• Keine Ergebnisse gefunden

Unter Endophyten versteht man Mikroorganismen, die im Inneren von Pflanzen leben, ohne dass diese hierdurch einen sofortigen, erkennbaren Schaden erleiden[20]. Diese Definition legt die Beziehung zwischen Pflanze und Mikroorganismus nicht fest, sie kann von symbiotisch über saprophytisch bis hin zu pathogen reichen. In den interzellularen Räumen aller Pflanzen finden sich sowohl Bakterien als auch Pilze[21].

Über die Anzahl der existierenden endophytischen Pilzgattungen gibt es keine genauen Angaben, Schätzungen gehen von bis zu einer Million aus. In einer Pflanzenart werden an unterschiedlichen Standorten häufig dieselben Pilzarten gefunden, was ein Anzeichen für eine spezifische Interaktion zwischen Wirtspflanze und Endophyt sein könnte. Eine generelle Korrelation auf Gattungs-Ebene ist bisher jedoch nur selten möglich. Einige Gattungen wie Fusarium, Pestalotiopsis oder Phomopsis werden besonders häufig in Pflanzen gefunden[21]. Produktion von Wirkstoffen als Anpassung an ein Habitat

Viele Endophyten produzieren bioaktive Naturstoffe, die ihnen zur Interaktion mit der Wirtspflanze oder zur Verteidigung ihrer ökologischen Nische dienen können.

Möglicherweise verschaffen sie auch dem Wirt Vorteile, indem sie ihn vor pathogenen Erregern, Insekten oder anderen Schädlingen schützen[7,21].

Im Hinblick auf diese Funktionen schlagen STROBEL, DAISY, CASTILLO und HARPER vier Kriterien für eine rationale Pflanzenauswahl vor, deren Endophyten besonders produktiv sein sollten[21,22].

1) Pflanzen aus ungewöhnlichen Habitaten

Bei der Entwicklung besonderer Anpassungs- und Überlebensstrategien könnten auch endophytisch lebende Mikroorganismen einen Beitrag geleistet haben. Dies lässt auf einen besonderen Sekundärstoffwechsel und damit die Möglichkeit schließen, neuartige bioaktive Substanzen zu finden. In diese Kategorie fallen auch die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Endophyten aus marinen Habitaten.

2) Endemische Pflanzen

Mit derselben Argumentation wie unter Punkt 1 werden bei diesen oft erdgeschichtlich alten Pflanzen interessante Sekundärstoffbildner erwartet.

3) Pflanzen mit bekannter biologischer Wirkung

Von vielen Pflanzen ist eine biologische Wirkung bekannt, die für medizinische oder andere Zwecke ausgenutzt wird. STROBEL ET AL. sprechen hier von Pflanzen mit ethnobotanischer Geschichte. Für ihre biologische Aktivität ist manchmal nicht die Pflanze selbst verantwortlich, sondern von Epi- oder Endophyten produzierte Sekundärstoffe. Die Isolierung und Kultivierung der mikrobiellen Wirkstoff-Produzenten sollte das Auffinden neuer bioaktiver Substanzen ermöglichen und die Substanzbeschaffung von zuvor nur aus Pflanzen bekannten Metaboliten vereinfachen.

4) Pflanzen aus Habitaten mit besonders hoher Biodiversität

Eine hohe biologische Diversität impliziert eine ebenfalls hohe chemische Diversität, da nur diese das Überleben einer Spezies unter einem besonders hohen Konkurrenz-druck sichert. Diese These steht im Einklang mit den in der Verteidigungs- und Screening-Hypothese geäußerten Annahmen über die evolutionäre Funktion der Sekundärmetaboliten. Tatsächlich konnte eine Studie mehr biologisch aktive Natur-stoffe in Endophyten nachweisen, die aus Pflanzen des tropischen Regenwalds isoliert wurden, im Vergleich zu solchen, die aus Pflanzen der gemäßigten Klimazonen stammten.

Fungizide Wirkstoffe aus endophytischen Pilzen

Die toxische Pflanze Tripterygeum wilfordii wird in der chinesischen Medizin verwendet, ihre Auswahl zur Untersuchung von Endophyten entspricht dem obigen Kriterium 3. Aus ihr wurde der endophytische Pilzstamm Cryptosporiopsis cf. quercina isoliert[23], der mit dem Lipopeptid Cryptocandin und dem Tetramsäure-Derivat Cryptocin (5) zwei neue, hochpotente Fungizide produziert[24]. Neben der ökologischen Funktion (Schutz der Wirtspflanze vor phytopathogenen Pilzen) wird hier ein häufig bei Sekundärstoff-Produzenten anzutreffendes Prinzip sichtbar: das synergistische Zusammenwirken

mehrere Substanzen. Dieses ist auch bei dem bereits erwähnten Actinomyceten Streptomyces coelicolor zu erkennen, der mehrere verschiedene Antibiotika produziert. HOPWOOD und CHALLIS sehen in einem solchen Synergismus eine generelle Triebkraft für die Evolution von Sekundärmetaboliten[18].

N

H

H O

O

O H OH

5

Cytotoxische Substanzen aus endophytischen Pilzen

Ein weiteres Beispiel für einen Naturstoff aus einem Endophyten, der in einer biologisch wirksamen Pflanze vorkommt, ist das bekannte Antitumor-Mittel Paclitaxel (6, Taxol®). Es wurde erstmals 1971 aus der Rinde der pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) isoliert, wird jedoch von allen bekannten Eiben-Arten gebildet. 1993 fand man heraus, dass auch der aus T. brevifolia isolierte endophytische Pilz Taxomyces andreanae 6 produziert. Seither wurden zahlreiche weitere endophytische und nicht-endophytische Pilzstämme gefunden, die Taxane bilden[25]. Der Nutzen für die Wirtspflanzen liegt in der fungiziden Wirkung von Paclitaxel (6), die besonders stark gegenüber phytopathogenen Pilzen wie Phytophthora sp. ausgeprägt

ist[21]. Interessant ist, dass dieser Metabolit sowohl von der Pflanze selbst als auch dem Endophyten biosynthetisiert wird. Aufgrund der weiten Verbreitung Paclitaxel-produzierender Stämme im Pilzreich nimmt man an, dass dort der evolutionäre Ursprung der Biosynthese-Gene liegt, die letztlich auch auf die Pflanzen der Gattung Taxus übertragen wurden[26].

Die in Südamerika beheimateten Büsche Baccharis coridifolia und Baccharis artemisiodis sind dort häufig Ursache für Vergiftungen von Weidetieren. Ihre toxische Wirkung geht auf den Gehalt an Roridinen sowie Verrucarin A (7) und B zurück, bei denen es sich um zur Familie der Trichothecene gehörende Mykotoxine handelt. Sie hemmen bereits in

nanomolaren Konzentrationen die Protein-biosynthese von Säugetierzellen. B. coridifolia und B. artemisiodis produzieren die Trichothecene nicht selbst, ihr Gehalt in den Pflanzen ist vielmehr auf Pilze zurückzuführen.

Endophyten der Spezies Ceratopicnidium baccharidicola bilden die Rodirine und Verrucarine und konnten in beiden O

Pflanzenarten nachgewiesen werden. Zusätzlich erfolgt auch eine Aufnahme der Toxine aus dem Boden, wo sie von in der Umgebung der Pflanzen lebenden Pilzen gebildet werden. Die Mykotoxine bieten der Pflanze einen umfassenden Schutz sowohl gegen pathogene Pilze und Bakterien als auch gegen Fraßfeinde[27].

Insektizide und nematozide Wirkstoffe aus endophytischen Pilzen

Eine Schutzfunktion für ihre Wirtspflanze erfüllen auch endophytische Pilze, deren Metaboliten gegen Insekten und Parasiten schützen. So produziert ein aus der tropischen Pflanze Bontia daphnoides isolierter Pilz der Gattung Nodulisporium ein insektizid wirksames Indol-Diterpen. Die Nodulisporic Acid A (8) genannte Substanz blockiert selektiv Glutamat-gesteuerte Chlorid-Ionenkanäle von Invertebraten und ist besonders stark wirksam gegen Fliegenlarven[28]. Die Wirtspflanze entstammte in diesem Fall einem Habitat mit besonders großer Biodiversität. Entsprechend der zuvor erläuterten Erwartung erhöht der mikrobielle Endophyt durch seine Sekundärstoffproduktion die Durchsetzungsfähigkeit und Überlebenschancen der Pflanze in einer kompetitiven Umgebung.

O

N O

H H

H

O

H OH

O

COOH

8

Es gibt auch Beispiele für Endophyten mit nematozider Aktivität. Bei einem biologischen Screening von 500 Pilzstämmen aus Pflanzen unterschiedlicher Habitate wurden 17 nematozid aktive Isolate gefunden. Die Mehrzahl der aktiven Stämme gehörte zur Gattung Phomopsis, allen gemeinsam war die Produktion von 3-Hydroxypropionsäure. Diese wirkt nematozid gegen den Pflanzenparasiten Meloidogyne incognita (LD50 = 15 μg/L), ihre Aktivität gegen den saprophytisch lebenden Fadenwurm Caenorhabditis elegans ist fünffach geringer. Die besonders starke Wirkung gegen den Pflanzen-Schädling sowie die unterschiedliche Herkunft der Produzenten lassen hier ein weit verbreitetes biologisches Prinzip vermuten, mit dem endophytische Pilze der Wirtspflanze einen biologischen Vorteil verschaffen[29].

Entzündungshemmende Substanzen aus endophytischen Pilzen

Eine weitere Pflanze, deren biologische Wirksamkeit teilweise auf einen endophytischen Pilz zurückgeführt werden kann, ist der südamerikanische Korallenstrauch (Erythina crista-galli).

Die Pflanze ist stark neurotoxisch und wirkt in hoher Konzentration ähnlich wie Curare, bei niedriger Dosierung stehen jedoch medizinisch nutzbare entzündungshemmende Eigenschaften im Vordergrund. Aus einem hieraus isolierten endophytischen Pilzstamm der Gattung Phomopsis wurde das neue Antibiotikum Phomol (9) erhalten, das neben

antibakteriellen, fungiziden und schwach cytotoxischen Eigenschaften eine starke entzündungshemmende Wirkung besitzt[30]. Es erscheint plausibel, dass 9 für die pharmakologische Wirkung des Pflanzen-extrakts mit verantwortlich ist, was die zuvor geäußerte These 3 zur Auswahl viel versprechender Wirtspflanzen unterstützt.

O

O O

H O H

OH

O

O

9