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Quasikristalline Parkettierung an islamischen Bauwerken

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Academic year: 2022

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DIPLOMARBEIT

Quasikristalline Parkettierung an islamischen Bauwerken

ausgef¨uhrt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades eines Magisters unter der Leitung von

O.Univ.Prof. DDr. Hellmuth Stachel Institut f¨ur Diskrete Mathematik und Geometrie

Fakult¨at f¨ur Mathematik und Geoinformation, Technische Universit¨at Wien

eingereicht an der Technischen Universit¨at Wien

von

Samira Elsayed Matrikelnummer: 0426146

Wien, 17. September 2012

(http://www.ub.tuwien.ac.at).

The approved original version of this diploma or master thesis is available at the main library of the Vienna University of Technology

(http://www.ub.tuwien.ac.at/englweb/).

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Abstract

The art of complete covering surfaces of selected buildings in an asthetic way is a crucial part of architecture. When looking at these walls one would not immediately recognise that this covering is nothing else than a tiling and that, the astethical arrangement is the result of the patterns placed on each tile.

In fact, tiling a surface is much more scientific than tilers or architects were aware of, whether they worked at the time of the Old Greeks or during the Islamic Golden Age or at our present time.

Many of these tilings have been discovered in the 20th century, although they had been known much earlier in history, at the time of the Islamic Golden Age. It is difficult to say, when and where in history science was developed, because very often scientific knowledge of others is not recognised and thus the history of science is limited.

Concentrating on the area of geometry, my thesis refers to advanced, fascinating und long hidden treasures of science and is meant to be a contribution to pass on this knowledge.

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Zusammenfassung

Die Kunst, Fl¨achen auserw¨ahlter Bauwerke l¨uckenlos auszuf¨ullen und somit ¨asthetisch ansprechend zu gestalten, ist wesentlicher Bestandteil in der Architektur. Beim Be- trachten dieser W¨ande merkt man nicht, dass dieses Ausf¨ullen nichts Anderes als eine Parkettierung ist und die ¨asthetisch ansprechende Gestaltung aufgrund des auf den einzelnen Kacheln angebrachten Musters zustandekommt.

In der Tat steckt in der Parkettierung einer Fl¨ache eine Wissenschaft, deren Er- kenntnisse dem einzelnen Fließenleger oder Baumeister, gleichg¨ultig ob nun im alten Griechenland, zur Zeit der islamischen Hochbl¨ute oder heute, oftmals nicht bewusst ist.

Viele dieser Parkettierungen wurden erst im 20. Jahrhundert entdeckt, wenn- gleich sie schon viel fr¨uher in der Geschichte, n¨amlich zur Zeit der islamischen Hochbl¨ute bekannt waren. Es ist schwierig zu sagen, wann und wo in der Geschichte Wissenschaft betrieben wurde, denn oft wird die Wissenschaftsgeschichte begrenzt, indem Erkenntnisse der anderen nicht ber¨ucksichtigt werden.

Spezialisiert auf das Gebiet der Geometrie finden sich in vorliegender Arbeit fort- schrittliche, faszinierende und lang unentdeckt gebliebene Sch¨atze der Wissenschaft, die als Beitrag zur Weitergabe von Wissen hier thematisiert werden.

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(9)

Abstract v

Zusammenfassung vii

Abbildungsverzeichnis xi

1 Einf¨uhrung 1

1.1 Uberblick der Diplomarbeit¨ . . . 2

1.2 Motivation . . . 3

2 Diskrete Bewegungsgruppen der euklidischen Ebene 7 2.1 Einf¨uhrung . . . 8

2.2 Diskretheit . . . 19

2.2.1 Gitter . . . 20

2.2.2 Basisitransformationen . . . 23

2.2.3 Minimalsysteme . . . 24

3 Symmetrie 25 3.1 Symmetriegruppe . . . 26

3.1.1 Punktgruppen . . . 26

3.1.2 Ornamentgruppen im E2, Raumgruppen im En . . . 27

3.1.3 Kristallographische Beschr¨ankung . . . 28

3.2 Die Netzklassen . . . 29

3.2.1 Die f¨unf Netzklassen . . . 30

3.2.2 Fallunterscheidung . . . 31

3.3 Die 17 Klassen der Ornamentgruppen . . . 34

3.3.1 Konstruktion von Ornamentgruppen . . . 35

3.4 Zusammenfassung . . . 36

4 Ornamente und Mosaike im Islam 47 4.1 Einf¨uhrung . . . 49

(10)

4.2 Einbettung . . . 51

4.2.1 Beispiele . . . 52

4.3 Girih - Kachel . . . 54

4.3.1 Eigenschaften der Girih-Kacheln . . . 56

4.3.2 Beispiele . . . 57

4.3.3 Topkapi Schriftrolle . . . 58

4.4 Selbst¨ahnlichkeit . . . 62

4.4.1 Analytische Beschreibung . . . 65

4.5 Zusammenhang zur Penrose Parkettierung . . . 67

4.6 Quasikristalle . . . 69

5 Schlussbemerkung 72

Bibliography 74

(11)

1.1 [schay] . . . 5

1.2 [schin] . . . 5

2.1 Verschiebung . . . 9

2.2 Drehung um den Koordinatenurprung durch Drehwinkel 120 . . . 11

2.3 Spiegelung an der x- und y-Achse . . . 13

2.4 Spuren[1] . . . 15

2.5 Gleitspiegelung mit x-Achse als Spiegelachse und Schiebvektor . . . . 16

2.6 Ubersicht [2] . . . 19¨

2.7 2-dimensionales Gitter T(O) . . . 21

2.8 Diskretheitseigenschaft . . . 22

2.9 Inhaltsgleiche Parallelogramme . . . 24

3.1 Beweisgrafik [3] . . . 29

3.2 allgemeines Netz, Γa [3] . . . 30

3.3 Fall 1.1 Netzklasse Γr [3] . . . 31

3.4 Fall 1.2 Netzklasse Γq [3] . . . 31

3.5 Fall 2.1a) Netzklasse Γr0 [3] . . . 32

3.6 Fall 2.1b) Netzklasse Γh [3] . . . 32

3.7 Fall 2.2 b) Netzklasse Γr0 [3] . . . 33

3.8 Beispiel: ”Die fliegenden V¨ogel” [4] . . . 34

3.9 Beispiel [3] . . . 35

3.10 p1[5] . . . 38

3.11 pm[5] . . . 38

3.12 pg[5] . . . 39

3.13 cm[5] . . . 39

3.14 p2[5] . . . 40

3.15 pmm[5] . . . 40

3.16 pgg[5] . . . 40

3.17 pmg[5] . . . 41

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3.18 cmm[5] . . . 41

3.19 p3[5] . . . 42

3.20 p3m1[5] . . . 42

3.21 p31m[5] . . . 42

3.22 p4[5] . . . 43

3.23 p4m[5] . . . 43

3.24 p4g[5] . . . 44

3.25 p6[5] . . . 44

3.26 p6m[5] . . . 44

3.27 Entscheidungsverfahren der 17 Ornamentklassen . . . 46

4.1 Innenwand der Grabst¨atte von Oljeitu, Sultaniya, Iran (1304)[6] . . . 47

4.2 Im Namen Gottes des Allerbarmers des Barherzigen. [7] . . . 48

4.3 Wandmosaik. [7] . . . 49

4.4 Escher-Parkett [8] . . . 50

4.5 Ausschnitt einer Penrose Parkettierung [9] . . . 50

4.6 Penrose Kachel, ”dart¨and ”kite”[10] . . . 51

4.7 Karte des islamischen Reiches [11] . . . 51

4.8 Gr¨une Moschee in Bursa, T¨urkei (1424) [12] . . . 52

4.9 Grabst¨atte von Itimad al-Daula, Agra, Indien, 1622 [13] . . . 53

4.10 Auftretendes Muster einer Außendwand der links abgebildeten Grabst¨atte [12] . . . 53

4.11 Konstruktion der Einheitszelle [14] . . . 53

4.12 Gelb markierte Einheitszelle der Grabst¨atte des Timurid Tuman Aqa, Samarkand, Usbekistan (1405) (links), an Darb-i Kushk Schreins, Is- fahan, Iran (1406) (mitte) und an der Grabst¨atte in Agra (rechts) erkennbar. [12] . . . 54

4.13 Gonbad-e-Kabud (Blauer Turm, 1197), Maragha, Iran [15] . . . 55

4.14 Die 5 Girih-Kacheln [14] . . . 55

4.15 Die 5 Girih-Kacheln . . . 56

4.16 Einfaches Zusammenf¨ugen aus 2 der 5 Girih-Kachel . . . 57

4.17 Einfaches Zusammenf¨ugen der 5 Girih-Kachel . . . 58

4.18 Abbasid Al-Mustansiriyya Madrasa, Baghdad, Iraq (1227-34) (links) und Anwenden der Girih-Kachel (rechts) [12] . . . 59

4.19 Bucheinband des Quran von Aydughdi ibn Abdallah al-Badri, Kairo, Agypten (1313) [12] . . . 59¨

4.20 Kachelung des Blauen Turmes mittels 3 Girih-Kacheln [12] . . . 60

(13)

4.21 Gew¨ohnliche Linienf¨uhrung in blau und zus¨atzliche 2-fach symmetri- sche weiße Linienf¨uhrung der verwendeten Kacheln am Beispiel des

Blauen Turms [14] . . . 60

4.22 Topkapi Schriftrolle aus dem 15. Jahrhundert [11] . . . 61

4.23 Auszug der Topkapi Schriftrolle [16] . . . 61

4.24 Parkettierung durch Sphinx, Gardner 1989 [17] . . . 62

4.25 Unterteilungsregel: Kachelung der Girih-Kacheln [17] . . . 62

4.26 Seitenwand des Eingangs der Freitagsmoschee, Isfahan, Iran (sp¨ates 15. Jhdt) und Zusammensetzung durch große Zehneck - und Fliegen- kacheln [12] . . . 63

4.27 Wand mit Rundbogen ¨uber dem Eingang des Darb-i Imam Schreins, Isfahan, Iran (1453) [12] . . . 64

4.28 ¨Uberdeckende Kachelung: Kachelung durch große Zehneck- und Flie- gen Kacheln (links) und Kachelung durch Zehneck-, Sechseck- und Fliegen-Kacheln des Darb-i Imam Schreins, Isfahan, Iran (1453) [12] . 64 4.29 Bogenzwickel des Darb-i Imam Schreins, Isfahan, Iran (1453) [14] . . 65

4.30 Bogenzwickel durch großskalierte Girih Kacheln (links) und klein ska- lierte Girih-Kacheln (rechts) [14] . . . 65

4.31 Vergr¨oßerung von Pfeilen und Drachen und Abbildungsvorschrift der Girih-Kacheln durch Kachelung nach Penrose f¨ur Fliege, Sechseck und Zehneck [14] . . . 68

4.33 Aus Abbildung 4.31 auftauchende Fehler (links). Durch einfaches Ver- tauschen wird der Fehler behoben (rechts) [14] . . . 68

4.32 Penrose-Parkettierung des Darb-i Imam Schreins mit 11 festgestellten Fehlern [12] . . . 69

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Einf¨ uhrung

”Wer die Geometrie begreift, vermag in dieser Welt alles zu verstehen.”

Galileo Galilei italienischer Mathematiker und Physiker (1564 - 1642)

Das Wort Geometrie stammt aus dem griechischen und bedeutet Erdmessung.

Die Anf¨ange geometrischer Geschichte machten die Babyloner, die in der Hochbl¨ute ihrer Kultur (1800 - 1600 v.Chr ) schon einige geometrischen Gesetzm¨aßigkeiten wie den Zusammenhang von Katheten und Hypothenuse im rechtwinkeligen Dreieck er- kannten. Die ¨Agypter (1850 v.Chr.), die die Geometrie als praktische Anwendung sahen und mittels dieser aufgrund von Nil¨uberschwemmungen Feldvermessungen entwickelten, konnten auch weitere geometrische Probleme wie z.B. die Berechnung des Volumens eines Pyramidenstumpfs l¨osen. Die Geometrie wurde von den Griechen (500 v. Chr.) zur Wissenschaft gemacht, die ber¨uhmten Wissenschaftler wie unter anderem Thales, Pythagoras, Euklid legten die Grundbausteine der Geometrie und sind heute in jedem Buch, das mit Geometrie zu tun hat, unabdingbar. Beispiels- weise leistete Euklid einen entscheidenden Beitrag zur Pr¨azisierung der Geometrie als Wissenschaft durch die Einf¨uhrung von Definitionen und Axiomen, aus welchen sich geometrische S¨atze ableiten lassen. Viele weitere wissenschaftliche Erkenntnisse des antiken Griechenlands, nicht nur im Beriech der Geometrie, verdanken wir den wissbegierigen Griechen. Denn nach dieser sehr aufbl¨uhenden Zeit der Wissenschaft begann in Europa das Mittelalter, welches bis heute als eine dunkle und undurch- sichtige Zeitepoche gilt. Im indischen und arabischen Raum (600 -1492 n.Chr.) wur- den die mathematischen und geometrischen Kenntnisse der Griechen studiert und

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weiterentwickelt. Vor allem der Bereich der Algebra und der Arithmetik, wie bei- spielsweise die Entwicklung des Zahlensystem und die Einf¨uhrung der Null, verdan- ken wir muslimischen Wissenschaftler. Viele Errungenschaften nicht nur im Bereich der Geometrie wurden dann durch Handelsbeziehungen nach Europa gebracht, dort ubersetzt und aufbewahrt, und so kam es, dass neue Wissenschaftler wie Newton,¨ Descartes oder Da Vinci auftauchten und die Hochbl¨ute des Wissens, wie sie zuvor im arabischen Raum stattgefunden hat, begann auch in Europa.

Ich m¨ochte mit dieser Arbeit die 2007 neu entdeckte Parkettierung an islamischen Bauwerken mittels f¨unf Bausteinen dem Leser und der Leserin n¨aher bringen. Au- ßerdem m¨ochte ich versuchen, das abstrakte Gebiet der diskreten Geometrie, die sich mit den Begriffen Punkt, Gerade und Ebene besch¨aftigt und welche sich aus kom- binatorischen Methoden zusammensetzt, anschaulich zu demonstrieren. Es werden dem Leser und der Leserin die Untergruppen der euklidischen Bewegungsgruppen der Ebene und im speziellen die dadurch erzeugten Ornamentgruppen verdeutlicht, sowie Einblicke in die Kristallographie und eine ¨Ubersicht ¨uber m¨ogliche Parkettie- rungen der Ebene. Dabei werden unter anderem Beispiele aus der Kunst angef¨uhrt.

Vorangestellt sei zun¨achst ein konkreter ¨Uberblick ¨uber die Diplomarbeit, um im Anschluss in einer Motivation das Zustandekommen des Themas dem Leser und der Leserin zu verdeutlichen.

1.1 Uberblick der Diplomarbeit ¨

Diese Arbeit ist grob in 2 Abschnitte gegliedert, wobei es sich im ersten Abschnitt um den theoriebasierten und im zweiten Abschnitt um den anwendungsorientierten Teil handelt. Der erste Abschnitt ist gepr¨agt durch die Bewegungen und den aus al- gebraischer Sicht entstehenden Bewegungsgruppen, wobei auf die wesentliche Rolle der Symmetrie eingegangen wird, um zum Abschluss die 17 Typen von Ornament- gruppen anzuf¨uhren. Der zweite Abschnitt spezialisiert sich auf die Anwendung, al- so die m¨oglichen Parkettierungen, sowie auf den Unterschied zwischen periodischen und aperiodischen Zerlegungen der Ebene. Die periodischen Parkettierungen, welche durch regul¨are oder halbregul¨are Zerlegungen der Ebene erm¨oglicht werden, zeichnet sich dadurch aus, dass diese Parkettierung durch das Verschieben einer immer wie- der auftretenden Basisfigur unendlich oft fortgesetzt werden kann. Im Unterschied dazu tritt bei nichtperiodischen Parkettierungen diese immer wiederkehrende Basis nicht auf. Beispiele aus der Kunst wie die durch M.C. Escher erzeugten periodischen Parkette und die von Roger Penrose 1974 entdeckte bemerkenswerte nichtperiodi- sche Parkettierung, die mittels zwei Kacheltypen durchgef¨uhrt werden kann, werden

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behandelt.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der außerhalb des islamischen Kultur- kreises bisher weitgehend unbekannten anwendungsorientierten Methode einer Par- kettierung, die durch f¨unf bemerkenswerte Fliesen, sowohl periodische, als auch nicht periodische, Mosaike erzeugt. Außerdem bietet diese Arbeit Einblicke in die Kris- tallographie, die mittels der Nutzung von sogenannten Quasikristallen den Zusam- menhang zwischen quasiperiodischer Parkettierung und den geometrischen Mustern in diesen Quasikristallen vergegenst¨andlicht.

Ziel dieser Arbeit ist es, die gesch¨atzten, in der Literatur allerdings selten an- gef¨uhrten Inhalte des Wissens des so genannten goldenen Zeitalters des Islam ans Licht zu bringen.

1.2 Motivation

Der Grund f¨ur die Wahl des Themas war eine ¨außerst interessante Dokumentati- on mit dem Titel ”Das geheime Wissen des Islam.”, die auf RTL II ausgestrahlt wurde. Es wird durch diese Dokumentation vermittelt, dass die Entdeckungen der Muslime in der damaligen Zeit weit ¨uber die Geometrie hinaus gehen. Zahlreiche Fortschritte wurden auch in der Medizin, Astronomie, Mathematik, Nautik, Physik, Chemie, Mechanik und Kunst erzielt. Erw¨ahnt wurde die bemerkenswerte Leistung des Direktors des Institut f¨ur Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften, Prof. Dr. Fuat Sezgin, der in seinem 5-b¨andigen Werk, Wissenschaft und Technik im Islam, unz¨ahlige Entdeckungen nachgebaut und pr¨asentiert hat.

Aufgrund dieser Information und der seit 2007 entdeckten Forschung ”Deca- gonal and Quasi-crystalline Tilings in Medieval Islamic Architecture“ durch den PhD-Studenten der Harvard University, Peter J. Lu, begann sich mein Diplomar- beitsthema zu formen.

Diese Forschung stellt Unterschiede von periodischen und aperiodischen Mus- tern dar, wobei die aperiodischen Muster erstmals 1974 von Roger Penrose durch das Zusammenf¨ugen von zwei Bausteinen erkannt wurde. Inwieweit muslimische Forscher aus dem 8. Jahrhundert dieses geometrische Wissen bekannt war, ist nicht Bestandteil der Studie; dass sich jedoch ein derartiges aperiodisches Muster mittels 5 Bausteinen zusammensetzten l¨asst und dieses an islamischen Bauwerken zu finden ist, ist erstaunlich. Ein weiteres Beispiel, in dem das Auftreten besonderer Muster erkennbar ist, zeigt auch eine erst k¨urzlich erkannte Forschung ¨uber Quasikristalle, auf die ich in der Ausgabe vom Standard, 23. J¨anner 2011, mit dem Titel Wissen- schafter entdecken kolloidale Quasikristalle gestoßen bin. Im sp¨ateren Verlauf meiner

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Arbeit werde ich die quasikristallinen Muster an islamischen Bauwerken und deren Zustandekommen illustrieren. Zun¨achst sei vorweggenommen, dass sich solche Mus- ter durch Selbst¨ahnlichkeit zusammenf¨ugen lassen und ebenfalls wieder quasikris- talline Muster mit h¨oherer Rotationssymmetrie ergeben. Der Beitrag vom Standard berichtet von kolloidalen Quasikristallen, bei denen es sich um chemische Verbin- dungen handelt, die nicht wasserl¨oslich sind, jedoch selbst Wasser enthalten und dadurch entstehen, dass sie sich aus ihrer Struktur, bestehend aus einfachen ”che- mischen Bauelementen”, selbst organisieren, d.h. ”mehrere gleichartige Bausteine werden zusammengef¨ugt”. Bei den in dem Artikel besprochenen Forschungsarbeiten wurde festgestellt, dass aus diesen Prozessen der Selbstorganisation quasikristalline Gitterstrukturen hervorgehen k¨onnen. Das Besondere an dieser neuen Entdeckung ist die Tatsache, dass bei den quasikristallinen Gitterstrukturen eine 12-z¨ahlige und erstmals eine 18-z¨ahlige Rotationssymmtrie sichtbar wurde.

Ob nun tats¨achlich muslimische Wissenschaftler Wissen ¨uber Quasikristalle hat- ten und ¨uber deren Gitterstrukturen Bescheid wussten, sei dahin gestellt und ist auch nicht Inhalt meiner Arbeit. Dass jedoch die Muslime zur damaligen Zeit in vielen Bereichen der Wissenschaft den Europ¨aern weit ¨uberlegen waren, ist meiner An- sicht nach ein Faktum. Dass dieses Faktum heute kaum bis gar nicht ber¨ucksichtigt wird, zeigte mir der zuf¨allige Besuch einer Lehrveranstaltung mit dem ¨außerst inter- essanten Titel: ”R¨atsel, Erkenntnis, Wissenschaft: Die kulturelle Macht der Wissen- schaft.”Traurig ist jedoch die Tatsache, dass die Wissenschaftsgeschichte in dieser Lehrveranstaltung mit dem Entstehen der Kl¨oster und Universit¨aten startete.

Aus diesem Grund ist es mir ein pers¨onliches Anliegen, mit dieser Arbeit den geo- metrischen Hintergrund der sch¨onen Verzierungen der W¨ande islamischer Bauwerke sichtbar zu machen. Diese Seite des Islam ist heute zur Tourismusattraktion gewor- den und wird gerne in Spanien an der bekannten Alhambra oder in vielen Moscheen im Iran bewundert. Welches geometrische Wissen dahinter steckt, m¨ochte ich dem Leser und der Leserin erkl¨aren, und ich hoffe, dass somit ein Teil der islamischen Kultur zum Positiven gewendet werden kann. Dies m¨ochte ich zum Abschluss der Einf¨uhrung mit einem sehr netten und einleuchtenden Beispiel ¨uber die Entstehung, der in der Mathematik oft verwendeten Unbekannten n¨aher bringen.

Die Unbekannte = X

Warum sich ausgerechnet dieser Buchstabe als die Unbekannte in der Li- teratur durchgesetzt hat, spiegelt sich in der Geschichte des arabischen Kulturraums wider. Zur Zeit der Hochbl¨ute des islamischen Reiches, wel- ches sich beginnend ab dem 6. Jahrhundert ¨uber dem Mittelmeerraum

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erstreckte, wurden zum Teil auch viele Gebiete Spaniens erobert.

Das arabische Wort

Abbildung 1.1: [schay]

welches ¨ubersetzt eine Sache bzw. ein Etwas bedeutet, wurde mit dem arabischen Buchstaben

Abbildung 1.2: [schin]

abgek¨urzt und in der Algebra als die Unbekannte verwendet. Die Spanier nahmen im Zuge der ¨Ubersetzungsprozesse den Buchstaben [schin] f¨ur den Buchstaben x,

der im Altspanischen wie sch gesprochen wurde.

Viele weitere Beispiele insbesondere im Rahmen der Kunst, die den Fortschritt der damaligen Gesellschaft belegen, sind auf der Webseite:

www.iftahu.org, die auch mein Interesse f¨ur dieses Thema geweckt hat, zu bewundern.

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(21)

Diskrete Bewegungsgruppen der euklidischen Ebene

Dieses Kapitel besch¨aftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund der diskreten ebe- nen Bewegungsgruppen in der euklidischen Ebene. Es gibt drei Arten von diskreten Bewegungsgruppen:

1. Rosettengruppe, wenn deren Untergruppe der Translationen T(G) nur aus der Identit¨at besteht;

2. Friesgruppe, wenn ihre Untergruppe der Translationen T(G) eindimensional ist;

3. Ornamentgrupppen, wenn ihre Untergruppe der Translationen T(G) zweidi- mensional ist. 1

In einer Einf¨uhrung werden zun¨achst wichtige Begriffe sowie Voraussetzungen f¨ur die vorkommenden Definitionen angef¨uhrt. Eine Auflistung der Transformationen in der euklidischen Ebene sowie ihre analytische Darstellung werden angegeben. Des weiteren werden die Transformationen vom algebraischen Standpunkt herangezogen und ihre Eigenschaften als Transformationsgruppe erl¨autert. Hauptaugenmerk dieses Kapitels ist der Begriff der Diskretheit mit den daraus resultierenden Eigenschaften f¨ur die Translationsgruppen T(G) vom algebraischen Standpunkt betrachtet.

1Diese Arbeit behandelt die Ornamentgruppen. Auf die Rosetten-und Freisgruppen wird speziell nicht eingegangen. F¨ur detaillierte Information zu diesen Gruppen verweise ich auf Quaisser [3].

(22)

2.1 Einf¨ uhrung

Als Grundmenge sei die Menge der reellen Zahlen R und die Menge der ganzen Zahlen Z als Teilmenge von R vorausgesetzt. Die koordinatenm¨aßige Beschreibung von Zahlenpaaren als Zeilenvektoren, sowie die Darstellung dieser Zahlenpaare in der euklidischen Ebene kann mittels eines Koordinatensystem durchgef¨uhrt werden.

Die euklidische Ebene wird im folgenden mitEgeschrieben; handelt es sich um eine reelle Ebene, dann tr¨agt sie die BezeichnungR2; genauso hat die Ebene der ganzen Zahlen die Schreibeweise Z2. 2

Da Zeine Teilmenge vonRist, ist auchZ2 eine Teilmenge vonR2, das sind n¨amlich genau die Punkte der Ebene, die ganzzahlige Koeffizienten haben.

Des weiteren ist der Abstand zweier Punkte x, y der euklidischen Ebene E wie folgt definiert:

d(x, y) := |x−y|.

Auch die Anordnung zweier Punkte auf der Zahlengerade durch Gr¨oßenvergleiche ist gegeben; d.h.:

”x liegt vor y”:⇔x < y

Wir betrachten nun Bewegungen der euklidischen Ebene, welche dadurch cha- rakterisiert sind, dass sie Abst¨ande und Anordungen invariant lassen. Wir sprechen also von abstanderhaltenen Abbildungen der Ebene auf sich, also f: E → E. Diese Abbildungen werden Isometrien genannt. Die Ebene mit dem Abstandsbegriff liefert einen metrischen Raum (E, d), und Isometrien sind genau diejenigen Abbildungen, die die Metrik invariant lassen. Demnach kann die Menge aller Isometrien eines metrischen Raumes E als Bewegungsgruppe aufgefasst werden und hierf¨ur schrei- ben wir Iso(E). Auf die Gruppeneigenschaften und die zugeh¨origen Untergruppen zu den Bewegungsgruppen Iso(E) wird noch genauer eingegangen. Im folgenden werden diese Bewegungen samt ihren Eigenschaften und wichtigen Schlussfolgerun- gen angef¨uhrt. Da es sich bei diesen Abbildungen um solche handelt, deren Urbild deckungsgleich auf das Zielbild abgebildet werden kann, wird in der Literatur der Begriff der Isometrieabbildung auch durch die die Bezeichnung Kongruenzabbildung ersetzt.

2Der hochgestellte Zweier kann auch weggelassen werden, da es sich, wenn nicht explizit an- gef¨uhrt, um die 2-dimensionale Ebene handelt.

(23)

1. Die Translation in Richtung eines Schiebevektors

Definition 2.1.1. Eine Abbildung der Ebene auf sich heißt Translation, wenn f¨ur alle Punkte P der Ebene und ihrer Bildpunkte P0 gilt: Alle Vektoren P P~ 0 sind kongruent und gleichorientiert.

Bei der Translation ist die Vorgabe eines Schiebevektors ~v notwendig (sie- he Abbildung 2.1). Die Koordinaten des Punktes P(x/y) werden durch das Ausf¨uhren der Transformation auf die Koordinaten des Punktes P0(x0/y0) ab- gebildet. Die Seiten des Bilddreiecks liegen parallel zu den Seiten des Ausgangs- dreieck. Anders ausgedr¨uckt ist eine Translation eine bijektive Abbildung der Ebene auf sich, die jede Gerade auf eine parallele Gerade abbildet und im Unterschied zu Streckungen keinen Fixpunkt hat. Analytisch l¨asst sich dies durch homogene Koordinaten3 erfassen.

 x0 y0 1

=

1 0 tx 0 1 ty

0 0 1

 x y 1

 (2.1)

Abbildung 2.1: Verschiebung

3Es werden die homogenen Koordinaten verwendet, da sich aufgrund der Hintereinander- ausf¨uhrung mehrerer Transformationen dies als einfacher erweist.

(24)

Wenden wir die in (2.1) erkl¨arte Abbildungsvorschrift auf unsere Figur an, so lauten die Koordinaten des abgebildeten Dreiecks 4A0B0C0:

A’:

 x0 y0 1

=

1 0 4 0 1 1 0 0 1

 0 3 1

=

 4 4 1

B’:

 x0 y0 1

=

1 0 4 0 1 1 0 0 1

 3.5 2.5 1

=

 7.5 3.5 1

C’:

 x0 y0 1

=

1 0 4 0 1 1 0 0 1

 2 0.5

1

=

 6 1.5

1

Eigenschaften der Translation T(~v):

• Eine Translation, die nicht die Identit¨at ist, besitzt keinen Fixpunkt.

• Bei einer Translation sind die Bild- und Urbildgeraden parallel.

• Die zur TranslationT(~v) inversen Abbildung ist eine Translation mit dem Vektor −~v.

2. Die Drehung um einen Punkt

Definition 2.1.2. Eine AbbildungD(Z, ϕ)der Ebene auf sich heißt Drehung, wenn sie einen Fixpunkt Z besitzt und wenn f¨ur jeden von Z verschiedenen Punkt P und sein Bild P’ gilt:

M P¯ =

M P¯ 0

und ∠(P M P0) =α

Bei der Rotation ist die Vorgabe eines Zentrums, der Drehpunkt, und der Drehwinkel ϕ notwendig (siehe Abbildung 2.2).

Die Drehung im mathematisch positiven Umlaufsinn wird durch eine positi- ve Maßzahl des Drehwinkels angegeben. Als Drehzentrum kann eine beliebiger Punkt angegeben werden; oft ist jedoch der Koordinatenursprung das Zentrum der Drehungen. So lassen sich die Einheitsvektoren der durch das Koordina- tensystem dargestellten Basis leicht in die Einheitsvektoren durch das neue

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Koordinatensystem ¨uberf¨uhren. Analytisch sieht dieser Sachverhalt folgender- maßen aus:

 x0 y0 1

=

cos(ϕ) -sin(ϕ) 0 sin(ϕ) cos(ϕ) 0

0 0 1

 x y 1

 (2.2)

Abbildung 2.2: Drehung um den Koordinatenurprung durch Drehwinkel 120

So lassen sich nun die Koordinaten des Dreiecks 4A0B0C0 aus Abbildung 2.2 berechnen:

A’:

 x0 y0 1

=

cos(120°) -sin(120°) 0 sin(120°) cos(120°) 0

0 0 1

 3 0 1

=

−2.6

−1.5 1

B’:

 x0 y0 1

=

cos(120°) -sin(120°) 0 sin(120°) cos(120°) 0

0 0 1

 3.5 2.5 1

=

−3.92 1.78

1

(26)

C’:

 x0 y0 1

=

cos(120°) -sin(120°) 0 sin(120°) cos(120°) 0

0 0 1

 2 0.5

1

=

−1.43 1.48

1

Ist das Drehzentrum nicht der Koordinatenursprung, so wird die abzubilden- de Figur zuerst in den Koordinatenursprung verschoben, anschließend um den Drehwinkel gedreht und zum Schluss in die entgegengesetzte Richtung zur¨uckverschoben. Es handelt sich also um eine Hintereinanderausf¨uhrung von Verschiebung und Drehung. Dieses Verhalten wird durch die Gleichung

D(Z, ϕ) = T−1(~v)◦D(O, ϕ)◦T(~v) mit~v =ZO~ beschrieben.

Eigenschaften der Drehung D(Z, ϕ):

• Jede Rotation mit dem Drehwinkel α 6= 0 oder 360 besitzt genau einen Fixpunkt.

• Eine Rotation mit α6= 0,180 oder 360 besitzt keine Fixgraden.

• Die zur Rotation inverse Abbildung ist eine Rotation um Z durch den Winkel −α, d.h. D[(Z, α)]−1 =D(Z,−α)

3. Spiegelung an einer Spiegelachse

Definition 2.1.3. Eine AbbildungSg der Ebene auf sich heißt Geradenspiege- lung, wenn sie genau eine punktweise fix bleibende Gerade g besitzt und jedem Punkt P den Bildpunkt P0 so zuordnet, dass die Strecke P P¯ 0 von g halbiert wird.

Bei der Spiegelung ist die Vorgabe einer Geraden, der Spiegelachse, notwendig.

Die Punkte der Spiegelachse sind Fixpunkte, zu denen der jeweilige Abstand zu den Punkten der entsprechenden Figur ermittelt wird. Diese Abst¨ande werden dann in entgegengesetzter Richtung vom Fixpunkt aus abgetragen. Die Orien- tierung der dadurch entstehenden Figur hat sich umgekehrt (siehe Abbildung 2.3).

Analytisch sieht diese Abbildungsvorschrift folgendermaßen aus:

Spiegelachse ist die x-Achse:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 x y 1

 (2.3)

(27)

Spiegelachse ist die y-Achse:

 x0 y0 1

=

−1 0 0 0 1 0 0 0 1

 x y 1

 (2.4)

Abbildung 2.3: Spiegelung an der x- und y-Achse

Die Berechnung der Koordinaten nach Anwenden der Geradenspiegelung auf das Dreieck 4ABC in der Abbildung 2.3 liefert f¨ur das Dreieck4A1B1C1 f¨ur die Spiegelung an der x-Achse und f¨ur das Dreieck4A2B2C2f¨ur die Spiegelung an der y-Achse folgende Werte:

A1:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 0 3 1

=

 0

−3 1

(28)

B1:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 3.5 2.5 1

=

 3.5

−2.5 1

C1:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 2 0.5

1

=

 2

−0.5 1

A2:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 0 3 1

=

 0 3 1

B2:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 3.5 2.5 1

=

−3.5 2.5

1

C2:

 x0 y0 1

=

1 0 0

0 −1 0

0 0 1

 2 0.5

1

=

−2 0.5 1

Eigenschaften der Geradenspiegelung Sg:

• Zu zwei Punkten P und Q,P 6=Q, gibt es genau eine Geradenspiegelung, die P auf Q abbildet. Die Spiegelungsachse ist die Streckensymmetrale.

• Die Geradenspiegelung ist eine involutorische Abbildung, d.h. sie ist zu sich selbst invers: Sg◦Sg =id.

• Jeder Punkt der Spiegelungsachse ist ein Fixpunkt.

• Jede zu g senkrechte Gerade ist eine Fixgerade.

4. Gleitspiegelung

Definition 2.1.4. Eine Abbildung der Ebene auf sich heißt Gleitspiegelung Gs, wenn sie aus einer Geradenspiegelung Sg und einer Translation T(~v) zu- sammengesetzt wird, wobei~v kg. Die Gerade g heißt Gleitspiegelachse.

Die Gleitspieglung ist also die Hintereinanderausf¨uhrung einer Geradenspiege- lung und anschließender Verschiebung. Die Reihenfolge ist dabei unwesentlich.

(29)

Ein Beispiel f¨ur die Gleitspiegelung sind die Fußspuren im Schnee. In der Ab- bildung 2.4 sind Spuren eines B¨aren abgebildet.

Abbildung 2.4: Spuren[1]

Betrachten wir nun die analytische Darstellung der Transformationen Spiege- lung und Verschiebung, so erh¨alt man die Koordinaten des durch Hintereinan- derausf¨uhren von Spiegelung und anschließender Verschiebung, d.h. T(~v)◦Sx. Das Dreieck4ABC wird zun¨achst um die x-Achse gespiegelt und anschließend in Richtung des Schiebvektors verschoben und somit erhalten wir das Dreieck 4A2B2C2. Mit Hilfe von 2.3 und 2.1 erh¨alt man die folgende Abbildungsvor- schrift:

 x0 y0 1

=T(v)◦Sx =

1 0 tx 0 −1 ty

0 0 1

 x y 1

 (2.5)

(30)

Abbildung 2.5: Gleitspiegelung mit x-Achse als Spiegelachse und Schiebvektor

Wenden wir die Formel 2.5 auf das Dreieck 4ABC in Abbildung 2.5 dann erhalten wir die Koordinaten der Eckpunkte des Dreiecks 4A2B2C2:

A2 :

 x0 y0 1

=T(~v)◦Sx =

1 0 −5

0 −1 0

0 0 1

 0 3 1

=

−5

−3 1

B2 :

 x0 y0 1

=T(~v)◦Sx =

1 0 −5

0 −1 0

0 0 1

 3.5 2.5 1

=

−1.5

−2.5 1

C2 :

 x0 y0 1

=T(~v)◦Sx =

1 0 −5

0 −1 0

0 0 1

 2 0.5

1

=

−3

−0.5 1

Eigenschaften der echten Gleitspiegelung Gs, also solcher, die keine reinen Spiegelungen sind:

(31)

• Eine echte Gleitspiegelung besitzt keinen Fixpunkt.

• Die Gleitspiegelachse ist eine Fixgerade.

• Achsenparallele Geraden werden auf gleichorientierte parallele Geraden abgebildet.

• Zur Achse senkrechte Geraden werden um~v verschoben und entgegenge- setzt orientiert.

• Bei Sg◦T(~v) sind Spiegelung und Translation vertauschbar.

• Liegt der Punkt P nicht auf der Gleitspiegelungsachse und ist P’ sein Bild, so wird die Strecke PP’ von Gleitspiegelachse halbiert.

• F¨ur die inverse Abbildung der GleitspiegelungGs mitGs=T(~v)◦Sg gilt:

(Gs)−1 =Sg ◦T(−v)~

Es folgt eine Strukturierung dieser Bewegungen in unterstehender Tabelle.

Typ Bewegung Bezeichnung

orientierungserhaltend Translation T(~v) orientierungserhaltend Rotation D(Z, ϕ) orientierungsumkehrend Geradenspiegelung Sg

orientierungsumkehrend Gleitspiegelung Gs

Alle Bewegungen lassen sich in uneigentliche (ungleichsinnige) und eigentliche (gleichsinnige) Bewegungen unterscheiden. Unter den eigentlichen Bewegungen wie die Drehungen um einen Punkt und die Translationen, bleibt die Orientierung er- halten. Im Gegensatz dazu kehrt sich die Orientierung bei den uneigentlichen Be- wegungen wie den Spiegelungen um. Jede eigentliche Bewegung l¨aßt sich durch die Zusammensetzung von Translationen und Drehungen darstellen, was in folgenden S¨atzen zusammengefasst ist.

Satz 2.1.5 (Isometrien der Ebene mit mindesten einem Fixpunkt). Ist ϕeine Iso- metrie der Ebene und P eine Fixpunkt von ϕ, dann gilt: Entweder ist

• ϕ eine Drehung um P durch einen Winkel α mit 0≤α≤360, oder

• ϕ ist eine Spiegelung an einer Geraden durch P oder

• ϕ=id

Satz 2.1.6 (alle Isometrien der Ebene). Jede Isometrie der Ebene ist eine Hinter- einanderausf¨uhrung einer Translation und einer Isometrie mit einem Fixpunkt.

(32)

Wir werden sp¨ater erkennen, dass die 17 Klassen von Ornamenten Translationen enthalten und zus¨atzlich Rotationen, Spiegelungen und/oder Gleitspiegelungen.

Zus¨atzlich gelten folgende Zusammenh¨ange zwischen den einzelnen Bewegungen.

Satz 2.1.7 (Translation und Geradenspiegelung).

• Das Produkt zweier Spiegelungen an parallelen Geraden von g und h ist eine Translation um den doppelten Abstandsvektor von g und h.

• Jede Translation ist darstellbar als Produkt zweier Geradenspiegelungen, deren Achsen parallel sind und deren Abstandsvektor dem halben Translationsvektor entspricht.

Satz 2.1.8 (Drehung und Geradenspiegelung).

• Das Produkt zweier Geradenspiegelungen Sg und Sh, wobei g∩h=Z, ist eine Drehung um Z mit α= 2·∠(g, h).

• Jede Drehung ist darstellbar als Produkt zweier Geradenspiegelungen, deren Achsen sich im Drehpunkt unter halben Drehwinkel schneiden.

Satz 2.1.9. Ein Produkt aus drei Geradenspiegelungen, das nicht durch eine einzige Geradenspiegelung ersetzt werden kann, ist eine Gleitspiegelung.

Betrachten wir die Menge von Bewegungen vom algebraischen Standpunkt aus, dann wird eine Bewegungsgruppe oder Transformationsgruppe dadurch gekennzeich- net, das deren Gruppeneigenschaften gelten.

Unter den Gruppeneigenschaften einer Transformationsgruppe G verstehen wir fol- gende:

• G ist eine nicht leere Menge von Isometrien.

• Jede Hintereinanderausf¨uhrung von Isometrien in G geh¨ort wieder zur Gruppe G.

• Jede Umkehrabbildung einer Isometrie aus G geh¨ort wieder zu G.

Sei G eine nichtleere Untergruppe der Bewegungsgruppe desR2; dann gelten die obig angef¨uhrten Gruppeneigenschaften. Folglich ist G ⊂ Iso(E) eine Gruppe von Isometrien, wobei wie schon oben erkl¨art die Menge der abstandserhaltenen Bewe- gungen mit Iso(E) bezeichnet wird und Isometriegruppe genannt wird. Betrachtet man die Menge aller Translationen in der euklidischen Ebene, so schreiben wirT(E).

F¨ur die Menge der Translationen in G wird die Schreibeweise T(G) verwendet. Bei

(33)

dieser Menge G∩T(E) handelt es sich um eine Untergruppe von G, folglich ist es die Gruppe der in G enthaltenen Translationen. Die Abbildung 2.6 illustriert den beschriebenen Sachverhalt.

Abbildung 2.6: ¨Ubersicht [2]

2.2 Diskretheit

Wichtig ist der Begriff der Diskretheit, denn mit Hilfe dieser Festlegung lassen sich Operationen ¨uber endliche oder zumindest abz¨ahlbar unendlichen Mengen erkl¨aren.

Definition 2.2.1. Orbit

Es sei M eine nichtleere Menge und G eine Menge von Transformationen von M.

F¨ur x ∈ M heißt G(x) := {α(x) :α ∈G} der Orbit oder die Bahn von x bez¨uglich G.

Definition 2.2.2. Isoliertheit der Orbits

Es seien (T, O) ein topologischer Raum und G eine Transformationsgruppe von T.

G heißt diskret, wenn f¨ur jeden Punkt x∈T der Orbit G(x) isoliert ist.

(34)

Definition 2.2.3. Isoliertheit der Mengen

Es seien (T, O) ein topologischer Raum und M ∈T eine nichtleere Teilmenge. Ein Punkt heißt isolierte Punkt in M, wenn es eine Umgebung U von x gibt, f¨ur die U ∩M ={x} ist.

M heißt isoliert, wenn jeder Punkt von M isolierte Punkt in M ist.

Definition 2.2.4. Diskretheit

Es seien (R, d) ein metrischer Raum und G eine Transformationsgruppe von R.

D1 Isoliertheit in ihren Orbits

G heißt diskret, wenn es zu jedem Punkt x ∈ R eine r-Umgebung mit Ur(x)∩ G(x) ={x} gibt.

Bez¨uglich einer Gruppe G von Isometrien in einem metrischen Raum R ist die Eigenschaft D1 ¨aquivalent zu der Versch¨arfung.

D1 Diskretheit des Orbits

F¨ur jedes x∈R ist G(x) diskret.

D0 Lokale Endlichkeit der Orbits

G heißt diskret, wenn f¨ur jeden Punkt x∈ R und f¨ur jedes r > 0 und f¨ur jeden Punkt y∈R die r-UmgebungUr-y nur endlich viele Punkte des Orbits G(x) enth¨alt.

2.2.1 Gitter

Definition 2.2.5. Gitter

Eine diskrete Bewegungsgruppe G der euklidischen Ebene ist eine Ornamentgruppe (oder Wandmustergruppe), wenn ihre Untergruppe T(G) der Translationen zweidi- mensional ist.

T l¨asst sich also durch zwei nicht parallele Translationenτ1 undτ2 erzeugen. Wir schreiben T = <τ12> und bezeichnen T als die durch τ1 und τ2 erzeugte Gruppe.

Sind a~1 und a~2 die durch die Translationen τ1 und τ2 bestimmte Vektoren, dann l¨asst sich der Orbit T(O) irgendeines Punktes O analytisch durch

P :P =O+λ1·a~12·a~21, λ2 ∈Z beschreiben.

T(O) besteht aus denjenigen Punkten die ganzzahlige Koordinaten besitzen. Wir nennen das ein 2-dimensionales Gitter. (Siehe Abbildung 2.7).

Definition 2.2.6. Netz

Jedes 2-dimensionale Gitter ist ein Netz.

(35)

Abbildung 2.7: 2-dimensionales Gitter T(O)

Im folgenden lassen sich Aussagen und Interpretationen von 2-dimensionalen auf n-dimensionale R¨aume ¨ubertragen.

Definition 2.2.7. n-dimensionales Gitter

In einem euklidischen RaumEheißt eine nichtleere PunktmengeΓein n-dimensionales Gitter, wenn es einen Punkt O∈Eund n linear unabh¨angige Vektorena1, . . . , an(n >

1)im VektorraumVvonEderart gibt, dassΓ ={P =O+t1a1+· · ·+tnan;t1, . . . tn∈Z} ist.

{O;a1. . . an} heißt Basis des Gitters Γ.

Die Vektoren {a1, . . . , an} sind Gittervektoren des GitterΓ, das sich als Menge aller ganzzahligen Linearkombinationen aus {a1. . . an} ergibt.

Obige Definition l¨asst darauf schließen, dass durch die Gittervektoren alle Git- terpunkte der euklidischen Ebene in eindeutiger Weise bestimmbar sind. Dass es sich um eine diskrete Punktmengen handelt, zeigt der Beweis folgendes Satzes.

Satz 2.2.8.

a) Bilden{a1, . . . , an}ein linear unabh¨angiges Vektorsystem in einem n-dimensionalen euklidischen Raum, dann ist die durch sie bestimmte Translationsgruppe T = ha1, . . . , ani diskret und damit eine Raumgruppe 4, also im Falle n = 2 eine

4Der Begriff Raumgruppe wird auch oft f¨ur eine Ornamentgruppe verwendet, wenn eine Ubereinstimmung der Dimension mit dem zugrunde liegenden Raum besteht.¨

(36)

Ornamentgruppe.

b) Jedes n-dimensionale Gitter in einem n-dimensionalen euklidischen Raum (und damit jedes Netz in der euklidischen Ebenen) ist eine diskrete Menge.

Beweis. F¨ur n = 2. Sei {a1, a2} ein linear unabh¨angiges Vektorsystem der euklidi- schen Ebene undT =ha1, a2idie durch sie bestimmte Translationsgruppe. Wir defi- nieren zwei Geradeng1undg2durch folgende Darstellungg1 ={(O+a2) +ha1i}, g2 = {(O+a1) +ha2i}. Punkt O hat zu den Geradeng1, g2 die Abst¨andeh1, h2 >0. (Sie- he Abbildung 2.8.)

Abbildung 2.8: Diskretheitseigenschaft

Sei r eine reelle Zahl mit 0< r < min{h1, h2}. Die r-Umgebung U von O enth¨alt neben O keinen weiteren Punkt des Gitters. Denn f¨ur jeden weiteren Punkt P = (x1, x2)∈U gilt bez¨uglich des affinen Koordinatensystems{O;a1, a2} |x1|,|x2|<1.

Nun isoliert auch die r-Umgebung jedes anderen Punktes diesen Punkt.

Damit ist f¨ur die Translationsgruppe T die Diskretheitseigenschaft D1 gezeigt. Mit D1 gilt D1, also die Diskretheitseigenschaft des Orbits, und somit ist auch der Teil b) des Satzes bewiesen.

Netze

Uber die Struktur von Ornamentgruppen gibt folgender Satz Auskunft:¨

Satz 2.2.9. Ist G eine Ornamentgruppe in der euklidischen Ebene, dann l¨aßt sich T =T(G) durch zwei Translationen erzeugen, und f¨ur jeden Punkt O ist Γ =T(O) ein Netz.

(37)

Satz 2.2.10. Verallgemeinerung.

Ist G eine Raumgruppe En, dann l¨aßt sich T(G) durch n unabh¨angige Translationen erzeugen und f¨ur jeden Punkt O ist Γ =T(O) ein n-dimensionales Gitter.

2.2.2 Basisitransformationen

Folgender Satz gibt grundlegende Einblicke in die Basistransformationen bei einem Gitter.

Satz 2.2.11. Es sei {O;a1, . . . , an} Basis eines Gitter Γ. Ferner seien ein Punkt O0(b1...bn) und n Vektoren ak0 = (a1k, ..., ank)T, k = 1, ..., n, bez¨uglich des affinen Koordinatensystems (O;a1, . . . , an) gegeben. Dann gilt: O0;a10...an0

ist eine Basis von Γ genau dann, wenn alle Koordinaten bi(i = 1, ..., n) und aik(i, k = 1, ..., n) ganzzahlig sind und die n-reihige Matrix A:= (aik) die Determinante ±1 hat.

Beweis. ” ⇒ ”: Es sei {O;a1, . . . , an} Basis des Gitters Γ. Dann ist O0 ∈ Γ, und damit sind alle bi ganzzahlig.

Da auch die Punkte O0 +a0k zu Γ geh¨oren, sind nun auch alle aik ∈ Z. Damit ist auch die Determinante |A| ganzzahlig.

F¨ur die Matrix A = (aik) gilt: (a0k)T = A(ak)T. Aus der linearen Unabbh¨angigkeit von

a01, . . . , a0n folgt dann |A| 6= 0. Es ergibt sich: (ak)T = A−1(a0k)T, und damit ist auch die Determinante |A−1| ganzzahlig.

Wegen |A| · |A−1|=|A·A−1|=|E|= 1 und der Ganzzahligkeit der Determinanten muss schließlich |A|=±1 sein.

” ⇐ ”: Die Elemente der Matrix A−1 sind ganze Zahlen. Diese Behauptung folgt aus der Transformationsgleichung (x01, ..., x0n)T = A−1((x1, . . . , xn)T −(b1, ..., bn)T) die beschreibt, welche affinen Koordinaten ein Gitterpunkt aus Γ bez¨uglich des af- finen Koordinatensystem (O0;a01, . . . , a0n) hat, wenn (x1, ..., xn) seine ganzzahligen Koordinaten bez¨uglich der Gitterbasis (O0;a1, ..., an) sind.

Folgerung

Bei einem Netz, also einem zweidimensionalen Gitter, spannt jede Basis {O;a1, a2} ein Parallelogramm mit den Ecken O, O +a1, O + (a1+a2), O +a2 auf. Obiger Satz besagt, dass sich je 2 Basen ein und desselben Gitters durch inhaltserhaltende Transformationen aufeinander abbilden lassen, denn die Determinante der Trans- formationsmatrix hat den Betrag 1. Folglich sind alle derartigen Parallelogramme inhaltsgleich. (Siehe Abbildung 2.9).

(38)

Abbildung 2.9: Inhaltsgleiche Parallelogramme

2.2.3 Minimalsysteme

Beim Beweis des obigen Satzes wurde die Basis eines Gitters mit einer Minima- lit¨atseigenschaft erzielt.

Definition 2.2.12. Minimalsystem

Es sei Γ ein n-dimensionales Gitter in einem n-dimensionalen euklidischen Raum.

{O;v1, . . . , vn} heißt Minimalsystem von Γ, wenn O ∈ Γ und v1, . . . , vn linear un- abh¨angige Gittervektoren sind und wennv1 k¨urzester unter allen Gittervektoren 6= 0 und vk k¨urzester unter allen Gittervektoren ausV \ hv1, . . . , vk−1i,(k = 1, . . . , n)ist.

Satz 2.2.13. Jedes n-dimensionale Gitter besitzt ein Minimalsystem.

Nach obiger Definition ist aber nicht von vornherein ein Minimalsystem eine Basis des Gitters.

Satz 2.2.14. In einem 2-dimensionalen Gitter ist jedes Minimalsystem eine Basis.

(39)

Symmetrie

”Symmetrisch ist ein Gebilde dann, wenn man es irgendwie ver¨andern kann und im Ergebnis dasselbe erh¨alt, womit man begonnen hat.”

Hermann Klaus Hugo Weyl Deutscher Mathematiker, Physiker und Philosoph (1885 - 1955)

Im Speziellen werden in diesem Kapitel der Arbeit die Ornamentgruppen oder Wandmustergruppen und ihre Klassifizierung in die 5 Netzklassen sowie eine Un- terteilung der 17 Klassen von Ornamentgruppen als diskrete Bewegungsgruppe be- handelt. Um eine solche Klassifizierung durchf¨uhren zu k¨onnen, ist der Begriff der Symmetrie und die Einteilung von Punktgruppen in die zugeh¨origen Symmetrie- gruppen notwendig. Dies wird wieder, wie im zweiten Kapitel, vom algebraischen Standpunkt aus betrachtet und die dazu notwendigen S¨atze aus Quaisser [3] wer- den angef¨uhrt. Zus¨atzlich wird die Klassifizierung der 17 Ornamentgruppen durch konkrete Beispiele mittels der in der Einf¨uhrung des zweiten Kapitels angef¨uhrten Bewegungen aufgelistet und mit Grafiken verdeutlicht. F¨ur den Beweis der Kon- struktion der 17 Ornamentklassen wird auf Quaisser hingewiesen.

Die Symmetrie bzw. das Symmetrieverhalten ist eine Eigenschaft, die in vielen Bereichen der Naturwissenschaft sehr bedeutend ist. Aber nicht nur in den Na- turwissenschaften spielt diese Eigenschaft eine pr¨agende Rolle, sondern auch in der Literatur und Kunst, wo symmetrische Figuren oder Konstrukte als besonders sch¨on empfunden werden. Warum sich der Mensch in vielen Bereichen mit dem Symme- trieverhalten und den daraus erkennbaren Strukturen besch¨aftigt und diese auch versucht zu belegen, liegt in der Beschaffenheit des Universums. Betrachtet man die

(40)

Umwelt, so erkennen wir, dass sich Strukturprinzipien der Symmetrie in der Na- tur wieder finden. Aber nicht nur die Symmetrie, sondern auch das Zusammenspiel zwischen Symmetrie und Asymmetrie sind Bestandteil und Erhalt unserer Atmo- sph¨are. Beispiele dazu sind die 4 Jahreszeiten oder der Wechsel zwischen Tag und Nacht oder die Besonderheiten der Tier- und Pflanzenwelt. Das Symmetrieverhalten in der Natur spiegelt sich also in unserem menschlichen Schaffen wieder. Was nun jedes Individuum genau unter dem Begriff der Symmetrie versteht, liegt im Auge des Betrachters. Die Auslegung der Symmetrie gab der deutsche Wissenschaftler Hermann Klaus Hugo Weyl in sehr einfachen Worten wider, wie es das obige Zitat zeigt.

Vom geometrischen Standpunkt betrachtet, l¨asst sich die Symmetrie als eine Transformation auffassen, die die Urmenge in die Bildmenge kongruent abbildet.

Es handelt sich also wie bei den Bewegungsgruppen G um eine Untergruppe der IsometriegruppeIso(E). Mathematisch gesehen werden die Symmetrieeigenschaften von Ornamenten durch diskrete Bewegungsgruppen der Ebene beschrieben. Dies wird im n¨achsten Unterkapitel durch die Symmetriegruppen und dem daraus zu schließenden Zusammenhang zu den Bewegungsgruppen verdeutlicht.

3.1 Symmetriegruppe

In der Gruppentheorie ist die Symmetriegruppe S eines geometrischen Objektes die Menge aller Kongruenzabbildungen, die das Objekt (als ganzes) auf sich selbst ab- bilden und zusammen mit der Verkettung von Abbildungen als Gruppenoperation wieder eine Gruppe ist. Folglich enth¨alt die Symmetriegruppe S(G) abstandserhal- tende Bewegungen; also ist die Symmetriegruppe S(G) eine Untergruppe vonIso(E).

3.1.1 Punktgruppen

Punktgruppen sind Gruppen, deren Untergruppe T(G), also die Gruppe ihrer Trans- lationen, nur aus der Identit¨at besteht. Da sich jede Bewegung aus Drehungen und Translationen zusammensetzen l¨asst, gibt es f¨ur jede Bewegungsgruppe G eine ihr zugeordnete Gruppe S0(G), die man Punktgruppe nennt.

Es folgt nun eine allgemeine Definition der Punktgruppe und anschließend eine ausf¨uhrliche Behandlung des algebraischen Konzepts der Punktgruppen, denn die Punktgruppen haben in diesem Kapitel eine zentrale Bedeutung in Hinblick auf die kristallographische Beschr¨ankung. Daf¨ur sind folgende Voraussetztungen notwendig:

(41)

• Der n-dimensionale euklidischer Raum E sei gegeben, wobei hier in analo- ger Weise zum vorigen Kapitel Sachverhalte und Interpretationen vom 2- dimensionalen auf h¨ohere Dimensionen ¨ubertragbar sind.

• Ein kartesisches Koordinatensystem ist gegeben durch (O;e1, . . . , en).

• Die Bewegungen ϕ des Raumes E lassen sich darstellen durch ϕ : P = (x1, . . . , xn)T 7→P0 = (x10, . . . , xn0)T

• Diese Bewegung ist durch eine n-reihige, orthogonale Matrix H und einen Vektorv = (v1, . . . , vn)T festgelegt und l¨aßt sich analytisch beschreiben durch:

(x10, . . . , xn0)T =H(x1, . . . , xn)T +v (3.1) oder kurz: x0 =Hx+v, wobeix die Koordinaten des Punktes P tr¨agt und x0 die Koordinaten des Bildpunktes P0 =ϕ(P).

• H und v sind durch die Bewegung ϕ eindeutig bestimmt. Umgekehrt gibt es zur oben angegebenen Gleichung 3.1 mit gegebenen H und v eine Bewegung ϕ des Raumes E2. Diese erh¨alt die Bezeichnung ϕ:=ϕ(H, v)

Definition 3.1.1. Punktgruppe.

Es sei G eine Gruppe von Bewegungen von E. Dann heißt die Menge aller Bewe- gungen ϕ(H), f¨ur die es ein v mit ϕ(H, v) ∈ G gibt, die Punktgruppe (oder der orthogonale Anteil) G0 von G.

G0 ist eine Gruppe von Bewegungen mit einem Fixpunkt, d.h. außer der iden- tischen Abbildung besitzt sie keine Translation, und daher ist sie Punktgruppe im Sinne der Definition.

3.1.2 Ornamentgruppen im E

2

, Raumgruppen im E

n

Es sei G eine Raumgruppe des n-dimensionalen euklidischen Raumes En. Dann ist ihre Untergruppe T(G) diskret und n-dimensional. Nach dem Satz 2.2.9 gibt es Translationen v1, ..., vn die, die Translationsgruppe T := T(G) erzeugen und deren Vektoren eine linear unabh¨angige Vektormenge bilden. Daraus folgt, dass der Or- bit T(O) ein n-dimensionales Gitter ist und jeder andere Orbit T(P) ist zu T(O) translationskongruent.

Wir bezeichnen nun das Gitter T(O) als Gitter Γ(G) der Raumgruppe G; die Symmetriegruppe des Gitters Γ(G) wird mit S(Γ) und ihre Punktgruppe mit S0(Γ) bezeichnet.

(42)

Folgerung Die Punktgruppe S0(Γ) ist stets isomorph zu einer Untergruppe von S(Γ). Jede Symmetrieabbildung ϕ ∈ S(Γ) l¨aßt sich als Produkt ϕ = τ ◦ σ mit σ ∈ S0(T) und τ ∈T(Γ) := T(S(Γ)) darstellen, wobei σ und τ eindeutig bestimmt sind.

Satz 3.1.2. Jede Bewegung der Punktgruppe G0 ist eine Symmetrieabbildung des Gitters Γ(G) und damit ist G0 eine Untergruppe von S0(Γ).

Beweis. Sei α =ϕ(H) ∈ G0 und P beliebiger Gitterpunkt aus Γ(G). Zu P gibt es nach Definition von Γ(G) genau eine Translation τ = ϕ(v) ∈ T(G) mit τ(O) = P, d.h. das Anwenden der Translation τ an O liefert P.

Das mit α transformierte τ l¨aßt sich anschreiben durch: τα =α◦τ ◦α−1 =ϕ(v)∈ T(G). Daraus folgtα(P) =τα(O)∈Γ(G)

3.1.3 Kristallographische Beschr¨ ankung

Der Satz ¨uber die kristallographische Beschr¨ankung schr¨ankt die Drehungen, die zu einer Symmetriegruppe eines Ornaments geh¨oren, ein. Manchmal werden Orna- mentgruppen auch als kristallographische Gruppen bezeichnet. Aufgrund des Satzes lassen sich die Ornamentgruppen mithilfe ihrer Netze in 17 Klassen unterteilen.

Satz 3.1.3. Ist G eine Ornamentgruppe der euklidischen Ebene, dann ist die Punkt- gruppe S0(Γ) eine Rosettengruppe von nur einer der Arten

C1, D1, C2, D2, C3, D3, C4, D4, C6 oder D6.

Beweis. F¨ur den Beweis ben¨otigen wir zun¨achst 3 Anmerkungen.

1. Anmerkung: Geometrische Unterscheidung

Die Gruppe D1 hat eine zur Gruppe C2 stets isomorphe algebraische Struk- tur. Diese beiden Gruppen sind jedoch nicht ¨aquivalent, daher geometrisch verschieden.

2. Anmerkung: Einschr¨ankung auch f¨ur die Punktgruppen Die Punktgruppe G0 ist eine Untergruppe vonS0(Γ).

3. Anmerkung: Zentralsymmetrie von Γ(G)

Die Spiegelung an O ist stets in S0(Γ) enthalten. Daraus folgt, dass die Typen C1, D1, C3, D3 wegfallen.

(43)

{O;a1, a2} sei eine Basis des Netzes Γ(G) = T(O) und A := O+a1. Die orientie- rungserhaltenden Bewegungen S0(Γ) bilden eine zyklische DrehgruppeS0+(Γ).

Sei ρ = ρ(O, α) ∈ S0+(Γ). O.B.d.A ist 0 ≤ α ≤ π. Die Punkte B := ρ(A) und O0 :=ρ0(O) mit ρ0 :=ρ(A,−α) liegen im Netz Γ(G) (siehe Abbildung 3.1).

Abbildung 3.1: Beweisgrafik [3]

Daraus folgt:

Der Vektor b := O0B muss ein ganzzahliges Vielfaches von a1 sein und daher ist b =n·a1, weiters ist b = cosα(−a1)−a1+ (cosα)·a1 = (2·cosα−1)·a1. Daher muss 2·cosα−1 eine ganze Zahl sein. Es ist 0≤α≤π vorausgesetzt, daher kann der Drehwinkel α nur die Werte 0, π3, π2, 2·π3 oderπ annehmen.

Demnach kann S0+(Γ) nur eine zyklische Drehgruppe der Ordnung 1, 2, 3, 4 oder 6 sein.

3.2 Die Netzklassen

Jedes Netz Γ kann als Netz Γ(G) einer Ornamentgruppe aufgefasst werden. O sei Punkt des Netzes Γ. Ist T die Gruppe der Translationen die Γ auf sich abbilden, dann ist T eine Ornamentgruppe und es ist Γ =T(O) = Γ(T). Die Punktstruktur, die durch die Netze Γ(T) der Ornamentgruppe T gegeben ist, ist die umfassende Menge.

F¨ur eine Klassifizierung der Netze ist, wie bei der Klassifizierung der Friesgruppen, der Begriff der ¨Aquivalenz notwendig.

Definition 3.2.1. Aquivalente Netze¨

Ein Netz Γ heißt ¨aquivalent zu einem Netz Γ0, kurz: Γ ∼ Γ0, wenn es eine affine

(44)

Transformation α mit α(Γ) = Γ0 und α◦S(Γ)◦α−1 =S(Γ0) gibt.

Die letzte Forderung in der Definition ist f¨ur die ¨Aquivalenz der Symmetriegrup- pen S(Γ) und S(Γ0) notwendig, da dies aus geometrischer Sicht durch eine affine Abbildung nicht erreicht werden kann. Zus¨atzlich ist die Forderungα◦S(Γ)◦α−1 = S(Γ0) mit der schw¨acheren Forderung α◦S0(Γ)◦α−1 = S00) ¨aquivalent. Daraus folgern wir, dass die Symmetriegruppen S(Γ) und S(Γ0) zueinander ¨aquivalent und weiters die Punktgruppen S0(Γ) und S00) kongruent sind.

Lemma 3.2.2. Kongruente Netze sind ¨aquivalent.

Bei den ¨Aquivalenzuntersuchungen kann man nach dem oben erw¨ahnten Lemma davon ausgehen, dass die Netze einen Punkt O (etwa den Koordinatenursprung) gemeinsam haben.

3.2.1 Die f¨ unf Netzklassen

F¨ur die Bestimmung der Netzklassen verwenden wir die Kristallographische Be- schr¨ankung f¨ur die Punktgruppen S0(Γ) und die Option, dass f¨ur ein Netz ein Mi- nimalsystem als Basis gew¨ahlt werden kann.

Satz 3.2.3. Es sei Γ ein Netz und S0(Γ) eine C2-Gruppe. Ein Netz Γ0 ist genau dann zu Γ ¨aquivalent, wenn S00) eine C2-Gruppe ist.

Mit diesem Satz wird ein allgemeines Netz ausgezeichnet. (Siehe Abbildung 3.2).

Abbildung 3.2: allgemeines Netz, Γa [3]

(45)

3.2.2 Fallunterscheidung

Folgende Voraussetzungen sind f¨ur weitere Untersuchungen festzulegen:

• Mit {O;a, b} wird eine Basis des Netzes Γ festgelegt, die zugleich ein Mini- malsystem mit Skalarprodukta·b ≥0 ist (lt. Satz 5.1.7 besitzt jedes Netz ein Minimalsystem und dieses ist lt. Satz 5.1.8 eine Basis).

• Die Festlegung eines kartesischen Koordinatensystems mit a = (1,0) und b= (c, d). Wegen a·b≥0⇒c≥0 und |b2| ≥ |a2| ⇒c2+d2 ≥1

• O.B.d.A. sei d >0.

Fallunterscheidung hinsichtlich c und d:

1. Fall:c= 0⇒d≥1 1.1 Ist d >1:

S0(Γ) ist eine D2-Gruppe mit Spiegelung an der x- und y-Achse des Ko- ordinatensystems. Die Punkt eines solchen Netzes k¨onnen als Eckpunkte einer Zerlegung der Ebene in kongruente Rechtecke interpretiert werden.

(Siehe Abbildung 3.3).

1.2 Ist d= 1:

S0(Γ) ist eine D4-Gruppe mit Spiegelung an der x- und y-Achse und an den Winkelhalbierenden bez¨uglich dieser Achse. Die Punkte eines solchen Netzes k¨onnen als Eckpunkte einer Zerlegung in kongruente Quadrate aufgefasst werden. (Siehe Abbildung 3.4).

Abbildung 3.3: Fall 1.1 Netzklasse Γr [3] Abbildung 3.4: Fall 1.2 Netzklasse Γq [3]

2. Fall:c > 0

(46)

2.1 Die Spiegelung an der x-Achse geh¨ort zu S0(Γ) ⇒ auch Spiegelung an der y-Achse wegen ρ0 ∈ S0(Γ). Folgerung: Bild P0(−c, d) des Netzpunk- tesP(c, d) muss bei der Spiegelung an der y-Achse wieder ein Netzpunkt sein. Da {O;a, b} ein Minimalsystem ist, ergibt sich f¨ur c= 1/2 und da- mit d≥p

3/2.

a) d >p 3/2:

S0(Γ) ist einD2-Gruppe mit Spiegelung an der x- und y-Achse. Neben den Spiegelungen an den Koordinatenachsen treten keine weiteren Spiegelungen auf. Die Punkte dieses Netzes sind die Eckpunkte und Mittelpunkte von Rechtecken einer normalen Zerlegung der Ebene in Rechtecke. (Siehe Abbildung 3.5).

b) d=p 3/2:

S0(Γ) ist eine D6-Gruppe. Die Punkte dieser Netzklasse sind Eck- punkte einer regul¨aren Zerlegung in Dreiecke. (Siehe Abbildung 3.6).

Abbildung 3.5: Fall 2.1a) Netzklasse Γr0 [3] Abbildung 3.6: Fall 2.1b) Netzklasse Γh [3]

2.2 S0(Γ) enth¨alt Geradenspiegelungen, die keine Spiegelung an den Koordina- tenachsen ist. Der Netzpunkt P(1,0) wird in einem Netzpunkt P0(x, y) mit x2 +y2 = 1 ¨uberf¨uhrt. Der Punkt P0 ist wieder Netzpunkt. Folgerung: 1 = (x, y)2 = (m(1,0) +n(c, d))2 muss f¨ur ganze Zahlen m,n mit n6= 0 l¨osbar sein

⇒0< c≤1/2 wegenc > 0 und|a−b|2 ≥1.

a) c= 1/2:

S0(Γ) ist eine D6-Gruppe ⇒ ¨aquivalent zu Fall 2.1b). (Siehe Abbildung 3.6).

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