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4 Modellbildung

4.2 Entwicklung des VBS-Modells

4.2.3 Definition der Modellkomponenten

4.2.3.3 Service-Entwicklung

Kapitel 4: Modell 96

Pa-Kapitel 4: Modell 97

rameterverläufe erlaubt, sich anbahnende Störungen zu erkennen und rechtzeitig ei-nen Wartungszeitpunkt anzusetzen. Die Wartungszeitpunkte richten sich also nicht nach fest vorbestimmten Zeitintervallen und einzelnen spezifischen Wartungskriterien, sondern werden abhängig vom individuellen Nutzungsprofil angesetzt (dynamische Wartungsintervalle, vgl. Eisenhut (1999) und Rekola (2006)).

Es gibt auch andere Konzepte zur Erfassung von produktbegleitenden Serviceleis-tungen, die primär das Ausfallrisiko der Hauptprodukte fokussieren und dadurch den Unternehmenserfolg sichern. Alsyouf (2007) stellt beispielsweise für die schwedische Papierindustrie fest, dass Wartung und Instandhaltung nicht nur Kostenaspekte, son-dern auch Gewinnpotentiale aufweisen. Dabei beschreibt er weitere Kategorien von prozessbezogenen Leistungen, die die bekannten reaktiven und präventiven Service-kategorien um weitere so genannte „Predictive“ und „Holistic“ Leistungen ergänzen.

Die oben festgelegte Definition der verschiedenen Kategorien von Serviceaktivitäten und -inhalten bezieht sich hauptsächlich auf technische Aspekte. Da das VBS-Modell auch Serviceleistungen darstellt, die keinen technischen Bezug haben, muss der In-halt dieser Leistungen mit der oben angegebenen Definition für die Service-Intensität analysiert werden. Durch die fehlende Erfahrung in der quantitativen Bewertung der Service-Intensität wird im Folgenden lediglich zwischen reaktiven und präventiven Serviceleistungen unterschieden.

Im Rahmen des VBS-Modells wird davon ausgegangen, dass eine reaktive Service-leistung unmittelbar nach Eintreten einer Unterbrechung der VBS-Wertschöpfungs-kette oder bei einem mangelhaften Prozessablauf erbracht werden muss. Unter dem Begriff reaktive Serviceleistung werden in diesem Zusammenhang alle Reaktions-maßnahmen verstanden, die an der VBS-Wertschöpfungskette und mit einer entspre-chenden Service-Intensität erbracht werden. Die Reaktionsmaßnahmen beziehen sich auf Fehler oder Störungen der VBS-Wertschöpfungskette einer Produktion. Die reaktive Serviceleistung schließt einen Leistungsinhalt ein, der nicht nur einen Fehler beseitigt, sondern auch eine Fehlerwiederholung dauerhaft und sicher ausschließt.

Dabei wird ein Fehler oder eine Störung als die Nichterfüllung einer Qualitätsanforde-rung im Qualitätsmanagement nach Linß (2002) verstanden. Alle diese Maßnahmen, die als Reaktion eines Fehlverhaltens im Produktionsprozess oder auf kundenseitige Anfrage eingeleitet werden, haben (laut DIN 31 051) als Ziel die Erhaltung des

funkti-Kapitel 4: Modell 98

onsfähigen (ursprünglich vereinbarten) Zustandes oder die stabile Wiederherstellung der Wertschöpfungskette.

An die Reaktionsmaßnahmen werden im Wesentlichen drei Anforderungen gestellt:

1. Die Reaktionsmaßnahmen sollen schnell und effektiv auf den Bedarf bzw. auf die Anfrage reagieren, und zwar mit konkreten Korrekturmaßnahmen.

2. Der Effizienzanspruch des VBS-Models setzt eine gründliche Fehleranalyse und die Ermittlung geeigneter Fehlervermeidungsmaßnahmen voraus. Damit wird sichergestellt, dass die Fehlerursachen und alle weiteren möglichen Fehlerquel-len dauerhaft beseitigt werden. Daher solFehlerquel-len die Reaktionsmaßnahmen garan-tieren, dass im System künftig keine weiteren Störungen auftreten.

3. Die Reaktionsmaßnahmen sollen Fehlerfolgekosten minimieren. Das heißt, durch geeignete, präventive Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die durch die Schäden verursachten Kosten minimiert werden. Somit entsteht ein Ursa-che/Wirkungskreislauf, der durch eine intensivere Behandlung der Fehlerursa-chen und -vermeidung eine Minderung der Folgeschäden bewirken kann.

Die reaktive Serviceleistung wird oft durch gesetzliche Vorgaben, Normen oder durch Gewährleistungsrechte garantiert. Letztlich führt die Sicherstellung dieser Serviceleis-tungen zu einem hohen Ressourcenbedarf, der mit einer geringen Effizienz einher-geht. Die geringe Effizienz wird einerseits durch die Bereithaltung der Ressourcen für ein Serviceangebot verursacht, das jederzeit und überall angefordert werden kann.

Andererseits wird die reaktive Serviceleistung immer zur Behebung von Störungen (Instandsetzung) eingesetzt, die auf Qualitätsmängel des Primärproduktes hindeuten und oft zur Minderung der Kundenzufriedenheit führen (Jestädt, 2007).

Ein klassisches Beispiel reaktiver Serviceleistungen ist ein Reparaturdienst mit einem Monteureinsatz. Solche Serviceleistungen sind heutzutage gängige Praxis bei den Vertriebs- und Servicegesellschaften nicht nur der Druckmaschinenhersteller, son-dern auch aller anderen Anlagen- und Maschinenhersteller (Jestädt, 2007). Darüber hinaus existiert ein durch zahlreiche Normen des nationalen (DIN 31 051) und des

Kapitel 4: Modell 99

internationalen Qualitätsmanagements (ISO 9000:2005) reglementiertes Verständnis für die Anforderungen und Ausgestaltungsmechanismen der reaktiven Serviceaktivitä-ten zwischen den Leistungsanbietern und Leistungsabnehmern. Ein besonderes Bei-spiel reaktiver Serviceleistung als automatische Ressource ist das „self-maintenance“

Konzept von Shimomura et al. (1995). Dabei werden automatisch Fehler und Störun-gen erkannt und mit einer vorgegebenen Toleranz korrigiert.

Als präventive Serviceleistungen werden im Sinne des VBS-Modells alle jene Leis-tungen bezeichnet, die nicht unmittelbar nach Eintreten eines Aktionszeitpunktes er-bracht werden. Dazu gehören auch alle anderen Leistungen, die ohne Eintreten eines Aktionszeitpunktes erbracht werden. Alle Wartungsarbeiten und auch alle anderen nicht technischen Serviceleistungen, die einem Kunden angeboten werden, würden demnach unter den Begriff „Prävention“ subsumiert. Im VBS-Modell werden die prä-ventiven die proaktiven Serviceleistungen als präventive Serviceleistungen zusam-mengefasst. Als „präventive Serviceleistung“ werden alle Unterstützungsmaßnahmen bezeichnet, die vorbeugend an einer bestimmten Stelle der VBS-Wertschöpfungs-kette und mit einer bestimmten Service-Intensität erbracht werden.

Das Verständnis für die Prävention einer Serviceleistung wird in diesem Zusammen-hang in Anlehnung an Frank H. Knight (1921) definiert. In seiner Veröffentlichung

„Risk, Uncertainty and Profit“ beschreibt er den Unterschied zwischen den messbaren und unmessbaren Unsicherheiten. Als Risiko bezeichnet er eine messbare Unsicher-heit (measurable uncertainty). Die nicht messbaren UnsicherUnsicher-heiten (immeasurable uncertainty) stellen nach seinem Ansatz die Ungewissheit bzw. Unsicherheit des Un-ternehmens dar. Eine präventive Serviceleistung richtet sich nicht zwingend auf die Minderung des Risikos aus, sondern durchaus auch auf eine quantifizierende Ermitt-lung des Risikopotentials oder auch auf die Minimierung der Unsicherheit eines Ge-schäftsprozesses.

Für die präventiven Serviceleistungen wird angenommen, dass bestimmte Anzeichen im Fall einer Störung im Produktionsprozess kurzfristig oder langfristig vor der Stö-rung auf sie hindeuten. Diese Anzeichen sollen erfasst, gemessen und analysiert werden, damit eine zustandsorientierte Vorhersage über die Wirksamkeit des Ge-schäftsprozesses ermittelt werden kann. Die Vorhersage ermöglicht die Ableitung von

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Handlungsalternativen, die nicht nur den Zustand der Produktionsanlage, sondern auch die Effizienz des Geschäftsprozesses erhalten können und sogar möglicherwei-se optimieren.

Präventive Serviceleistungen unterscheiden sich in zwei wesentlichen Kriterien von reaktiven Serviceleistungen:

1. Präventive Serviceleistungen werden angeboten, ohne dass ein bereits erkenn-barer Fehler bzw. eine Störung im Produktionsprozess ihre Leistung erfordert.

2. Präventive Leistungen können ohne Anfrage des Kunden auf Leistungserfüllung realisiert werden.

Somit kann die präventive Serviceleistung als eine Ergänzung der herkömmlichen Serviceentwicklung durch neue Services betrachtet werden, die innerhalb der Servi-ce-Intensität nicht nur die Effizienz der Serviceleistung, sondern auch die strategische Zielsetzung des gegebenen Geschäftsprozesses in den Vordergrund setzen.

Zur Entwicklung sowohl von präventiven als auch von reaktiven Serviceleistungen werden im VBS-Modell die allgemeingültigen Methoden der Produkt- und Serviceent-wicklung (vgl. Abschnitt 3.5, Seite 52) eingesetzt. Mit diesen in der Praxis bewährten Methoden sollen zunächst alle reaktiven und anschließend auch die präventiven Ser-viceleistungen für das VBS-Modell analysiert werden. Damit werden Serviceleistun-gen definiert, die für die VBS-Wertschöpfungskette einer Produktion (z.B. Printme-dienproduktion) mit einer bestimmten Service-Intensität erbracht werden.

Zwei Argumente begründen dieses Vorgehen:

1. Das VBS-Modell sieht einzelne Serviceleistungen mit definierten Zielen, Res-sourcen und Umfeldbedingungen vor. Durch die Abszisse, die VBS-Wert-schöpfungskette (Einsatzort der Serviceleistung) und durch die Ordinate sowie durch die Service-Intensität (Ressourcen/Nutzen-Relation) wird die Anwendung von Produktentwicklungstechniken und Methoden begründet.

Kapitel 4: Modell 101

2. Die Serviceentwicklung ist der Entwicklung eines klassischen Industrieproduktes sehr ähnlich (Kleppel et al., 2005). Deshalb sollen industrielle Serviceleistungen genau so wie Investitionsgüter entwickelt werden (Gill, 2004).

Nachdem die Modellkomponenten vorgestellt wurden, wird im Weiteren das Verfah-ren zur Erstellung des VBS-Modells näher erläutert.