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Zur Struktur und biologischen Funktion der Substanzen

6-Desoxytalose ist ein ungewöhnlicher Zuckerbaustein, der im Sekundärstoffwechsel von Mikroorganismen zuvor nur von einer einzigen Substanz bekannt war[119]. Die in dieser Arbeit beschriebenen neuen 1-O-Acyl-6-desoxy-α-talopyranoside 45 - 51 besitzen ähnliche glykosidisch gebundene Bausteine wie die bekannten 1-O-Acyl-α-L-Rhamnopyranoside[125]. Unabhängig vom Zuckerbaustein sind die Moleküle weder antimikrobiell noch cytotoxisch wirksam, ihre biologische Funktion ist bisher nicht bekannt. Für einige Rhamnopyranoside wurde eine moderate inhibierende Wirkung gegen das Enzym 3α-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3α-HSD) festgestellt, das an der Biosynthese von Arachidonsäure beteiligt ist[126].

Im Sekundärmetabolismus von Pflanzen sind Acyltransferasen bekannt, die acylierte Zucker anstelle von CoA-Thioestern als Substrate akzeptieren[128]. Die Acyl-Donoren sind hier 1-O-β-Glucose-Ester, die Enzyme selbst weisen überraschenderweise eine hohe Ähnlichkeit zu Carboxypeptidasen und damit Enzymen des Primärstoffwechsels auf. Das Wissen über die Verwendung von 1-O-Acyl-β-glucopyranosiden in Pflanzen kann sicherlich nicht direkt auf 1-O-Acyl-α-Desoxyzuckerpyranoside in Mikroorganismen übertragen werden. Dennoch bietet die Idee, die acylierten Zucker als energiereiche Intermediate anzusehen, eine plausible Erklärung für ihr wiederholtes Vorkommen in Bakterien. Die große Anzahl an akzeptierten Substraten und die hieraus abzuleitende geringe Spezifität der entsprechenden Glykosyl-transferase lassen sogar die Verwendung als Energiespeicher möglich erscheinen, da eine

Vielzahl an acylierten Verbindungen für den Stamm wichtiger zu sein scheint als die genaue Kontrolle des Produkts.

Interessant wäre das Auffinden der bakteriellen Enzyme, die die acylierten Pyranoside als Substrat akzeptieren und deren biochemische und molekularbiologische Charakterisierung.

Möglicherweise gibt es hier, ebenso wie bei den Pflanzen, eine enge Verwandtschaft zwischen Primär- und Sekundärmetabolismus zu entdecken.

Vorläufer-dirigierte Biosynthese

Die Zufütterung aromatischer Carbonsäuren zur Kultur von Actinomyces sp. Gö M1 bewirkte eine erhebliche Steigerung der Ausbeute an den entsprechenden Glykosiden sowie die Bildung eines neuen 6-Desoxytalosids (54). Durch Vorläufer-dirigierte Biosynthese dürfte eine Vielzahl an weiteren neuen 1-O-Acyl- und 1-O-Aryl-6-desoxy-α-L-talopyranosiden zugänglich sein. Es erscheint lohnenswert, das Glykosylierungs-Potential des Stammes intensiver zu erschließen.

Zur Biosynthese

Die Biosynthese der 6-Desoxy-α-L-talopyranoside lässt sich unterteilen in den Aufbau des Desoxyzuckers und die Biosynthese der glykosidisch gebundenen, meist aromatischen Reste.

Die Enzyme und katalytischen Mechanismen, die zur Bildung von 6-Desoxyzuckern führen, wurden ausführlich untersucht. Als Ausgangsverbindung dient Glucose, die zunächst in Position 6 reduziert und anschließend epimerisiert wird[129,130].

Die aromatischen Bausteine dürften unterschiedlicher Herkunft sein. Ausgehend von Glucose entsteht zunächst Shikimat, welches weiter zu Chorismat umgesetzt wird. Bei Pflanzen und Pilzen führt der Biosyntheseweg weiter über Phenylalanin als Zwischenstufe zu p-Hydroxy-benzoesäure (PHB). Ein analoger Weg wurde bei dem marinen Bakterium Streptomyces maritimus[131] und dem Myxobakterium Sorangium cellulosum gefunden[132]. Von dem Bakterium E. coli ist hingegen die direkte Umsetzung von Chorismat zu PHB durch das Enzym Chorismat-Lyase bekannt[133]. Eine direkte Bildung von Benzoat aus Shikimat ohne Phenylalanin-Zwischenstufe wurde auch bei dem Rhamnosidbildner S. griseoviridis Tü 3634 nachgewiesen[134] und kann daher ebenso für 47 - 49 und 51 vermutet werden. Für die Bildung von Phenylessigsäure erscheint hingegen die Transaminierung von Phenylalanin zu Phenylpyruvat und anschließende Decarboxylierung wahrscheinlich[131]. Beide Hypothesen wären durch geeignete Fütterungsexperimente mit markierten Verbindungen zu beweisen, was jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit war.

6 BMBF-Verbundprojekt „Endophytische Pilze aus Algen und Pflanzen verschiedener Meeresbiotope“

Im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Marine Naturstoffforschung“, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Juli 2000 zum zweiten Mal ausgeschrieben wurde, wird das Projekt „Endophytische Pilze aus Algen und Pflanzen verschiedener Meeresbiotope“ gefördert (Förder-Kennzeichen 03F0360A). Der Förderzeit-raum beträgt 3.5 Jahre, beginnend mit dem 1. Juli 2002.

Ziel des Projekts ist die Identifizierung neuer Naturstoffe und das Auffinden neuer Leit-strukturen für den Pflanzenschutz. Hierfür sollten endophytische Pilze aus Meeresalgen sowie aus Pflanzen der Brackwasserzonen und Küstenregionen hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe untersucht werden. Aufgrund ihrer speziellen Lebensbedingungen (Interaktion zwischen Endophyt und Pflanze, Salzgehalt, Gezeiten) wurde erwartet, dass die dort isolierten Pilze eine viel versprechende Quelle für neue Naturstoffe sind. Über die Inhaltsstoffe von Endophyten dieser Biotope war bisher vergleichsweise wenig bekannt.

Am Verbundprojekt sind vier Projektpartner beteiligt (siehe auch Abbildung 39):

1) Technische Universität Braunschweig (Arbeitsgruppe Prof. Dr. H.-J. AUST / PD Dr.

B. SCHULZ, Institut für Mikrobiologie)

Der Arbeitskreis ist zuständig für die Isolierung der Pilze und ihre taxonomische Bestimmung. Die Isolate werden einem biologischen Screening unterzogen, die Kultivierungsbedingungen optimiert und die Extrakte der BASF zur Testung zugesandt. Dort aufgefallene Pilzstämme sollten im größeren Maßstab kultiviert und den Arbeitskreisen KROHN und ZEECK zur Verfügung gestellt werden.

2) Universität- GH Paderborn (Arbeitsgruppe Prof. Dr. K.KROHN, Organische Chemie) In diesem Arbeitskreis erfolgt die Isolierung und Strukturaufklärung von Reinsubstanzen aus einem Teil der Pilze, deren Extrakte biologische Aktivität zeigten oder im chemischen Screening auffielen. Zudem soll durch chemische Synthese und Variation besonders interessanter Strukturen das Spektrum der zur Verfügung stehenden Substanzen vergrößert werden. Reinsubstanzen werden den Pflanzenschutz-tests der BASF zugeführt.

3) Universität Göttingen (Arbeitsgruppe Prof. Dr. A.ZEECK, Institut für Organische und Biomolekulare Chemie)

Vom Kooperationspartner in Braunschweig erhaltene Pilzstämme sowie selbst isolierte Endophyten werden einer Variation und Optimierung der Kultivierungs-bedingungen unterzogen (OSMAC-Methode[102]). In den Pflanzenschutz-Tests der BASF und im chemischen Screening aufgefallene Stämme werden im größeren Maßstab kultiviert, die Sekundärmetaboliten isoliert und in ihrer Struktur aufgeklärt.

Reinsubstanzen werden durch Plattendiffusionstests auf antimikrobielle Wirkung untersucht und ebenso wie die Extrakte zur Testung an die BASF gegeben.

4) BASF AG, Ludwigshafen

Die erhaltenen Rohextrakte und Reinsubstanzen werden in Mikrotestsystemen auf fungizide, insektizide und herbizide Wirkung geprüft. Biologisch aktive Extrakte werden HPLC-chromatographisch aufgetrennt und die Fraktionen auf biologische Aktivität hin getestet. Diese Korrelation zwischen Retentionszeit und biologischer Aktivität dient als Orientierung für die Isolierung der Reinsubstanzen.

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E,R E,R

T E

E,P E

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AK AUST /SCHULZ

Isolierung von Pilzstämmen, Taxonomie, Kultivierung, biologisches Screening, molekularbiologische Analysen,

Biotop-vergleichende Datenanalyse

AK KROHN

Isolierung und Strukturaufklärung,

Sekundärmetaboliten-profile, Synthese AK ZEECK

OSMAC, chemisches Screening, Kultivierung,

Isolierung und Struktur-aufklärung,

Platten-diffusionstests

BASF AG Testung und Fraktionierung

Abbildung 39: Arbeitsaufteilung im Verbundprojekt (E = Extrakte, R = Reinsubstanzen, P = Pilzstämme, T = Testergebnisse).

7 Isolierung von Pilzen, Screening und Stammauswahl