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Der Ablauf des Mentoring-Programms

Im Dokument VONEINANDER LEHREN LERNEN (Seite 78-81)

Mentoring – Begriffsverständnis und Ziele

4. Mentoring-Konzept an der Fakultät Ingenieurwissenschaften und

4.1 Der Ablauf des Mentoring-Programms

Zu Beginn eines Mentoring-Durchgangs müssen sich interes-sierte Studierende für die Tätigkeit als Mentor*in schriftlich bewerben. Der Auswahlprozess für die Mentor*innen beinhaltet neben einer schriftlichen Bewerbung außerdem ein Vorstellungs-gespräch. Bei der Auswahl der Mentor*innen ist es von Vorteil, wenn die Mentor*innen über ausreichend eigene Erfahrungen und Wissen über die Hochschul- und Fachkultur verfügen. Die

79 Zufriedenheit mit dem bisherigen Studienverlauf sowie das

Interesse, eigenes Wissen und Erfahrungen weiterzugeben und Erstsemesterstudierende zu unterstützen, sind weitere Aspekte, die förderlich für den Beziehungsaufbau zwischen Mentor*innen und Mentees sein können. Für eine erfolgreiche Unterstützung der anvisierten Zielgruppen bei der Bewältigung der komplexen Herausforderungen zu Studienbeginn, sollten die Mentor*innen idealerweise ein Bewusstsein über (eigene) Probleme beim Stu-dieneinstieg und ein grundsätzliches Verständnis für mögliche Schwierigkeiten und Fragen in der Studieneinstiegsphase mit-bringen. Um den Mentees ein Rollenvorbild zu sein, ist es zudem von Vorteil, wenn die Mentor*innen selbst zu einer oder mehrerer der anvisierten Zielgruppen gehören und ggf. besondere Heraus-forderungen in der Studieneinstiegsphase selbst erlebt haben.

Eine Sensibilisierung für die Herausforderungen unterschiedli-cher Zielgruppen ist auch Gegenstand der obligatorischen Quali-fizierung für Mentor*innen und späterer Vertiefungs­Workshops.

Der Erfolg des Mentorings hängt allerdings nicht nur von dem Wissen und den Erfahrungen der Mentor*innen ab, sondern auch davon, inwiefern die Mentees sich aktiv mit ihren Fragen und Wünschen in das Mentoring einbringen und in Kontakt mit ihren Mentor*innen bleiben. Zur Förderung der Aktivität der Mentees und damit einem Rückgang der Mentee-Zahlen entgegenge-wirkt werden kann, ist seit dem WiSe 2015/16 zu Beginn des Studiums eine Bewerbung um die Teilnahme am Mentoring-Programm erforderlich, in der die eigene Motivation zur Teilnah-me dargelegt wird.15 Durch das Bewerbungsverfahren wird auch deutlich, inwiefern die Situation als Erststudierende*r, Studentin im MINT-Bereich oder Studierende*r mit Migrationshintergrund eine konkrete Motivation zur Teilnahme am Mentoring sein kann:

Einzelne Studierende geben im Rahmen ihrer Bewerbung z. B.

ihre jeweilige Situation an und schildern, dass sie „keine Ahnung“

vom Ablauf eines Studiums hätten, da niemand aus ihrem nähe-ren Verwandten- oder Bekanntenkreis studiert habe. Sie verbin-den damit die Hoffnung, dass ihnen daraus resultierende Ängste im Mentoring genommen werden. Auch der Wunsch nach Ver-besserung der Sprachkenntnisse als Nicht-Muttersprachler*in wurde bereits im Rahmen der Bewerbung angegeben.

In der zweiten Vorlesungswoche findet das Matching der Mentoring-Gruppen statt. Nach Möglichkeit werden die Teilneh-menden dabei nach Studiengängen aufgeteilt. Je nach Anzahl

15 Seit 2016 sind in den Sommersemestern jeweils ca. 70 Mentees in das Mentoring-Programm gestartet. Für die Wintersemester lässt sich eine stetige Zunahme der Teilnehmendenzahl erkennen: Im WiSe 2015/16 nahmen 118 Mentees am Programm teil, während im WiSe 2019/20 (auch aufgrund der Ausweitung auf alle Bachelorstudiengänge der Fakultät) sogar 238 Mentees starteten. Die Anzahl der Mentoring-Gruppen beläuft sich daher in den Sommersemestern auf jeweils vier bis fünf, die von ca.

sechs Mentor*innen betreut werden. In den Wintersemestern gab es bisher jeweils sieben bis zwölf Gruppen, die von ca. zwölf bis 18 Mentor*innen begleitet wurden.

der Mentoring-Gruppen pro Studiengang wird ein möglichst ausgewogenes Verhältnis aus Studentinnen, Pendler*innen, Erststudierenden einer Familie und Studierenden mit Migrations-hintergrund in den jeweiligen Mentoring-Gruppen gebildet, damit der soziale Anschluss für die jeweiligen Studierenden erleichtert wird.

Das Mentoring-Programm startet schließlich in der zweiten Vor-lesungswoche mit einer ca. 90-minütigen Auftaktveranstaltung, in der die Inhalte des Mentoring-Programms vorgestellt werden und ein erstes Kennenlernen der Mentor*innen und der Mentees erfolgt. Fragen können in diesem Rahmen geklärt sowie Verbind-lichkeiten für die weitere Zusammenarbeit geschaffen werden.

Nach der Auftaktveranstaltung starten die eigentlichen Mento-ring-Treffen. Hier variieren die Mentor*innen in den beiden beglei-tenden Mentoring-Semestern die Themen und Inhalte sowie die Zeitpunkte der eigenständig koordinierten Gruppen-Treffen abhängig vom Bedarf der Mentees. Sie ermöglichen dadurch eine passgenaue und individuelle Ausrichtung, in Abhängigkeit von bestehenden Fragen, Problemen und Wünschen seitens der Mentees. Dennoch lassen sich immer wiederkehrende Themen und Inhalte des Mentorings zeitlich wie folgt grob einordnen:

Zu Beginn des ersten Semesters stehen für die Mentoring-Gruppen insbesondere regelmäßige Treffen zum Kennenlernen sowie Teambuilding im Fokus, um eine Vertrauensbeziehung zu schaffen, Gemeinsamkeiten der Mentees aufzuzeigen und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Mentoring-Gruppe zu stärken. Darüber hinaus finden zu Beginn des Semesters vorwiegend Treffen zur Klärung von studienorganisatorischen Fragen statt. Themen, die die Mentor*innen dafür organisieren bzw. aufbereiten, sind z. B. eine Bibliotheksbesichtigung und die Weitergabe von Informationen über hilfreiche Unterstüt-zungsangebote von Hochschuleinrichtungen für spezifische Studierendengruppen (z. B. Studierende mit Kind). Im weiteren Verlauf des ersten Semesters regen die Mentor*innen stärker den informellen Erfahrungsaustausch zu Themen wie „Prüfungs-vorbereitung“, „eigener Lernorganisation“ und „Lernstrategien“

an, damit die Lernkompetenzen der Studierenden gestärkt und gleichzeitig auf die Unterschiede zu schulischem und hochschu-lischem Lernen hingewiesen wird. Die Mentor*innen motivieren die Mentees außerdem, Lerngruppen zu bilden und unterstützen ggf. bei der Suche nach geeigneten Lernpartner*innen. Im Rah-men des Peer-Mentoring-Konzepts bieten die Mentor*innen an, die Lerngruppen-Treffen der Mentees zu besuchen, um weitere Tipps zu einer guten Organisation von Lerngruppen zu geben, als Ansprechpersonen für vertrauliche Fragen im kleinen Rahmen zur Verfügung zu stehen und Feedback zur Lernorganisation der jeweiligen Lerngruppe zu geben. Gegen Ende des ersten Se-mesters evaluieren die Mentor*innen das Mentoring-Programm mithilfe eines einheitlichen Fragebogens, den die Mentees im Rahmen der Treffen ausfüllen. Dieser wird von der Programmko-ordinatorin gruppenweise ausgewertet und an die Mentor*innen

(ggf. mit Hilfestellungen und neuen Impulsen) weitergegeben;

diese können daraufhin Anpassungen für das zweite Mentoring-Semester vornehmen.

Am Anfang des zweiten Semesters starten die Mentor*innen mit einem Treffen zur Reflexion des ersten Semesters sowie der ersten Prüfungen. Sie setzen dafür Reflexionsmethoden ein oder initiieren einen Erfahrungsaustausch, um aus dem ersten Semester positive und ermutigende Erfahrungen und ggf. Ver-besserungsvorschläge (z. B. hinsichtlich des eigenen Lernens) für das zweite Semester abzuleiten. Im weiteren Verlauf des Semesters überwiegen insbesondere Treffen, die weiterhin einen informellen Erfahrungsaustausch zum Studium, zur Studienorga-nisation und zum eigenen Lernen ermöglichen. Die Mentor*innen organisieren des Weiteren Firmenbesichtigungen zur Förderung des Austauschs über das potentielle zukünftige Berufsfeld und geben basierend auf ihren eigenen Erfahrungen Ausblicke auf das weitere Studium bzw. insbesondere das kommende dritte Semester. Gegen Ende des zweiten Semesters findet gemein-sam mit den Mentor*innen und den Mentees eine Abschlussver-anstaltung statt. In diesem Rahmen reflektieren die Mentees den Mentoring-Prozess, um gewonnene Erfahrungen für das weitere Studium nutzbar zu machen. Da die Mentees das Mentoring-Pro-gramm insbesondere als informelles ProMentoring-Pro-gramm wahrnehmen, wurde bisher Wert darauf gelegt, auch den offiziellen Abschluss möglichst informell zu gestalten. Hierzu wurde gemeinsam mit den Mentor*innen eine Rallye konzipiert, die eine Kombination aus einer Abschlussevaluation in Form eines Frage bogens, einer Anleitung zur Selbstreflexion und der Bewältigung von Teamauf-gaben darstellt.

Ein wichtiger Bestandteil der Gruppen-Mentoring-Treffen im ersten und zweiten Semester ist der informelle Erfahrungsaus-tausch, um insbesondere für Studierende, die bisher wenig mit der Hochschulkultur vertraut sind, einen vertraulichen Rahmen zu schaffen, in dem sie ihre Fragen klären und ihre Unsicher-heiten abbauen können. Durch die Weitergabe ihrer eigenen Erfahrungen können die Mentor*innen den Studierenden Mut machen und als Role Models aufzeigen, dass das Studium bei guter Selbstorganisation und Disziplin sowie dem regelmäßigen Austausch mit Kommiliton*innen auch gut zu bewältigen ist und Rückschläge durch z. B. nicht bestandene Prüfungen trotzdem Teil eines erfolgreichen Studiums sein können. Einige Studie-rende haben sich durch eine berufliche Ausbildung oder andere berufliche Tätigkeiten vor dem Studium bereits länger nicht mehr mit dem Thema „Lernen“ auseinandergesetzt, sodass sie im Rahmen des Mentorings von den bereits gesammelten Erfah-rungen der Mentor*innen profitieren können. Sie erfahren von den Mentor*innen darüber hinaus von unterstützenden Angebo-ten wie z. B. der StudienErfolgsBeratung des LearningCenters, die zu Themen wie „Lernmotivation“, „Lernstrategien“ und „Selbst-organisation“ berät (vgl. Lutz et al. in diesem Band). Gerade mit Blick auf Unterstützungsangebote der Hochschule können die

Mentor*innen durch die Weitergabe ihrer eigenen Erfahrungen Hemmschwellen der Studierenden abbauen und sie dazu motivieren, bestimmte Angebote auch in Anspruch zu nehmen.

Der Austausch mit anderen Mentees über eigene Erfahrungen und (ggf. herausfordernde) Erlebnisse wird durch die Gruppen-Mentoring-Treffen ebenfalls gefördert. Dadurch kann das Erlebte besser verarbeitet und studienbezogene Emotionen können besser reguliert werden (vgl. Fuge 2017: 113). Diese Form der emotionalen Unterstützung lehnt sich auch an die Mentoring-Funktionen von Kram (1983) an, die Mentoring-Beziehungen auch eine psycho soziale Funktion zuweist. So können die Studie-renden gegenseitig von unterschiedlichen beruflichen Erfahrun-gen oder kulturellen und familiären Hintergründen profitieren und ihre Fähigkeiten im Hinblick auf Toleranz und Perspektivübernah-me ausbauen. Die Weitergabe von relevanten Informationen und Tipps zur Erleichterung der Orientierung an der Hochschule und zur Unterstützung beim Studieneinstieg lehnen sich an die zweite wichtige Funktion eines Mentoring-Programms an, die Kram (1983) als die karrierebezogene Funktion definiert. Diese sind für die Einarbeitung und das Weiterkommen in einer Organisation förderlich (vgl. Fuge 2017: 111; Magg-Schwarzbäcker 2013: 18).

Während der kompletten zwei Semester sind die Mentor*innen auch außerhalb der Gruppen- und Peer-Mentoring-Treffen Ansprechpersonen für die Mentees und koordinieren bei Bedarf auch Einzelgespräche, um bei individuellen und ggf. vertraulichen Fragen oder Diskriminierungserfahrungen zu unterstützen. Ein weiteres Angebot sind gruppenübergreifende Treffen wie z. B. ein gemeinsames Grillen oder eine Kanutour, die von Mentor*innen verschiedener Mentoring-Gruppen gemeinsam organisiert wer-den. Diese ermöglichen den Studierenden ebenfalls Kontakte zu anderen Mentoring-Gruppen und Kommiliton*innen aus anderen Studiengängen.

Durch die Flexibilität in den Themen, Aktivitäten und Zeitpunkten ermöglichen die Mentor*innen den Mentees ein passgenaues, bedarfsgerechtes Angebot. Nichtsdestotrotz stellen gerade die Heterogenität und die unterschiedlichen Erwartungen der Mentees auch eine Herausforderung für die Mentor*innen dar:

Durch die Freiwilligkeit des Mentoring-Programms müssen die Mentor*innen immer wieder ausreichend Anreize, Motivation und Relevanz für die Mentees schaffen, damit sie zu den Gruppen-Treffen erscheinen und einem Schwund entgegengewirkt werden kann. Die Mentor*innen müssen dabei ein Gleichgewicht zwischen den angestrebten Zielen des Mentoring-Programms und den Interessen der Hochschule auf der einen sowie den Bedürfnissen und Wünschen der Mentees auf der anderen Seite herstellen. Das kann dazu führen, dass Mentees sich von einzelnen angebotenen Themen nicht angesprochen fühlen und den Treffen fernbleiben, sodass auch die Förderung eines Zu-sammengehörigkeitsgefühls der Gruppe erschwert wird. Gerade diese erforderliche Balance macht eine gute Vorbereitung und eine kontinuierliche pädagogische Begleitung der Mentor*innen

81 während ihrer Tätigkeit notwendig, um die Qualität des

Mento-ring-Programms zu sichern und prozessorientiert intervenieren zu können. Die Qualifizierung und die pädagogische Begleitung der Mentor*innen werden deshalb im Folgenden näher beschrie-ben.

4.2 Qualifizierung und pädagogische

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