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Bakterien und Pilze produzieren eine faszinierende Vielfalt an strukturell interessanten und biologisch aktiven Sekundärmetaboliten. Hierunter fallen Antibiotika, Immunsuppressiva, antitumorale und antivirale Wirkstoffe, Enzym-Inhibitoren, Rezeptor-Antagonisten und -Agonisten, Siderophore, Toxine, Pflanzenwachstums-Regulatoren, Insektizide und Herbizide sowie Signalstoffe. Den Sekundärstoffen gemeinsam ist, dass sie für das Wachstum und Überleben des jeweiligen Organismus nicht essentiell sind. Sie besitzen eine beschränkte Molekülgröße und sind meist das Produkt ungewöhnlich komplexer Biosynthesewege. Im Unterschied zu den Primärmetaboliten wie z. B. Aminosäuren oder Zuckern werden sie nur von bestimmten Spezies einer biologischen Gattung, und innerhalb dieser Spezies nur von bestimmten Subspezies oder Stämmen produziert[1,2].

Über die Funktion der Sekundärmetaboliten für den Produzenten existieren verschiedene Theorien. Da es sich um hoch komplexe, genetisch wie energetisch aufwendige Stoffwechsel-prozesse handelt, muss die Biosynthese dieser Substanzen für den jeweiligen Organismus einen evolutionären Vorteil erbringen. Die Entwicklung dieser Fähigkeiten unter einem hohen Selektions- und Konkurrenzdruck wäre andernfalls nicht denkbar. Dies impliziert zugleich eine stets vorhandene biologische Wirkung bzw. Funktion dieser Substanzen[3].

Funktions- und evolutionsbasierte Erklärungsmodelle

Die Verteidigungs-Hypothese geht davon aus, dass viele Sekundärstoffe zur chemischen Verteidigung gegen konkurrierende Organismen dienen. Diese Funktion liegt bei antibiotisch wirkenden Substanzen nahe und wird durch die Beobachtung unterstützt, dass Sekundärstoffe fast ausschließlich von Organismen produziert werden, die kein eigenes Immunsystem besitzen[4]. Als besonders produktiv haben sich neben Pflanzen vor allem solche Bakterien- oder Pilzgattungen herausgestellt, die beispielsweise im Erdboden einem besonders hohen Selektionsdruck unterliegen[3]. So wurde in dem natürlichen Substrat verschiedener Basidio-myceten eine Antibiotika-Konzentration nachgewiesen, die konkurrierende Pilze zu hemmen vermochte[5]. Deutlich weniger Sekundärstoffe sind hingegen von Organismen bekannt, die ökologische Nischen einnehmen wie z. B. Extremophile. Ein weiterer Hinweis auf eine Verteidigungs-Funktion ist das Auftreten von Resistenz-Genen auch in Mikroorganismen, die

O O

1 O

das entsprechende Antibiotikum überhaupt nicht bilden. Die hieraus folgende Immunität dieser Organismen gegen ansonsten letal wirkende Antibiotika gewährt ihnen einen Vorteil gegenüber Konkurrenten[6]. In dieses Bild passt die Beobachtung, dass die Antibiotika-Produktion einiger Mikroorganismen durch die Anwesenheit anderer Keime gesteigert wird.

So erhöht der Ascomycet Oudemansiella mucida die Biosynthese des fungizid wirkenden Strobilurin A (1) um ein Vielfaches bei Zugabe von Sporen oder Myzel von

Penicillium-Stämmen zur Kultur[7]. Die Funktion einer chemischen Verteidigung ist auch plausibel für die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Antibiotika wie die Actinomycine (Kapitel 2), Nargenicin A1

(Kapitel 4) oder die Chaetoglobosine (Kapitel 11).

Gegen eine generelle Gültigkeit des

Verteidigungs-hr unterschiedlicher Funktion zu aktivieren NH

Konzepts spricht, dass viele Antibiotika in natürlicher Umgebung nicht in einer Konzentration vorliegen, die eine Wachstumshemmung anderer Keime bewirken könnte. Interessanterweise zeigen sie in subinhibitorischer Konzentration dennoch eine Wirkung auf Bakterien, indem sie die Transkription bestimmter Gene regulieren. So ist Erythromycin A (2, ein Inhibitor der ribosomalen Proteinsynthese) ebenso wie Rifampicin (3, ein RNA-Polymerase Inhibitor) in der Lage, in niedriger

oder deaktivieren. Dies wurde anhand einer Klon-Bibliothek nachgewiesen, deren Stämme verschiedene Promotor-Gene vor einem lux-Operon enthielten. Die Regulierung der Transkription bei Zugabe der Antibiotika konnte so anhand der Lichtbildung beobachtet werden. Da resistente Stämme keine Reaktion auf das entsprechende Antibiotikum zeigten,

3

Konzentration die Promotoren von Genen mit se O

dient vermutlich derselbe Wirkort sowohl der antibiotischen als auch der regulatorischen Aktivität[8]. Man könnte in diesem Zusammenhang von einer Kommunikations-Hypothese bezüglich der Funktion von Sekundärmetaboliten sprechen. Bevor dieser Effekt bei Antibiotika nachgewiesen wurde, waren bereits eine Reihe anderer Metaboliten als Autoinducer in Quorum-Sensing Systemen bekannt. Hierunter versteht man Signalstoffe, die biologische Funktionen steuern, wenn mikrobielle Populationen eine bestimmte Zelldichte erreichen[9,10]. Unter anderem wird über Quorum-Sensing bei manchen Bakterien die Fähigkeit zur Aufnahme von Fremd-DNA gesteuert[11]. Die Produktion von Pflanzen-wachstums-Wachstumsregulatoren wie Gibbellerinsäure (4, Seite 120) durch Pilze stützt die Kommunikations-Hypothese ebenso wie Wechselbeziehungen zwischen symbiotischen Mikroorganismen und ihrem Wirt. Auf die Beziehung zwischen endophytischen Pilzen und ihren Wirtspflanzen wird im nächsten Unterkapitel näher eingegangen.

Einen anderen Erklärungsansatz verwendet die so genannte Screening-Hypothese. Sie geht

Substanzen, die für den Duft von Rosenblüten verantwortlich sind[12].

davon aus, dass eine starke und selektive biologische Aktivität für ein durch zufällige Mutation neu entstehendes Biosyntheseprodukt eine sehr außergewöhnliche und demnach unwahrscheinliche Eigenschaft ist. Um dennoch im Laufe der Evolution solche Leistungen entwickeln zu können, müssen die Organismen auch die Produktion von Metaboliten ohne einen direkten Nutzen akzeptieren. Im Gegenzug erhöht die Produktion möglichst diverser Naturstoffe die Wahrscheinlichkeit, durch Weiterentwicklung schließlich doch ein bioaktives Produkt zu erhalten. Damit würde die Anpassungs- und Überlebensfähigkeit dieses Organismus zwar kurzfristig durch den erhöhten Energieaufwand beeinträchtigt, auf lange Sicht jedoch gestärkt werden. Dieses Modell erklärt elegant die im Vergleich zum Primärstoffwechsel geringere Substrat- und Produktspezifität der Biosyntheseenzyme, da diese Eigenschaft eine möglichst breite Produktpalette begünstigt[12]. Auch das Entstehen neuer Strukturen wird erleichtert, was im Labor im Rahmen der kombinatorischen und Vorläufer-dirigierten Biosynthese ausgenutzt wird[13,14]. Die geringe Spezifität bestimmter Glykosyltransferasen wird auch im Kapitel 5 thematisiert (6-Desoxytalopyranoside aus Actinomyces sp. Gö M1, ab Seite 67) und zur Vorläufer-dirigierten Biosynthese genutzt. Die Screening-Hypothese sagt weiterhin eine Bevorzugung verzweigter Biosynthesewege gegenüber linearen sowie die mögliche Synthese mehrerer Produkte durch dasselbe Enzym voraus, da beides dem primären Ziel der Erzeugung chemischer Diversität dient. Dies kann beispielsweise bei der Biosynthese von Terpenoiden beobachtet werden[15]. So ermöglicht u. a. die Substrattoleranz der beteiligten Enzyme die Bildung der bis zu 400 flüchtigen

Erkenntnisse aus der Genomanalyse von Streptomyceten

Bis heute wurden über 150 mikrobielle Genome sequenziert, arud nter mit Streptomyces

[16] [17] kannte Sekundärstoff-Produzenten.

Eine Analyse dieser Daten kann alle drei erwähnten Hypothesen anteilig unterstützen.

r Kommunikation dienen

nprs = Nichtribosomale Peptidsynth. pks1/pks2/pks3 = Polyketidsynthase Typ 1/Typ 2/Typ 3

coelicolor und Streptomyces avermitilis zwei be

Auffällig ist eine unerwartet hohe Anzahl regulatorischer Gene, die sowohl der Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen als auch de könnten. Im Genom von S. coelicolor wurden 23 für Sekundärstoffe codierende Gencluster gefunden, obwohl zuvor nur sechs der Substanzen bekannt waren[18]. Bei S. avermitilis sind es sogar 30 Gencluster[19]. Es gibt also im Einklang mit der Screening-Hypothese eine große Zahl unterschiedlicher Biosynthese-Gene, die potentiell zu bioaktiven Naturstoffen führen können.

Einige dieser Gene sind erhalten geblieben, obwohl sie keine funktionsfähigen Genprodukte hervorbringen oder nur unter spezifischen, bisher nicht bekannten Bedingungen transkribiert werden. Die Gencluster sind nicht gleichmäßig über das Genom verteilt, sondern treten gehäuft am Anfang und Ende des linearen Chromosoms auf (Abbildung 1), was eine erhöhte Variabilität implizieren könnte. Alle essentiellen Gene liegen hingegen im mittleren, hell gezeichneten Bereich. Der hohe Anteil der Gene für Sekundärstoffbildung am gesamten Genom von bis zu 6 % kann nur durch einen signifikanten evolutionären Vorteil erklärt werden, den die Organismen hierdurch erhalten[16,19].

Abbildung 1: Verteilung der Sekundärstoff-Gene im Genom von Streptomyces coelicolor.

act = Actinorrhodin car = Isorenieraten cda = Calcium-dependend antibiotic des = Desoxyzucker-Synthase fas = Fettsäuresynthase fer = Desferrioxamin

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 kb

red = Prodiginin scbA = γ-Butyrolacton ses = Sesquiterpen-Cyclase thetase

sid = Siderophor-Syn ter = Geosmin whi = TW95a

actses whi

sidred ter

scbA pks1

nrps hoppks1

pks3 scbApks1 fas

car des

pks3

fas fer

pks3 cda

1.2 Endophytische Pilze als Quelle neuer Sekundärstoffe