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In einigen Fällen lag eine Kaiserkultstätte zwar im unmittelbaren Umkreis einer Agora, bildete jedoch einen eige-nen Bezirk außerhalb des Marktes. Es bestand trotz der Trennung eine enge räumliche Beziehung zwischen Hauptplatz und Sebasteion.

238 s.u. 157, 172, 408 f.

65 Das Domitian-Heiligtum in Ephesos

In Ephesos findet man die enge Verflechtung von Agora und abgegrenztem Kaiserkultbezirk in exemplarischer Weise. In der flavischen Zeit wurde zu Ehren des Domitian und seiner Familie ein großer Tempelbezirk innerhalb der Stadt in unmittelbarer Nähe des „Staatsmarktes“ für den provinzialen Kult errichtet (Abb. 6). Die Identifizie-rung des Tempels, die auf J. Keil zurückgeht, beruht hauptächlich auf der entsprechenden Benennung eines 1930 in den Substruktionen der Tempelterrasse gefundenen, aber keinem bekannten Typus eindeutig zuzuord-nenden Kaiserporträts, Teil des einstigen Akrolithkultbildes, und dem Temenos zugewiesenen Städteweihungen, an denen der eradierte Name des Domitian durch den seines Vaters Vespasian ersetzt wurde. Wahrscheinlich stellte das kolossale Bildnis gar nicht Domitian vom Beginn seiner Herrschaft mit Zügen des Porträts seines verstorbenen Bruders und Vorgängers Titus, wie einige Forscher vermuteten, sondern vielmehr Titus selbst dar.239S.J. Friesen und M. Dräger, der zudem Zeus Olympios als Kultpartner ansieht, untermauerten die Deu-tung des Tempels als Kaiserkultbau mit neuen Argumenten zu den Umständen seiner Erbauung.240 Dräger geht von einer Genehmigung des Heiligtums im Jahr 83/84 aus, während P. Scherrer die Einweihung 88/9 n.Chr.

ansetzt, ohne dass wir etwas über den damals erreichten Grad der Fertigstellung des Baukomplexes wissen.241 Die provinziale Aufgabe ergibt sich aus dem seit dieser Zeit dokumentierten Stadttitel Neokoros und den ange-sprochenen Weihinschriften. Die weitgehende Freilegung der Domitianterrasse erfolgte 1960-61 und 1969-70.242 Durch die Nähe zur oberen Agora, an der die wichtigsten Amtsgebäude zu finden waren, und zur Hauptstra-ße, die in westöstlicher Richtung verlief, befand sich der Koinontempel im damaligen Zentrum der Stadt. Der

239 Zur Forschungsgeschichte des Kopfes und weiteren Fragmenten, die ungefähr an derselben Stelle wie dieser in einer späteren Mauer des Heiligtums vor dem nördlichen Eingang in die westliche Kryptoporticus mit anderen Spolien verbaut aufgefunden wurden: D. Kreikenbom, Griechische und römische Kolossalporträts bis zum späten ersten Jahrhundert nach Christus, 27. Ergh. JdI (1992) 102 f., 213-215. J. İnan – E. Rosenbaum, Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor (1966) 67 Nr. 27 gingen wie Keil von einem Domitianbildnis aus, während M. Wegner in: G. Daltrop – U. Haus-mann – M. Wegner, Die Flavier (1966) 86, 100 und P. Zanker, Provinzielle Kaiserporträts, AbhMünchen 90 (1983) 23 das Porträt typologisch als Titusbildnis deuteten. Dem schloss sich Burrell 255-256 an. Auch wenn K. Fittschen, Katalog der antiken Skulpturen im Schloss Erbach (1977) 64-65 mit Recht hervorhob, dass die Porträts beider Kaiser zum Verwechseln ähnlich sind, und sich M. Dräger, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit (Diss. Kiel 1993) 125 mit Anm. 6 ungeachtet der Argumente von Kreikenbom a.O. und V.M. Strocka in: Festschrift J.İnan I (1989) 85 f. wieder für ein Bildnis des ur-sprünglichen Tempelinhabers Domitian entschied, überzeugen die typologischen und historischen Argumente letzterer, die nicht zuletzt wegen der Damnierung des Domitian die Existenz eines Kultbildes von diesem Kaiser anzweifeln, für Titus im Typus einer Panzerstatue mehr. Einige Fragmente, was R. Meriç, der an einem Domitianbildnis wiederum festhielt, in: Pro Arte Antiqua. Festschrift H. Kenner II (1985) 139-141 herausarbeitete, gehören zu einer zweiten Kolossalfigur, vielleicht Vespasian im Jupiterschema, dem der Tempel nach der Damnierung Domitians schließlich (mit Titus?) geweiht wurde.

240 Friesen passim; Dräger a.O. 122-126 schließt in Anlehnung an andere provinziale Kaiserkultverbindungen aufgrund des häufigen Auftretens auf ephesischen Münzbildern dieser Zeit auf eine Kultkoppelung mit Zeus Olympios. Eine Erweiterung um die Gemahlin Domitia Augusta, um Iulia Augusta und um die Divi Augusti sei anzunehmen.

241 P. Scherrer in: „...und verschönerte die Stadt...“. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld, Sonder-schr. d.Österr.Arch.Inst. 27 (1997) 108 ff.; Halfmann, Städtebau 40. Die Einweihung erfolgte, als die mit dem Tempel ver-bundenen penteterischen olympischen Spiele einsetzten und erstmals ein Neokoros, ein Tempelwart, für diesen Kultbau überliefert ist, wofür ein bereits nutzbarer Tempel vorauszusetzen ist. s. auch Friesen 44-49; s.u. 422-425.

242 H. Vetters, ÖJh 50, 1972/75, Beibl. 313: Die Grabungen erfolgten unter der Leitung von S. Türkoğlu und R. Meriç. Dazu R. Meriç in: Pro Arte Antiqua. Festschrift H. Kenner II (1985) 239-241; Strocka a.O. 85 f.. Eine ausführliche Publikation steht noch aus.

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provinzialen Kaiserkultstätte wurde damit zugleich ein Bauplatz zugewiesen, der nicht weit von den städtischen Sebasteia aus julisch-claudischer Zeit entfernt lag. Doch im Gegensatz zum flavischen Komplex waren die älte-ren alle unmittelbar an der Agora bzw. hinter der Basilike Stoa angesiedelt. Die Nachbarschaft von Hauptagora und Neokorietempel sowie von diesem zu den städtischen Kaiserbezirken ist für die Provinz Asia ein bislang einmaliger Fall.

Der nicht ganz mittig auf der Temenosterrasse postierte Tempel war wahrscheinlich auf allen Seiten von Hallen umgeben. Vielleicht wurde im Osten aber auch auf eine Stoa verzichtet, um eine Blickachse von der obe-ren Agora über den Altar bis zum Kultbau herzustellen. Wie aus den Grabungen hervorgeht, mussten für die imposante Anlage innerhalb der Stadt in einem eng bebauten Stadtviertel zunächst mehrere Wohnhäuser abge-rissen und ein größerer Bereich neu gestaltet werden. Kryptoportiken und eine umfangreiche Aufschüttung („rie-siger künstlicher Berg“) waren für die Terrassierung an einem Hang unmittelbar oberhalb der ungünstigen und schmalen Talsenke notwendig.243 Der Kaisertempel thronte fortan auf der künstlichen Ebene weithin sichtbar über Agora und Hauptstraße. Sein Blickfeld reichte von der Hafenebene im Westen bis zur Umgebung, die sich im Osten der Stadt erstreckte. Der Tempel nahm eine äußerst günstige Stelle ein, die in der Nähe des höchsten Punktes lag, den die Talsohle zwischen den beiden innerhalb des Stadtgebietes gelegenen Berggipfeln Panajır Dağı und Bülbül Dağı erreichte (Abb. 6 und 18). Zugleich rückte das flavische Sebasteion, näherte man sich dem Stadtkern von der Hafenebene oder vom Magnesischen Tor aus, trotz seiner baulichen Eigenständigkeit an die Agora heran. Der Blick fiel somit sowohl von der Küste als auch von der wichtigen Überlandstraße aus Magnesia am Mäander und Tralleis im Osten der Stadt auf den großen Tempelkomplex.

Im Zuge der Planung des Heiligtums wurde auch der Bereich unterhalb der augusteischen Agora zur „Kure-tenstraße“ hin umstrukturiert. Der Bezirk um das Temenos war neben dem Theater, in dem sich ein Großteil des Neokoriefestes abgespielt haben dürfte, der zweite urbanistische Schwerpunkt in flavischer Zeit.244 Es bildete sich dabei ein neues städtebauliches Zentrum vor allem um den Terrassenvorplatz („Domitianplatz“) heraus, den einige wichtige zum Teil schon ältere, viele aber erst mit dem „Domitianeion“ entstandene Ehrenmonumente säumten. Das vom Sohn des Pollio, des Erbauers der augusteischen Marktbasilika, gestiftete „Denkmal des Pollio“ wurde neben dem zum Hallengebäude gehörenden Westchalcidicum wohl erst in der domitianischen Ära fertiggestellt und zum Teil in ein Artemis und Domitian geweihtes Nymphäum umgewandelt (Abb. 6 Nr. 12).245 Die von B. Andreae dem Agoratempel zugeschriebenen Giebelfiguren mit einer Szene aus dem Polyphemaben-teuer des Odysseus gelangten dabei in dessen Ausstattung. Am nördlichen Rand des Platzes stand außerdem das späthellenistische Monument des C. Memmius (Abb. 6 Nr. 14). Hier handelt es sich wohl um ein aufwendig gestaltetes, an ein Tetrapylon erinnerndes Grabmal oder Kenotaph eines Enkels des römischen Diktators Sulla,

243 A. Bammer, Architektur und Gesellschaft in der Antike. Zur Deutung baulicher Symbole (21985) 124.

244 Zum Theater: Dräger 152; S. Karwiese in: Scherrer 160-163 (mit Lit.).

245 F. Miltner, ÖJh 45, 1960, Beibl. 27-41 (vielleicht ein Ehrengrab); I. Kader in: M. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild (1995) 219 f. (mit Lit.); P. Scherrer in: Scherrer 92. Zuletzt B. Andreae in: Friesinger–Krinzinger 531-533. Die Einweihung des Brunnens erfolgte, wie aus der Dedikationsinschrift hervorgeht, 92/3 n.Chr. Dazu H. Engelmann, ZPE 10, 1973, 89 f.

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das gewissermaßen den Endpunkt der großen Verkehrsader von der Unter- zur Oberstadt bildete.246 Zwischen diesem Denkmal und dem Sockelbau führte der clivus sacer als Verlängerung der „Kuretenstraße“ zum

Prytaneion hinauf. An der markanten Stelle östlich der Terrasse, an der die Hauptstraße vom Magnesischen Tor auf die von Norden kommende „Domitiangasse“ trifft, wurde auf der dem Temenos gegenüberliegenden Seite durch die Genehmigung des römischen Statthalters von Asia C. Laecanius Bassus Caecina Paetus oder durch dessen Vermittlung beim Kaiser im Jahr 80/1 n.Chr. durch die Stadt das sog. Wasserschloss (Hydrekdochion), eines der glanzvollsten Nymphäen, das jemals in Ephesos in Auftrag gegeben wurde, errichtet (Abb. 6 Nr. 8).247 Der unterhalb des Temenos und der Agora liegende Platz war zudem mit dem Kultbezirk der flavischen Kaiser durch den Hauptzugang inmitten der Prachtfassade des Terrassenunterbaus, bestehend aus einer repräsentati-ven Treppenanlage, direkt verbunden, wohingegen mit dem „Staatsmarkt“ keine unmittelbare Verknüpfung be-stand. Außerdem fand parallel zur Umgestaltung des Stadtviertels offenbar auch ein Ausbau der „Kuretenstraße“

mit einer Pflasterung durch Marmorplatten (94/5 n.Chr.) und Statuenstiftungen sowie die Verlegung einer großen Wasserleitung (œäùñ Äïìéôéáíüí), vermutlich zur Versorgung der unter Domitian neu entstandenen Brunnen-anlagen, statt.248

In Ephesos fiel die Entscheidung gegen die entrückte Berglage aus, die etwa in Ankyra zur Zeit des Augustus oder auch in Pergamon einige Jahrzehnte nach dem Heiligtum der Provinzhauptstadt ausgewählt wurden. Man erreichte dafür aber trotz der durch die Terrasse verursachten Abgeschlossenheit eine engere Anbindung an das öffentliche Stadtleben. Zudem wohnten in der unmittelbaren Nachbarschaft, etwa in den sog. Hanghäusern, sicher auch viele der vornehmsten Familien, die vielleicht auch die Priester für den Kaiserkult stellten.249 Das mit

„Embolos“ bezeichnete Stadtviertel im Umkreis des Heiligtums kann als „Nobelbezirk“ von Ephesos bezeichnet werden.250 Der Verwirklichung einer strengen Axialität verschiedener Baukomplexe, inklusive einer breiten Frei-treppe bzw. eines Propylons wie in der römischen Koloniestadt Antiocheia und in der neu ausgebauten Stadt Pessinous, stand in Ephesos die topographische Situation entgegen. Dennoch werteten Lage, Architektur und Höhenstaffelung den Kaiserkult unverkennbar auf. Sie dokumentieren eindrucksvoll den ihm zukommenden großen gesellschaftlichen und urbanistischen Stellenwert. Die gesteigerte Wirkung im Stadtkontext wurde der Wichtigkeit der Anlage für die Provinz Asia und für die Stadt Ephesos gleichermaßen gerecht.

Die Kultbezirke aus späthellenistischer und frühaugusteischer Zeit befanden sich in Ephesos bereits eben-falls an prominenter Stelle, wurden jedoch weder in der Größe noch in der Disposition so in den Vordergrund ge-stellt wie der flavische Kaisertempel. Wie unscheinbar wirkt im Vergleich zu diesem das sog. Doppelmonument, das ursprünglich vielleicht Dea Roma und Divus Iulius bestimmt und als kultisches Zentrum der italischen Be-wohner von Ephesos gedacht oder auch Augustus und Artemis geweiht war. Es bestand zunächst noch nicht

246 W. Alzinger – A. Bammer, FiE VII (1971) 1-107.

247 P. Scherrer in: ders. (Hrsg.), Ephesos (1996) 79 f. (mit Lit); Halfmann, Städtebau 39 f.

248 Dräger 157-161.

249 Vgl. E. Elliger, Ephesos (1985) 72 (etwa „Hanghaus 1“ mit einem Peristyl).

250 L. Oberleitner, Ephesos (1978) 135; D. Knibbe, Berichte und Materialien 1, 1991, 6 Anm. 2.

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aus dem schmuckvollen „rhodischen Peristyl“, das erst später eventuell zur Zeit der flavischen Kaiser oder etwas früher hinzukam, umfasste dafür aber wahrscheinlich einen Doppeltempel auf einem gemeinsamen Podium. Er wurde bereits von Anfang an vom Prytaneion und Bouleuterion eingekeilt. Von der bald darauf errich-teten Basilike Stoa wurde er schließlich vollends verdeckt.251 Selbst der auffälligere Agoratempel war trotz seiner besonderen Position und Achsenstellung auf dem Platz nur ein Teil des gesamten Marktkomplexes und wurde zudem von der mächtigen Basilika überragt, so dass er außerhalb des Agorabereichs wesentlich schlechter zu erkennen war als der jüngere Kaisertempel.252

Hingegen ist die Apostrophierung D. Knibbes, das Domitian-Heiligtum sei ein „Spiegelbild der Megalomanie seines Inhabers“, nicht gerechtfertigt, mag der Kaiser auch zu den umstrittensten römischen Herrschern zäh-len.253 Die Strukturierung des öffentlichen Raumes und die eingesetzten architektonischen Mittel bewegen sich völlig im Rahmen der Vorläufer und Nachfolger, wie im Verlauf der Arbeit noch deutlich werden wird. Sie haben mit Domitians Wesen wenig zu tun.

Die Abgeschlossenheit des Domitian-Bezirks gegenüber der oberen Agora, dem Herz des kommunalpoliti-schen Lebens, hing neben typologikommunalpoliti-schen und kultikommunalpoliti-schen Erwägungen sicher auch mit seiner speziell provinzialen Bestimmung zusammen. Das urbanistische Phänomen der Trennung eines provinzialen Heiligtums vom traditio-nellen Stadtkern ist an anderen Plätzen des Imperium Romanum noch erheblich klarer, wie ein Blick auf Lyon (augusteisch), Ankara (augusteisch), Tarragona (tiberisch), Pergamon (augusteisch, trajanisch) und wohl auch Sarmizegetusa lehrt.254 Die provinzialen Kaiserkultstätten bildeten in diesen Städten stets eigene Zentren, die fast immer fern der alten Marktplätze und manchmal am Stadtrand oder sogar außerhalb der Gemeinde (beson-ders markant in Lyon) angelegt wurden. Die überregional ausgerichteten Bezirke mussten auf den Agorai mit den vorwiegend kommunalen Gremien nicht zwingend angesiedelt werden. Die Nachbarschaft des Tempelkom-plexes in Ephesos zur Agora ist damit eine Ausnahme, die dadurch allerdings zu einer fast beispiellosen Ver-dichtung von imperatorischen Monumenten in der Oberstadt geführt hat. Der Wandel des ostgriechischen Stadt-bildes im 1. Jh. durch die Errichtung von Kaiserkultstätten wird in Ephesos am deutlichsten. Aus der Topographie dieser Stadt ist dazu noch ablesbar, dass der Kaiserkult des Koinon nicht nur eine zweite, sondern auch eine höhere Ebene darstellte als die städtischen Einrichtungen. Das Domitianeion war zwar sicher auch ein

251 Alzinger 55 f. (sog. Hellenistischer Staatsaltar); ders., ÖJh 50, 1972/75, Beibl. 249-253; s.o. 39. Das „rhodische Peristyl“

ist laut Alzinger a.O. 56 jünger als das Doppelmonument. Der Bezirk für den konsekrierten Caesar wurde in Ephesos 29 v.Chr. eingerichtet: Cass.Dio 51,20,6 (temenos). Hänlein-Schäfer 264-269.

252 Gut nachvollziehbar auf einer Skizze von E. Fossel, abgedruckt in T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos (1995) Abb. 64.

253 Knibbe 773: „Der...Peripteros [für Domitian]...bildete ein eindrucksvolles Symbol kaiserlicher Macht und war in seiner Größe, vor allem aber infolge seiner beherrschenden Lage, ein Spiegelbild der Megalomanie seines Inhabers...“.

254 Lyon: Fishwick I 1, 97-130. Ankara: s.u. 96-101. Tarragona: Hänlein-Schäfer 24-25; Fishwick I 1, 150-154; X. Dupré i Raventós in: Stadtbild und Ideologie 319-325. Pergamon: Die Lage des noch nicht entdeckten Areals des Augustustempels kann durch Ausschlussverfahren immerhin eingegrenzt werden. Tacitus spricht nämlich in ann. 4,37 von einem templum apud Pergamum, so dass sich das Heiligtum am Stadtrand bzw. außerhalb des Stadtgebietes befunden haben muss. Zum Traianeum: s.u. 108-118. Sarmizegetusa: R. Étienne – I. Piso – A. Diaconescu, REA 92, 1990, 280. Nur in Colchester gab es wohl ein provinziales Heiligtum aus claudischer Zeit unmittelbar auf dem Hauptforum der Stadt. Im Süden grenzte eine Basilika an: Trunk 77 Anm. 618 (mit Lit.).

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hängeschild von Ephesos und ein Symbol der Metropole als Hauptstadt der Provinz Asia, es war aber vor allem eine provinziale Institution.

Die Stadt Ephesos erhielt mit dem Domitian-Temenos im Übrigen erst lange nach Pergamon und Smyrna und später sogar als die in der provinzinternen Bedeutungshierarchie weiter unten rangierenden Poleis Milet und Sardes ihren langersehnten ersten provinzialen Kaiserkultbezirk.255 Ephesos führte von da an voller Stolz den Beinamen Neokoros in der offiziellen Stadttitulatur, womit in jener Zeit ein beträchtliches Maß an Prestige ver-bunden war und der sich bald auch anderswo durchsetzte.256 Das flavische Kaiserheiligtum blieb für einige Jahr-zehnte die bedeutendste Kaiserkultstätte der Stadt, doch schon unter Hadrian wurde ein neues provinziales Hieron gebaut, das zudem noch wesentlich größer werden sollte und in einem der nächsten Abschnitte behan-delt wird.

Der Zeus-Hadrian-Tempel in Kyzikos

Vom Tempel des Hadrian und Zeus in Kyzikos standen im Jahre 1431, als der italienische Kaufmann und Huma-nist Cyriacus von Ancona die Stadt auf seiner ersten Reise in den Orient besuchte, noch 31 Säulen mit erhebli-chen Resten des Epistyls sowie ein Teil der Cellamauern aufrecht. Da viele Bauglieder als Spolien u.a. in byzan-tinische Stadtpaläste Konstantinopels und eine Moschee in Bursa gelangten, fehlten schon bei seinem zweiten Aufenthalt nur 13 Jahre später zwei weitere Säulen, fast das komplette Gebälk und beinahe das gesamte aufge-hende Mauerwerk. Die fortschreitende Zerstörung bzw. der Verfall sind bis gegen Ende desselben Jahrhunderts durch Aufzeichnungen des Bonsignore Bonsignori weiter zu verfolgen, nach dem nur noch 26 Säulen standen.

Heute ist ausschließlich ein mehrere Meter hoher und etwa 120 × 180 m großer Hügel, bestehend aus Substruk-tionen und Schutt, zu erkennen. Türkische Archäologen bemühen sich seit geraumer Zeit, die Fundamente des Sakralbaus freizulegen und die Architekturfunde auszuwerten.257

Für die Bestimmung des Tempelinhabers stehen literarische Zeugnisse aus der antiken und byzantinischen Zeit neben einer von Cyriacus überlieferten Inschrift aus dem Temenos (möglicherweise vom Tempel) zur Verfü-gung. Sie lassen sich dahingehend interpretieren, dass Hadrian die Errichtung des mächtigen Kultbaus, vielleicht an der Stelle eines unvollendet gebliebenen Zeustempels, unterstützte, der nicht nur dem höchsten olympischen

255 Vgl. S. Karwiese, RE Suppl. 12 (1970) 332 f. s.v. Ephesos.

256 Friesen 2, 152-158: Der Titel ist erstmals in Ephesos im Zusammenhang mit dem provinzialen Kaiserkult bezeugt, nachdem die Gemeinde schon zuvor vergeblich versucht hat, sich als Neokoriestadt der Artemis darzustellen. s. auch M.

Dräger, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit (Diss. Kiel 1993) 111-113.

257 B. Ashmole, JWI 19, 1956, 181; A. Yaylalı in: XII. KST 2, Ankara 1990 (1991) 171-176. Ältere Literatur bei Magie II 1472 f. Jüngere Literatur bei Schulz–Winter 33-82. Vgl. auch Barattolo 1995, 57-108. Zu Bonsignore Bonsignoris Besuch 1498 im Gefolge des Bernardo Michelozzi und neuen Überlegungen zum Aufbau: A. Schulz in: H. Schwertheim (Hrsg.), AMS 16 (1995) 115-125.

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Platz im Nordosten ausgerichtet. Abgesehen von der möglicherweise kultisch bedingten Ostung war für die räumliche Disposition wohl besonders die Bezugnahme auf den im Südosten gelegenen Chytos-Hafen von Kyzi-kos bedeutsam.280 Auch Aristeides ging in seiner Rede auf einen Zusammenhang von Tempel und Küste ein, indem er den Bau als Orientierungspunkt für Seefahrer bezeichnete.281 Die oben beschriebene parallele Neben-einanderstellung von Tempel und Agora ist recht ungewöhnlich. In der Regel weist die Front eines Naos in die-ser Zeit – wenn in der Umgebung vorhanden – direkt auf den Marktplatz.282 Die anzunehmende Nachbarschaft zu einer Agora spielte bei diesem Provinzheiligtum demnach keine entscheidende Rolle. Möglich ist durchaus, dass auch dieser Marktplatz erst in dieser Zeit und wegen des Tempels gebaut wurde. Die optische Hervorhe-bung innerhalb der Stadt und der akzentuierte Bezug zum Hafengebiet wurden im Baukonzept jedoch als wichti-ger angesehen als die Agora.

Aufgrund der Beschreibungen und Zeichnungen von Cyriacus muss man von einer abgeschlossenen Anlage ausgehen, die der des Domitiankomplexes in Ephesos glich. Vielleicht hängt das Projekt in Kyzikos mit der Neu-gestaltung eines ganzen Stadtviertels am westlichen Rand der Siedlungsfläche zusammen – man denke an den Zuschuss des Kaisers für die Bepflasterung einer Plateia. In Athen („Hadrianstadt“) und in der Geburtsstadt des Kaisers Italica wurde in dieser Zeit jeweils derjenige Teil des Stadtgebietes gründlich umgewandelt, in dem man an zentraler Stelle auch einen Tempel für die Verehrung des Kaisers Trajan bzw. Hadrian einrichtete.283

Die neuen Stadtbezirke wurden damals von den Zeitgenossen im Gegensatz zu den ursprünglichen Stadt-kernen als etwas Eigenes angesehen, was etwa die Bezeichnungen „Theseusstadt“ für den älteren Bereich und

„Hadrianstadt“ für den neueren Teil von Athen andeuten.284 Somit bildeten die Tempel, in denen der Kaiserkult eine wichtige Funktion erfüllte, gleich in mehreren Städten, denen sich die Kaiser besonders verbunden fühlten, den urbanistischen Mittelpunkt eines neugestalteten oder -errichteten Stadtteils.285 Der Sakralbau war überall Teil eines übergeordneten Bebauungsplanes. Sämtliche Beispiele aus Kyzikos, Ephesos, Athen und Italica stammen aus der Regierungszeit des Hadrian. Aber auch aus Ankyra liegt möglicherweise ein ähnlicher Fall vor, der jedoch im Unterschied dazu bereits in die augusteisch-tiberische Zeit gehört.286

280 Die Ausrichtung antiker Sakralbauten auf eine bestimmte Himmelsrichtung wurde jedoch recht flexibel und pragmatisch gehandhabt. Vgl. O.Bingöl in: Friesinger–Krinzinger 233-240, der die Orientierung eines Göttertempels mit dem Zeitpunkt des zugehörigen Hauptfestes, an dem das Sonnen- oder Mondlicht auf das Kultbild falle, begründet.

281 Aristeid. or. 27,17.

282 Beispiele für axialen Bezug: Pessinous, Korinth. Beispiele für Haupteingang an der Langseite eines Heiligtums: „Domiti-aneion“ in Ephesos (topographisch bedingt); Olympieion in Athen.

283 P. León in: Xantener Berichte 2 (1992) 87-97.

284 Willers 67-72.

285 Die Verbundenheit und besondere Förderung ergab sich wahrscheinlich durch einen Aufenthalt in Kyzikus auf seiner

285 Die Verbundenheit und besondere Förderung ergab sich wahrscheinlich durch einen Aufenthalt in Kyzikus auf seiner