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Diskrete Bewegungsgruppen der euklidischen Ebene

2.1 Einf¨ uhrung

Als Grundmenge sei die Menge der reellen Zahlen R und die Menge der ganzen Zahlen Z als Teilmenge von R vorausgesetzt. Die koordinatenm¨aßige Beschreibung von Zahlenpaaren als Zeilenvektoren, sowie die Darstellung dieser Zahlenpaare in der euklidischen Ebene kann mittels eines Koordinatensystem durchgef¨uhrt werden.

Die euklidische Ebene wird im folgenden mitEgeschrieben; handelt es sich um eine reelle Ebene, dann tr¨agt sie die BezeichnungR2; genauso hat die Ebene der ganzen Zahlen die Schreibeweise Z2. 2

Da Zeine Teilmenge vonRist, ist auchZ2 eine Teilmenge vonR2, das sind n¨amlich genau die Punkte der Ebene, die ganzzahlige Koeffizienten haben.

Des weiteren ist der Abstand zweier Punkte x, y der euklidischen Ebene E wie folgt definiert:

d(x, y) := |x−y|.

Auch die Anordnung zweier Punkte auf der Zahlengerade durch Gr¨oßenvergleiche ist gegeben; d.h.:

”x liegt vor y”:⇔x < y

Wir betrachten nun Bewegungen der euklidischen Ebene, welche dadurch cha-rakterisiert sind, dass sie Abst¨ande und Anordungen invariant lassen. Wir sprechen also von abstanderhaltenen Abbildungen der Ebene auf sich, also f: E → E. Diese Abbildungen werden Isometrien genannt. Die Ebene mit dem Abstandsbegriff liefert einen metrischen Raum (E, d), und Isometrien sind genau diejenigen Abbildungen, die die Metrik invariant lassen. Demnach kann die Menge aller Isometrien eines metrischen Raumes E als Bewegungsgruppe aufgefasst werden und hierf¨ur schrei-ben wir Iso(E). Auf die Gruppeneigenschaften und die zugeh¨origen Untergruppen zu den Bewegungsgruppen Iso(E) wird noch genauer eingegangen. Im folgenden werden diese Bewegungen samt ihren Eigenschaften und wichtigen Schlussfolgerun-gen angef¨uhrt. Da es sich bei diesen Abbildungen um solche handelt, deren Urbild deckungsgleich auf das Zielbild abgebildet werden kann, wird in der Literatur der Begriff der Isometrieabbildung auch durch die die Bezeichnung Kongruenzabbildung ersetzt.

2Der hochgestellte Zweier kann auch weggelassen werden, da es sich, wenn nicht explizit an-gef¨uhrt, um die 2-dimensionale Ebene handelt.

1. Die Translation in Richtung eines Schiebevektors

Definition 2.1.1. Eine Abbildung der Ebene auf sich heißt Translation, wenn f¨ur alle Punkte P der Ebene und ihrer Bildpunkte P0 gilt: Alle Vektoren P P~ 0 sind kongruent und gleichorientiert.

Bei der Translation ist die Vorgabe eines Schiebevektors ~v notwendig (sie-he Abbildung 2.1). Die Koordinaten des Punktes P(x/y) werden durch das Ausf¨uhren der Transformation auf die Koordinaten des Punktes P0(x0/y0) ab-gebildet. Die Seiten des Bilddreiecks liegen parallel zu den Seiten des Ausgangs-dreieck. Anders ausgedr¨uckt ist eine Translation eine bijektive Abbildung der Ebene auf sich, die jede Gerade auf eine parallele Gerade abbildet und im Unterschied zu Streckungen keinen Fixpunkt hat. Analytisch l¨asst sich dies durch homogene Koordinaten3 erfassen.

3Es werden die homogenen Koordinaten verwendet, da sich aufgrund der Hintereinander-ausf¨uhrung mehrerer Transformationen dies als einfacher erweist.

Wenden wir die in (2.1) erkl¨arte Abbildungsvorschrift auf unsere Figur an, so lauten die Koordinaten des abgebildeten Dreiecks 4A0B0C0:

A’:

Eigenschaften der Translation T(~v):

• Eine Translation, die nicht die Identit¨at ist, besitzt keinen Fixpunkt.

• Bei einer Translation sind die Bild- und Urbildgeraden parallel.

• Die zur TranslationT(~v) inversen Abbildung ist eine Translation mit dem Vektor −~v.

2. Die Drehung um einen Punkt

Definition 2.1.2. Eine AbbildungD(Z, ϕ)der Ebene auf sich heißt Drehung, wenn sie einen Fixpunkt Z besitzt und wenn f¨ur jeden von Z verschiedenen Punkt P und sein Bild P’ gilt:

M P¯ =

M P¯ 0

und ∠(P M P0) =α

Bei der Rotation ist die Vorgabe eines Zentrums, der Drehpunkt, und der Drehwinkel ϕ notwendig (siehe Abbildung 2.2).

Die Drehung im mathematisch positiven Umlaufsinn wird durch eine positi-ve Maßzahl des Drehwinkels angegeben. Als Drehzentrum kann eine beliebiger Punkt angegeben werden; oft ist jedoch der Koordinatenursprung das Zentrum der Drehungen. So lassen sich die Einheitsvektoren der durch das Koordina-tensystem dargestellten Basis leicht in die Einheitsvektoren durch das neue

Koordinatensystem ¨uberf¨uhren. Analytisch sieht dieser Sachverhalt

Abbildung 2.2: Drehung um den Koordinatenurprung durch Drehwinkel 120

So lassen sich nun die Koordinaten des Dreiecks 4A0B0C0 aus Abbildung 2.2 berechnen:

C’:

Ist das Drehzentrum nicht der Koordinatenursprung, so wird die abzubilden-de Figur zuerst in abzubilden-den Koordinatenursprung verschoben, anschließend um den Drehwinkel gedreht und zum Schluss in die entgegengesetzte Richtung zur¨uckverschoben. Es handelt sich also um eine Hintereinanderausf¨uhrung von Verschiebung und Drehung. Dieses Verhalten wird durch die Gleichung

D(Z, ϕ) = T−1(~v)◦D(O, ϕ)◦T(~v) mit~v =ZO~ beschrieben.

Eigenschaften der Drehung D(Z, ϕ):

• Jede Rotation mit dem Drehwinkel α 6= 0 oder 360 besitzt genau einen Fixpunkt.

• Eine Rotation mit α6= 0,180 oder 360 besitzt keine Fixgraden.

• Die zur Rotation inverse Abbildung ist eine Rotation um Z durch den Winkel −α, d.h. D[(Z, α)]−1 =D(Z,−α)

3. Spiegelung an einer Spiegelachse

Definition 2.1.3. Eine AbbildungSg der Ebene auf sich heißt Geradenspiege-lung, wenn sie genau eine punktweise fix bleibende Gerade g besitzt und jedem Punkt P den Bildpunkt P0 so zuordnet, dass die Strecke P P¯ 0 von g halbiert wird.

Bei der Spiegelung ist die Vorgabe einer Geraden, der Spiegelachse, notwendig.

Die Punkte der Spiegelachse sind Fixpunkte, zu denen der jeweilige Abstand zu den Punkten der entsprechenden Figur ermittelt wird. Diese Abst¨ande werden dann in entgegengesetzter Richtung vom Fixpunkt aus abgetragen. Die Orien-tierung der dadurch entstehenden Figur hat sich umgekehrt (siehe Abbildung 2.3).

Analytisch sieht diese Abbildungsvorschrift folgendermaßen aus:

Spiegelachse ist die x-Achse:

Spiegelachse ist die y-Achse:

Abbildung 2.3: Spiegelung an der x- und y-Achse

Die Berechnung der Koordinaten nach Anwenden der Geradenspiegelung auf das Dreieck 4ABC in der Abbildung 2.3 liefert f¨ur das Dreieck4A1B1C1 f¨ur die Spiegelung an der x-Achse und f¨ur das Dreieck4A2B2C2f¨ur die Spiegelung an der y-Achse folgende Werte:

A1:

B1:

Eigenschaften der Geradenspiegelung Sg:

• Zu zwei Punkten P und Q,P 6=Q, gibt es genau eine Geradenspiegelung, die P auf Q abbildet. Die Spiegelungsachse ist die Streckensymmetrale.

• Die Geradenspiegelung ist eine involutorische Abbildung, d.h. sie ist zu sich selbst invers: Sg◦Sg =id.

• Jeder Punkt der Spiegelungsachse ist ein Fixpunkt.

• Jede zu g senkrechte Gerade ist eine Fixgerade.

4. Gleitspiegelung

Definition 2.1.4. Eine Abbildung der Ebene auf sich heißt Gleitspiegelung Gs, wenn sie aus einer Geradenspiegelung Sg und einer Translation T(~v) zu-sammengesetzt wird, wobei~v kg. Die Gerade g heißt Gleitspiegelachse.

Die Gleitspieglung ist also die Hintereinanderausf¨uhrung einer Geradenspiege-lung und anschließender Verschiebung. Die Reihenfolge ist dabei unwesentlich.

Ein Beispiel f¨ur die Gleitspiegelung sind die Fußspuren im Schnee. In der Ab-bildung 2.4 sind Spuren eines B¨aren abgebildet.

Abbildung 2.4: Spuren[1]

Betrachten wir nun die analytische Darstellung der Transformationen Spiege-lung und Verschiebung, so erh¨alt man die Koordinaten des durch Hintereinan-derausf¨uhren von Spiegelung und anschließender Verschiebung, d.h. T(~v)◦Sx. Das Dreieck4ABC wird zun¨achst um die x-Achse gespiegelt und anschließend in Richtung des Schiebvektors verschoben und somit erhalten wir das Dreieck 4A2B2C2. Mit Hilfe von 2.3 und 2.1 erh¨alt man die folgende Abbildungsvor-schrift:

Abbildung 2.5: Gleitspiegelung mit x-Achse als Spiegelachse und Schiebvektor

Wenden wir die Formel 2.5 auf das Dreieck 4ABC in Abbildung 2.5 dann erhalten wir die Koordinaten der Eckpunkte des Dreiecks 4A2B2C2:

A2 :

Eigenschaften der echten Gleitspiegelung Gs, also solcher, die keine reinen Spiegelungen sind:

• Eine echte Gleitspiegelung besitzt keinen Fixpunkt.

• Die Gleitspiegelachse ist eine Fixgerade.

• Achsenparallele Geraden werden auf gleichorientierte parallele Geraden abgebildet.

• Zur Achse senkrechte Geraden werden um~v verschoben und entgegenge-setzt orientiert.

• Bei Sg◦T(~v) sind Spiegelung und Translation vertauschbar.

• Liegt der Punkt P nicht auf der Gleitspiegelungsachse und ist P’ sein Bild, so wird die Strecke PP’ von Gleitspiegelachse halbiert.

• F¨ur die inverse Abbildung der GleitspiegelungGs mitGs=T(~v)◦Sg gilt:

(Gs)−1 =Sg ◦T(−v)~

Es folgt eine Strukturierung dieser Bewegungen in unterstehender Tabelle.

Typ Bewegung Bezeichnung

orientierungserhaltend Translation T(~v) orientierungserhaltend Rotation D(Z, ϕ) orientierungsumkehrend Geradenspiegelung Sg

orientierungsumkehrend Gleitspiegelung Gs

Alle Bewegungen lassen sich in uneigentliche (ungleichsinnige) und eigentliche (gleichsinnige) Bewegungen unterscheiden. Unter den eigentlichen Bewegungen wie die Drehungen um einen Punkt und die Translationen, bleibt die Orientierung er-halten. Im Gegensatz dazu kehrt sich die Orientierung bei den uneigentlichen Be-wegungen wie den Spiegelungen um. Jede eigentliche Bewegung l¨aßt sich durch die Zusammensetzung von Translationen und Drehungen darstellen, was in folgenden S¨atzen zusammengefasst ist.

Satz 2.1.5 (Isometrien der Ebene mit mindesten einem Fixpunkt). Ist ϕeine Iso-metrie der Ebene und P eine Fixpunkt von ϕ, dann gilt: Entweder ist

• ϕ eine Drehung um P durch einen Winkel α mit 0≤α≤360, oder

• ϕ ist eine Spiegelung an einer Geraden durch P oder

• ϕ=id

Satz 2.1.6 (alle Isometrien der Ebene). Jede Isometrie der Ebene ist eine Hinter-einanderausf¨uhrung einer Translation und einer Isometrie mit einem Fixpunkt.

Wir werden sp¨ater erkennen, dass die 17 Klassen von Ornamenten Translationen enthalten und zus¨atzlich Rotationen, Spiegelungen und/oder Gleitspiegelungen.

Zus¨atzlich gelten folgende Zusammenh¨ange zwischen den einzelnen Bewegungen.

Satz 2.1.7 (Translation und Geradenspiegelung).

• Das Produkt zweier Spiegelungen an parallelen Geraden von g und h ist eine Translation um den doppelten Abstandsvektor von g und h.

• Jede Translation ist darstellbar als Produkt zweier Geradenspiegelungen, deren Achsen parallel sind und deren Abstandsvektor dem halben Translationsvektor entspricht.

Satz 2.1.8 (Drehung und Geradenspiegelung).

• Das Produkt zweier Geradenspiegelungen Sg und Sh, wobei g∩h=Z, ist eine Drehung um Z mit α= 2·∠(g, h).

• Jede Drehung ist darstellbar als Produkt zweier Geradenspiegelungen, deren Achsen sich im Drehpunkt unter halben Drehwinkel schneiden.

Satz 2.1.9. Ein Produkt aus drei Geradenspiegelungen, das nicht durch eine einzige Geradenspiegelung ersetzt werden kann, ist eine Gleitspiegelung.

Betrachten wir die Menge von Bewegungen vom algebraischen Standpunkt aus, dann wird eine Bewegungsgruppe oder Transformationsgruppe dadurch gekennzeich-net, das deren Gruppeneigenschaften gelten.

Unter den Gruppeneigenschaften einer Transformationsgruppe G verstehen wir fol-gende:

• G ist eine nicht leere Menge von Isometrien.

• Jede Hintereinanderausf¨uhrung von Isometrien in G geh¨ort wieder zur Gruppe G.

• Jede Umkehrabbildung einer Isometrie aus G geh¨ort wieder zu G.

Sei G eine nichtleere Untergruppe der Bewegungsgruppe desR2; dann gelten die obig angef¨uhrten Gruppeneigenschaften. Folglich ist G ⊂ Iso(E) eine Gruppe von Isometrien, wobei wie schon oben erkl¨art die Menge der abstandserhaltenen Bewe-gungen mit Iso(E) bezeichnet wird und Isometriegruppe genannt wird. Betrachtet man die Menge aller Translationen in der euklidischen Ebene, so schreiben wirT(E).

F¨ur die Menge der Translationen in G wird die Schreibeweise T(G) verwendet. Bei

dieser Menge G∩T(E) handelt es sich um eine Untergruppe von G, folglich ist es die Gruppe der in G enthaltenen Translationen. Die Abbildung 2.6 illustriert den beschriebenen Sachverhalt.

Abbildung 2.6: ¨Ubersicht [2]

2.2 Diskretheit

Wichtig ist der Begriff der Diskretheit, denn mit Hilfe dieser Festlegung lassen sich Operationen ¨uber endliche oder zumindest abz¨ahlbar unendlichen Mengen erkl¨aren.

Definition 2.2.1. Orbit

Es sei M eine nichtleere Menge und G eine Menge von Transformationen von M.

F¨ur x ∈ M heißt G(x) := {α(x) :α ∈G} der Orbit oder die Bahn von x bez¨uglich G.

Definition 2.2.2. Isoliertheit der Orbits

Es seien (T, O) ein topologischer Raum und G eine Transformationsgruppe von T.

G heißt diskret, wenn f¨ur jeden Punkt x∈T der Orbit G(x) isoliert ist.

Definition 2.2.3. Isoliertheit der Mengen

Es seien (T, O) ein topologischer Raum und M ∈T eine nichtleere Teilmenge. Ein Punkt heißt isolierte Punkt in M, wenn es eine Umgebung U von x gibt, f¨ur die U ∩M ={x} ist.

M heißt isoliert, wenn jeder Punkt von M isolierte Punkt in M ist.

Definition 2.2.4. Diskretheit

Es seien (R, d) ein metrischer Raum und G eine Transformationsgruppe von R.

D1 Isoliertheit in ihren Orbits

G heißt diskret, wenn es zu jedem Punkt x ∈ R eine r-Umgebung mit Ur(x)∩ G(x) ={x} gibt.

Bez¨uglich einer Gruppe G von Isometrien in einem metrischen Raum R ist die Eigenschaft D1 ¨aquivalent zu der Versch¨arfung.

D1 Diskretheit des Orbits

F¨ur jedes x∈R ist G(x) diskret.

D0 Lokale Endlichkeit der Orbits

G heißt diskret, wenn f¨ur jeden Punkt x∈ R und f¨ur jedes r > 0 und f¨ur jeden Punkt y∈R die r-UmgebungUr-y nur endlich viele Punkte des Orbits G(x) enth¨alt.

2.2.1 Gitter

Definition 2.2.5. Gitter

Eine diskrete Bewegungsgruppe G der euklidischen Ebene ist eine Ornamentgruppe (oder Wandmustergruppe), wenn ihre Untergruppe T(G) der Translationen zweidi-mensional ist.

T l¨asst sich also durch zwei nicht parallele Translationenτ1 undτ2 erzeugen. Wir schreiben T = <τ12> und bezeichnen T als die durch τ1 und τ2 erzeugte Gruppe.

Sind a~1 und a~2 die durch die Translationen τ1 und τ2 bestimmte Vektoren, dann l¨asst sich der Orbit T(O) irgendeines Punktes O analytisch durch

P :P =O+λ1·a~12·a~21, λ2 ∈Z beschreiben.

T(O) besteht aus denjenigen Punkten die ganzzahlige Koordinaten besitzen. Wir nennen das ein 2-dimensionales Gitter. (Siehe Abbildung 2.7).

Definition 2.2.6. Netz

Jedes 2-dimensionale Gitter ist ein Netz.

Abbildung 2.7: 2-dimensionales Gitter T(O)

Im folgenden lassen sich Aussagen und Interpretationen von 2-dimensionalen auf n-dimensionale R¨aume ¨ubertragen.

Definition 2.2.7. n-dimensionales Gitter

In einem euklidischen RaumEheißt eine nichtleere PunktmengeΓein n-dimensionales Gitter, wenn es einen Punkt O∈Eund n linear unabh¨angige Vektorena1, . . . , an(n >

1)im VektorraumVvonEderart gibt, dassΓ ={P =O+t1a1+· · ·+tnan;t1, . . . tn∈Z} ist.

{O;a1. . . an} heißt Basis des Gitters Γ.

Die Vektoren {a1, . . . , an} sind Gittervektoren des GitterΓ, das sich als Menge aller ganzzahligen Linearkombinationen aus {a1. . . an} ergibt.

Obige Definition l¨asst darauf schließen, dass durch die Gittervektoren alle Git-terpunkte der euklidischen Ebene in eindeutiger Weise bestimmbar sind. Dass es sich um eine diskrete Punktmengen handelt, zeigt der Beweis folgendes Satzes.

Satz 2.2.8.

a) Bilden{a1, . . . , an}ein linear unabh¨angiges Vektorsystem in einem n-dimensionalen euklidischen Raum, dann ist die durch sie bestimmte Translationsgruppe T = ha1, . . . , ani diskret und damit eine Raumgruppe 4, also im Falle n = 2 eine

4Der Begriff Raumgruppe wird auch oft f¨ur eine Ornamentgruppe verwendet, wenn eine Ubereinstimmung der Dimension mit dem zugrunde liegenden Raum besteht.¨

Ornamentgruppe.

b) Jedes n-dimensionale Gitter in einem n-dimensionalen euklidischen Raum (und damit jedes Netz in der euklidischen Ebenen) ist eine diskrete Menge.

Beweis. F¨ur n = 2. Sei {a1, a2} ein linear unabh¨angiges Vektorsystem der euklidi-schen Ebene undT =ha1, a2idie durch sie bestimmte Translationsgruppe. Wir defi-nieren zwei Geradeng1undg2durch folgende Darstellungg1 ={(O+a2) +ha1i}, g2 = {(O+a1) +ha2i}. Punkt O hat zu den Geradeng1, g2 die Abst¨andeh1, h2 >0. (Sie-he Abbildung 2.8.)

Abbildung 2.8: Diskretheitseigenschaft

Sei r eine reelle Zahl mit 0< r < min{h1, h2}. Die r-Umgebung U von O enth¨alt neben O keinen weiteren Punkt des Gitters. Denn f¨ur jeden weiteren Punkt P = (x1, x2)∈U gilt bez¨uglich des affinen Koordinatensystems{O;a1, a2} |x1|,|x2|<1.

Nun isoliert auch die r-Umgebung jedes anderen Punktes diesen Punkt.

Damit ist f¨ur die Translationsgruppe T die Diskretheitseigenschaft D1 gezeigt. Mit D1 gilt D1, also die Diskretheitseigenschaft des Orbits, und somit ist auch der Teil b) des Satzes bewiesen.

Netze

Uber die Struktur von Ornamentgruppen gibt folgender Satz Auskunft:¨

Satz 2.2.9. Ist G eine Ornamentgruppe in der euklidischen Ebene, dann l¨aßt sich T =T(G) durch zwei Translationen erzeugen, und f¨ur jeden Punkt O ist Γ =T(O) ein Netz.

Satz 2.2.10. Verallgemeinerung.

Ist G eine Raumgruppe En, dann l¨aßt sich T(G) durch n unabh¨angige Translationen erzeugen und f¨ur jeden Punkt O ist Γ =T(O) ein n-dimensionales Gitter.

2.2.2 Basisitransformationen

Folgender Satz gibt grundlegende Einblicke in die Basistransformationen bei einem Gitter.

Satz 2.2.11. Es sei {O;a1, . . . , an} Basis eines Gitter Γ. Ferner seien ein Punkt O0(b1...bn) und n Vektoren ak0 = (a1k, ..., ank)T, k = 1, ..., n, bez¨uglich des affinen Koordinatensystems (O;a1, . . . , an) gegeben. Dann gilt: O0;a10...an0

ist eine Basis von Γ genau dann, wenn alle Koordinaten bi(i = 1, ..., n) und aik(i, k = 1, ..., n) ganzzahlig sind und die n-reihige Matrix A:= (aik) die Determinante ±1 hat.

Beweis. ” ⇒ ”: Es sei {O;a1, . . . , an} Basis des Gitters Γ. Dann ist O0 ∈ Γ, und damit sind alle bi ganzzahlig.

Da auch die Punkte O0 +a0k zu Γ geh¨oren, sind nun auch alle aik ∈ Z. Damit ist auch die Determinante |A| ganzzahlig.

F¨ur die Matrix A = (aik) gilt: (a0k)T = A(ak)T. Aus der linearen Unabbh¨angigkeit von

a01, . . . , a0n folgt dann |A| 6= 0. Es ergibt sich: (ak)T = A−1(a0k)T, und damit ist auch die Determinante |A−1| ganzzahlig.

Wegen |A| · |A−1|=|A·A−1|=|E|= 1 und der Ganzzahligkeit der Determinanten muss schließlich |A|=±1 sein.

” ⇐ ”: Die Elemente der Matrix A−1 sind ganze Zahlen. Diese Behauptung folgt aus der Transformationsgleichung (x01, ..., x0n)T = A−1((x1, . . . , xn)T −(b1, ..., bn)T) die beschreibt, welche affinen Koordinaten ein Gitterpunkt aus Γ bez¨uglich des af-finen Koordinatensystem (O0;a01, . . . , a0n) hat, wenn (x1, ..., xn) seine ganzzahligen Koordinaten bez¨uglich der Gitterbasis (O0;a1, ..., an) sind.

Folgerung

Bei einem Netz, also einem zweidimensionalen Gitter, spannt jede Basis {O;a1, a2} ein Parallelogramm mit den Ecken O, O +a1, O + (a1+a2), O +a2 auf. Obiger Satz besagt, dass sich je 2 Basen ein und desselben Gitters durch inhaltserhaltende Transformationen aufeinander abbilden lassen, denn die Determinante der Trans-formationsmatrix hat den Betrag 1. Folglich sind alle derartigen Parallelogramme inhaltsgleich. (Siehe Abbildung 2.9).

Abbildung 2.9: Inhaltsgleiche Parallelogramme

2.2.3 Minimalsysteme

Beim Beweis des obigen Satzes wurde die Basis eines Gitters mit einer Minima-lit¨atseigenschaft erzielt.

Definition 2.2.12. Minimalsystem

Es sei Γ ein n-dimensionales Gitter in einem n-dimensionalen euklidischen Raum.

{O;v1, . . . , vn} heißt Minimalsystem von Γ, wenn O ∈ Γ und v1, . . . , vn linear un-abh¨angige Gittervektoren sind und wennv1 k¨urzester unter allen Gittervektoren 6= 0 und vk k¨urzester unter allen Gittervektoren ausV \ hv1, . . . , vk−1i,(k = 1, . . . , n)ist.

Satz 2.2.13. Jedes n-dimensionale Gitter besitzt ein Minimalsystem.

Nach obiger Definition ist aber nicht von vornherein ein Minimalsystem eine Basis des Gitters.

Satz 2.2.14. In einem 2-dimensionalen Gitter ist jedes Minimalsystem eine Basis.

Symmetrie

”Symmetrisch ist ein Gebilde dann, wenn man es irgendwie ver¨andern kann und im Ergebnis dasselbe erh¨alt, womit man begonnen hat.”

Hermann Klaus Hugo Weyl Deutscher Mathematiker, Physiker und Philosoph (1885 - 1955)

Im Speziellen werden in diesem Kapitel der Arbeit die Ornamentgruppen oder Wandmustergruppen und ihre Klassifizierung in die 5 Netzklassen sowie eine Un-terteilung der 17 Klassen von Ornamentgruppen als diskrete Bewegungsgruppe be-handelt. Um eine solche Klassifizierung durchf¨uhren zu k¨onnen, ist der Begriff der Symmetrie und die Einteilung von Punktgruppen in die zugeh¨origen Symmetrie-gruppen notwendig. Dies wird wieder, wie im zweiten Kapitel, vom algebraischen Standpunkt aus betrachtet und die dazu notwendigen S¨atze aus Quaisser [3] wer-den angef¨uhrt. Zus¨atzlich wird die Klassifizierung der 17 Ornamentgruppen durch konkrete Beispiele mittels der in der Einf¨uhrung des zweiten Kapitels angef¨uhrten Bewegungen aufgelistet und mit Grafiken verdeutlicht. F¨ur den Beweis der Kon-struktion der 17 Ornamentklassen wird auf Quaisser hingewiesen.

Die Symmetrie bzw. das Symmetrieverhalten ist eine Eigenschaft, die in vielen Bereichen der Naturwissenschaft sehr bedeutend ist. Aber nicht nur in den Na-turwissenschaften spielt diese Eigenschaft eine pr¨agende Rolle, sondern auch in der Literatur und Kunst, wo symmetrische Figuren oder Konstrukte als besonders sch¨on empfunden werden. Warum sich der Mensch in vielen Bereichen mit dem Symme-trieverhalten und den daraus erkennbaren Strukturen besch¨aftigt und diese auch versucht zu belegen, liegt in der Beschaffenheit des Universums. Betrachtet man die

Umwelt, so erkennen wir, dass sich Strukturprinzipien der Symmetrie in der Na-tur wieder finden. Aber nicht nur die Symmetrie, sondern auch das Zusammenspiel zwischen Symmetrie und Asymmetrie sind Bestandteil und Erhalt unserer Atmo-sph¨are. Beispiele dazu sind die 4 Jahreszeiten oder der Wechsel zwischen Tag und Nacht oder die Besonderheiten der Tier- und Pflanzenwelt. Das Symmetrieverhalten in der Natur spiegelt sich also in unserem menschlichen Schaffen wieder. Was nun jedes Individuum genau unter dem Begriff der Symmetrie versteht, liegt im Auge des Betrachters. Die Auslegung der Symmetrie gab der deutsche Wissenschaftler Hermann Klaus Hugo Weyl in sehr einfachen Worten wider, wie es das obige Zitat zeigt.

Vom geometrischen Standpunkt betrachtet, l¨asst sich die Symmetrie als eine Transformation auffassen, die die Urmenge in die Bildmenge kongruent abbildet.

Es handelt sich also wie bei den Bewegungsgruppen G um eine Untergruppe der IsometriegruppeIso(E). Mathematisch gesehen werden die Symmetrieeigenschaften von Ornamenten durch diskrete Bewegungsgruppen der Ebene beschrieben. Dies wird im n¨achsten Unterkapitel durch die Symmetriegruppen und dem daraus zu schließenden Zusammenhang zu den Bewegungsgruppen verdeutlicht.

3.1 Symmetriegruppe

In der Gruppentheorie ist die Symmetriegruppe S eines geometrischen Objektes die Menge aller Kongruenzabbildungen, die das Objekt (als ganzes) auf sich selbst ab-bilden und zusammen mit der Verkettung von Abbildungen als Gruppenoperation wieder eine Gruppe ist. Folglich enth¨alt die Symmetriegruppe S(G) abstandserhal-tende Bewegungen; also ist die Symmetriegruppe S(G) eine Untergruppe vonIso(E).

3.1.1 Punktgruppen

Punktgruppen sind Gruppen, deren Untergruppe T(G), also die Gruppe ihrer Trans-lationen, nur aus der Identit¨at besteht. Da sich jede Bewegung aus Drehungen und Translationen zusammensetzen l¨asst, gibt es f¨ur jede Bewegungsgruppe G eine ihr zugeordnete Gruppe S0(G), die man Punktgruppe nennt.

Es folgt nun eine allgemeine Definition der Punktgruppe und anschließend eine ausf¨uhrliche Behandlung des algebraischen Konzepts der Punktgruppen, denn die Punktgruppen haben in diesem Kapitel eine zentrale Bedeutung in Hinblick auf die kristallographische Beschr¨ankung. Daf¨ur sind folgende Voraussetztungen notwendig:

• Der n-dimensionale euklidischer Raum E sei gegeben, wobei hier in analo-ger Weise zum vorigen Kapitel Sachverhalte und Interpretationen vom 2-dimensionalen auf h¨ohere Dimensionen ¨ubertragbar sind.

• Ein kartesisches Koordinatensystem ist gegeben durch (O;e1, . . . , en).

• Die Bewegungen ϕ des Raumes E lassen sich darstellen durch ϕ : P = (x1, . . . , xn)T 7→P0 = (x10, . . . , xn0)T

• Diese Bewegung ist durch eine n-reihige, orthogonale Matrix H und einen Vektorv = (v1, . . . , vn)T festgelegt und l¨aßt sich analytisch beschreiben durch:

(x10, . . . , xn0)T =H(x1, . . . , xn)T +v (3.1) oder kurz: x0 =Hx+v, wobeix die Koordinaten des Punktes P tr¨agt und x0 die Koordinaten des Bildpunktes P0 =ϕ(P).

• H und v sind durch die Bewegung ϕ eindeutig bestimmt. Umgekehrt gibt es zur oben angegebenen Gleichung 3.1 mit gegebenen H und v eine Bewegung ϕ des Raumes E2. Diese erh¨alt die Bezeichnung ϕ:=ϕ(H, v)

• H und v sind durch die Bewegung ϕ eindeutig bestimmt. Umgekehrt gibt es zur oben angegebenen Gleichung 3.1 mit gegebenen H und v eine Bewegung ϕ des Raumes E2. Diese erh¨alt die Bezeichnung ϕ:=ϕ(H, v)