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Der farblose Feststoff 68 wurde in einer Ausbeute von ca. 6 mg/L isoliert. Das ESI-Massenspektrum ergab eine Molmasse von 638 g/mol, durch hochauflösende Massen-spektrometrie wurde die Summenformel C34H38O12 ermittelt. Die NMR-Spektren zeigen das Vorhandensein von drei Methyl-, vier Methylen- und zwei Methingruppen sowie von acht quartären Kohlenstoffatomen. Da die Spektren damit lediglich halb so viele Atome zeigen wie laut Summenformel vorhanden sind, muss die Verbindung als symmetrisches Dimer vorliegen. Die Summenformel einer Molekülhälfte ist C17H19O6, woraus sich acht Doppelbindungsäquivalente ergeben. Das 13C-NMR-Spektrum lässt vier olefinische C-Atome, eine Ester-Carbonylgruppe und zwei Ketogruppen erkennen (gemeinsam nur fünf DB-Äquivalente), das Monomer muss daher ein Trizyklus sein. Die gerade Anzahl an Sauerstoff-atomen schließt die Verknüpfung der Monomer-Einheiten über ein O-Atom aus, folglich ist eine C-C-Verbrückung zu erwarten.

10-H 17-H3

CDCl3 2-H 7-Hb 7-Ha 15-H3 1-H3

3-H2, 4-H2,

5-H2

Abbildung 49: 1H-NMR-Spektrum (600 MHz, CDCl3) von Chaetospiron (68).

Ausgehend von der zum Dublett aufgespaltenen Methylgruppe bei δH = 1.06 lässt sich mit Hilfe eines COSY-Spektrums eine Kette mit einer Sauerstoff-substituierten Methingruppe (δH = 3.86) und drei Methylengruppen erkennen. Anhand der HMBC-Korrelationen kann

diese Kette um ein quartäres Kohlenstoffatom erweitert werden, dessen chemische Verschiebung (δC = 102.8) eine Acetal-Struktur erwarten lässt. Eine 4JCH-Korrelation ausgehend von der Methylgruppe zeigt den Ringschluss zum Tetrahydropyran-Ring an.

Weitere Signale im HMBC-Spektrum beweisen die Bindung einer Tieffeld-verschobenen Methylengruppe (δH = 2.40/2.67) an das acetalische C-Atom, woraus sich zusammenfassend das in Abbildung 50 gezeigte Fragment I ergibt. Die chemische Verschiebung einer zweiten Methylgruppe (δH = 2.14) ist typisch für einen Acetylrest, diese Zuordnung wird durch eine

2JCH-Korrelation zu einer Ester-Carbonylgruppe (δC = 169.9) bestätigt. Eine 4JCH-Korrelation verbindet die Acetylgruppe mit einem quartären, aliphatischen C-Atom (δC = 84.7), an das eine weitere Methylgruppe (δH = 1.59) gebunden ist (Fragment II). Das 13C-NMR-Spektrum beinhaltet zwei Ketogruppen, deren chemische Verschiebung sie als α,β-ungesättigt ausweist (δC = 191.8, 192.2). Sie bilden gemeinsam mit den vier olefinischen C-Atomen die Fragmente III und IV, womit alle in den Spektren vorhandenen Atome einer Teilstruktur zugeordnet werden konnten. Die β-Position der Methin- zur Carbonylgruppe in Fragment III ergibt sich aus der Tieffeld-Verschiebung ihrer NMR-Signale (δH = 7.76, δC = 157.6).

CH

O CH3

O C H2

O O

H

O CH3

O

CH3

1.06

2.40/2.67

HMBC COSY

Fragment I Fragment II

Fragmente III und IV

3.86

1.59 2.14

Abbildung 50: Aus den NMR-Spektren abgeleitete Fragmente I-IV von 68.

Die Verknüpfung der Fragmente anhand von HMBC-Korrelationen ist in Abbildung 51 dargestellt. Sie steht im Einklang mit den beobachteten chemischen Verschiebungen der olefinischen Kohlenstoffatome. Die Konjugation der Doppelbindungen wird durch die Lage der C=C-Streckschwingung im IR-Spektrum unterstützt (ν~ = 1608).

O

Abbildung 51: Verknüpfung der Fragmente I-IV anhand von HMBC-Korrelationen zur Struktur von 68.

Aus der erhaltenen Struktur ergibt sich, dass die C-C-Verknüpfung der beiden monomeren Einheiten zur Gesamtstruktur nur über das α-C-Atom von Fragment III erfolgen kann (Abbildung 51). Bei dem Spiroketal 68 handelt es sich um einen bisher nicht beschriebenen Naturstoff, für den der Name Chaetospiron vorgeschlagen wirdu.

Relative Stereochemie von Chaetospiron (68)

68 besitzt drei Stereozentren an C-2, C-6 sowie C-13, außerdem dürfte die Rotation um die Achse C-12/C-12’ wegen der benachbarten Ketogruppe stark eingeschränkt sein. Die relative Konfiguration von C-2 und C-6 lässt sich anhand von NOESY-Korrelationen bestimmen.

Dies ist für C-13 aufgrund der räumlichen Entfernung nicht möglich, so dass die Konfiguration dort ungeklärt bleibt. Es ist plausibel, für den Tetrahydropyran-Ring eine Sesselform anzunehmen. Die Methylgruppe befindet sich in äquatorialer Position, wie die diaxiale Kopplung (3JHH = 12.5 Hz) zwischen 2-H und 3-H beweist. Eines der Protonen der Methylengruppe in Position 5 zeigt NOESY-Korrelationen zu beiden Protonen in Position 7,

u in Anlehnung an die Pilzgattung (Chaetomium sp.), aus der die Verbindung isoliert wurde, sowie an ihre strukturellen Besonderheiten (Spiroverbindung mit Ketogruppen).

68

(relative Konfiguration)

das andere lediglich zu einem dieser Protonen. Dies ist nur bei der in Abbildung 52 gezeigten Konfiguration des Spirozentrums möglich, bei der sich das axiale Proton an C-5 in räumlicher Nähe zu beiden Methylenprotonen an C-7 befindet.

O H

H

H H

H O H

H CH3

H H

NOE 3 2 5

6 7

Abbildung 52: Festlegung der relativen Stereochemie an C-2 und C-6.

Daraus lässt sich folgende Struktur ableiten:

Strukturvergleich

Chaetospiron (68) besitzt ein neuartiges Kohlenstoffgerüst. Weder das Spiroketal- Grundgerüst (69, Abbildung 53) noch das entsprechende Octahydro-spiro[azulen-2,1’-cyclohexan]-System (70) waren zuvor bei Naturstoffen oder Syntheseprodukten bekannt.

Beide Strukturen existieren lediglich als Substruktur wesentlich komplexerer Systeme, so findet man 70 in einigen Fullerenen[161].

O O O

O O

O O

H O

O

O O

O

H

1 3 2

6 7

9 12 14 15 17 16

O O

69 70 Abbildung 53: Grundstruktur von Chaetospiron (68).

Die neue Verbindung 68 weist eine strukturelle Ähnlichkeit zu Malettinin A (71, Abbildung 54) auf. Bei 71 handelt es sich um ein Tropolon-Derivat, das aus einem taxonomisch nicht näher beschriebenen, nicht sporulierenden Pilz isoliert wurde, der das Fadengeflecht eines weiteren Pilzes der Gattung Hypoxolon (Kohlenbeere) besiedelt[162]. 71 und seine Derivate Malettinin B und C, die an der Ketogruppe des Fünfrings reduziert sind, besitzen eine starke antifungische Wirkung, u. a. gegen Candida albicans[163]. Im Unterschied zu Chaetospiron (68) weisen die Malettinine ein intaktes Tropolon-Systemv auf (68 hat eine zweite Ketogruppe im Siebenring), der Tropolon-Ring befindet sich am Sechs- anstatt am Fünfring des bizyklischen Spiroketals und es wird keine dimere Struktur gebildet.

68 O O

O

O O

O O

H O

O

O O

O

H

1 3 2

6 7

9 12 14 15 17 16

O O

O O

O H

71

Abbildung 54: Malettinin A (71) und Chaetospiron (68) im Vergleich.

v Als (α-)Tropolon bezeichnet man 2-Hydroxy-2,4,6-cycloheptatrienon, ein bei Naturstoffen häufig vorkommender Grundkörper.

Überlegungen zur Biosynthese

Für die Biosynthese von Chaetospiron (68) ist der Polyketidweg plausibel. Einen hypothetischen Verlauf zeigt Abbildung 55. Aus sieben Acetat-Bausteinen wird ein Heptaketid aufgebaut, das anschließend in Position 9 oxidiert sowie in Position 13 oxidiert und methyliert wird. Der Ringschluss zum Cycloheptan kann durch eine nucleophile Substitution am Thioester geschehen, ausgehend von einem Enolat-stabilisierten Carbanion (Schritt 2). Anschließend werden durch eine Sequenz von zwei aufeinander folgenden nucleo-philen Additionen an die Carbonylgruppen C-6 und C-9 zwei weitere Ringschlüsse unter Ausbildung des Spiroketals vollzogen (Schritte 3 und 4). Eine Dehydratisierung bewirkt im nächsten Schritt die Ausbildung der Doppelbindung in Position 8. Durch Acetylierung an 13-OH und Dimerisierung unter C-C-Verknüpfung in Position 11 entsteht 68.

OH

Abbildung 55: Hypothetische Biosynthese von Chaetospiron (68).

Diese Hypothese stellt lediglich einen von mehreren möglichen Wegen dar. Denkbar wäre auch ein Kettenaufbau in umgekehrter Richtung im Tropolon-Ring oder die Biosynthese des Tropolon-Rings durch oxidative Ringerweiterung eines zunächst entstehenden Sechsrings.

Ein solcher Mechanismus wurde bei anderen Tropolon-Derivaten nachgewiesen, die von Pilzen gebildet werden. Abbildung 56 zeigt den Biosyntheseverlauf von Stipitatsäure (72) und Stipitatonsäure (73) aus Penicillium stipitatum[164]. Aus einem Tetraketid entsteht zunächst 3-Methylorsellinsäure (74). Die Methylgruppe in Position 3 ist eine von S-Adenosyl-L-Methionin stammende C1-Einheit, die im nächsten Schritt ebenso wie C-3 durch eine Monooxygenase[165] oxidiert wird. Durch eine Pinakol-Umlagerung wird der Tropolonring gebildet. Eine weitere Oxidation führt zu Stipitatonsäure (73), aus der letztlich Stipitatsäure (72) hervorgeht[166].

O

Abbildung 56: Biosynthese von Stipitatsäure (72) und Stipitatonsäure (73).

Ein analoger Biosyntheseweg führt auch zu Sepedonin (75) aus Sepedonium chrysospermum[167] sowie Puberulic Acid und Puberulonic Acid aus Penicillium aurantio-virens. Letztere unterscheiden sich von Stipitatsäure (72) und Stipitatonsäure (73) nur durch eine zusätzliche Hydroxygruppe an C-7[166].

Ein entsprechender Biosyntheseweg für Chaetospiron (68) ist in Abbildung 57 gezeigt und geht von einem methylierten Heptaketid aus.

Die C1-Einheit findet sich anschließend im Tropolon-Ring wieder. Der Nachweis des tatsächlichen Verlaufs der Biosynthese müßte durch geeignete Fütterungsexperimente erfolgen, die jedoch nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein konnten.

O

Abbildung 57: Alternativer Biosyntheseweg für Chaetospiron (68).

11.5 Biologische Aktivität der Sekundärmetaboliten