodukt

(u,v)Hk =

Ferner definieren wir (siehe Alt, 1.25 [2]):

Definition 5.3. Sei Ω ⊂ Rn offen. Der Abschluss von X = {uC() : kukHk() <

∞}bez ¨uglich der Normk · kHk()ist derSobolevraumHk(). Der Abschluss von C0() bez ¨uglich der Normk · kHk() ist derSobolevraumH0k(). Wir schreiben:

Hk() = X, H0k() =C0().

Die R¨aume Hk() und H0k() sind Hilbertr¨aume. Wir setzen H0() = L2(). Gem¨aß Definition kann eine Funktion u aus Hk() (bzw. H0k()) durch Funktionen unausC()∩Hk()(bzw.C0()) approximiert werden,

nlimkunukHk() =0.

Die obige Definition vermeidet das am Ende des vorigen Abschnitts erw¨ahnte Pro-blem der Nicht-Vollst¨andigkeit, aber sie hat den Nachteil, dass sie eher abstrakt ist. Wir k ¨onnen allerdings auch eine andere Charakterisierung des SobolevraumsHk()geben.

Satz 5.4 (Charakterisierung von Sobolevfunktionen). SeiΩ ⊂Rn offen. Dann gilt Hk() = {uL2() : DαuL2()f ¨ur alle|α| ≤ k},

wobei Dαu∈ D()die distributionelle Ableitung von u ist.

Beweisskizze. Der Beweis basiert auf folgender Idee: SeiZ ={uL2() : DαuL2(),

|α| ≤ k} und definiere die Abbildung J : Hk() → L2()durch J(u) = u, wobeiu = L2- limnunund(un)eine Cauchyfolge inC()sind. Wegen der ¨Aquivalenzrelation in Hk() ist J injektiv und nach der Definition der Norm in Hk() normerhaltend.

Man kann außerdem mit Hilfe der Faltung zeigen, daß Jsurjektiv aufZist. F ¨ur Details verweisen wir auf [2], Abschnitt 1.25. Folglich ist J : Hk() → Z bijektiv. Daher ist Z vollst¨andig und wir k ¨onnenZmitHk()identifizieren.

Da L2-Funktionen nur fast ¨uberall (d.h. bis auf Nullmengen) definiert sind, besteht Hk()eigentlich aus ¨Aquivalenzklassen von Funktionen, die bis auf Nullmengen ¨uber-einstimmen. In diesem Sinne giltu =vin Hk(), wennu(x) = v(x)f ¨ur allex\N und Neine Nullmenge ist.

Beispiel 5.5. (i) Die Funktion u(x) = |x| ist ein Element aus H1(−1, 1), denn die distributionelle Ableitungu, gegeben durchu(x) = −1 f ¨urx <0 undu(x) =1 f ¨ur x >0, istL2-integrierbar. Die zweite Ableitung vonulautet dagegenu′′ =2δ0, denn

5.2 Sobolevr¨aume 63 unstetigen Funktion ausH1. f ¨ur alleφ∈ D(−1, 1)folgt

Dieses Beispiel zeigt, dass Funktionen aus H1nicht stetig (fortsetzbar) sein m ¨ussen.

(iii) Die Funktion u(x) = sin(ln(1+1/|x|)) mit xB1(0) ⊂ R3 ist beschr¨ankt (im Gegensatz zum Beispiel in (ii)) und ein Element vonH1(B1(0)), aber an der Stelle

x =0 nicht stetig (siehe Abbildung 5.2).

Wie k ¨onnen wir uns Funktionen aus H01() vorstellen? Da sie durch Funktionen aus C0(), die samt allen Ableitungen auf Ω verschwinden, approximiert werden, k ¨onnen wir vermuten, dass auch Funktionen ausH01()aufΩgleich null sind,

uH01(), wenn uH1()und “u=0 aufΩ”.

Allerdings haben wir in dem obigen Beispiel gezeigt, dass Sobolevfunktionen nicht ste-tig sein m ¨ussen, also i.a. auf Ω nicht punktweise definiert sind. In welchem Sinn ist dann die Aussage “u = 0 auf Ω” zu verstehen? Dazu ben ¨otigen wir die Spur einer Funktion.

Satz 5.6 (Spur von Sobolevfunktionen). Sei Ω ⊂ Rn eine offene, beschr¨ankte Menge mit Ω ∈ C1. Dann existiert ein beschr¨ankter linearer Operator, genannt die Spur (engl.:

trace), T: H1() → L2(Ω)mit der Eigenschaft

T(u) =u| f ¨ur alle uH1()∩C0().

Abbildung 5.3: Illustration f ¨ur den Beweis von Satz 5.6. Die hellblaue Fl¨ache be-schreibtB+, die fette schwarze Linie istΓ.

Beweisskizze. Wir nehmen zun¨achst an, dassuC1() und dassΩin der N¨ahe eines Randpunktes x0“gegl¨attet” ist, also in der Menge{xn =0}liegt. Wir wollenTu :=u|Γ auf Γ definieren und m ¨ussen daher zeigen, dass kTukL2(Γ) = kukL2(Γ)CkukH1()

gilt. Sei Br(x0) eine Kugel um x0 mit Radius r > 0 und sei ξC0 (Br(x0)) mit ξ0 und ξ = 1 in Br/2(x0). Seien weiterΓ = Ω∩Br/2(x0) und B+ = Br(x0)∩ {xn > 0} (Abbildung 5.3). Dann ist

Z

Γu2ds ≤ Z

{xn=0}ξu2ds =− Z

B+

∂xn(ξ|u|2)dx (denn ξ =0 auf∂B+\{xn =0})

=− Z

B+

∂ξ

∂xnu2+2ξu ∂u

∂xn

dxC Z

B+

u2+ ∂u

∂xn 2

dxCkuk2H1(). Im vorletzten Schritt haben wir die Cauchy-Schwarz-Ungleichung auf u(∂u/∂xn) an-gewendet undξbzw.∂ξ/∂xn durchL-Normen abgesch¨atzt. F ¨ur den allgemeinen Fall zerlegt manΩin endlich viele Teilmengen, die in der N¨ahe eines Randpunktes “gegl¨at-tet” werden und definiertTu:=u|. Die obige Rechnung motiviert die Beschr¨anktheit vonT:

kTukL2()CkukH1().

Schließlich seien uH1() und (un) ⊂ C1() eine Folge von Funktionen, die uH1() approximiert, und definiere Tu := L2- limnTun. F ¨ur den vollst¨andigen

Be-weis siehe Theorem 1, Kapitel 5.5 in [7].

Der Satz ist auch g ¨ultig, wenn der Rand vonΩnur lipschitzstetig ist, d.h. lokal durch eine lipschitzstetige Funktion dargestellt wird. Dies gilt f ¨ur alle nachfolgenden S¨atze dieses Abschnitts, in denenC1-Regularit¨at des Randes gefordert wird.

5.2 Sobolevr¨aume 65

Sei uH01(). Dann existiert eine Folge(un) ⊂ C0(), so dassunuinH1(). Dann gilt gem¨aß dem obigen SatzT(un) = 0 und, daTein stetiger Operator ist,T(u) = 0. Es gilt auch die Umkehrung; siehe Theorem 2, Kapitel 5.5 [7]. Damit k ¨onnen wir H01()-Funktionen charakterisieren.

Satz 5.7 (Charakterisierung von H01-Funktionen). SeiΩ⊂Rneine offene, beschr¨ankte Menge mit∂Ω∈ C1. Sei ferner uH1(). Dann gilt

uH10() genau dann, wenn T(u) =0.

F ¨ur Sobolev-Funktionen kann die partielle Integration verallgemeinert werden.

Satz 5.8 (Gauß f¨ur Sobolev-Funktionen). SeiΩ ⊂ Rn eine offene, beschr¨ankte Menge mit∂Ω∈ C1und seien u1, . . . ,un, wH1(). Setze u= (u1, . . . ,un)T. Dann gilt

Z

(divu)wdx =− Z

u· ∇wdx+ Z

(u·ν)wds, wobeiνder ¨außere Normaleneinheitsvektor auf∂ist.

Das Randintegral ist alsR

(T(uν)T(v)dsundT(u) = (T(u1), . . . ,T(un))T zu in-terpretieren, wobeiTder Spuroperator ist. Dieses Integral ist definiert, daT(ui),T(v) ∈ L2(Ω). Der Satz kann durch Approximation mit Funktionen aus C0(Rn) beweisen werden; siehe Abschnitt A6.8 in [2].

Wir haben in Beispiel 5.5 gesehen, dass H1-Funktionen nicht unbedingt stetig sein m ¨ussen. Sind Hk-Funktionen stetig, wennkhinreichend groß ist? Der folgende Einbet-tungssatz zeigt, dass dies tats¨achlich der Fall ist.

Satz 5.9 (Einbettungssatz von Sobolev). SeiΩ ⊂ Rn eine offene, beschr¨ankte Menge mit∂Ω∈ C1und es gelte kn/2>m f ¨ur kNund mN0. Dann gilt

Hk() ֒→Cm(), d.h., es gibt eine Konstante C>0, so dass f ¨ur alle u∈ Hk()

kukCm()CkukHk().

Wir haben Hk() ֒→ Cm() anstatt Hk() ⊂ Cm() geschrieben, denn die Men-geninklusion ist streng genommen nicht korrekt, weil Hk() aus ¨Aquivalenzklassen von Funktionen besteht. Das Zeichen “֒→” deutet die folgende Aussage an: Jede ¨ Aqui-valenzklasse von Hk()enth¨alt einen Repr¨asentanten, der ein Element vonCm()ist.

Die Absch¨atzung derCm-Norm gilt dann f ¨ur diesen Repr¨asentanten.

Beweisskizze. Wir skizzieren den Beweis nur f ¨ur den Fallk=1,m =0 und

wobeiνden Einheitsnormalenvektor bezeichne. Integration ¨uberν∂B1(0)und Trans-formation der sph¨arischen auf euklidische Koordinaten viax =x0+liefert

meas(∂B1(0))|u(x0)| ≤ Mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung ergibt sich dann

meas(∂B1(0))|u(x0)| ≤

Der allgemeine Fall kann ¨ahnlich beweisen werden; siehe Seiten 330-335 in [2].

Abbildung 5.4: Illustration f ¨ur den Beweis von Satz 5.9.

B

R

(x

0

)

Ω

x0

x0+rν

Wir k ¨onnen die Aussage des Einbettungssatzes auch folgendermaßen formulieren:

Die Identit¨at ist eine stetige Abbildung von Hk()nachCm(), d.h., der Raum Hk() ist inCm()stetig eingebettet. Es gilt sogar:

Satz 5.10 (Rellich-Kondrachov). SeiΩ ⊂Rn eine offene, beschr¨ankte Menge mit Ω ∈ C1 und seien kN, mN0 mit k > m. Dann ist die Einbettung Hk() ֒→ Hm() kompakt, d.h., beschr¨ankte Mengen in Hk()sind pr¨akompakt in Hm().

5.2 Sobolevr¨aume 67

Ist also (un) eine beschr¨ankte Folge aus Hk(), so existiert eine Teilfolge (un) von (un), so dass(un)inHm()konvergiert, wennk >m. F ¨ur den recht technischen Beweis verweisen wir auf Kapitel 5.7 in [7].

Wir kehren zum Raum H01() zur ¨uck. Er hat die wichtige Eigenschaft, dass die Beschr¨anktheit von k∇ukL2() die Beschr¨anktheit von kukL2() impliziert. Unter der Normk∇ukL2() verstehen wir dieL2()-Norm von|∇u|. Genauer gilt:

Satz 5.11 (Poincar´e-Ungleichung). Sei Ω ⊂ Rn eine offene, beschr¨ankte Menge (be-schr¨ankt in einer Richtung gen ¨ugt). Dann existiert eine Konstante Cp > 0, so dass f ¨ur alle uH01()gilt:

kukL2()Cpk∇ukL2().

x1 Ω

–L L

Abbildung 5.5: Illustration f ¨ur den Beweis von Satz 5.11.

Beweis. Sei zun¨achstuC0(). Wegen der Beschr¨anktheit vonΩexistiert einL>0, so dass Ω ⊂ (−L,LRn1 (Abbildung 5.5). Mit partieller Integration und der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt:

kuk2L2() = Z

∂x1(x1u2)dx− Z

x1

∂x1(u2)dx= Z

x1u2ν1ds2 Z

x1u∂u

∂x1dx

2LkukL2()

∂u

∂x1 L2().

Hierbei haben wir benutzt, dassu=0 aufΩgilt. Wir erhalten also kukL2()2L∂u

∂x1

L2()2Lk∇ukL2() f ¨ur alleu ∈ D().

Sei nun uH01(). Nach Definition kann udurch eine Folge(un)ausD() appro-ximiert werden, so dassunuundun → ∇uf ¨urninL2()gelten. Dann folgt aus

kunkL2()2Lk∇unkL2()

durch den Grenz ¨ubergangndie Behauptung mitCp =2L.

Die Poincar´e-Ungleichung hat die Ungleichungskette

kuk2H1() =kuk2L2()+k∇uk2L2() ≤(C2p+1)k∇uk2L2() ≤(C2p+1)kuk2H1() (5.4) zur Folge, die zeigt, dassk∇(·)kL2() eine zuk · kH1() ¨aquivalente Norm in H01()ist.

Schließlich ben ¨otigen wir noch Sobolevr¨aume mit negativem Index. Betrachte etwa die Funktion u(x) = |x| f ¨ur x ∈ (−1, 1). Nach Beispiel 5.5 (i) gilt uH1(−1, 1), also uH0(−1, 1) = L2(−1, 1). Die zweite Ableitung u′′ existiert nur im distributionellen Sinne, und es ist naheliegend,u′′H1(−1, 1)zu schreiben. Im Folgenden definieren wir diesen Raum.

Definition 5.12. SeienΩ ⊂Rn eine offene Menge und kN. Wir definieren Hk()als den Dualraum von H0k(), d.h.

Hk() ={u: H0k() →R: u ist linear und stetig}. Der Raum Hk()ist mit der Norm

kukH−k() =sup{|u(φ)|: kφkHk

0() =1}, uHk(), versehen.

Ahnlich wie bei Distributionen verwenden wir f ¨ur¨ uHk() undφH0k()die Notationu(φ) =hu,φiHk. Jedes Element aus Hk()ist eine Distribution, Hk() ⊂ D(), denn f ¨uruHk()undφ∈ D(K)(K ⊂kompakt) folgt

|hu,φiHk| ≤ kukHk()kφkHk

0()CkukHk()kφkCk(K)

mit einer Konstante C > 0, die von K abh¨angt. Beispiele f ¨ur Elemente aus Hk sind L2()-Funktionen (via Identifikation), denn aus der Cauchy-Schwarz-Ungleichung er-halten wir f ¨ur alleuL2(),φH0k()undkN0:

|hu,φiHk|= Z

uφdx≤ kukL2()kφkL2() ≤ kukL2()kφkHk

0(). Damit erhalten wir die Inklusionskette:

D()⊂ Hk() ⊂L2() ⊂Hk()⊂ D(), k1.

Beispiel 5.13. Betrachte die Delta-Distribution δ ∈ D(), definiert durchhδ,φi = φ(0) f ¨ur φ ∈ D(). Wir behaupten, dass δHk(), wobei kN mit k > n/2.

Seien dazuφH0k()undφn ∈ D()eine Folge, die inHk()gegenφkonvergiert.

Dann erhalten wir mit dem Sobolevschen Einbettungssatz 5.9 f ¨urm =0

|hδ,φni| =|φn(0)| ≤ kφnkC0()CkφnkHk().

5.3 Existenz schwacher L ¨osungen 69

Im Dokument Partielle Differentialgleichungen (Seite 61-69)