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2.5 Faktoren der perinatalen Mortalität

2.5.5 Schwergeburten

Da die Schwergeburt einen maßgeblichen Anteil an der perinatalen Mortalität trägt, soll besonders auf diese eingegangen werden.

JOHANSON und BERGER (2003) ermittelte eine Schwergeburtenrate im Zeitraum von 1968-1999 aus den Daten der Iowa State University von 23,7 %. BAR-ANAN et al. (1976) kamen bei einer Untersuchung von Israeli-Friesians zum Ergebnis, dass ca. 40-60 % der

Fälle von PM in Verbindung mit Schwergeburten zu bringen sind.

Um eine Geburt in ihrem Verlauf beurteilen zu können, wird in den Untersuchungen ein Schema verwendet (PHILIPSSON et al. 1979; MEIJERING 1984; MEYER et al. 2000;

BERGLUND et al 2003). Wie MEIJERING (1984) haben diese Autoren erkannt, dass zwar die übermäßige Geburtshilfe das allgemeine Charakteristikum einer Schwergeburt ist, diese dennoch individuelle Interpretationsmöglichkeiten zulässt. PHILIPSSON et al. (1979) empfehlen eine Einteilung der Geburtshilfe in 5 Klassen: 1. keine Person; 2. eine Person ohne mech. Geburtshelfer; 3. mehr als eine Person ohne Geburtshelfer/ eine Person mit mech. Geburtshelfer; 4. Kaiserschnitt und 5. Fetotomie. MEYER et al. (2000) beschränken sich auf drei Kategorien: 1. keine Geburtshilfe; 2. geringgradige Geburtsschwierigkeiten und 3. Geburt mit Geburtshilfe. Deutsche Landwirte haben als Vorgabe bei der Geburtsmeldung bei der Milchleistungsprüfung vier Möglichkeiten zur Klassifizierung des Geburtsverlaufes, die sie innerhalb der Milchleistungsprüfung (MLP) an ihre Landeskontrollverbände melden (VIT 2004). Auf diese wird später bei der Darstellung der Ergebnisse weiter eingegangen.

Trotz unterschiedlicher Kriterien der Einteilungen und dem subjektiven Eindruck des Geburtshelfers, ist ein recht einheitliches Bild der Schwergeburt entstanden. Allgemein gilt:

Je höher die Einstufung, desto schwerer verläuft die Geburt.

In der Literatur haben sich viele Autoren mit den Ursachen von Geburtsstörungen bei Milchrindern beschäftigt. Die wichtigsten Risikofaktoren die zu Schwergeburten bei Färsen führen können, sind das feto-pelvine Missverhältnis, die Lage-, Stellungs- oder Haltungsanomalie des Kalbes und die unvollständige Weitung von Vulva und Zervix (MEIJERING 1984; MEE 2004). Bei Kühen sind die Risikofaktoren etwas anders gelagert.

Lage-, Stellungs- oder Haltungsanomalie des Kalbes spielen hier die übergeordnete Rolle vor dem feto-pelvinen Missverhältnis, den Zwillingsgeburten, der Wehenschwäche, der Torsio uteri und der unvollständige Weitung von Vulva und Zervix (MEIJERING 1984;

MEE 2004).

HOFFMANN und GRAVERT (1980) ermittelten bei einer Literaturzusammenstellung deutscher Arbeiten die zu große Frucht als bedeutsamste Ursache für Geburtsstörungen bei Färsen (85 %) wie auch bei Kühen (40 %). Torsio uteri, Lage-, Stellungs- oder

Literatur

Haltungsanomalien und ungenügende Öffnung des weichen Geburtsweges folgen mit relativ gleichem Prozentsatzanteil.

Der Tod beim Kalb während oder nach einer Schwergeburt tritt in den meisten Fällen aufgrund von Sauerstoffmangel oder traumatischen Verletzungen ein (HOFFMANN u.

GRAVERT 1980). Untergeordnet dagegen sind der Tod durch das Austreiben einer unreifen Frucht und der pränatale Tod in utero.

2.5.5.1 P

ARITÄT DER

M

UTTER

Einen wichtigen Einfluss auf den Verlauf einer Geburt hat die Parität des Muttertieres.

Untersuchungen zu diesem Thema beschreiben eine drei- bis viermal höhere Schwergeburtenhäufigkeit bei Färsen als bei Kühen. Die ermittelte Schwergeburtenrate von MEYER et al. (2001a) bei einer Untersuchung von Milchvieh in den USA ergab bei Färsen 19 % und bei Kühen 6 %. Auch Untersuchungen in Schweden ergaben ähnliche Ergebnisse (BERGLUND et al. 2003). Insgesamt lässt sich mit steigender Laktation eine abnehmende Häufigkeit von Schwergeburten feststellen. Jedoch sind die Unterschiede in der Schwergeburtenhäufigkeit zwischen der zweiten und den folgenden Trächtigkeiten relativ klein (MARTINEZ et a. 1983a). Es erscheint somit sinnvoll diese weitgehend außer acht zu lassen und bei Auswertungen ausschließlich Färsen und Kühe zu vergleichen.

2.5.5.2 F

ETO

-

PELVINES

M

ISSVERHÄLTNIS

Das Missverhältnis von Fetusquerschnitt zum Beckendurchmesser der Mutter ist bei Färsen der wichtigste und bei Kühen der zweitwichtigste Verursacher von Schwergeburten (MEE 2004). Der geschätzte Anteil variert bei Färsen zwischen 73,4-86,3 % und bei Kühen zwischen 21,2-36,7 % (MEIJERING 1984).

Bei Färsen tritt vor allem eine juvenil bedingte Enge des knöchernen Beckens auf. Wenn das Gewicht des Kalbes nicht höher im Verhältnis zum Geburtsgewicht anderer Feten der Rasse liegt, aber der Beckendurchmesser der Mutter abnorm klein ist, spricht man von

Geburtsgewicht des Kalbes über dem physiologischen Geburtsgewicht der Rasse liegt.

Für die Rasse Schwarzbunt ist ein Fetus mit über 50 kg eine absolut zu große Frucht (GRUNERT und ANDRESEN 1996).

2.5.5.3 S

TELLUNGS

-, H

ALTUNGS

-

UND

L

AGEANOMALIE DES

K

ALBES

Die Häufigkeit der abnormalen Position des Fetus im Uterus bei Schwergeburten variert erheblich je nach Literaturquelle zwischen 1,7-25 % bei Färsen und bei 4,6-50 % bei Kühen (MEIJERING 1984).

Ca. 3 % aller Kälber präsentieren sich während ihrer Geburt in der Hinterendlage (HE).

Das Risiko einer Schwergeburt und PM ist fünfmal größer bei Kälbern in der HE als bei Kälbern in der Vorderendlage (VE) (MEE 2004). Als Gründe hierfür sind einerseits eine früh aufreißende Fruchtblase und andererseits der fehlende Dehnungsdruck in der Zervix zu nennen. Dieser Druck wird durch die Stirn des in der VE liegenden Kalbes verursacht, um die nötige Weite im Geburtskanal zu induzieren (GRUNERT und ANDRESEN 1996).

Verschleppte Geburten mit HE verschlimmern die fetale Hypoxämie durch Nabelstrangverschluß oder – abriss (DUFTY u. SLOSS 1977).

Einige der Haltungsfehler wie z. B. Karpal- oder Tarsalbeugehaltung haben, wenn rechtzeitig erkannt, eine günstige Prognose. Allgemein wird beschrieben, das der Verlauf einer Geburt von Kälbern mit Stellungs-, Haltungs- oder Lageanomalie davon abhängig ist, wie weit der Geburtsvorgang fortgeschritten ist, ob es sich um ein lebendes oder totes Kalb handelt, wie hoch der Schweregrad der Anomalie ist und von der Sachkenntnis des Geburtshelfers (GRUNERT 1993).

2.5.5.4 G

EBURTSSTÖRUNG VON

S

EITEN DES WEICHEN

G

EBURTSWEGES

Durch eine Enge im Zervixkanal aufgrund einer ungenügenden Öffnung oder mangelhaften Weite kann es zu Schwierigkeiten kommen. Von einer ungenügenden Öffnung spricht man, wenn man von der Möglichkeit der Erweiterung des Geburtskanals

Literatur

weiche Geburtsweg in Rückbildung befindet, spricht man von einer mangelhaften Weite (BERCHTOLD u. RÜSCH 1993; GRUNERT und ANDRESEN 1996). MEE (2004) sieht in dieser Störung nach dem feto-pelvinen Missverhältnis und der Stellungs-, Haltungs- und Lageanomalie die wichtigste Ursache für Schwergeburten bei Färsen.

Bei Färsen tritt auch eine juvenil bedingte Scham - und Scheidenenge auf. Dieser Bereich kann auch bei Kühen durch eine mangelhafte hormonale Geburtsvorbereitung, Narben, Ödeme oder Verfettung im perivaginalen Gewebe stark verengt sein (BERCHTOLD u.

RÜSCH 1993; GRUNERT und ANDRESEN 1996).

Eine andere Möglichkeit der Störung besteht in Form einer Gebärmutterverdrehung, die sich vorwiegend während des Öffnungs- und Aufweitungsstadium einstellt. Meist ist sie die Folge starker Bewegungen des Kalbes oder äußerer Einflüsse wie z.B. Stöße von anderen Kühen (GRUNERT und ANDRESEN 1996). Die Torsio uteri ist eine erhebliche Ursache der Schwergeburten bei Kühen (MEE, 2004). Sie tritt bei 21,5 bzw. 23,1 % für Schwergeburten bei Kühen auf (MEIJERING 1984).

2.5.5.5 S

TÖRUNGEN DER

W

EHENTÄTIGKEIT

Man unterscheidet zwischen der primären und der sekundären Wehenschwäche. Erstere ist charakterisiert durch einen schlaffen Uterus und nicht-gesprungene Fruchtblasen. Eine Wehentätigkeit tritt, wenn überhaupt, nur sehr schwach auf. Die sekundäre Wehenschwäche kann das Resultat einer verschleppten Geburt sein. Die am Anfang der Geburt noch normale Wehentätigkeit lässt mit der voranschreitenden Erschöpfung der Mutter nach, bis sie zum Stillstand kommt (GRUNERT u. ANDRESEN 1996).

Eine weitere Störung ist eine übermäßig starke Wehentätigkeit in Form von Spasmen der Uterusmuskulatur, die u.a. eine Uterusruptur zur Folge haben kann. Außerdem kann es zu Rektum- und/oder Scheidenvorfällen kommen (GRUNERT u. ANDRESEN 1996).

2.5.5.6 M

EHRLINGSGEBURTEN

Lage-, Stellungs- und Haltungsfehlern vor.

GREGORY et al. (1996) ermittelte bei einer Nordamerikanischen Untersuchung, dass in 42,2 % der Fälle von Zwillingsgeburten Geburtshilfe erforderlich war. Im Vergleich dazu wurde nur bei 20,4 % der Einlingsgeburten Geburtshilfe angewendet. Bei 77,8 % dieser Fälle war eine falsche Lage, Stellung oder Haltung im Geburtskanal ausschlagebend für die Schwergeburt.

Die verhältnismäßige häufige Geburthilfe bei Zwillingskalbungen wird bedingt durch Wehenschwäche, fetale Haltungs-, Lage- und Stellungsfehler und dem gleichzeitigen Eintreten der Kälber in den Geburtskanal (NIELEN et al. 1989; MEE 1991). Zwillinge präsentieren sich viermal häufiger in der Hinterendlage als Einlinge (MEE 1991).

Haltungs–, Lage- und Stellungsfehler sind oft bei den relativ kleinen Zwillingskälbern leicht zu korrigieren, jedoch kann das rechtzeitige Erkennen der Problematik an einer mangelhaften Überwachung scheitern (MEE 2004). Zwillingskälber sind der Gefahr der Hypoxämie ausgesetzt, wenn sich die Nabelschnur um ein Bein des anderen Fetus wickelt (DUFTY u. SLOSS 1977).

Untersuchungen in den USA belegen einen kontinuierlichen Anstieg der Zwillingskalbungen und der perinatalen Mortalität in den letzten Jahren (JOHANSON et al.

2001; MEYER et al. 2001a), jedoch hat sich die Schwergeburtenhäufigkeit in diesem Zeitraum nicht verändert (MEYER et al. 2001a) bzw. hat sich verringert (JOHANSON et al.

2001).

2.5.5.7 T

RÄCHTIGKEITSDAUER

Die Auswirkung der Trächtigkeitsdauer auf das Geburtsgewicht und somit auf den Kalbeverlauf und die PM werden in der Literatur kontrovers diskutiert. In der Literatur der 60er und 70er Jahre war die Annahme, dass es eine phänotypische Beziehung zwischen Trächtigkeitsdauer und dem Anteil der Schwer- und Totgeburten gibt, weit verbreitet (MEIJERING 1984). MEIJERING (1984) weist in der gleichen Arbeit auf neuere Untersuchungen hin, die belegen, dass die Trächtigkeitsdauer keinen signifikanten Einfluss mehr hat, wenn das Geburtsgewicht des Kalbes als direkter Einflussfaktor

Literatur

berücksichtigt wird. MARTINEZ et al. (1983b) ermittelten in ihrer Untersuchung eine durchschnittliche Trächtigkeitsdauer von 279,6 Tagen bei der Rasse Holstein Friesian.

Totgeborene Kälber hatten eine signifikant um 1,2 Tage verkürzte Tragezeit. Die Tragezeit für männliche Kälber war 1,2 Tage länger als für weibliche Kälber und reduzierte sich um einen Tag bei Färsenkälbern. Die Tragezeit unterschied sich bei leichten und schweren Kälbern um acht Tage (274,9 bzw. 283,2). HOLLAND und ODDE (1992) sind der Auffassung, dass nicht die Trächtigkeitsdauer das Geburtsgewicht bestimmt, sondern die unterschiedlichen fetalen Wachstumsraten Einwirkung haben. MEYER et al. (2000) bedienten sich in ihrer Untersuchung eines Entscheidungsbaums. Mit diesem fanden sie heraus, dass nach der Laktationsnummer und den Geburtsschwierigkeiten die Trächtigkeitsdauer den größten Einfluss auf die Totgeburtenhäufigkeiten bei Kühen hat.

Die Totgeburtenhäufigkeit war bei der Trächtigkeitsdauer von unter 280 Tage am höchsten.

2.5.5.8 E

RSTKALBEALTER UND

L

EBENDGEWICHT DER

M

UTTER

Holstein Friesian Rinder erreichen mit durchschnittlich 7-8 Monaten und einem Körpergewicht von 220-230 kg ihre Geschlechtsreife. Das empfohlene Erstbelegungsalter beträgt 16–18 Monate (LOTTHAMMER u. WITTKOWSKI 1994; AHLERS u. ANDRESEN 1996). Färsen sollten bereits vor der Belegung etwa zwei Drittel des Gewichts einer ausgewachsenen Kuh (300-400 kg) erreicht haben (DEKRUIF et al. 1998; MEE 2004).

Entscheidender ist jedoch die Entwicklung der Färse zum Zeitpunkt der Belegung (DEKRUIF et al. 1998), da die Hauptursache von Schwergeburten das feto-pelvine Missverhältnis ist (MEIJERING 1984; MEE 2004). Um Kosten in der Färsenaufzucht zu senken und gleichzeitig das Generationsintervall zu verkürzen, wird von einigen Landwirten ein früheres Erstkalbealter angepeilt.

EGAN et al. (2001) haben bei einer Untersuchung an 249 irischen Milchviehbetrieben festgestellt, dass bei 73 % der befragten Betriebe das durchschnittliche Erstkalbealter in der Herde bei 24-30 Monaten lag. In 11 % der Herden betrug das durchschnittliche Erstkalbealter weniger als 24 Monate und in 16 % mehr als 30 Monate. Während das

Mindestalter von 13 Monaten (DEKRUIF et al. 1998) mit schlechteren Trächtigkeitsergebnissen einhergeht, laufen Tiere mit zu später Belegung aufgrund von Verfettung zusätzlich Gefahr, Geburtsstörungen zu entwickeln (DECHOW et al. 2000). Die Beobachtung von DECHOW et al. (2000) belegt, dass mit zunehmendem Erstkalbealter die Elastizität des weichen Geburtskanals abnimmt und es zu einer Verengung des Geburtsweges durch Fettansammlung kommt. EGAN et al. (2001) haben eine höhere Totgeburtenhäufigkeit bei Färsen ermittelt, die unterhalb des durchschnittlichen Erstkalbalters der Herde lagen.