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I. SPRACHENPOLITIK

4. FREMDSPRACHENUNTERRICHT UND DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE

4.1. SITUATION IM TSCHECHISCHEN SCHULWESEN

Im Folgenden möchte ich mich damit befassen, wie die Organisation des Fremdsprachenunterrichts in Tschechien genau aussieht. Die erste Fremdsprache setzt im Schuljahr 2006/2007 obligatorisch in der 3. Klasse ein, mit der Stundendotation 3 Stunden pro Woche. In den Schulen mit erweitertem Sprachenunterricht beginnt man mit der ersten Fremdsprache auch in der 3. Klasse, mit der zweiten Fremdsprache dann in der 6. Klasse. Die tschechischen Schüler haben die Möglichkeit, während des Grundschulbesuchs noch eine zweite Fremdsprache zu lernen - im Rahmen des Wahlfaches Fremdsprache - und zwar ab der 7. Klasse mit der Stundendotation 2 Stunden pro Woche. Spätestens aber ab der 8. Klasse und dann mit einer erhöhten Stundendotation. Als die zweite Fremdsprache muss obligatorisch Englisch gelernt werden, falls es früher nicht gelernt wurde (vgl. Soubor pedagogicko-organizacnich informaci pro matefske skoly, zakladni skoly, stfedni skoly, konzervatofe, vyssi odborne skoly, zakladni umelecke skoly, jazykove skoly s pravem statni jazykove zkouskya skolska zafizeni na skolni rok 2006/200i).

Dass der Staat zu seinen Prioritäten das Fremdsprachenlernen rechnet, zeigt sich in der erhöhten Stundendotation gerade ab dem 1. September 2006. In den 1. bis 5.

Jahrgängen wird die Stundendotation um 3 Stunden pro Woche erhöht und soll als Pflichtunterricht der ersten Fremdsprache ausgenutzt werden. Im 6. Jahrgang steigt die Stundenzahl um 1 Stunde wöchentlich als die sog. disponible Zeitdotation, von deren Ausnutzung der Direktor jeder Schule selbst entscheidet. Sie kann aber auch zum Fremdsprachenlernen ausgenutzt werden. Um eine Stunde wird auch der Stundenplan in dem 7. bis 9. Jahrgang erweitert, die als die sog. disponible Zeitdotation für den Fremdsprachenunterricht genutzt werden soll. Die Art und Weise der Nutzung wird von dem Schul direktor festgelegt (vgl. Vyhlaseni rozvojoveho programu Ministerstva skolstvi, mladeze a telovJchovy ze dne 17. ledna 2006, cj. 31042/2005-22. Rozsifeni

1 Pädagogisch-organisatorisches Informationswerk fur Kindergärten, Grundschulen, Mittelschulen, Konservatorien, Fachhochschulen, Grundkunstschulen, akkreditierte Sprachschulen und fur Schulinstitutionen für das Schuljahr 2006/2007 (Übersetzung: LN)

ucebnich planu vzdelavacfch programu pro zakladni vzdelavani 0 5 vyucovacich hodin od skolniho roku 2006/07\

Jede Schule kann noch ein freiwilliges Wahlfach "Fremdsprache" den Schülern anbieten, wenn es Interesse bei den Schülern gibt und die Schule dieses Fach mit einer qualifizierten Lehrkraft besetzen kann. Die Schulen haben auch die Möglichkeit finige Fächer in einer Fremdsprache zu unterrichten. Dafür muss um eine Genehmigung bei dem Ministerium für Schulwesen im Voraus ersucht werden.

Unerwähnt sollte nicht bleiben, was von den Schülern hinsichtlich der Fremdsprachenkenntnisse zu erwarten ist. Im 5. Jahrgang wird gemäß dem GER das Austrittsniveau auf der Niveaustufe Al vorgesehen, im 9. Jahrgang dann auf A2. Die Sprachkompetenzen der Abiturienten sollten bei der Stufe B2 liegen.

Das Lernen von zwei Fremdsprachen entspricht den Forderungen des Europarats, dass jeder Bürger mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen sollte. Die Auswahl von Fremdsprachen soll im Einklang mit der Mehrsprachigkeit so breit wie möglich sein, vor allem soll sich die Auswahl auf die Sprachen der Nachbarländer richten (Polnisch, Deutsch2).

Nach Giersberg (2004, 7) spielt eine bedeutende Rolle, ob in den Schulen zwei Fremdsprachen zu erlernen sind. Denn in den Ländern, wo Englisch nicht die Landessprache ist, wird das Englische als die erste Fremdsprache gelernt oder von den Schülern meistens ausgewählt. Das ist auch in Tschechien der Fall. Deshalb ist für das Deutsche wichtig, dass zwei Fremdsprachen in den Schulen gelernt werden. So gesehen hat Deutsch eine größere Chance als die zweite Fremdsprache. Denn obwohl das Deutsche nicht als die erste Fremdsprache in den meisten Fällen ausgewählt wird, zählt es trotzdem zu den großen und wichtigen Weltsprachen.

Was die Wahl der Fremdsprachen betrifft, können sich die Schüler in Tschechien selbst entscheiden, welche Sprache sie lernen möchten. Man sollte aber betonen, dass ihnen von Seiten der Bildungspolitiker Englisch als die erste Fremdsprache empfohlen wird. Den Eltern sollte erklärt werden, dass man ihnen bei einer anderen Wahl der ersten Sprache nicht garantieren kann, dass ~:i eine

1 Verkündigung des Entwicklungsprogramms des Ministeriums für Schulwesen vom 17. Januar 2006, Nr. 3 1042/2005-22. Erweiterung der Lehrpläne der Bildungsprogramme fur die Grundbildung um 5 Unterrichtsstunden ab dem Schuljahr 2006/07 (Übersetzung: LN)

2 Slowakisch wird nicht in die Fremdsprachenliste miteingeordnet, weil man sein Beherrschen im Rahmen der Methode "napric predmety zakladni skoly" ("querhin durch die Fächer in der Grundschule") bewältigen kann.

kontinuierliche Anknüpfung bei dem eventuellen Schulwechsel gewährleistet wird (vgl. Akcni plan vyuky cizich jazykü pro obdobi 2005 - 20081). Meistens wird demzufolge Englisch von den Schülern gewählt. Es scheint, dass sich die Schüler

"bei ihrer Wahl überwiegend an die am weitesten verbreiteten Sprachen ( ... ) halten. Dies könnte zum Teil auf den Einfluss der Eltern, zum Teil aber auch auf einen Mangel an für andere Sprachen qualifizierten Lehrkräften zurückzuführen sein" (Schlüsselfragen zum Sprachenlernen an den Schulen in Europa 2005, 11).

Die meistgelernte Sprache in fast allen Ländern ist Englisch, die zweite Position nehmen Deutsch oder Französisch ein (vgl. Schlüsselfragen zum Sprachenlernen an den Schulen in Europa 2005, 11). Das gilt auch für Tschechien, wo die am häufigsten unterrichtete Fremdsprache Englisch ist. Nach Eurostat, New Cronos 2004 (Schlüsselfragen zum Sprachenlernen an den Schulen in Europa 2005,49) lernen 67,4

% der Schüler in Tschechien Englisch, den zweiten Platz nimmt Deutsch mit 42,7 % der Schüler ein. Nach dem Institut Ustav pro informace ve vzdelane (2005, Tab. C1.5) lernen im Grundschulwesen 497.635 Schüler Englisch und 187.484 Schüler Deutsch.

In der Mittelschule lernen 388.840 Schüler Englisch und 298.709 Deutsch. Insgesamt im Schulnetz sind es 987.614 Englischlernende und 534.378 Deutschlernende. Hier ist sehr deutlich zu sehen, wie groß der Unterschied zwischen diesen zwei Fremdsprachen ist. House (2003, 100) nennt das Englische "als den Mehrsprachigkeits-Killer Nr. 1".

Man kann sich nicht wundern, denn meiner Meinung nach sinkt die Motivation der Schüler für das Lernen einer anderen Fremdsprache rapid, wenn sie erfahren, dass das Englische selbst zur Verständigung in beinahe allen Ländern genügt.

Nach dem Plan Akcni p16n vyuky cizich jazyku pro obdobi 2005 - 20083 werden die Austausche der Schüler, die Mobilität der Gruppen, Klassen und Pädagogen unterstützt, wodurch eine bessere Beherrschung von Fremdsprachen erzielt werden kann.

Es wird auch darüber nachgedacht und in den Fachkreisen diskutiert, ob man mit dem Fremdsprachenlernen nicht früher anfangen sollte. Nach dem Plan Akcni plan vyuky cizich jazyku pro obdobi 2005 - 20084 heißt es: Man spricht hier von positiven

I Aktionsplan des Fremdsprachenunterrichts für den Zeitraum 2005 - 2008 (Übersetzung: LN)

2 Institution für die Informationen in der Bildung (Übersetzung: LN)

3 Aktionsplan des Fremdsprachenunterrichts für den Zeitraum 2005 - 2008 (Übersetzung: LN) Ebenda.

Einflüssen des frühen Fremdsprachenlernens. Fremdsprachenbildung in den Kindergärten und in den Grundschulen entwickelt Schlüsselstellungen zu den Sprachen und Kulturen. Der frühzeitige Fremdsprachenunterricht wird nicht klassisch betrachtet, sondern vor allem als eine Vorbereitung auf die Sprachenaneignung. In den ersten zwei Jahren der Grundschule kann das Fremdsprachenlernen für Freiwillige fortgesetzt werden. Für einen frühzeitigen Fremdsprachenunterricht braucht man qualifizierte Lehrende, die speziell darauf vorbereitet werden.

Das Hauptziel des Fremdsprachenunterrichts ist die Kommunikation, aber die Schüler werden dazu meistens noch nicht kontinuierlich geleitet. Im Unterricht wird die Fremdsprache nicht im genügenden Maß benutzt und so entspricht der Unterricht nicht den Bedürfnissen der Schüler. Damit man den heutigen Bedürfnissen nachkommt, ist es nötig, die Qualität des Fremdsprachenunterrichts zu verbessern.

Hendrich (2001/2002, 74) schlägt vor, sich mit folgenden Prioritäten zu beschäftigen, die zur Verbesserung der heutigen Situation hinsichtlich des Fremdsprachenunterrichts führen können: alle Schulen mit der modernsten didaktischen Technik, einschließlich Internet, auszustatten; das Europäische Sprachenportjolio in den Schulen einzusetzen; die Fachmitarbeit der Fremdsprachenlehrenden zu entwickeln und zu unterstützen; zuständige Gehaltbedingungen für alle Lehrenden und Facharbeiter in verschiedensten Schulinstitutionen zu schaffen; solche Maßnahmen zu ergreifen, die eine bessere V orbereitung und Erhöhung der Zahl der künftigen Lehrenden erzielen und die lebenslange Weiterbildung für SIe sichern. Zur Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts könnte auch die Beantwortung folgender Fragen emen gewissen Beitrag leisten:

"Was lässt sich tun, damit wertvolle Lernzeit für den Sprachenerwerb effektiver genutzt wird 7

Müssen zweite und dritte Fremdsprachen so gelernt werden wie die erste"

(Behier 1999, 8)7

Eine mögliche Antwort können den Lehrenden die Prinzipien der Tertiärsprachendidaktik geben, mit der ich mich im nächsten Kapitel beschäftige.