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2.5. THEATER, STADION, HIPPODROM

3.1.1. Provinziale Tempel

Der Besitz eines Koinontempels, also eines Tempels für den provinzialen Kaiserkult, stellte eine hohe Auszeich-nung für eine Stadt dar, weil die Genehmigung ausschließlich in Rom, erst nach genauer Prüfung und äußerst

665 Zur Architektur als Zeichen: Vgl. Lauter 302 f. Zur Strukturanalogie: Etwa Bammer a.O. 122-131; W. Hoepfner – E.-L.

Schwandner in: Haus und Stadt etwa XIII-XIV.

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restriktiv erteilt wurde.666 Es herrschten strenge Kriterien, nach denen eine Stadt vom römischen Senat unter Zustimmung des Kaisers aus einer größeren Zahl sich bewerbender Gemeinden für die Einrichtung eines Kult-bezirks ausgewählt wurde. Zu den für die tiberische Zeit bezeugten Voraussetzungen gehörte als erstes die überregionale Bedeutung einer Polis, die an der Größe der Stadt und dem Status ihrer Kulte gemessen wurde.

Als zweites wurde wegen des zu erwartenden finanziellen Aufwandes die Möglichkeit geprüft, ob eine Stadt neben den bereits bestehenden Heiligtümern überhaupt noch einen weiteren Kultplatz verkraften konnte. Als drittes Kriterium spielte die Beziehung einer Stadt zu Rom in kultischer und politischer Hinsicht eine wichtige Rolle. Dabei wurde auf Belege der Gefolgschaftstreue wie z.B. das hohe Alter eines Romakultes oder die lange Laufzeit eines Bündnisvertrages geachtet.667

Der Roma-Augustus-Tempel in Ankyra

Der Tempel für Roma und Augustus in Ankyra gehört zur Gruppe der sog. pseudodipteralen Sakralbauten (Abb.

41). Sein Säulenkranz umfasste 8 × 15 Säulen. An der untersten Stufe der Krepis betrug die Grundfläche rund 36 × 56 m, am Stylobat 26 × 45 m. Der Kernbau war 12.80 × 28.21 m groß.668 Der Unterbau bestand aus mehre-ren Stufen und erreichte eine Höhe von ca. 2 m. Von der obersten Stufe bis zum Stylobat blieb ringsherum eine plattformartige Fläche von ungefähr 3 m frei. Die Cella, deren Bodenniveau mehr als 1 m über das der Vorhalle angehoben war, besaß eine prostyle Vorderseite mit vier Säulen und eine Rückseite mit zwei Säulen in antis.

Die Türöffnung an der Hauptfront wies eine Höhe von 8.32 m bei einer unteren Breite von 3.34 m auf. Schon aus diesen wenigen Maßen geht hervor, dass das Sebasteion eine monumentale Erscheinung darstellte. Kann sein Äußeres als weitgehend geklärt gelten, so ist die Gestaltung des Innenraumes aufgrund von Veränderungen an der Architektur durch später vorgenommene Kircheneinbauten, Moscheenutzung und Demontage nicht mehr genau zu rekonstruieren. So weiß man etwa nicht, ob die Cella in drei Schiffe eingeteilt war und ob das Kultbild oder die Kultbilder in einem Schrein standen.669 Es fehlen ebenso aussagekräftige Reste der Kultbildbasis, die sich möglicherweise für eine schematische Wiederherstellung der Statue(ngruppe) hätten auswerten lassen.

Erhalten haben sich indes Spuren eines oberen Frieses mit Fruchtgirlanden und Palmetten.

666 Trajan reagierte diesbezüglich z.B. bei einem Ersuchen von Tarraco (Hispania Citerior) sehr zurückhaltend: Tac. ann.

4,37 f.. s.u. 432.

667 Tac. ann. 4,15. Friesen 18; Weiß 179 f.; Dräger 123. Zum provinzialen Kaiserkult allgemein: L. Robert, RPh 41, 1967, 44-57.

668 Zur Architektur grundlegend: Krencker-Schede. s. auch Hänlein-Schäfer 185-190.

669 Die Stirnseite eines Cellainnenraumes war schon in augusteischer Zeit (Fortuna-Augusta-Tempel von Pompeji, sog.

Apsidensaal von Nîmes) oft durch eine freistehende Ädikula hervorgehoben. Dazu U.-W. Gans, RM 97, 1990, 101. In Klein-asien ist dies erst am Zeustempel von Euromos, der aus dem 2. Jh. stammt, gesichert. Zu Euromos: S. Pülz, IstMitt 39, 1989, 451-453.

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Abb. 41 Ankyra, Augustus-Roma-Tempel, Grundriss

Zur Bewertung der Bauteile im Einzelnen lässt sich Folgendes feststellen. Der Grundrisstypus, der durch eine auf zwei Joche erweiterte Ringhalle charakterisiert ist, geht auf eine Tempelform zurück, die von Vitruv dem berühmten kleinasiatischen Architekten Hermogenes zugeschrieben wurde und von diesem in Magnesia am Mäander am Artemistempel mit ebenfalls 8 × 15 Säulen mustergültig verwirklicht worden war.670 Er findet sich im westlichen Kleinasien vom 2. Jh. v.Chr. an mehrfach und an verschiedenen Orten. In Alabanda wurde ebenso ein Tempel dieser Art (für Apollon Isotimos, später ausgeweitet auf die Theoi Sebastoi) entdeckt wie in Lagina (für Hekate) und bei Chryse (für Apollon Smintheus).671 Die Grundrissform mit erweiterten Ptera löste die in der Archaik und Klassik gebräuchliche ionische Dipterosform mit zwei um den Kernbau laufenden Säulenreihen ab, die bis dahin für die größten und bedeutendsten Sakralbauwerke an der kleinasiatischen Westküste und auf den benachbarten ionischen Inseln verwendet worden war.672 Die pseudodipterale Bauweise entwickelte sich fortan zum Kennzeichen großer Tempel. Seit hochhellenistischer Zeit setzte sie sich – zunächst ausschließlich in Kleinasien – durch (Abb. 60). Zwar war Hermogenes, wie man heute weiß, nicht der eigentliche Erfinder dieses Schemas. Er gehörte aber zweifellos zu den wichtigsten Architekten, die ihm zum Durchbruch verhalfen. Zudem schrieb er über das dahinterstehende Konzept eine ausführliche Abhandlung.673

670 Vitr. 3,70; 3,73; 7,159. Kommentar zur Überlieferung und Übersetzung bei Rumscheid I 70. Zu Hermogenes: N.Ch.

Stampolides in: Hermogenes 115-121. Es wurde auch die These vertreten, dass das Pteron des Tempels in Ankyra erst im späten 2. Jh. n.Chr. entstanden und ursprünglich gar nicht vorgesehen gewesen sei. Dazu E. Akurgal, Griechische und Römische Kunst in der Türkei (1987) 126 f.; H. Stierlin, Kleinasiatisches Griechenland (1984) 177; B. Radt, Anatolien I (1993) 37 f. Stichhaltige Argumente, etwa Beobachtungen an der Bausubstanz, konnten hierfür jedoch nicht vorgelegt wer-den. Stattdessen: Krencker-Schede 42, 51; K. Bittel, AA 1941, 286 f.; Waelkens, Pessinus 45.

671 Zu den älteren Pseudodipteroi allgemein: W. Hoepfner in: Hermogenes 2-11. Alabanda: Edhem-Bey, CRAI 1905, 443-456; ders., CRAI 1906, 407-422; Hänlein-Schäfer 177-179 (mit Lit.), Taf. 35-37; Rumscheid I 141-145. Lagina (21.50 × 28 m): Koenigs 216 (2. Jh. v.Chr.); Rumscheid I 22 f., 132-139 (aus historischen Gründen wahrscheinlich erst nach der Nieder-lage des Mithridates gebaut). Chryse: C. Özgünel in: Hermogenes 35-44; O.Bingöl in: Hermogenes 45-50; Koenigs 35;

Rumscheid I 124-132 (2. Jh. v.Chr.); Schenkungen 498. s. auch Aphrodisias: D. Theodorescu, DossAParis 139, 1989, 20 f.;

R.R.R. Smith – Ch. Ratté, AJA 99, 1995, 43, die feststellen, dass der Kern des Aphroditetempels aus dem 1. Jh. v.Chr.

stammt, aber erst im 1. Jh. n.Chr. mit einem pseudodipteralen Säulenkranz ausgestattet wurde.

672 Allgemein: R. Tölle-Kastenbein, Zur Genese und Entwicklung des Dipteros, JdI 109, 1994, 42. s. auch Gruben 331-340 (Heraion von Samos), 348-359 (Artemistempel von Ephesos), 359-375 (Apollontempel von Didyma).

673 Zu Hermogenes: s.o. Anm. 120; Vitr. 7,Vorr. 5 (zur Schrift des Hermogenes). Zu archaischen Pseudodipteroi im Westen (ionischer Tempel in Metapont, Tempel G in Selinunt) und Nordwesten (alter Artemistempel in Korkyra): W. Hoepfner in:

Hermogenes 2 (mit Lit.). Zum Athenatempel von Milet mit möglicherweise ähnlichem Grundriss: E. Schwertheim, AMS 1

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Die Erweiterung der Krepisoberseite zu einem Umgang sowie der vielstufige Unterbau des galatischen Bei-spiels erinnern wie der pseudodipterale Grundriss ebenfalls an Magnesia, dessen hermogeneischer Haupttem-pel überdies schon über eine Verbreiterung des Mitteljoches an der Vorderfront wie auch in Ankyra verfügte.674 Andererseits fällt am Tempel Ankaras die vom Artemisnaos in Magnesia und auch von den meisten anderen Tempeln abweichende Gestaltungsweise von Pronaos und Opisthodom auf. Dafür hat man in der Forschung zunächst religiöse Gründe angeführt. Die Herausgeber der Publikation dachten an die Koppelung zweier Kulte (Augustus mit Kybele, Men oder Zeus), was sich jedoch weder architektonisch noch durch andere Quellen be-weisen lässt.675 Die beste Parallele für zwei unterschiedlich geformte Schmalseiten findet sich im hellenistischen Zeus-Sosipolis-Tempel und damit erneut in Magnesia und sehr wahrscheinlich wieder an einem Bau des Her-mogenes. Zwar hat man an diesem kleinen Tempel in Gestalt eines Altares tatsächlich Anzeichen für die Prakti-zierung eines zweiten Kultes – in diesem Fall für Tyche – in der Rückhalle entdeckt, doch ist dieses Beispiel hinsicht eines Zweitkultes bis in die augusteische Zeit hinein als Sonderfall einzustufen. Zudem erscheinen Zwei-fel angebracht, ob in jenem Tempel für Tyche überhaupt ein Hauptkult eingerichtet worden ist, zumal die Cella als der geeignetere Platz für einen wichtigen Kult erscheint.676 Zumindest für die bauliche Unterscheidung beider Cellaschmalseiten gibt es für Ankyra im magnesischen Kultbau einen Vorläufer. Sonst wurde in der

ein-heimischen Bautradition jedoch an Tempeln meist auf eine Rückhalle verzichtet.677 Wiederaufgegriffen wurde der Baugedanke verschieden gestalteter Schmalseiten nach Ankyra erst wieder am Zeustempel von Aizanoi, mit dessen Errichtung wohl in hadrianischer Zeit begonnen wurde. Bei diesem Beispiel wird eine Verbindung des Kultes des Zeus mit dem der Meter Steunene vermutet, doch sieht man neben der Rückhalle vor allem das Kel-lergewölbe als den Kultbereich der Göttin an.678 Eine Beweisführung für die Existenz eines zweiten Kultes

(1990) 76. Zu einem Pseudodipteros aus Messa (Lesbos): Hoepfner a.O. 7 f. und N.Ch. Stampolides in: Hermogenes 117, die eine frühhellenistische Datierung vertreten, während sich Rumscheid I 59, 70 aus stilistischen Gründen für eine Entste-hungszeit zwischen 340 und 320 v.Chr. ausspricht.

674 Zur Krepisplattform: Neben dem Artemistempel von Magnesia, ca. 2.10 m (Gruben 391-393), ist sie etwa bereits am älteren Artemistempel von Ephesos (A. Rügler, Die Columnae Caelatae des Jüngeren Artemisions von Ephesos, 34. Beih.

IstMitt 1988, 40-42) anzutreffen. Zur vielstufigen Krepis: Diese ist schon vom älteren Artemistempel in Ephesos bekannt (ebd. 35-40). Sie findet sich am jüngeren Artemistempel in Ephesos (ebd. 40-42, 10 Stufen) und am jüngeren Apollontempel in Didyma (Gruben 368, 7 Stufen) wieder. Zum Mitteljoch: Gruben 392, der erklärt, dass die Mitteljocherweiterung erstmals an älteren ionischen Tempeln auftaucht. Eine Parallele von den gleich drei erweiterten Mitteljochen in Ankyra besteht u.a.

zum Apollontempel von Alabanda (Lauter 186).

675 Krencker–Schede 43 f. Hänlein-Schäfer 189 vermutete stattdessen den Romakult separat in der Rückhalle, der jedoch überzeugender als gleichgewichtiger Teil des Kultkonzeptes zu betrachten ist.

676 C. Humann, Magnesia am Mäander (1904) 157.

677 H. Weber, AM 84, 1969, 195 (etwa bei den Pseudodipteroi für Apollon in Alabanda, für Hekate in Lagina und für Aphro-dite in Aphrodisias); M. Waelkens in: Greek Renaissance 83 nennt weitere Beispiele für Tempel ohne Rückhalle aus helle-nistischer Zeit.

678 M. Schede in: Krencker–Schede 44; R. Naumann, Der Zeustempel zu Aizanoi (1979) 66 f. Zur Datierung des Tempels:

Naumann a.O. passim sieht einen Zusammenhang von Tempel, Mitgliedschaft der Stadt im panhellenischen Bund und an Cella und Pronaos angebrachten Inschriften, aus denen sich als terminus ante quem das Jahr 157 n.Chr. ergäbe. H.

v.Hesberg, Gnomon 54, 1982, 65-68 äußerte sich vorsichtig für eine kaiserzeitlich Bauzeit. Thür 104 Anm. 143, auch 113 Anm. 197 plädierte aufgrund der engen Verwandtschaft mit dem Naos in Ankyra sogar dafür, mindestens Plan und Beginn seiner Ausführung in die augusteische Zeit vorzuverlegen. Pülz 85-87 tritt aus stilistischen Gründen dagegen entschieden für eine hadrianische Zeit des ganzen Tempels ein. Auch in Knidos kommt die differierende Gestaltung von Vor- und

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schließlich aufgrund der Tempelform bleibt folglich schwierig. Umgekehrt gab es Kultverschmelzungen auch in Tempeln ohne Rückhalle und mit anderer Bauweise (etwa Augustus-Roma-Tempel in Mylasa, Traianeum in Pergamon, Zeus-Hadrian-Tempel in Kyzikos).679 Stattdessen ist zu erwägen, ob die unterschiedliche Formge-bung der Fronten nicht vor allem darin begründet liegt, die Haupt- bzw. Eingangsseite eines Baus hervorzuhe-ben, ob sie also nicht eher doch architektonisch als kultisch motiviert ist.

Den Säulen der Peristasis werden drei schlecht erhaltene korinthische Kapitelle zugeschrieben, die 1939 in der Nähe des Kaisertempels ausgegraben wurden.680 Den Herausgebern der Erstpublikation noch unbekannt, geht die Forschung deshalb heute überwiegend von einem korinthischen Tempel aus.681 Die Form der Kapitelle, die sich durch einen schweren Kelch, eine flache Abakusplatte und einen gedrungenen Gesamteindruck aus-zeichnet, sowie der Stil ihrer Dekoration entsprechen der augusteischen Zeit.682 Gesichert ist dagegen das Aus-sehen der an der Ruine erhaltenen korinthischen Antenkapitelle, an denen das figürliche Motiv einer geflügelten weiblichen Gestalt, einer Nike, im Zwischenraum der Voluten zu erkennen ist.683 Weitere Niken zierten einen Rankenfries, der den oberen Abschluss der Cellaaußenwand markierte und ebenso augusteisch zu datieren ist.

Die korinthische Ordnung, die für den äußeren Säulenkranz in Ankara demnach wohl angenommen werden kann, setzte sich erst in späthellenistischer Zeit allmählich durch. In der Epoche der römischen Kaiser wurde sie schließlich auf die meisten neuen Göttertempel übertragen.684 Die korinthischen Formen der Antenkapitelle und die Verzierung am Schmuckfries der Cellaoberseite bringen ein Verlangen nach großer Prachtfülle zum

halle in römischer Zeit ein weiteres Mal an einem Tempel vor. Die kultische Bestimmung dieses Tempels ist nicht bekannt:

M.J. Mellink, AJA 73, 1969, 217-219; Koenigs 219 f. Prostyle Vorhallen sind im Übrigen für Pseudodipteroi geläufig: H.

Weber, AM 84, 1969, 195 (Aphroditetempel in Aphrodisias, Domitiantempel in Ephesos, Zeustempel in Aizanoi).

679 Der Romakult hat offenbar in keinem der bekannten Tempel zu Konsequenzen im Bautypus geführt. Zu den Verglei-chen: s. die einzelnen Abschnitte des Kap. 3.

680 Y. Boysal, Anadolu 2, 1957, 131; S. Mitchell, Chiron 16, 1986, 29. Ob diese Kapitelle zu diesem Bauwerk gehören, ist zwar nicht völlig sicher, doch spricht deren Größe zumindest nicht dagegen. Die Zuweisung wird allgemein akzeptiert:

Naumann a.O. 68. Schede ging in Unkenntnis der erst später ausgegrabenen Kapitelle noch von einer ionischen Ordnung aus: Krencker–Schede 41 f.

681 Die Münzbilder helfen bei einer Entscheidung kaum weiter: Vgl. Krencker–Schede 41 f. und Taf. 4. Hänlein-Schäfer bes.

189 f. Am ehesten könnte ein Münzbild aus flavischer Zeit mit einem korinthischen Tempel einen Hinweis auf die korinthi-sche Säulenordnung geben. Vgl. die Kompositkapitelle auf Münzbildern, die den provinzialen Tempel in Tarraco, der sich am Osten orientiert zu haben scheint, präsentieren. Dazu Hänlein-Schäfer 236; Fishwick I 1, 152.

682 Heilmeyer 78 f. Mitchell a.O. weist zu Recht darauf hin, dass die Peristasiskapitelle am ehesten eine Datierung der Fertigstellung des Baus erlauben, weil sie aus bautechnischen Gründen der letzten Bauphase angehören dürften. Dagegen besitzen die an der Ruine vorhandenen Antenkapitelle nur einen bedingten Wert für die Zeitbestimmung, die im zweiten Ka-pitel ausführlich dargelegt wurde.

683 Krencker–Schede Taf. 32 a. s.u. 328-332.

684 Korinthische Peristasiskapitelle sind im kleinasiatischen Tempelbau erstmals am Zeustempel von Diokaisareia (Uzun-caburç), vermutlich aus dem ausgehenden 3. Jh. v.Chr., bezeugt: Rumscheid I 33, 86-91; Schenkungen 517. Weitere Bei-spiele gibt es aus Lagina (s.o. 181) und Kastabos (Lauter 187), letzterer aus dem 2. Jh. v.Chr., ersterer aus dem 2. oder 1.

Jh. v.Chr. Zur korinthischen Ordnung im Hellenismus allgemein: Rumscheid I 309 f. Zur korinthischen Ordnung in der Kai-serzeit allgemein: M. Waelkens in: Greek Renaissance 79. Hänlein-Schäfer 164-166 nimmt wegen Münzbildern auch für den augusteischen Provinztempel in Nikomedeia eine korinthische Säulenordnung an. Bei städtischen Kaiserkulttempeln ist die Kompositordnung in Mylasa schon zu Lebzeiten des Augustus nachgewiesen (s.u. 220). Möglicherweise lässt sich auch ein Münzbild mit einem Tempel aus Teos als weitere Darstellung eines Augustustempels mit korinthischen Kapitellen deu-ten: Hänlein-Schäfer 183. Auch der achtsäulige Tempel für Roma und Augustus in Samaria-Sebaste, der bereits gegen 25 v.Chr. entstand, besaß korinthische Kapitelle: Kuhnen 178 f.

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druck. Ähnliches galt auch in Rom, im Zuge der caesarischen und augusteischen Umgestaltung, als die anzu-strebende ästhetische Formulierung, die dort zunächst in Verbindung mit der speziellen Konkurrenzsituation verschiedener Baustifter stand und dann als Zeichen eines anbrechenden neuen Zeitalters gewertet wurde.685 Wenngleich die korinthische Säulenordnung selbstverständlich nicht für den Kaiserkult, sondern schon für ältere griechische Bauten entwickelt wurde, unterschieden sich die neuen Tempel, die in Mylasa, Pessinous, Antio-cheia oder Ankyra für die Verherrlichung römischer Herrscher entstanden, deutlich von den noch weitgehend ionisch geprägten Großtempeln aus der hellenistischen Epoche, nicht zuletzt auch deshalb, weil in der frühen Kaiserzeit vorübergehend fast keine Naoi mehr für einheimische Götter gebaut wurden.686 Im sakralen Kontext konzentrierten sich alle Kräfte, abgesehen von der Restaurierung alter Gebäude, auf die Errichtung neuer Kai-sertempel.

Neben der schmuckvollen Cellabasis, die aus Plinthe, Torus mit Lorbeerblättern und Fries mit

Lotus-Palmetten-Dekor bestand, ist als letztes noch auf ein Ornament an der Außenmauer des Kernbaus einzugehen.

Oberhalb des Orthostatensockels der Cellawände zog sich als Übergang zu den darüberliegenden Quader-schichten ein Mäanderband um den Naos.687 Dieser Schmuckstreifen findet sich erstmals am Artemistempel in Magnesia a.M. aus dem frühen 2. Jh. v.Chr. Am Aphroditetempel in Aphrodisias kommt er etwas später ein wei-teres Mal vor. Jüngere Beispiele als der Tempel in Ankyra sind aus Aizanoi (Zeustempel) und Baalbek („Bac-chustempel“) bekannt.688

Nicht nur der Grund- und Aufriss, sondern auch der Aufbau einzelner Bauglieder sowie einige wichtige Maß-verhältnisse wurden in Ankyra von hellenistischen Bauten aus dem westlichen Kleinasien übernommen. Eine Vorbildfunktion erfüllte insbesondere der Artemistempel von Magnesia a.M. (pseudodipterale Form, vielstufiger Unterbau, Umgang außerhalb des Säulenkranzes, Mäanderstreifen an der Cellawand, vielleicht auch das erwei-terte Mitteljoch).689 Römische Elemente fehlen an der Architektur in Ankara hingegen.690 Berücksichtigt man dabei, welchen Einfluss die römische Administration in den Anfangsjahren der Provinz auf den Ausbau der Stadt Ankyra und auf die Einführung einer neuen Verwaltung ausgeübt haben muss, ist die Anlehnung an griechische Gestaltungsformen der Westküste umso bemerkenswerter. Der neu zu organisierende Teil des Reiches suchte

685 P. Gros, Aurea Templa. Recherches sur l'architecture religieuse de Rome à l'époque d'Auguste, BEFAR 229 (1976) 197-234; Zanker 73-77.

686 Zu den ionischen Tempeln des Hellenismus (etwa Artemistempel in Magnesia a.M., Apollontempel von Chryse, Apollon-tempel von Alabanda, DionysosApollon-tempel von Teos) allgemein: W. Hoepfner in: Hermogenes 1-16. Zu Magnesia: Rumscheid I 28, 198-214. Zu Chryse: Rumscheid I 124-132. Zu Alabanda: Rumscheid I 142 f. Zu Teos: Rumscheid I 48-51; Schenkun-gen 504-505.

687 Krencker-Schede 14, Taf. 23: Im Zentrum des Mäanders befindet sich jeweils eine Blüte wie an der etwa zeitgleichen Maison Carré in Nîmes.

688 Zu Magnesia: H. Weber, AM 84, 1969, 196 f.; s.o. 59, 120. Zu Aphrodisias: s.o. 81 Anm. 306. Zu Aizanoi: s.u. 182 Anm.

678. Zu Baalbek: Ward-Perkins 314 (mit Lit.).

689 Hinzu kommt die Gestaltung von Vorder- und Rückseite nach dem Muster des Zeustempels von Magnesia a.M. Zu den Ornamenten und Proportionen im Einzelnen: Krencker-Schede 50.

690 Waelkens, Pessinus 51 vermutet die Anlehnung des lesbischen Kymations des Tempels an stadtrömische Muster, was allerdings auch mit der zufälligen Schulung des Handwerkerpersonals zusammenhängen könnte und nicht mit dem Ent-wurfskonzept begründet werden muss. Allein aus diesem Element lässt sich m.E. jedenfalls kein umfassender römischer Einfluss auf die Architektur des Tempels ableiten.

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zumindest in der Provinzhauptstadt von Galatien das bauliche Muster für den Tempel des Augustus und der Roma in der ostgriechischen Welt. Auch in der Verwaltungsstruktur, einem Bereich, in dem einheimische Tradi-tionen ebenfalls nur selten fortgesetzt wurden, fanden vorrangig in Kleinasien erprobte InstituTradi-tionen Beachtung.

Allerdings überwogen hier Modelle aus dem benachbarten bithynischen und nicht solche aus dem ionisch-karischen Raum wie in der Sakralarchitektur.691

Der Kaisertempel der galatischen Hauptstadt knüpfte in seinen Bauformen somit an die westkleinasiatischen Regionen an, was für Zentralanatolien ein Novum darstellte. Vermutlich wählte man hier die größte im Hellenis-mus gebräuchliche Tempelbauform aus, um eine überregionale Wirkung zu erzielen bzw. die provinzweite Be-deutung von Kult und Stadt in einer Phase der Neuorganisation zu unterstreichen. Zugleich orientierte sich der Tempel an den Sakralbauten des von Griechen besiedelten Raumes an der Westküste und nicht an denjenigen Roms, Galatiens und wahrscheinlich auch Bithyniens. Der Tempel sollte durch sein traditionelles griechisches Erscheinungsbild eine große Autorität für den neuen Kult suggerieren. Inwieweit das Heiligtum in Ankyra dabei auch auf die ersten Koinonkultbezirke in Pergamon und Nikomedeia zurückgriff und damit ein fertiges Muster für den provinzialen Kaiserkult übernahm oder aber ein eigenes Konzept verfolgte, ist dagegen in Unkenntnis des Aussehens dieser beiden Anlagen nicht zu entscheiden.692

Wichtig ist in Anknüpfung an das vorangegangene Kapitel, dass der ankyranische Tempel zentraler Teil der Urbanisierung einer Siedlung war, die zwar schon in der vorrömischen Zeit Hauptortfunktionen für einen Teil der Galater und die Aufgabe einer wichtigen Festung erfüllte, aber noch kaum städtische und repräsentative öffentli-che Gebäude nach griechisöffentli-chem oder römisöffentli-chem Verständnis besessen haben dürfte. Fast der gesamte Ort wurde unter Augustus umgestaltet. An vielen Stellen des Siedlungsgebietes wurde zugleich gebaut. Das im Stadtbild äußerst markante Sebasteion war vielleicht das sichtbarste Zeichen der neuen Ära, die 25 v.Chr. mit dem Ende der Herrschaft des Königs Amyntas und 23/2 v.Chr. mit der Gründung der neuen römischen Provinz begann sowie zu einer neuen Verwaltungsstruktur und der allgemeinen Förderung griechisch-römischer Elemen-te in diesem Teil Anatoliens führElemen-te. Die formale Entwicklung der Stadt Ankyra einschließlich ihres großen Kaiser-tempels hängt eng mit der augusteischen Provinzpolitik zusammen.693

691 Mitchell I 88 f.: Bithynien wurde bereits unter Pompeius durch die lex Pompeia in eine forma provinciae gebracht. Diese scheint in Galatien übernommen worden zu sein. Die Provinzpolitik im Osten war keine Politik der Romanisierung: G.W.

Bowersock, Augustus and the Greek World (1965) 71 f.; Ch. Marek, Stadt, Ära und Territorium in Pontus-Bithynia und Nord-Galatia, IstForsch 39 (1993) bes. 45.

692 Hänlein-Schäfer 164-166 hält in Nikomedeia einen oktastylen Tempel korinthischer Ordnung und einer dreistufigen Krepis für möglich. Der augusteische Koinintempel in Pergamon wurde auf Münzen dagegen höchstens hexastyl und mit mehrstufigem Unterbau dargestellt: Etwa Ch. Boehringer in: Pergamon. Ausstellung in Erinnerung an E. Boehringer (21972) M 78 (Kistophore 19/8 v.Chr.); M 79 (Gronzbronze 166/177 n.Chr.). Fünfsäulig erscheint der Tempel auf M 80 (Medaillon

692 Hänlein-Schäfer 164-166 hält in Nikomedeia einen oktastylen Tempel korinthischer Ordnung und einer dreistufigen Krepis für möglich. Der augusteische Koinintempel in Pergamon wurde auf Münzen dagegen höchstens hexastyl und mit mehrstufigem Unterbau dargestellt: Etwa Ch. Boehringer in: Pergamon. Ausstellung in Erinnerung an E. Boehringer (21972) M 78 (Kistophore 19/8 v.Chr.); M 79 (Gronzbronze 166/177 n.Chr.). Fünfsäulig erscheint der Tempel auf M 80 (Medaillon