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In einigen Städten Kleinasiens erhielt eine Agora-Stoa aus hellenistischer Zeit in der Kaiserzeit durch Umbau oder Umfunktionierung eines vorhandenen Teils einen Kaiserkultraum. Der Kaiserkult wurde in die traditionelle Architektur integriert.

81 Zur Bedeutung der Baupolitik für die augusteische Politik allgemein: Kienast 337.

82 Plin. epist. 10,49. In Rom wurden zwei Tempel z.B. zugunsten des Marcellustheaters verlegt. Dazu Coarelli 244.

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Funktion offen. Befand sich dort das Archiv der Stadt? Oder liegt der Grund für die Verwendung als Ort des Kaiserkultes eher darin, dass in der Exedra – man denke auch an den Namen der Halle – bereits in hellenisti-scher Zeit ein staatlicher Kult ausgeübt wurde, wobei insbesondere an einen Kult der Dea Roma zu denken wäre? Eine solche Erklärung würde zudem verständlich machen, warum schon in späthellenistischer Zeit gerade an dieser Stelle wichtige römische Anweisungen publik gemacht wurden.87

Abb. 2 Priene, Agora

Zwar wissen wir über eine so frühe Verehrung der Göttin Roma in Priene nichts. Tatsache ist aber, dass sich ihr Kult im 2. Jh. v.Chr. genau in der Zeit im westlichen Kleinasien ausbreite, als auch die Halle in Priene errich-tet wurde. Eine ungefähre Vorstellung von der Platzierung sowie dem möglichen Aussehen einer Romakultstätte können uns bislang allein architektonische Befunde aus Delos vermitteln. Aus Kleinasien liegen keine eindeutig identifizierten Reste eines Gebäudes für Roma vor. Auf der Insel wurde ihr Kult zum einen im Prytaneion zu-sammen mit Hestia und dem Demos verrichtet. Zum anderen besaßen sowohl das Haus der Kompetaliasten als

87 Ob eine Romakultstätte schon bei der Errichtung der Halle vorgesehen war, lässt sich allerdings nicht mehr feststellen.

Für die Verbundenheit des vermutlichen Stifters Orophernes mit der römischen Sache: Schaaf 121-140. K. Tuchelt, Frühe Denkmäler für Rom in Kleinasien, 23. Beih. IstMitt (1979) 31, 33 denkt dagegen übereinstimmend mit M. Schede aus histo-rischen Gründen an eine nachsullanische Einrichtung des Romakultes. Allgemein zur Dea Roma: Mellor 950-1030.

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auch das der Poseidoniasten Statuen der Dea Roma. Die einzige gesicherte Roma-Kultnische wurde im Bereich des letzteren, des Sitzes einer Vereinigung (êïéíüí) von Kaufleuten aus Berytos (Beirut), entdeckt.88 Der Kult-schrein war nur etwa 2.10 × 3.70 m groß und befand sich in einer Reihe von vier nebeneinander liegenden Ka-pellen für Poseidon und andere Gottheiten. Vor den KaKa-pellen erstreckte sich eine quer dazu verlaufende Säu-lenhalle, die das Verbindungsglied zu einem kleinen Hof darstellte. In diesem standen mehrere Altäre, darunter auch eine Ara für Dea Roma. Der Gebäudetrakt wurde einer Inschrift nach zu urteilen wahrscheinlich als teme-nos bezeichnet. Zunächst nutzte man den Kultschrein der Roma allerdings für eine andere, namentlich nicht bekannte Gottheit.89 Die Nische war somit nicht für diese Bestimmung gebaut worden.

Romakultstätten dürften auch anderswo ähnlich ausgesehen haben. Danach waren sie in der Regel wenig aufwendig gestaltet und in einer größeren Anlage inkorporiert. Ob sie auch in anderen Städten, wie auf Delos, aus der Umweihung einer älteren Kapelle entstanden, muss hingegen offen bleiben. Immerhin ist ein naos für Roma in Kleinasien zwar nirgends archäologisch, dafür sind aber gleich für drei Städte literarisch die Begriffe templum und hieron überliefert (Smyrna, Alabanda, Milet). Mit diesen Wörtern ist dem damaligen Sprachge-brauch zufolge – siehe Kapitel 1 zu naos – sehr wahrscheinlich kein eigenständiger Tempel, sondern ein Kult-raum wie in Delos gemeint. Man kann aus den Quellen somit erschließen, dass der Romakult im Hellenismus in einigen wichtigen Poleis eine architektonische Fassung erhielt, wenngleich nichts dafür spricht, dass schon da-mals die später für die Kaiserverehrung üblichen Ausmaße erreicht wurden.90

Welcher Standort für diese Kulteinrichtungen in der Provinz Asia ausgewählt wurde, ist hingegen in keinem einzigen Fall dokumentiert. Gleichwohl sind auch für das kleinasiatische Festland die Agorai oder vergleichbare öffentliche Plätze wie auf Delos anzunehmen. Später könnte in vielen Kommunen die Existenz eines Romakultes die Einführung der kultischen Verehrung des Augustus erleichtert haben, zumal Augustus aufgrund anfänglicher Vorbehalte hinsichtlich seiner Vergöttlichung und vor allem vor dem Hintergrund möglicher Kritik aus Rom die Errichtung ausschließlich ihm bestimmter Kultstätten ablehnte und die Verbindung mit der Göttin Roma zur Be-dingung gemacht zu haben scheint.91 Doch ist auch eine Neuerrichtung gemeinsamer Sakralbezirke durchaus vorstellbar. Ob der Kaiserkult in Priene sich schließlich an die Form hellenistischer Romakultbauten anlehnte oder mit einem bereits in dieser Stadt existierenden Romakult zusammengelegt wurde, ist somit nicht zu ent-scheiden. In jedem Fall war der vermutlich älteste überlieferte Ort des städtischen Kaiserkultes eine nach außen hin wenig auffallende Exedra.

88 Mellor 960; Ch. Picard, Délos 6 (1921) 55-62 (Romakultraum); R. Vallois, L'architecture hellénique et hellénistique à Délos jusqu’à l’éviction des Déliens (166 av. J.-C.) I (1966) 174 vermutete im Prytaneion analog zu den anderen Beispielen eine kleine Kapelle für Roma neben einer größeren für Hestia; Ph. Bruneau, Recherches sur les cultes de Délos à l'époque hellenistique et à l'époque impériale (1970) 443-556 (Prytaneion, Haus der Compitaliasten, ID 1763; Haus der Poseidonias-ten, ID 1778, 1779, um 100 v.Chr.), 622-630 (Haus der Poseidoniasten); Tuchelt a.O. 28: Die Statue der Roma ersetzte offenbar diejenige einer anderen Gottheit.

89 Tuchelt a.O. 28.

90 Smyrna: Tac. ann. 4,56. Alabanda: Liv. 43,6,5. Milet (jåñüí, FÑùìásïí): Mellor 959 f. Auch die Nischen im Haus der Poseidoniasten auf Delos wurden offenbar als Naoi bezeichnet: Picard a.O. 51-76.

91 Kienast 204: In einigen Städten wurden schon vor Augustus römische Politiker mit Roma zusammen verehrt; s.u. 404.

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Klarer als die Vorgeschichte und Funktion der mittleren Exedra ist die urbanistische Struktur der Halle. Die Hiera Stoa, an die der mutmaßliche Kultraum angegliedert war, beherrschte mit ihrer stattlichen Länge von 116.50 m und einer geschätzten Höhe von etwa 5.20 m nicht nur die Agora, sondern auch das Bild der gesam-ten Stadt (Abb. 3 Nr. 6). Nach der an der unteren Stadtmauer gelegenen Stadionhalle (Abb. 3 Nr. 9) war sie die monumentalste Stoa von Priene.92 Die Halle am Marktplatz wurde zudem durch eine 1.50 m hohe hangparallele Terrasse deutlich über das Agoraniveau emporgehoben und bildete zusammen mit den dahinter befindlichen Bouleuterion (Abb. 3 Nr. 5) und Prytaneion, dem „Gästehaus“ der Stadt und Ort des heiligen Herdes, das kom-munale Zentrum von Priene.93 Die betreffende Exedra lag annähernd in der Mitte der Kammern, die sich aus-schließlich am Westteil der Stoarückseite befanden, korrelierte aber nicht exakt mit den Hallensäulen. Eine der inneren Stützen verstellte sogar geringfügig den freien Blick auf dieses „Kaisareion“. Dennoch war die Exedra durch ihre Achsenstellung deutlich auf das im südlichen Bereich der Agora gelegene Zentrum des Platzes aus-gerichtet, wo unter anderem auch ein größeres Bauwerk stand, von dem heute nur noch die Reste einer recht-eckigen Steinsetzung zu erkennen sind. Möglicherweise verbirgt sich hinter diesem Fundament der Unterbau eines Staatsaltares, jedoch lässt sich seine einstige Zweckbestimmung nicht mehr zweifelsfrei feststellen.94 Träfe diese Vermutung zu, ergäbe sich ein Achsenbezug von Altar und Exedra, der die Bedeutung des „Kultraumes“, etwa bei offiziellen Opfern an die höchsten Stadtgötter, zusätzlich unterstreichen würde. Das „Kaisareion“ von Priene wurde mit der Halle zusammen topographisch und ideell wirkungsvoll herausgehoben.

Vor der Hallenterrasse überquerte die Verlängerung der Hauptstraße (sog. Westtorstraße) in westöstlicher Richtung den Marktplatz. Die Anordnung der vielen hellenistischen Denkmäler auf der Agora, die die Geschichte der Stadt bis in die Kaiserzeit hinein vergegenwärtigten, nahm auf diese Rücksicht, indem die meisten Monu-mente nach Norden zur Straßenachse und nicht zur Mitte des Platzes nach Süden hin aufgestellt waren. Dies führte direkt unterhalb der Markthallenterrasse zu einer straßenartigen Erweiterung. Es ist gut möglich, dass die sechs oder sieben Stufen, welche von dort zur 6.50 m breiten Esplanade der Stoa hinaufführten, auch als Sitz-gelegenheiten (Tribüne) bei feierlichen Anlässen, etwa Prozessionen und Opfer für das Wohlergehen der Kaiser, mitbenutzt wurden, wobei die Markthalle bei solchen Gelegenheiten zur prächtigen Festkulisse geworden wäre.95 Um den ideologischen Stellenwert der Stoa noch genauer zu erfassen, muss ein Blick auf die Stadtgeschich-te geworfen werden.96 Priene wurde bekanntlich in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. v.Chr. an den Hängen des Mykalegebirges neu gegründet. Dabei wurde die Stadt im hippodamischen System errichtet, das sich dadurch auszeichnet, dass die Lage der wichtigsten Gebäude in der rasterartig angelegten Siedlung mitsamt ihren Funk-tionen weitgehend vorausbestimmt wurde. Bei dieser Strukturierung, die deutlich einen repräsentativen An-spruch zum Ausdruck bringt, setzten in Priene fortan der Athenatempel (Abb. 3 Nr. 4) und das Theater (Abb. 3

92 Schaaf 123 spricht deshalb anschaulich von „Überdimensionierung“.

93 Zu den typisch hellenistischen Terrassenhallen allgemein: Schalles 106 mit Anm. 643.

94 Schede a.O. 57 („Altar des Hermes“). Zur ebenfalls unsicheren Datierung: W.Koenigs, IstMitt 43, 1993, 384.

95 Koenigs a.O. 388.

96 Zur Stadtgeschichte: Fehr a.O. 157-168.

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Nr. 3) genauso einen ästhetischen Akzent wie die Agora, an der indes die monumentale Stoa, die einen einfa-cheren Vorgänger aus frühhellenistischer Zeit ersetzte, die Platzanlage erst zwischen 155 und 125 v.Chr. kom-plettierte. Dies geschah in einer Phase, als Priene noch einmal einen größeren Aufschwung erlebte. Die bauliche Entwicklung des in der Disposition spätklassischen Marktplatzes war also erst mit der vielleicht von dem kap-padokischen König Orophernes unternommenen Stiftung der Halle abgeschlossen. Die gegenüber dem Vorläu-ferbau erfolgte Verlängerung der Marktstoa nach Osten verstärkte deren repräsentative Wirkung, auch im Ver-gleich zu den wichtigsten Sakralgebäuden.97

Abb. 3 Priene, Stadtplan

97 Wiegand-Schrader a.O. 192; F. Krischen, JdI 31, 1916, 306-309; M. Schede, JdI 49, 1934, 106-108 (wohl von Ariara-thes VI. gestiftet, der von 130 - ca. 111 v.Chr. herrschte); G. Kleiner, RE Suppl. 9 (1962) 1205-1209 s.v. Priene (vermutlich von Ariarathes VI. gestiftet); Coulton 277 f. (wohl von Orophernes gestiftet, der von 158-155 v.Chr. regierte); Koenigs 158 (wohl von Ariarathes V., 163-130 v.Chr., und Orophernes, 158-155 v.Chr. gestiftet); W. Hoepfner – H.-L. Schwandner in:

Haus und Stadt 201 (um 130 v.Chr.); Schaaf 121-140 (schon von Ariarathes IV. gestiftet, der von 220-163 v.Chr. herrschte) mit Rez. W.Günther, Klio 76, 1994, 481 f. (hält Ariarathes IV. hinsichtlich des historisch-politischen Kontextes für die über-zeugendste Theorie); Rumscheid I 46 (wohl von Orophernes oder Ariarathes VI. zwischen 155 und 125 v.Chr. gestiftet);

Schenkungen 429-431 Nr. 360 (wohl von Orophernes ca. 157 v.Chr. gestiftet). Zu den Resten eines Vorgängerbaus: Schaaf a.O. 121-140. Wahrscheinlich wurde das Bild der Agora zunächst noch von parataktischen Gebäuden geprägt. Zu Planung und Ausbau der Agora: Koenigs a.O. 381-397. Zur These, dass bis in die früh- oder hochhellenistische Zeit an der Stelle der späteren Kultexedra noch ein schmaler Treppenweg („Mittelgasse“) auf die Agora hinabgeführt habe sowie die beiden Hallen mit den inschriftlich überlieferten äéðë† óôïáß identisch und als Vorläufer der jåñN óôïÜ anzusehen seien:

Hoepfner – Schwandner in: Haus und Stadt 201 Abb. 187. Dagegen W. Koenigs, IstMitt 43, 1993, 381-397.

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Die Halle verkörpert demnach eine vorrömische Einrichtung und einen spätklassisch-hellenistischen Stand der Urbanistik. Repräsentativität spielteim Entwurf von Stadt und Stoa bereits eine wichtige Rolle.98 Dietopo -graphisch bedingte große Wirkung der Halle mitihrem kleinen Kultraumfür Augustus gingim Kern schon auf diese Zeit zurück.

Zentrale Lage, Nähe zu Amtsgebäuden und Geschichte verraten damit gemeinsam etwas über den hohen Rang, welcher der Stoa eingeräumt wurde. Ein nicht näher erläuterter Punkt des Marktplatzes wirdinInschriften als ¿ dðéöáíÝóôáôïò ôyò PãïñOò ôüðïò bezeichnet.99 Der Standort der Heiligen Halleträfefür diese For -mulierung zweifellos am besten zu. Durch Höherstellung und Formatragte die Stoa wie kein zweites Bauwerk der Agora aus dem Stadtbild heraus. Sie war selbstim Umland der Stadt noch weithin sichtbar. So konnte man sie sowohl von der Ebene, dem damals sicher schiffbaren Mäander als auch dem Golf von Milet erblicken. Nach der Herausarbeitung desrepräsentativen Charaktersist zu erörtern, welche praktische Aufgabe der Halle zukam. Spätestens seit etwa 130 v.Chr. übernahm das Bauwerk offenbar die Funktion eines Ehrenarchivs der Stadt, die zuvor der Athenatempel erfüllt hatte. Dabei wurdenInschriften mit wichtigen Beschlüssen der Gemeindein der Halle angebracht.100 Diefür die Periode des Mithridates(111-63 v.Chr.) erstmals nachgewiese -ne Bezeichnung„Hiera Stoa“, die eine ausschließliche Nutzung der Räume auf der Rückseite als Geschäfte unwahrscheinlich macht, hängt wohl mit einer schon damals eingegliederten Kulteinrichtung zusammen.101 Au -ßerdemist die Abhaltung von öffentlichen Bankettenin der Halle oderin den Anbautenin der ersten Hälfte des 1. Jhs. v.Chr. dokumentiert.102 Ferner waren derartige Hallenfür Gerichtsverhandlungen,für die Verwaltungstä -tigkeit städtischer Beamte, wofürin Priene die Räumeim Rückbereich geeignet erscheinen, als Rahmenfür Festakte sowiefür Kultfeiern vorgesehen.103 Damitist auchin Priene zurechnen. Einschneidende Veränderun -genin der politischen und sakralen Nutzung der Stoa zwischen dem Hellenismus und der Kaiserzeit sind nicht anzunehmen.

Trotz der anspruchsvollen Lage der Heiligen Halle bietet Prieneim Hinblick auf die Gestalt der Exedra eine vergleichsweise bescheidene Baulösungfür einen Kaiserkultort. Wie gesehen,liegt der Grund möglicherweise darin, dass die Rücksichtnahme auf die vorhandene Architektur und die eventuelle Existenz einer Romakultstätte mitbestimmend waren. Wohl darf man die Situationin dieser Stadt nicht verallgemeinern und man sollte sie erst recht nicht als Teilnahmslosigkeit der Bürgerschaftinterpretieren. Auch sonst hat manin der Entwicklung dieser

98 Zur Repräsentativit: B. Fehr, Hephaistos 2, 1980, 155-185.

99 I.Priene 108, 117, 119.

100 Etwa Schaaf a.O. 125.

101 I.Priene 108, 117, 119.Schenkungen 430. Die Verwendung des Adjektivshiera hängt auch bei Verbindungen wie z.B. jåñNPãïñÜ oderjåñ’í èåÜôñïí (im Asklepieion von Pergamon) mit heiligen Einrichtungen zusammen: s.o. 15. Der Begriff könntein Priene auf Dea Roma zu beziehen sein: s.o. 16. Der Begriffhiera stoa erscheint offenbar erstmalsinIn -schriften über den Ehrenbürger der Stadt Zosimos aus demfrühen 1. Jh. v.Chr., die an der Westwand der Halle angebracht waren(I.Priene 107ff.).

102 I.Priene 113 Z. 58f.(kurz nach 84 v.Chr.). Wiegand– Schrader a.O. 213f.

103 Coulton 10; Hoepfner – Schwandner a.O. 201.

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Polis einen „merkwürdigen Stillstand“ während der Kaiserzeit festgestellt.104 So wurde etwa ein größerer Kultbau erst wieder in christlicher Zeit errichtet. Andererseits überdauerten auch in bedeutenden Städten wie Pergamon und Magnesia am Mäander die hellenistischen Agorai die Kaiserzeit ohne größere bauliche Veränderungen. Das architektonische Phänomen könnte in Priene freilich noch eine ganz andere Ursache gehabt haben. Unter der Regentschaft des Augustus wurde die Kaiserverehrung nämlich auch im wichtigsten Stadttempel, dem Peri-pteros der Athena Polias, miteinbezogen. Doch lässt sich diese Entwicklung eher mit dem persönlichen Enga-gement des Augustus erklären als mit dem oben angeführten Beschluss des Landtages oder mit besonderen Plänen der Gemeinde. Augustus war deshalb daran gelegen, die Fertigstellung des Baus selbst vorzunehmen, weil schon Alexander der Große diesen gefördert hatte. Die kultische Verherrlichung des ersten römischen Kai-sers geht aus der damals an der Hauptfront angebrachten Weihinschrift hervor. Außerdem wurde ihm auch der große Altar dediziert. Die Verehrung des Kaisers führte wohl ferner dazu, dass im Tempelinneren neben dem Kultbild der Athena ein Standbild des Augustus aufgestellt wurde. Möglicherweise hat man in der Vorhalle oder Cella auch noch Statuen errichtet, die einige der wichtigsten Mitglieder der julisch-claudischen Dynastie zeig-ten.105 Die Stiftung einer Statue des Tiberius im Bezirk der Athena, die durch das Koinon der Ionier vorgenom-men wurde, belegt zudem die Bedeutung des Heiligtums für die Verehrung römischer Herrscher zumindest in der frühen Kaiserzeit über die Stadtgrenzen hinaus.106 Die einstige kultische Vorrangstellung Prienes, die mit dem auf der Gemarkung der Polis liegenden Hieron für die ionischen Städte, dem Panionion, zusammenhing, klang hier noch nach.107

Als Resultat kann man festhalten, dass die Integration des Kaiserkultes in Priene zu keiner Veränderung des Stadtbildes geführt hat. Die wohl für die Kaiserverehrung umfunktionierte Exedra war ganz nach innen gerichtet, der Agorahalle untergeordnet und zudem lediglich annähernd axial angelegt. Für die Deutung entscheidend ist aber, dass neben dem Athenatempel eines der angesehensten und wichtigsten sowie zentralsten und weithin sichtbarsten Gebäude als Standort für den noch neuen römischen Herrscherkult ausgewählt wurde. Die Heilige Halle war ein wesentlicher Bestandteil des bedeutendsten Platzes, an dem die alten Amtsgebäude auch zu Be-ginn der Kaiserzeit noch eine gewisse Autonomie in der Polisverwaltung dokumentierten. Der öffentliche Raum der Agora war in erster Linie für offizielle Handlungen und repräsentative Zwecke reserviert, wohingegen Le-bensmittelgeschäfte und Handwerksbetriebe von diesem Platz ausgegliedert waren. Da die Hiera Stoa dabei verschiedene religiöse und politische Funktionen zugleich erfüllte, rückte die Verherrlichung des römischen Machthabers zwangsläufig bei ganz verschiedenen Anlässen in den Vordergrund. Die Halle überragte nicht zuletzt eine große Zahl hellenistischer Ehrenmonumente. Darunter befanden sich auch solche, die für

104 Zur Stadtentwicklung: M. Schede, Die Ruinen von Priene (21964) 1-9.

105 J.C. Carter, The Sculpture of the Sanctuary of Athena Polias at Priene (1983); Rumscheid I 42-45. Zum Vorschlag der Deutung des sog. Schatzhauses als Kultgebäude für Augustus: Carter a.O. 264.

106 I.Priene 23.

107 Wiegand-Schrader a.O. 24; I.Priene XXI; M. Schede, JdI 49, 1934, 107; ders., Die Ruinen von Priene (1964) 2; G. Klei-ner, RE Suppl. 9 (1962) 1209 s.v. Priene; G. Kleiner – P.Hommel – W.Müller-WieKlei-ner, Panionion und Melie, 23. Ergh. JdI (1967) bes. 17; E. Akurgal, Griechische und Römische Kunst in der Türkei (1987) 103.

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sche Könige, einst erbitterte Gegner der Römer, errichtet wurden und dielängst von Rom besiegt worden waren. Dies alles spiegelt das Spannungsverhältnis einer nach Selbständigkeit strebenden und nichtsdestoweniger der neuen Machtkonstellation ausgelieferten Polis wider. Der erste Kaiser avancierte zum neuen Herrscher von Priene. Seine Verehrung wanderte sowohlins sakrale als auch politische Zentrum dieser Stadt.

Die Basilike Stoain Thera

Auchin der Stadt Thera auf der gleichnamigenInsel, diein der Kaiserzeit zur Provinz Asia gehörte, wurdein der hellenistischen Epoche einerepräsentative Agorahalle errichtet.Im Unterschied zu Priene erhielt diesejedoch bei einem Umbauin der Kaiserzeit einen neu angelegten Raum zur Verehrung eines Kaisers. Die Halle wurde zwischen 1895 und 1898 vollständigfreigelegt.108

In hellenistischer Zeit bestand diese Stoa zunächst aus zwei Schiffen, die durch eine Reihe von zehn do -rischen Säulen voneinander getrennt waren(Abb. 4 a-b).109 Nebenräumefehltenim ursprünglichen Zustand. Die

In hellenistischer Zeit bestand diese Stoa zunächst aus zwei Schiffen, die durch eine Reihe von zehn do -rischen Säulen voneinander getrennt waren(Abb. 4 a-b).109 Nebenräumefehltenim ursprünglichen Zustand. Die