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Ornamente und Mosaike im Islam

4.4 Selbst¨ ahnlichkeit

Der Begriff der Selbst¨ahnlichkeit tritt auf, wenn Kacheln mit unterschiedlichen L¨angeneinheiten eine Kachelung repr¨asentieren. Ein Beispiel einer solchen tierung ist die mit der in Abbildung 4.24 dargestellten Sphinx-Kachel. Diese Parket-tierung ist nicht periodisch, deren Ausgangspunkt ist eine kleine Sphinx. F¨ugt man vier dieser Sphinxen zusammen so erh¨alt man wieder eine Sphinx, eine mit doppelter L¨ange zur urspr¨unglichen Figur. Dies kann so weiter gef¨uhrt werden und es entsteht ein nicht periodisches Muster, welche die Eigenschaft der Selbst¨ahnlichkeit tr¨agt.

Abbildung 4.24: Parkettierung durch Sphinx, Gardner 1989 [17]

Wendet man diese Eigenschaft f¨ur die Girih-Kachel an, so wird das durch ei-ne Unterteilung der großen Girih-Kacheln in kleiei-nere Girih-Kacheln erm¨oglicht.

Das l¨aßt sich f¨ur die Fliege, das gestreckte Sechseck sowie dem regul¨aren Zehneck durchf¨uhren. (Siehe Abbildung 4.25). Die Verwendung solcher zusammengesetzten

Abbildung 4.25: Unterteilungsregel: Kachelung der Girih-Kacheln [17]

Girih-Kacheln zeigt eine Seitenwand des Eingangs der Freitagsmoschee in Isfahan, Iran, aus dem 15. Jahrhundert sowie eine Wand ¨uber dem Eingang des Darb-i Imam

Schreins in Isfahan, Iran, aus dem Jahre 1453. (Siehe Abbildung 4.26 und Abbildung 4.27).

Abbildung 4.26: Seitenwand des Eingangs der Freitagsmoschee, Isfahan, Iran (sp¨ates 15. Jhdt) und Zusammensetzung durch große Zehneck - und Fliegenkacheln [12]

Die Wand dieses Geb¨audes zeigt eine Kachelung mit Fliegen -, Sechseck und Zehneck-Kacheln. Zus¨atzlich kann durch die Unterteilungsregel, wie die Abbildung 4.25 zeigt, dieselbe Kachelung bestehend aus 7 Kacheln, 4 Zehneck- und 3 Fliegen-Kacheln erzeugt werden. (Siehe Abbildung 4.27).

Auch die doppelte Linienf¨uhrung, wie sie in der Topkapi Schriftrolle zu sehen ist, zeigt die Verwendung von ¨uberdeckenden Parkettierungen. In Abbildung 4.27 ergibt die gr¨une Linienf¨uhrung die auf den sieben großen Girih-Kacheln aufgezeichneten Linienz¨uge (siehe Abbildung 4.28), w¨ahrend die Trennlinie der schwarz, weiß, gr¨un und gelb eingef¨arbten Muster die Linienf¨uhrung auf den kleiner skalierten Girih-Kacheln ist. Ein weiteres Beispiel einer ¨uberdeckenden Parkettierung ist am selben Geb¨aude, dem Darb-i-Imam-Schrein in Isfahan, an einem Bogenzwickel zu finden.

Dort sind 231 Fliegen- sowie Sechs- und Zehneck-Kacheln so angeordnet, dass sie die gleiche Kachelung aus 4 Zehneck- und 2 Fliegen-Kacheln bilden. (Siehe Abbildungen 4.29 und Abbildung 4.30

Abbildung 4.27: Wand mit Rundbogen ¨uber dem Eingang des Darb-i Imam Schreins, Isfahan, Iran (1453) [12]

Abbildung 4.28: ¨Uberdeckende Kachelung: Kachelung durch große Zehneck- und Fliegen Kacheln (links) und Kachelung durch Zehneck-, Sechseck- und Fliegen-Kacheln des Darb-i Imam Schreins, Isfahan, Iran (1453) [12]

Solche selbst¨ahnlichen Ornamente mit zehnz¨ahliger Symmetrie k¨onnen allerdings nicht mehr periodisch sein: Sie lassen sich also nicht erzeugen, indem man einfach ein Grundelement nimmt und es in einer Reihe nebeneinander auflegt. Stattdessen handelt es sich um quasiperiodische Muster. Sie erscheinen auf den ersten Blick zwar geordnet, weisen jedoch keine ¨uber l¨angere Strecken anhaltende Translationssymme-trie auf.

Abbildung 4.29: Bogenzwickel des Darb-i Imam Schreins, Isfahan, Iran (1453) [14]

Abbildung 4.30: Bogenzwickel durch großskalierte Girih Kacheln (links) und klein skalierte Girih-Kacheln (rechts) [14]

Das Besondere: Die relative H¨aufigkeit, mit der zwei Kacheln auftauchen, ent-spricht einer irrationalen Zahl. Die Verzierungen des Schreins bilden Lu und Stein-hardt zufolge ein solches quasiperiodisches Muster, und zwar ein ganz ber¨uhmtes.

Das Verh¨altnis der Anzahl der Sechsecke zu den Fliegen n¨ahert sich bei zunehmen-der Ausdehnung dem Goldenen Schnitt an - wie das Mengenverh¨altnis der beiden Kacheln in der Aufsehen erregenden f¨unfz¨ahligen quasi-periodischen Parkettierung, die Roger Penrose 1974 konstruiert hat.

4.4.1 Analytische Beschreibung

Analytisch l¨aßt sich dieser Sachverhalt folgendermaßen beschreiben:

Die Unterteilungsregel, also das Unterteilen von großen in kleinere Girih-Kacheln, wie die Abbildung 4.25 zeigt, kann durch folgende Gleichungen beschrieben werden:

1F = 14f + 14h+ 6d 1H = 22f + 22h+ 10d 1D= 80f+ 80h+ 36d

Wobei die Großbuchstaben F, H und D die mit gr¨oßer skalierten L¨angeneinheiten entsprechende Girih-Kacheln sind. Die Fliege wird mit F bezeichnet, das gestreckte Sechseck mit H f¨ur Hexagon und das regul¨are Zehneck mit D f¨ur Dekagon.

Das liefert folgende Transformationsmatrix

Man erh¨alt folgende Eigenwerte:

λ1 = 36 + 16√

5 = 4ϕ6 ≈71,78,λ2 = 36−16√

5≈0,22 undλ3 = 0 wobeiϕ= 1+

5

2

die Zahl des goldenen Schnitts ist, was aufgrund der 5- und 10-z¨ahligen Symmetrie nicht ¨uberraschend ist.

Die zugeh¨origen Eigenvektoren ergeben folgende Werte:

e1 =−q

Die Komponenten der Eigenvektoren enthalten die Anzahl der Fliegen, Hexagons und Dekagons, wie durch die Transformationsmatrix 4.1 festgemacht wurde. So ist am ersten Eigenvektor erkennbar, dass aufgrund der auftretenden irrationalen Zahl die Anzahl der Kacheln bei unendlichem Fortsetzen des Musters nie rational werden kann, daher ist dies der Beweis der quasikristallinen Eigenschaft. Das Muster ist nicht periodisch; w¨are es periodisch so m¨usste eine rationale Zahl auftreten. Der dritte Eigenvektor zeigt uns, dass jedes Zehneck durch 3 gestreckte Sechsecke und eine Fliege zusammensetzbar ist, wie schon am Beispiel des Blauen Turms erkennbar wurde.

Daher kann nun die Transformationsgleichung f¨ur die Girih-Kacheln, die Fliege

und dem gestreckten Sechseck, folgendermaßen aufgestellt werden:

Das Berechnen der Eigenwerte und Eigenvektoren liefert die Ergebnisse:

λ1 = 36 + 16√

Hier erkennen wir nun, dass sich die Anzahl der auftretenden Kacheln, dem gestreckten Sechseck sowie der Fliege, am Beispiel des Darb-i Imam Schreins beim unendlichen Fortsetzen gegen die Zahl des goldenen Schnitts, ϕ= 1+

5

2 konvergiert.

Dieses asymptotische Verhalten der Fliegen und Sechsecke tritt auch bei der Penrose-Parkettierung auf, an der das Verh¨altnis der Anzahl von Pfeilen und Drachen gegen ϕstrebt. Dadurch wird f¨unf- oder zehnfache Symmetrie erzwungen, und dies zeichnet eine quasikristalline Parkettierung aus.