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Selbstregulation durch den Einsatz von OSAs fördern

Im Dokument VONEINANDER LEHREN LERNEN (Seite 89-92)

STUDIENGANGENTWICKLUNG DURCH ONLINE­SELF­ASSESSMENTS (OSAS)

2. Selbstregulation durch den Einsatz von OSAs fördern

Selbstreguliertes Lernen bezeichnet das von den Lernenden aktiv initiierte Vorgehen, das eigene Lernverhalten unter Einsatz von verschiedenen Strategien zu steuern und zu regulieren (vgl. Landmann et al. 2015). Bei der Betrachtung des selbst-regulierten Lernens (kurz: der Selbstregulation) können zwei Perspektiven eingenommen werden: einerseits die Betrachtung von Komponenten in Form von sog. Schichtenmodellen (vgl.

das Drei-Schichten-Modell von Boekaerts 1999) und anderseits die Darstellung von Phasen im Sinne von Prozessmodellen (vgl.

Zimmerman 2002).

2.1 Schichtenmodelle

In den Schichtenmodellen werden verschiedene Handlungskom-ponenten innerhalb des Vorgangs des selbstregulierten Lernens in den Blick genommen (vgl. Landmann et. al. 2015). Konkret werden drei Komponenten definiert, die sich positiv auf das selbstregulierte Lernen auswirken (vgl. Landmann et. al. 2015 sowie Zimmerman 2002). Die kognitiven Komponenten umfas-sen „jene Prozesse, die der unmittelbaren Informationsaufnah-me, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung dienen“ (vgl. Wild & Schiefele 1994: 186). Die metakognitiven

Komponenten hingegen fokussieren die Kontrolle des Lernpro-zesses (vgl. Pintrich 1989). Die ressourcenbezogenen Kompo-nenten schließlich dienen der Verfügbarmachung von internen und externen Ressourcen, die den Lernprozess unterstützen (vgl.

Wild & Schiefele 1994). Dabei setzen die OSAs im Kompetenz-bereich der metakognitiven Komponenten an. In diese Kategorie fallen die Planung von Lernschritten, die Selbstbeobachtung und Selbstreflexion sowie die adaptive Regulation des eigenen Lernprozesses (vgl. Weinstein 1988). Konkret zielen die OSAs darauf ab, die Selbstbeobachtung (Self­Monitoring; vgl. Schmitz

& Schmidt 2007) zu erleichtern. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, aus analytischer Perspektive das eigene Denken und Handeln zu beobachten (vgl. ebd.). Die Lernenden machen sich aus der „Vogelperspektive“ bewusst, was sie gerade tun. In einem weiteren Schritt gilt es, durch die OSAs die Selbstreflexion anzuregen, durch die in Form einer Bewertung eine kritische Aus-einandersetzung mit dem eigenen Denken und Handeln erfolgt.

Als Konsequenz aus der kritischen Bewertung im Rahmen der Selbstreflexion kann bei Bedarf schließlich eine adaptive Regula-tion durch die OSAs angebahnt werden. Diese kann sich in einer tatsächlich beobachtbaren Verhaltensänderung oder auch in der Änderung von Einstellungen und Gedanken manifestieren.

Konkret unterstützt der Erwartungscheck frühzeitig eine aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Studienwunsch, um (vermeidbare) Studienwechsel oder Abbrüche zu verhindern (vgl.

Klöpping et al. 2017). Die Teilnehmenden machen sich in einem ersten Schritt ihre vor Studienbeginn auftretenden Studienerwar-tungen bewusst. Das heißt, der Erwartungscheck erleichtert hier die Selbstbeobachtung der eigenen Erwartungen. Er ermöglicht weiterhin eine Gegenüberstellung der eigenen Vorstellungen mit der Studienrealität. Dies erfolgt, indem die Teilnehmenden während und nach der Bearbeitung eine genaue Rückmeldung bekommen, die ihnen aufzeigt, an welchen Stellen ihre Vorstel-lungen vom Studienalltag abweichen (vgl. Kizinna & Stambolieva 2019). Für diesen Vergleich werden die von den Nutzer*innen

gewählten Antworten mit einem sog. Fachprofil, das die Stu-dienrealität widerspiegelt, abgeglichen und bewertet. Neben Informationen darüber, inwiefern die Erwartung von Nutzer*innen sich mit dem Fachprofil decken, erscheint eine Erklärung mit den tatsächlich zu erwartenden Gegebenheiten (s. Abb.1). Diese Rückmeldung regt somit die Selbstreflexion an, ob der Studien-gang zu den eigenen Erwartungen passt. Ist dabei eine Diskre-panz erkennbar, wird im Sinne einer adaptiven Regulation eine tiefere Auseinandersetzung mit der Studienrealität und ggf. die Wahl eines passenderen Studiengangs als Verhaltensänderung angebahnt.

Der Smart Learning Check befördert den Prozess des selbst-regulierten Lernens im Studienverlauf. Dieser Prozess sollte möglichst früh im Studium angestoßen werden, da an Studie-rende hohe Ansprüche selbstregulatorischen Verhaltens gestellt werden: Sie haben, verglichen mit der Schule, größere Freiräume, die sie eigenverantwortlich nutzen können und müssen (vgl.

Schmitz 2001). Die individuelle Auseinandersetzung mit der eigenen Studiensituation geschieht dadurch, dass den Studieren-den typische erfolgskritische Situationen im Hochschulkontext (vgl. Pixner 2008) präsentiert werden, aus denen sie diejenigen auswählen, die ihnen bereits begegnet sind. Durch die nachträg-liche Auseinandersetzung mit der erlebten Situation entsteht eine retrospektive Selbstbeobachtung. Ist die Situation präsent gemacht, erfolgt im OSA anhand spezifischer Aussagen zu Facetten selbstregulierten Lernens (vgl. Klingsieck 2019) eine kritische Bewertung des eigenen Lernverhaltens. Somit wird die Selbstreflexion angebahnt. Dazu bekommen die Nutzer*innen drei Fragen an die Hand, anhand derer sie sich selbst zu den Aus-sagen positionieren sollen. Diese orientieren sich an der Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1985):

1. Wie kompetent bin ich in Bezug auf die genannte Facette selbstregulierten Lernens? (Wahrgenommene Verhaltens­

kontrolle: „Können“) Abb. 1: Beispiel einer direkten Rückmeldung aus dem Erwartungscheck des Studiengangs „Informatik – Medieninformatik“ 

91 2. Brauche ich die genannte Facette selbstregulierten Lernens

in Bezug auf die erfolgskritische Situation? (Subjektive Norm:

„Sollen“)

3. Will ich die genannte Facette selbstregulierten Lernens ausbauen? (Einstellung: „Wollen“)

Dabei wird aus dem Selbstverständnis des LearningCenters heraus explizit auf die bei psychometrischen Testangeboten üblichen eignungsdiagnostischen Rückmeldungen (vgl. Mette

& Wottawa 2015) verzichtet. Resultiert aus der Beantwortung der Fragen ein selbsterkannter Nachholbedarf, kann durch das OSA wiederum eine adaptive Regulation im Sinne einer Einstel-lungs- und Verhaltensänderung angebahnt werden. In Form einer digitalen Toolbox werden Angebote zielgruppengerecht und attraktiv aufbereitet und ggf. durch Gamification­Elemente unterstützt (vgl. Söbke 2019). Selbstverständlich können digitale Tools wie die OSAs niemals den Austausch mit menschlichen Berater*innen der Hochschule oder externen psychosozialen Beratungsstellen ersetzen; die Hemmschwelle, diese Angebote rechtzeitig anzunehmen, kann jedoch deutlich gesenkt werden (vgl. Sasse 2011). Die im OSA gegebenen Tipps und Hilfestellun-gen bilden entsprechend als kleine anreHilfestellun-gende Elemente den Ein-stieg in die Nutzung der hochschulinternen Unterstützungsange-bote, was im Besonderen durch die Verweise auf die klassischen Beratungsangebote wie die StudienErfolgsBeratung forciert wird (vgl. Lutz et al. in diesem Band).

2.2 Prozessmodelle

In den Prozessmodellen des selbstregulierten Lernens (vgl.

Zimmerman 2002) wird angenommen, dass die in den Schicht-modellen definierten Komponenten in einem zyklischen Lern-prozess ineinandergreifen, der eine präaktionale (d. h. vorberei-tende), eine aktionale (durchführende) und eine postaktionale (nachbereitende, reflektierende) Phase umfasst (vgl. ebd.;

eine genauere Beschreibung der Phasen findet sich bei Lutz, Wanninger & Wilbers in diesem Band). Dabei kann das gesamte Studium als ein Lernzyklus gesehen werden. Ist dies der Fall, so setzen die Erwartungschecks in der präaktionalen Phase des gesamten Studiums an, indem sich die Nutzer*innen der Frage widmen, ob sie diesen Lernprozess eines Studiums in einem spezifischen Studiengang antreten möchten oder nicht. Der Smart Learning Check ist demgegenüber in der aktionalen Phase des Studiums zu verorten.

Wird hingegen das Studium als Kombination aus etlichen kleinen Lernzyklen verstanden, dann ist der Smart Learning Check noch einmal spezifischer zu betrachten. So geschieht zu Beginn des OSAs ein Anknüpfen an verschiedene postaktionale Phasen aus Lernerfahrungen des bisherigen Studiums. Im OSA erfolgt eine Anregung zu einer nachträglichen Selbstbeobachtung und Selbstreflexion. Die Auswahl einer spezifischen postaktionalen Phase über die Betrachtung der erfolgskritischen Situationen ist

Ausgangspunkt, um einen neuen Lernzyklus mit dem Ziel der Kompetenzsteigerung oder Optimierung eines Teilbereichs des selbstregulierten Lernens zu starten. Anhand der Tatsache, dass ein spezifischer Lernzyklus herausgegriffen wird, findet eine fokussierte punktuelle Weiterentwicklung statt. Überdies kann der Smart Learning Check in regelmäßigen Intervallen (semester-übergreifend) durchgeführt werden, sodass eine erneute Ausein-andersetzung mit den individuell herausgearbeiteten Herausfor-derungen im Studium erfolgen kann. Somit wird die Konzeption des OSAs im Besonderen der Grundannahme des selbstregu-lierten Lernens gerecht, die eine sequenzielle Aufeinanderfolge mehrerer Lernzyklen annimmt, die jeweils auf den Lernerfahrun-gen des vorangeganLernerfahrun-genen Lernzyklus aufbauen (vgl. Schmitz &

Schmidt 2007). Die Feedbackprozesse, die aus der mehrfachen Bearbeitung des Smart Learning Checks resultieren, können einerseits bei Erfolgserlebnissen die Motivation und Studien-zufriedenheit der Studierenden steigern (vgl. Schmied 2018).

Andererseits können die nachträgliche Selbstbeobachtung und Selbstreflexion gescheiterter Lernerfahrungen sowie die daraus resultierende Anbahnung adaptiver Regulation eine positive Fehlerkultur fördern (vgl. Prediger & Wittmann 2009).

2.3 Nachhaltigkeit

Um in den OSAs eine nachhaltige Selbstreflexion anzustoßen (vgl. Greif 2008), ist es notwendig, an der Lebenswirklichkeit der Nutzer*innen anzusetzen. Diese Anbindung an die Lebens-wirklichkeit geschieht in den vorhandenen OSAs durch den Einsatz von erfolgskritischen Situationen (sog. Critical Incidents;

vgl. Hell, Ptok & Schuler 2007). Dabei handelt es sich um klar beschreibbare Verhaltensweisen mit klar erkennbaren Folgen für die Handelnden. So erfolgen sowohl die Erstellung des Fachpro-fils – als Abbild der Studienrealität im Erwartungscheck – als auch die Sammlung von erfolgskritischen Situationen im Smart Learning Check über die Erhebung von typischen Schwierigkeiten und dem konkreten Umgang von Studierenden mit ebendiesen.

Sie werden von den Lehrenden und erfahrenen Studierenden gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen des LearningCenters in Gruppendiskussionen in Form von Fokusgruppen und in Einzelgesprächen über Interviews erarbeitet. Dabei werden die Perspektiven aller Lehrenden und der Studierenden höherer Semester gleichberechtigt einbezogen. Durch diese Kooperation bestechen die OSAs durch eine hohe Authentizität, da die Inhalte nicht aus einem kleinen Kreis von Expert*innen stammen, son-dern im Sinne eines partizipatorischen Entwicklungsansatzes von Akteur*innen aus dem Studiengang gemeinsam erarbeitet werden. Im Smart Learning Check wird diese Anbindung über-dies während der Teilnahme am OSA noch weiter individualisiert, da es deutliche interindividuelle Unterschiede bei Studierenden in Bezug darauf geben kann, welche Studiensituationen sie als herausfordernd wahrnehmen (vgl. Pixner 2008). So können die Nutzer*innen die Situationen zum Beispiel nach der

studien-bezogenen Relevanz, der empfundenen Dringlichkeit oder dem individuellen Leidensdruck sowie vor dem Hintergrund bereits bekannter Unterstützungsangebote einordnen und für sich priorisieren. Zudem können die Nutzer*innen die vorgegebenen erfolgskritischen Situationen um eigene Situationen erweitern, die automatisch in Kacheln organisiert werden (s. Abb. 2).

Zusammengenommen leisten die OSAs damit gemeinsam mit den anderen Angeboten des LearningCenters (z. B. durch eine Verzahnung mit dem Steuerungsinstrument Smart Success, vgl. Lutz, Wanninger & Wilbers in diesem Band) einen wichtigen Beitrag zur Förderung selbstregulierten Lernens. Dies geschieht durch die Förderung der metakognitiven Komponenten. Dabei lässt sich der Prozess der aktiven und selbstregulierten Ausein-andersetzung mit der eigenen (gewünschten) Studiensituation auf den gesamten „studentischen Lebenszyklus“ (Student Life Cycle; vgl. Schulmeister 2007) beziehen. Er beginnt schon vor der Entscheidung für ein Hochschulstudium bzw. vor der individuel-len Wahl des Studienfachs (hier durch den Erwartungscheck) und begleitet die aktive Studienzeit (hier durch den Smart Learning Check) sowie schließlich den Übergang in das Berufsleben.

Im LearningCenter der Hochschule Osnabrück werden bisher 1 die zwei genannten OSA-Angebote entwickelt und eingesetzt,

1 Die Erwartungschecks bieten Studieninteressierten die Möglichkeit, sich vor der Immatrikulation mit den beteiligten Bachelorstudiengängen „Informa-tik – Medieninforma„Informa-tik“, „Öffentliche Verwaltung“, „Kommunikationsma-nagement“ und „Fahrzeugtechnik“ auseinanderzusetzen und sich über Anforderungen und Inhalte zu informieren. Der Smart Learning Check als ein weiteres OSA bietet eine Möglichkeit der Selbsteinschätzung für bereits

um selbstregulierte Informationsgewinnung vor und während des Studiums sowie die Förderung von studentischen Kompe-tenzen anzuregen. Darüber hinaus können weitere Formate der OSAs, welche die Orientierung in Bezug auf die verschiedenen Studienphasen der Nutzer*innen fokussieren, für alle Phasen des Student Life Cycle entwickelt werden (vgl. Froese 2019). Sie können dabei auf die gezielte Förderung bestimmter (überfachli-cher) Kompetenzen setzen, für die individuelle Überprüfung des eigenen Lernstands und zur konkreten Prüfungsvorbereitung genutzt werden oder auch im Übergang von der Hochschule ins Berufsleben unterstützen. Neben diesen Instrumenten können elektronische Assessments im Lehrkontext auch als Kontrollins-trument durch Lehrende – sowohl formativ als auch summativ – eingesetzt werden (vgl. Dick et al. 2020) und ermöglichen direkt eine evidenzbasierte Lehrentwicklung auf Veranstaltungsebene.

Die bereits etablierten OSAs des LearningCenters hingegen unterstützen durch die Erhebung von Daten die evidenzbasierte Studiengangentwicklung.

3. Studiengangentwicklung durch den

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