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Ablauf des Peer-Tutoring-Programms

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„Öffentliche Verwaltung“

4.3 Ablauf des Peer-Tutoring-Programms

Zu Beginn eines jeden Wintersemesters erfolgt im Rahmen der Erstsemesterwoche eine Informationsveranstaltung für die neue Kohorte des Studiengangs „Öffentliche Verwaltung“, um das Peer-Tutoring-Programm vorzustellen und den Mehrwert einer Teilnahme zu verdeutlichen. Anschließend wird die Anmeldung der Erstsemesterstudierenden über das hochschulinterne Lernmanagementsystem organisiert. Die Bewerbung des Programms erfolgt in diesem Zusammenhang auch über ein Role-Model-Video, das mit ehemaligen Peer-Tutor*innen des Studiengangs entwickelt wurde.

Noch während des vorangehenden Sommersemesters werden die neuen Peer-Tutor*innen (die ab Beginn ihrer Tätigkeit min-destens im dritten Semester sind) über eine direkte Ansprache der Lehrenden, der Koordinatorin oder der noch tätigen Peer-Tutor*innen akquiriert. Die Peer-Peer-Tutor*innen werden sowohl nach fachlichen als auch nach überfachlichen Qualifikationen ausgewählt. Für ihre Arbeit in den Peer­Tutorien müssen sie die juristische Fallbearbeitung beherrschen, um eine adäquate Be-gleitung der Peers zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang werden die Peer-Tutor*innen vor Aufnahme ihrer Tätigkeit in der Basisqualifizierung fachdidaktisch geschult, sodass sie in der Vermittlung des Gutachtenstils Sicherheit gewinnen. Sie orga ­ nisieren dann im Verlauf des Semesters bis zu acht Sitzungen, in denen die eigentliche Fallbearbeitung in der Gruppe durch-geführt wird. Bei der Umsetzung ihrer Aufgaben haben sie die Möglichkeit, sich in Tandemgruppen zu organisieren. Neue Peer­Tutor*innen profitieren auf diese Weise von der Expertise der erfahrenen Peer-Tutor*innen und können Unsicherheiten abbauen sowie Unterstützung auf Peer-Ebene erfahren. Außerdem werden die Peer-Tutor*innen während ihrer gesamten Tätigkeit superviso-risch von der Programmkoordinatorin begleitet (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Ablauf des Peer-Tutoring-Programms pro Semester

Das Peer-Tutoring-Programm startet in der zweiten oder dritten Vorlesungswoche mit einem gemeinsamen Kick-off-Treffen aller Peer-Tutor*innen, der beteiligten Lehrenden und des Learning­

Centers. Das Treffen dient der Vorstellung des Programms, der Klärung von Fragen, dem gegenseitigen Kennenlernen und der groben Planung des Semesters. Hier wird auch ein Leitfaden für die Peer­Tutor*innen zu Themen wie „Qualifizierung & Beglei-tung“, „Ablauf der einzelnen Treffen“ etc. vorgestellt, der gemein-sam mit der verpflichtenden Basisqualifizierung8 als wichtige Vorbereitung der Peer-Tutor*innen dient. Entsprechend den Anmeldezahlen werden in der Sitzung auch die Gruppen für die einzelnen Peer-Tutorien gebildet und es wird eine Zuweisung der Peer-Tutor*innen zu den jeweiligen Gruppen veranlasst.

Nach der Zuteilung der Gruppen finden in der Regel bis zu acht Peer-Tutorium-Sitzungen im Semester statt, in denen die Erstsemesterstudierenden vorlesungsbegleitend Übungsfälle bearbeiten. In diesen Lernsettings sollen Fragen und Probleme behandelt werden, die in den regulären Lehrveranstaltungen noch nicht angegangen werden konnten. Die symmetrische Beziehung zwischen den Peer-Tutor*innen und den Peers trägt dazu bei, dass die Studierenden ermutigt werden, alle noch offen geblie-benen Fragen zu stellen und ihre Lernstrategien zu überprüfen.

Die Lerngruppen erleichtern zudem die Orientierung und das Ankommen im Studienalltag durch den kollegialen Austausch.

Wichtig für das Gelingen der Gruppenarbeit in den Peer-Tutorien ist die Einhaltung fester Abläufe wie der bewussten Gestaltung eines Einstiegs, einer strukturierten Gruppenarbeit und einer Schluss- bzw. Reflexionsphase. Dabei spielen die Schaffung einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre für die kooperativen Lernpro-zesse und ein koordiniertes Vorgehen bei den Fallbearbeitungen eine besondere Rolle. Hierzu werden Gruppenregeln und Rollen verteilt, die Verbindlichkeiten herstellen und eine aktive Teilnah-me der Peers fördern. Ein respektvoller Umgang miteinander ist zentral für die Arbeit in den Peer-Tutorien; jede*r kann einen Beitrag zum Gelingen der gemeinsamen Arbeit leisten und sich entsprechend in die Gruppenarbeit einbringen. Gleichzeitig kann seitens der Peer-Tutor*innen auf individuelle Wünsche einge-gangen werden, indem bspw. Inhalte wiederholt, Definitionen gemeinsam erarbeitet oder Zusatzmaterial für die Falllösungen zur Verfügung gestellt werden.

Während des Semesters werden zudem mehrere sog. Mittags­

tische für die Peer-Tutor*innen angeboten, die der Vernetzung un-tereinander sowie der methodisch-didaktischen Fortbildung und der kollegialen Unterstützung dienen. Außerdem hospitiert die Programmkoordinatorin bei allen Peer-Tutor*innen, um konstruk-tives Feedback zur Gestaltung der Peer-Tutorium-Sitzungen zu

8 Haben erfahrene Peer­Tutor*innen bereits die Basisqualifizierung absol-viert, steht ihnen die Teilnahme an verschiedenen Vertiefungsworkshops

geben. Dies ist insofern wichtig, als die persönliche Entwicklung und Professionalisierung der Peer-Tutor*innen im Laufe ihrer meist einjährigen Tätigkeit gefördert werden soll.

Am Ende eines jeden Semesters findet ein abschließendes Refle-xionstreffen mit den Peer-Tutor*innen, den beteiligten Lehrenden sowie dem LearningCenter statt. Dabei wird das Semester aus der jeweiligen Perspektive reflektiert und evaluiert; so werden Anregungen und Verbesserungsvorschläge für das kommende Semester gesammelt, die gemeinsam mit den Evaluationen ausgewertet werden (vgl. Kap. 4.5).

Ablauf der Peer-Tutoring-Sitzungen

Bei den ersten Sitzungen nehmen sich die Peer-Tutor*innen aus-reichend Zeit, um die Peers kennenzulernen und ihre individuellen Bedürfnisse und Lebenslagen zu verstehen. So können sie ein gutes Vertrauensverhältnis aufbauen und einen erfolgreichen Teambuilding-Prozess einleiten. Zu einem erfolgreichen Start gehört auch, dass klare Rahmenbedingungen geschaffen und Gruppenregeln aufgestellt werden, um ein produktives Arbeiten zu ermöglichen (darunter fällt z. B. die Einigung auf eine aktive, regelmäßige Teilnahme, einen verantwortungsvollen und respekt-vollen Umgang miteinander sowie die Übernahme von Aufga-ben). Für ein vertrauensvolles Miteinander wird im Rahmen der Peer-Tutorien eine offene Fragen- und Fehlerkultur gelebt.

Der erste Schritt eines jeden weiteren Treffens im Peer-Tutorium ist die Klärung offen gebliebener Fragen und ggf. die Wieder-holung und Reflexion wichtiger Inhalte aus den Lehrveranstaltun-gen, damit die Fallbearbeitung gelingen kann. Anschließend beginnt die eigentliche Arbeit in der Kleingruppe. Die behandel-ten Fälle werden aus der seit dem WiSe 2019/20 bestehenden digitalen Falldatenbank Fallstedt heruntergeladen. In dem vom MWK finanzierten Qualität­Plus­Projekt „Fallbearbeitung 3E:

elektronisch, effizient, effektiv“ (2019­2021) wird diese digitale Fallsammlung mit juristischen Übungsfällen zurzeit aufgebaut.

Sie soll realitätsnahe Fälle aus dem angestrebten Berufsfeld der Studierenden für die Arbeit in den Peer-Tutorien und für Selbstlernphasen bereitstellen. Im Peer-Tutorium wird ein Fall ausgesucht und gemeinsam oder in Einzelarbeit gelesen. Die Erfahrung der letzten Semester hat gezeigt, dass die Methode Reihumgeben besonders wertvoll für die anschließende

Fallbearbeitung in der Gruppe ist. Dies bedeutet, dass die Lösung für den zu behandelnden juristischen Fall Schritt für Schritt von allen Teilnehmer*innen im Rotationsprinzip erarbeitet wird, in-dem sich alle Gruppenmitglieder nacheinander einbringen. Dabei zeigen die Peer­Tutor*innen Möglichkeiten zur Lösungsfindung

65 auf und leisten „Hilfe zur Selbsthilfe“9, indem sie strukturiert

Anleitung geben (vgl. Grieshammer & Peters 2014: 439). Neben der Erarbeitung einer zusammenfassenden Lösungsskizze wird insbesondere das Formulieren aller Lösungsteile geübt. Dabei geben die Peer-Tutor*innen Feedback zu Formulierungsvorschlä-gen und weisen auf unabdingbare Textbestandteile im Rahmen des Gutachtenstils hin. Weiß ein Gruppenmitglied den nächsten Schritt nicht, können die Peer-Tutor*innen oder andere Gruppen-mitglieder nach dem Prinzip der minimalen Hilfe unterstützen, indem sie offene Fragen zum Sachverhalt stellen oder Tipps zur Lösungsfindung geben.

Durch das systematische Reihumgeben werden alle Peers zur aktiven Teilnahme an der Gruppenarbeit bewegt und erleben, wie sie Teil der Gruppe werden und für die erfolgreiche Bearbeitung der Aufgaben mitverantwortlich sind. Alternativ zur Methode Reihumgeben können auch „Expert*innen“ für die Gruppenarbeit eingesetzt werden, um einen strukturierten Austausch zu unter-stützen. Dafür werden die Peers in verschiedene Expert*innen-Gruppen eingeteilt. Jede Expert*innen-Gruppe erarbeitet dann einen Teilaspekt des Falls. Im Anschluss werden aus jeder Expert*innen­Gruppe die zentralen Ergebnisse im Plenum prä­

sentiert und zusammengeführt. Oder die Gruppen werden neu zusammengesetzt, indem aus allen Expert*innen-Gruppen jeweils eine Person einer neuen Gruppe zugeteilt wird. Auf diese Weise können alle Teilaspekte gebündelt und ein Gesamtergeb-nis formuliert werden (Prinzip Gruppenpuzzle, vgl. Schwärzel 2011). Zentral bei der Herangehensweise ist insgesamt, dass die Peer­Tutor*innen nicht einfach die Lösungen vorgeben, sondern den Prozess der Lösungsfindung aktiv begleiten. Für die Bearbeitung der Fälle werden Hilfsmaterialien wie Definitions­

sammlungen in der Falldatenbank zur Verfügung gestellt. Da diese Sammlungen nicht alle juristischen Definitionen enthalten, werden noch fehlende Definitionen von einzelnen Peers sukzes-sive im Selbststudium erarbeitet und allen Gruppenmitgliedern zur Verfügung gestellt.

Im Anschluss an die gemeinsame Fallbearbeitung fassen die Peer-Tutor*innen zentrale Punkte zusammen, klären ggf. noch offen gebliebene Fragen und geben einen Ausblick auf die nächste Sitzung. Zudem holen sie sich nach jeder Sitzung ein Feedback ein. Mit dem Feedback können sie überprüfen, wie die Fallbearbeitung und die Gruppenprozesse erlebt und inwiefern Lernziele erreicht wurden.

9 Ziel des Prinzips der minimalen Hilfe ist es, Studierende im Sinne der

„Hilfe zur Selbsthilfe“ zu unterstützen, indem sie ihrem individuellen Lernstand entsprechend aktiviert werden. Sie werden dabei nicht nur mit den erforderlichen Antworten versorgt, sondern anhand gezielter Fragen und Hilfestellungen dazu angeleitet, sich selbst zu helfen und die Lösung eigenständig zu erarbeiten (vgl. Kröpke 2015: 56).

E-Learning im Peer-Tutoring-Programm

Seit dem WiSe 2019/20 werden durch das bereits erwähnte Qualität-Plus-Projekt einzelne E-Learning-Tools in die Arbeit der Peer-Tutorien integriert. Dabei wird das Ziel verfolgt, individu-elles und flexibles Lernen zu fördern und die (über-)fachliche Kompetenzentwicklung bei der Fallbearbeitung auch mithilfe von E-Learning zu verbessern. Die E-Learning-Tools ermöglichen eine zeit- und ortsunabhängige Nutzung und berücksichtigen damit eine zunehmend heterogenere Studierendenschaft mit unterschiedlichen Wissensständen und Lebenssituationen (vgl.

Auferkorte-Michaelis & Linde 2014: 145).

Als erstes Tool wurde die bereits erwähnte digitale Falldaten-bank Fallstedt aufgebaut, die Fälle aus dem angestrebten Berufsfeld der Studierenden zur Verfügung stellt. Fallstedt ist in einer Ordnerstruktur des zentralen Hochschulportals OSCA angelegt. Diese entspricht einem typischen Organigramm einer selbstständigen Gemeinde und stellt so ein realitätsnahes Ar-beitsumfeld für die Studierenden dar. Die Fälle sind so hinterlegt, dass Dezernatsstrukturen, Hierarchien und Zuständigkeiten in Anlehnung an das städtische Organigramm abgebildet und in den Fallkonstellationen berücksichtigt werden. Bei der Erstellung der Übungsfälle wurde auf Diversitätsorientierung geachtet, d. h., dass in den Fallbeschreibungen auf Genderstereotype bzw. auf stereotype Darstellungen bestimmter Personengruppen sowie auf unnötige Personendetails verzichtet wurde (vgl. Valentiner 2017) und stattdessen unterschiedlichste Lebensentwürfe und gesellschaftliche Realitäten widergespiegelt werden. Mithilfe der entwickelten Fälle und der angelegten Darstellung in Fallstedt wird eine konkrete Verbindung zwischen Theorie und Praxis bzw.

Lern- und Arbeitswelt hergestellt.

Als weitere E-Learning-Maßnahme, um individuelle Bedürfnisse und Lernniveaus in den Peer-Tutorien zu berücksichtigen, wur-den in Fallstedt virtuelle Prüfungsaufgaben (E­Assessments bzw.

sog. ViPs) eingerichtet. Diese kurzen Aufgaben können individu-ell im Rahmen des Selbststudiums innerhalb oder außerhalb der Peer-Tutorien bearbeitet werden. Nach der Bearbeitung wird den Studierenden angezeigt, ob die jeweilige Aufgabe richtig gelöst wurde. Im Fall einer falschen Antwort wurde beim Anlegen der Aufgabe eine Musterlösung hinterlegt bzw. eine korrigierende Antwort samt Erklärung verfasst, die den Studierenden mit dem Ergebnis der Aufgabe angezeigt wird. Dies hat den Vorteil, dass die Studierenden nicht mehr zwingend auf die Rückmeldung der Peer-Tutor*innen oder Lehrenden angewiesen sind, sondern das Ergebnis ihrer bearbeiteten Aufgabe „auf Knopfdruck“ erhalten.

Bei Rückfragen oder Schwierigkeiten können sie sich jederzeit an die Peer-Tutor*innen oder Lehrenden wenden. Auch die virtuellen Prüfungsaufgaben wurden eng mit den Lehrenden abgestimmt, sodass diese auch in den Vorlesungen bzw. zur Vor- und Nach-bereitung der Sitzungen genutzt werden können. Seit dem WiSe

2019/20 sind insgesamt 89 virtuelle Prüfungsaufgaben entwi-ckelt worden.

Rückblickend auf das erste Semester, in dem E-Learning-Tools in den Peer-Tutorien zum Einsatz kamen, kann festgehalten wer-den, dass die Studierenden Fallstedt gut angenommen haben.

Auch die Peer-Tutor*innen gaben positives Feedback, da sie die Vorteile der digitalen Fallsammlung nachvollziehen konnten (bspw. den praxisnahen Einblick in die Zuständigkeitsverteilun-gen und Abläufe einer Verwaltung). Außerdem wurde mithilfe der vorgegebenen Übungsfälle sichergestellt, dass alle Peer-Tutorien die gleichen Fälle bearbeiten, um gleiche Voraussetzungen bei der Klausurvorbereitung zu schaffen. Auch die ViPs wurden nach ihrer Einführung von den Studierenden rege genutzt – insbe-sondere zur Wiederholung und Vertiefung der Inhalte sowie zur konkreten Klausurvorbereitung.

4.4 Qualifizierung und Begleitung der

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