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2 LITERATURÜBERSICHT

2.1 Die Schweinedysenterie

Bedeutung 2.1.1

Es handelt sich bei der Schweinedysenterie um eine für die Schweineproduktion wirtschaftlich bedeutsame Durchfallerkrankung, die besonders in Betrieben mit intensiver Schweinehaltung auftritt (POHLENZ et al. 1983). Die Erkrankung betrifft hauptsächlich Absetzferkel und junge Mastschweine (HAMPSON et al. 2006a). Die Verluste sind durch verminderte Mastzunahmen, Kosten für Behandlungen, prophylaktische Maßnahmen sowie einzelne Todesfälle bedingt (POHLENZ et al. 1983). Die erste Beschreibung der Erkrankung erfolgte bereits 1921 in den USA (WHITING et al. 1921). Es dauerte jedoch bis 1971, bis dem Krankheitsbild mit B. hyodysenteriae ein Erreger zugeordnet werden konnte (TAYLOR u. ALEXANDER 1971). Die Schweinedysenterie hat bis heute ihre Bedeutung für die Schweinemast behalten. Untersuchungen zur Verbreitung des Erregers der Schweinedysenterie, B. hyodysenteriae, in Schweinebetrieben Norddeutschlands zeigten, dass 17,9% der Kotproben von durchfallerkrankten Tieren und 27,1% der Betriebe mit an Durchfall erkrankten Schweinen positiv für B. hyodysenteriae waren (HERBST et al. 2004).

Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich über ein Jahr und der Nachweis des Erregers erfolgte mittels PCR direkt aus den Kotproben. Bei einer anderen Studie wurden Kot- und Darmproben aus Schweinebeständen mit Durchfallproblemen aus dem norddeutschen und süddeutschen Raum kulturell auf B. hyodysenteriae untersucht. B. hyodysenteriae konnte in Proben von 21,1% der untersuchten Schweinebestände angezüchtet werden (WENDT et al.

2006).

Erreger der Schweinedysenterie: Brachyspira hyodysenteriae 2.1.2

Taxonomie. Die Einordnung des Erregers erfolgte zuerst in die Gattung Treponema (HARRIS et al. 1972). Anschließend in die Gattung Serpula, die durch eine Doppelbenennung in Serpulina umbenannt wurde (PASTER u. DEWHIRST 2000). Aktuell wird B. hyodysenteriae in die Klasse der Spirochäten und die Ordnung der Spirochaetales

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eingeordnet. Die Ordnung ist in drei Familien eingeteilt: Leptospiraceae, Spirochaetaceae und Brachyspiraceae. In der Familie der Brachyspiraceae sind zahlreiche Brachyspira-Arten zu finden. Die bekanntesten sind B. hyodysenteriae, B. pilosicoli, B. murdochii, B. innocens und B. intermedia (PASTER u. DEWHIRST 2000). Innerhalb der Art B. hyodysenteriae gibt es verschiedene Serotypen, die sich durch die Lipooligosaccharide in der Zellwand unterscheiden.

Morphologie. B. hyodysenteriae ist ein gramnegatives, spiraliges, motiles, anaerobes Bakterium. Es zeigt eine geringe Sauerstofftoleranz und wächst stark hämolysierend auf Blutagar. Die Länge liegt zwischen 6 bis 9 µm und der Durchmesser zwischen 320 bis 380 nm (AMTSBERG u. MERKT 1986; SATTLER 2010). Periplasmatische Endoflagellen winden sich von beiden Enden des Bakteriums um den Bakterienleib (CHARON et al. 1992).

Das gesamte Bakterium ist in eine lockere Bakterienwand eingeschlossen (HAMPSON et al.

2006a). Da im Folgenden wiederholt auf Bestandteile der Bakterienwand Bezug genommen wird, ist in Abb. 1 der Aufbau der Zellwand gramnegativer Bakterien schematisch dargestellt.

Kultur. B. hyodysenteriae wächst langsam auf bluthaltigem festem Nährboden (z.B.

Trypticase-Soja-Agar mit 5% Schaf- oder Kälberblut) bei einer Temperatur von 38°C–39°C.

Dem Nährboden werden verschiedene Antibiotika (Spiramycin, Vancomyzin, Colistin, Spectinomycin, Rifampicin) zugesetzt, um die Begleitflora zu unterdrücken. Die Kolonien sind von zartem, transparentem Aussehen und umgeben von einer Zone vollständiger beta-Hämolyse (OCHIAI et al. 1997; HERBST 2008). Bei Versand des Probenmaterials muss die geringe Sauerstofftoleranz des Erregers berücksichtigt werden, um falsch negative Ergebnisse zu vermeiden (WALDMANN et al. 2000).

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Abb. 1: Aufbau der Zellwand gramnegativer Bakterien (modifiziert nach SAVAGE u.

FLETSCHER (1985)).

Molekularbiologische Eigenschaften. Das Genom von B. hyodysenteriae hat eine Größe von etwa 3,2 Mbp (Stamm B78T) bzw. 3,0 Mbp (Stamm WA1) (WANCHANTHUEK et al.

2010). Ein Großteil der Gene von B. hyodysenteriae ist in den Transport und die metabolischen Funktionen involviert (HAMPSON u. AHMED 2009). Das Genom von B.

pilosicoli ist ungefähr 2,5 Mpb und das von B. murdochii ungefähr 3,18 Mbp groß. Ihnen gemeinsam ist, dass die Genome aus einem einzelnen zirkulären Chromosom bestehen (WANCHANTHUEK et al. 2010). Mit dem wachsenden Interesse an der Genomsequenzierung, Proteomanalyse und Impfstoffentwicklung für Brachyspira spp. nimmt die Anzahl der klassifizierten Gene für Membran- und Lipoproteine stetig zu. Über die biologische Bedeutung der Membran- und Lipoproteine ist bisher wenig bekannt (HOLDEN et al. 2006). Da die Nomenklatur der Membran- und Lipoproteine und der assoziierten Gene sich unabhängig voneinander entwickelt hatten, bestand die Notwendigkeit einer einheitlichen Nomenklatur. In der neuen Nomenklatur werden die Gene und Proteine zunächst nach der Brachyspira Spezies benannt. Für B. hyodysenteriae wird die Abkürzung „bh“, für B.

pilosicoli „bp“ verwendet. Es schließt sich ein Kürzel an, aus dem hervorgeht, ob es sich um Membran- oder Lipoproteine handelt. Membranproteine werden mit „mp“, Lipoproteine mit

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„lp“ abgekürzt. Schließlich wird für die eindeutige Identifizierung noch die Molekularmasse des Proteins angegeben (HAMPSON et al. 2006b).

Hierdurch ergibt sich beispielsweise für das Gen smpA (auch bezeichnet als bmpA) von B.

hyodysenteriae, das für ein 16 kDa Lipoprotein, als SmpA (THOMAS u. SELLWOOD 1993) oder BmpA (LEE et al. 2000) bezeichnet, codiert, die neue Bezeichnung bhlp16 für das Gen und Bhlp16 für das Lipoprotein (HAMPSON et al. 2006b). In der Tab. 1 sind Beispiele für die alten und die neuen Bezeichnungen nach HAMPSON und Mitarbeiter (2006) angegeben.

Tab. 1: Alte und neue Nomenklatur der Gene und Proteine der Brachyspiren

alte Bezeichnung

bmpB oder blpA BmpB oder BlpA bhlp29,7 Bhlp29,7

(LEE et al. 2000;

Virulenz. B. hyodysenteriae verfügt über verschiedene Virulenzfaktoren, die die Kolonisation des Dickdarms erleichtern.

Der Erreger zeigt eine hohe Beweglichkeit im intestinalen Mukus, bedingt durch die periplasmatischen Flagellen (CANALE-PAROLA 1978). Die Beweglichkeit wird durch

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Glykoproteine im Mukus, wie L-Serin und L-Fucose, verstärkt (MILNER u. SELLWOOD 1994; LUX et al. 2000).

Einige Stämme sind trotz des anaeroben Wachstums geringgradig tolerant gegenüber dem Vorhandensein von Sauerstoff. Dadurch wird das Überleben in der Umwelt bis zur Aufnahme in den Verdauungstrakt und die Besiedelung des Dickdarms begünstigt (HERBST 2008).

Die Entstehung der Läsionen im Dickdarm wird vor allem auf die Hämolysine und Lipooligosaccharide zurückgeführt. Das Hämolysin soll eine große Rolle bei der Zerstörung des Oberflächenepithels spielen. Die zytotoxische Wirkung konnte in vitro und in vivo gezeigt werden (LYSONS et al. 1991). Das Lipooligosaccharid (LOS) ist ein Endotoxin aus der Zellwand von B. hyodysenteriae, das sich im chemischen Aufbau von den Lipopolysacchariden (LPS) der Zellwand anderer gramnegativer Erreger unterscheidet (HALTER u. JOENS 1988). Die Applikation von LOS in den Dickdarm eines für LPS empfänglichen Mäusestammes verursachte dort Dysenterie-ähnliche Läsionen, während ein gegen LPS resistenter Mäusestamm trotz des Vorhandenseins von B. hyodysenteriae keine Läsionen entwickelte (NUESSEN et al. 1983).

Bislang konnte in vivo nicht nachgewiesen werden, ob der Stamm B204 am Oberflächenepithel der Darmschleimhaut adhäriert. Es konnte jedoch in vitro eine Adhäsion von B. hyodysenteriae an humane Zelllinien und Schweinezelllinien sowie Schweineepithelzellen gezeigt werden (KNOOP et al. 1979; WILCOCK u. OLANDER 1979b; BOWDEN et al. 1989). Die Adhäsion gelang nur mit lebenden und beweglichen

Klinische Befunde. Die Inkubationszeit variiert zwischen 2 Tagen bis 3 Monaten; sie liegt im Mittel zwischen 10-14 Tagen (AMTSBERG u. MERKT 1986). Die Durchfallsymptomatik stellt den Hauptbefund dar. Beginnend mit einer breiigen Konsistenz und Grauverfärbung des

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Kotes sind im weiteren Verlauf Schleimbeimengungen, Blutbeimengungen und Fibrinfetzen im Kot zu finden (POHLENZ et al. 1983). Die Rektaltemperatur erkrankter Tiere erhöht sich auf 40,0°C bis 40,5°C (HEINRITZI 2002). Die meisten Tiere erholen sich nach einer Woche.

Tiere, die länger krank sind, zeigen ein schlechtes Allgemeinbefinden, dehydrieren und können bei länger unbehandelter Erkrankung eine Azidose und Hyperkaliämie entwickeln und verenden (HARRIS u. LYSONS 1992).

Makroskopische Befunde. Läsionen sind ausschließlich auf den Dickdarm beschränkt. Das Dickdarmkonvolut ist hyperämisch und ödematös (GLOCK u. HARRIS 1972). Die Kolonlymphknoten können geschwollen sein und klare Flüssigkeit kann in der Bauchhöhle gefunden werden (HUGHES et al. 1975; HARRIS u. LYSONS 1992). In der Dickdarmschleimhaut ist der Übergang zu verändertem Gewebe abrupt (HARRIS u.

LYSONS 1992). Im Darmlumen und teils fest mit der Oberfläche der Dickdarmschleimhaut verbunden befindet sich muko-fibrino-hämorrhagisches Exsudat (HUGHES et al. 1975). Die Schleimhautveränderungen können sich bis hin zu einer nekrotisierenden Typhlokolitis entwickeln (GLOCK et al. 1974). Läsionen der Schleimhaut sind auch bei klinisch gesunden Tieren vorhanden. Bei diesen finden sich umschriebene, gerötete Areale auf der mit Mukus bedeckten Dickdarmschleimhaut (HAMPSON et al. 2006a).

Histologische Befunde. Auch die histologischen Befunde sind auf die Dickdarmschleimhaut beschränkt. Sie sind durch eine fibrinöse Entzündung der Darmschleimhaut mit Erosionen charakterisiert (OLSON 1974; HUGHES et al. 1975; ALBASSAM et al. 1985). Im Darmlumen und in die Schleimhaut reichend befindet sich ein Exsudat, bestehend aus Schleim, Fibrin, Erythrozyten, Zelltrümmern und Bakterien (HUGHES et al. 1975). Die Krypten sind verlängert und die Becherzellen hyperplastisch (POHLENZ et al. 1983;

JACOBSON et al. 2007). B. hyodysenteriae kann vor allem in den Exsudatmassen im Lumen, oberflächlich am Epithel, in den Krypten und in der Lamina propria gefunden werden (HUGHES et al. 1975; WILCOCK u. OLANDER 1979a). Der Erreger kann auch bei intaktem Epithel in der Lamina propria nachgewiesen werden (GLOCK u. HARRIS 1972). In der Lamina propria und diffus im Gewebe ist eine Lymphozyteninfiltration beschrieben (WILCOCK u. OLANDER 1979a). Unter dem veränderten Epithel sind vor allem neutrophile Granulozyten zu beobachten (HUGHES et al. 1975).

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Pathogenese der Schweinedysenterie 2.1.4

Im Dickdarm gesunder, erwachsener Schweine sind als Mikroorganismen hauptsächlich grampositive Bakterien zu finden (ROBINSON et al. 1981). Eine Verschiebung dieser Mikroflora zu gramnegativen Bakterien, wie beispielsweise Bacteroides vulgatus, Selenomonas spp., Fusobacterium necrophorum, Clostridium spp. und Listeria denitrificans (WHIPP et al. 1979; JOENS et al. 1981), begünstigt die Ansiedlung von B. hyodysenteriae (ROBINSON et al. 1984). Die Zusammensetzung der Mikroflora im Dickdarm wird maßgeblich durch die Fütterung beeinflusst. Eine große Rolle spielt dabei der Gehalt an Nicht-Stärke-Polysacchariden und resistenter Stärke, wie z.B. Soja, im Futter (DURMIC et al.

1998). Gelangen diese Substrate in den Dickdarm, so fördern sie das Wachstum der gramnegativen Mikroflora (DURMIC et al. 1998; DURMIC et al. 2000).

Nach Aufnahme von B. hyodysenteriae über infizierten Kot (HEINRITZI 2006) kann der Erreger durch seine Chemotaxis für Muzine, seine geringe Sauerstofftoleranz und seine Beweglichkeit die Kolonschleimhaut besiedeln (HERBST 2008). Der Erreger dringt aktiv in die Becherzellen ein, worauf diese vermehrt Schleim produzieren (POHLENZ et al. 1983).

Das Oberflächenepithel wird durch die Produktion des Endotoxins LOS und des Hämolysins zerstört (HAMPSON et al. 2006a). Dies führt zu einer lokalen Entzündungsreaktion mit Ödem, Hämorrhagien und Leukozyteninfiltration. Der Erreger lässt sich dann auch in der Lamina propria finden. Die Mitoserate im basalen Kryptbereich erhöht sich, um die defekte Schleimhaut zu erneuern (POHLENZ et al. 1983). An der zerstörten Oberfläche kommt es durch Störung des NaCl-Transports zur Malabsorption und zu einem Verlust an Proteinen und extrazellulärer Flüssigkeit. Dies wiederum verstärkt die Durchfallsymptomatik (HARRIS u.

LYSONS 1992; MOESER u. BLIKSLAGER 2007).

Immunität 2.1.5

Die Infektion mit Brachyspira hyodysenteriae löst eine Immunantwort bei infizierten Schweinen aus. Hierdurch kann es zur Immunität gegen den Erreger kommen. Schweine, die an SD erkrankten, waren nach ihrer Genesung bis zu 4 Monaten vor einer erneuten Infektion mit B. hyodysenteriae desselben Serotyps geschützt (OLSON 1974). Ein unvollständiger Schutz wurde gegen B. hyodysenteriae anderen Serotyps beschrieben (NUESSEN u. JOENS

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1982, PARIZEK et al. 1985). Eine weitere Untersuchung betont, dass ein Schutz vor Re-infektion auch bei homologem Challenge trotz Entwicklung von Serumantikörpern nur bei etwa 40% der Schweine bestand (REES et al. 1989). Die Autoren interpretierten den Antikörpertiter als Hinweis auf einen Erregerkontakt, aber nicht auf Protektion. Eine protektive Immunität entwickelt sich besser bei Tieren, die während der Erkrankung nicht antibiotisch behandelt werden, sondern einen unbeeinflussten Krankheitsverlauf haben und spontan genesen (LEE et al. 1976; OLSON u. RODABAUGH 1978). Dies spricht dafür, dass ein intensiver und ausreichend langer Kontakt zwischen Erreger und Wirt notwendig ist, um eine Immunantwort zu initiieren.

Von verschiedenen Arbeitsgruppen wurden systemische und lokale Immunreaktionen auf B.

hyodysenteriae als Grundlage der Immunität untersucht. Hierbei ergaben sich teils widersprüchliche Befunde.

Systemische Reaktionen. Bereits bei frühen experimentellen Infektionsversuchen wurde beschrieben, dass sich 2-4 Wochen nach der Inokulation mit B. hyodysenteriae Antikörpertiter im Serum entwickelten und bis zu 8 Wochen bei wieder genesenen Tieren nachweisbar waren (JOENS et al. 1979). Während der klinischen Phase stiegen IgG-, IgA- und IgM-Antikörper im Serum an und IgA im Darminhalt des Dickdarms (ELAZHARY et al.

1973; REES et al. 1989). Serumantiköper vom IgA-Typ sind hinweisend auf eine kürzliche Infektion, Serumantikörper vom IgG/IgM-Typ auf eine länger zurückliegende Infektion (REES et al. 1989). Der Antikörpertiter im Serum war bei Behandlung der Erkrankung mit Antibiotika niedriger (LEE et al. 1976; OLSON u. RODABAUGH 1978).

Neben der humoralen Immunantwort wird durch die Schweinedysenterie auch eine zelluläre Immunantwort stimuliert. Diese wurde einerseits durch durchflusszytometrische Auswertung der Zellen im peripheren Blut, andererseits durch Erfassen der Zytokine gemessen. Bei Schweinen mit experimentell induzierter SD kam es während der akuten Krankheitsphase zu einem Anstieg der Monozyten, der neutrophilen Granulozyten, der CD3+ T-Lymphozyten, der CD4+CD8+ T-Lymphozyten, der CD8+ T-Lymphozyten und von IL1β, einem proinflammatorischen Zytokin, sowie zu einer Abnahme der CD21+ B-Lymphozyten (JONASSON et al. 2004; JONASSON et al. 2006, KRUSE et al. 2008). Während der

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Genesungsphase blieb die Zahl der neutrophilen Granulozyten weiterhin erhöht und es kam zu einem Anstieg der γδ T-Lymphozyten und IL10, einem antiinflammatorischen Zytokin (JONASSON et al. 2006, KRUSE et al. 2008). WATERS und Mitarbeiter konnten zudem einen Anstieg der CD8αα+ T-Lymphozyten zeigen (WATERS et al. 2000).

Bei der Korrelation der Anteile der Lymphozytensubtypen vor der Inokulation mit B.-hyodysenteriae- und dem Auftreten von Krankheitssymptomen konnte gezeigt werden, dass Tiere mit einem höheren Anteil an γδ T-Lymphozyten und niedrigerem Anteil an CD4+ und CD8+ T-Lymphozyten empfänglicher für die Erkrankung waren (JONASSON et al. 2004).

Hieraus zogen die Autoren den Schluss, dass CD8+ T-Lymphozyten und IFNγ besonders wichtige Abwehrmechanismen des Wirtes sind (JONASSON et al. 2004). Andererseits konnte bei Schweinen mit experimentell induzierter SD IFNγ weder während der akuten Erkrankung noch nach der Genesung nachgewiesen werden (KRUSE et al. 2008).

Die systemischen Reaktionen wurden auch nach parenteraler Applikation einer B.- hyodysenteriae-Vakzine untersucht (WATERS et al. 1999, WATERS et al. 2000, HONTECILLAS u. BASSAGANYA-RIERA 2003). Durch die Vakzination kam es zur Bildung von antigenspezifischem IFNγ im peripheren Blut, aber nicht in den Kolonlymphknoten, zu einer Zunahme der CD8αα+ T-Lymphozyten und zu einer Abnahme der CD4+ T-Lymphozyten (WATERS et al. 1999). In einer nachfolgenden Studie wurden die Reaktionen auf Ganzzellbakterine und Präparationen nach Proteinaseverdau in Verbindung mit verschiedenen Adjuvantien untersucht (WATERS et al. 2000). Hierbei konnte bestätigt werden, dass vorwiegend eine CD3+ T-Lymphozytenantwort - insbesondere CD8+ T-Lymphozyten, CD4+CD8+ T-Lymphozyten und γδ T-Lymphozyten - und keine B-Lymphozytenantwort induziert wurde (WATERS et al. 2000). Zwischen den verschiedenen Vakzinepräparationen und Adjuvantien gab es keine Unterschiede in der Induktion dieser Reaktionen. Diese Befunde konnten durch die Untersuchung der In- vitro- Stimulierbarkeit der Lymphozyten von vakzinierten Schweinen bestätigt werden: es war eine antigenabhängige CD4+ T-Lymphozytenantwort und IFNγ- Produktion sowie eine reziproke Regulation zwischen CD4+ T-Lymphozyten und γδ T-Lymphozyten nachweisbar (HONTECILLAS u. BASSAGANYA-RIERA 2003).

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Lokale Reaktionen. Da es sich bei B. hyodysenteriae um einen Erreger handelt, dessen Ausbreitung im Wirt auf die Schleimhaut begrenzt bleibt, ist davon auszugehen, dass lokale Reaktionen von besonderer Bedeutung sind.

Die Untersuchung der veränderten Kolonschleimhaut von Schweinen mit SD zeigte, dass es dort zu einer Zunahme der neutrophilen Granulozyten kam (HONTECILLAS et al. 2002, (JACOBSON et al. 2007). Die Anzahl der intraepithelialen CD3+ und γδ T-Lymphozyten war herabgesetzt (HONTECILLAS et al. 2005, JACOBSON et al. 2007). Die Anzahl der CD3+ T-Lymphozyten, der γδ T-Lymphozyten und der B-Lymphozyten in der Lamina propria zeigte keine Veränderung (HONTECILLAS et al. 2005, JACOBSON et al. 2007). Es kam jedoch zu multifokalen Anhäufungen von CD4+ T-Lymphozyten in der Lamina propria des Kolons (HONTECILLAS et al. 2005).

Durchflusszytometrische Untersuchungen der Ileozäkallymphknoten von 4 Monate alten Schweinen mit experimentell induzierter SD zeigten eine signifikant erhöhte Anzahl von CD4+CD8+ T-Lymphozyten und eine niedrigere Anzahl von γδ T-Lymphozyten und B-Lymphozyten (LAKOMY et al. 2009). Auch in der Peyerschen Platte im Ileum, einem wichtigen Bestandteil des Darmschleimhautimmunsystems, waren Reaktionen auf die Kolitis, verursacht durch SD, zu finden. So hatten Schweine mit klinischer SD in der Tendenz mehr CD8+ T-Lymphozyten als gesunde Tiere (KALECZYC et al. 2010).

Ausscheidung und Übertragung von B. hyodysenteriae 2.1.6

Nach einer Infektion kann B. hyodysenteriae bereits 2 Tage später ausgeschieden werden (JANETSCHKE u. KIELSTEIN 1976; AMTSBERG u. MERKT 1986). Die Ausscheidung erhöht sich mit dem Schweregrad des Durchfalls und kann bis zu 70 Tage nach Abheilen der Läsionen anhalten (HARRIS u. LYSONS 1992). Bei der Übertragung spielen latent infizierte Tiere eine große Rolle, da sie den Erreger unregelmäßig und in geringer Menge ausscheiden (AMTSBERG u. MERKT 1986).

Diagnostik der Schweinedysenterie 2.1.7

Die klinischen Symptome erlauben bei akuter Infektion mit B. hyodysenteriae eine Verdachtsdiagnose. Der Erreger kann mittels Verfahren, wie Phasenkontrast-, Hell- und

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Dunkelfeldmikroskopie in Kotproben direkt nachgewiesen werden (KINYON u. HARRIS 1979; STANTON et al. 1997). Am gebräuchlichsten ist die kulturelle Anzucht aus Kottupfern (siehe 2.1.2). B. hyodysenteriae lässt sich mittels PCR auch direkt im Schweinekot detektieren. Zum Nachweis werden ribosomale RNA-Gene (16S, 23S rRNA; STANTON et al. 1997; BARCELLOS et al. 2000) oder das nox–Gen (ROHDE et al. 2002; AKASE et al.

2009) verwendet. Latent infizierte Tiere und mit Antibiotika behandelte Tiere sind aufgrund der zu geringen oder unregelmäßigen Erregerausscheidung schwierig zu identifizieren (HAMPSON et al. 2006a).

Therapie und Bekämpfung der Schweinedysenterie 2.1.8

In betroffenen Betrieben sollte der Infektionsdruck durch regelmäßige Kotbeseitigung, eine adäquate Reinigung und Desinfektion, Schadnagerbekämpfung und durch Anwendung des Rein–Raus–Prinzips gesenkt werden (WALDMANN 1992; HEINRITZI 2002). Zur Behandlung können Antibiotika eingesetzt werden (RITZMANN et al. 2009). Als wirksam werden Tiamulin, Tylosin, Lincomycin, Tylvalosin und Valnemulin angesehen. Durch die fehlerhafte Anwendung der Antibiotika, wie Unterdosierung, zu kurze Behandlungsdauer oder fehlerhafte Applikation, nimmt die Resistenzentwicklung zu (WALDMANN et al. 2000;

HAMPSON u. THOMSON 2004). Als Alternative zur antibiotischen Therapie wäre eine Impfprophylaxe wünschenswert. Bisherige Impfstoffe führen zu weniger schweren Verläufen sowie einer geringeren Mortalität und Morbidität, verhindern jedoch nicht die Infektion (FERNIE et al. 1983; HAMPSON et al. 1993; DIEGO et al. 1995; LA et al. 2004; SONG et al. 2009)

Experimentelle Tiermodelle für die Schweinedysenterie 2.1.9

Bereits in den 1970ern, bevor bekannt war, welcher Erreger SD hervorruft, wurden Versuche zur Erzeugung der Erkrankung durchgeführt. Dazu wurde Kulturmaterial (HARRIS et al.

1972), frisches und zerkleinertes Kolonmaterial (OLSON 1974) oder auch Schleimhautgeschabsel (GLOCK et al. 1974) an Läuferschweine verfüttert. Es folgten Infektionsmodelle, in denen die Schweine auf verschiedenen Wegen mit den Bakterienkulturen inokuliert wurden (WHIPP et al. 1978; OLSON 1981; JACOBSON et al.

2007). Dabei stellte sich heraus, dass die Erzeugung des Krankheitsbildes der SD nicht nur

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von der Art und Verabreichung des Inokulums abhängig ist, sondern noch mehrere Faktoren eine wichtige Rolle spielen (MEYER et al. 1974). Bei gnotobiotischen Schweinen war die Verfütterung von Kulturmaterial von B. hyodysenteriae zur Erzeugung von klinischen Symptomen nicht ausreichend. Wurden sie aber zusätzlich mit gramnegativen Bakterien, wie zum Beispiel Fusobacterium necrophorum oder Bacteroides vulgatus, inokuliert, entwickelten sich die typischen klinischen Symptome und pathologischen Läsionen (MEYER et al. 1975; HARRIS et al. 1978). Nach Auswertung von Literaturdaten und eigenen Untersuchungen stellte Jacobson (2004) eine Liste mit folgenden Haupteinflussfaktoren für eine erfolgreiche Erzeugung des Krankheitsbildes der SD sowie für die Etablierung eines reproduzierbaren experimentellen Modells auf:

• Alter der Tiere (Absetzferkel)

B. hyodysenteriae Stamm

• Verabreichung des Inokulationsmediums

• Fütterungsregime (Sojaanteil im Futter)

• Verabreichung von Kortikosteroiden und Antaciden

• Unterbringung in Gruppenhaltung

Gabe anderer Bakterien (E. coli, Fusobacterium spp., Bacteroides vulgatus) Unter der Berücksichtigung dieser Variablen wurden am Friedrich-Loeffler-Institut Standort Jena verschiedene Infektionsversuche zur Etablierung eines reproduzierbaren Infektionsmodells für die Schweinedysenterie durchgeführt (SATTLER 2010). Besonders günstig für die Erzeugung des Krankheitsbildes der SD erwiesen sich folgende Parameter:

• Adaptionszeit von 5–6 Wochen nach dem Absetzen, d.h. 8-9 Wochen alt bei Inokulation

• Gruppenhaltung

• einstreulose Haltung

• Spezialfutter mit hohem Sojaanteil

• mehrfache intragastrale Applikation einer hohen Erregerdosis (100 ml Inokulum, 106-108 WBE 50/ml) bestimmter B.-hyodysenteriae-Stämme.

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2.2 Morphologie des Dickdarms

Anatomischer Aufbau 2.2.1

Das Schwein als omnivores Tier besitzt einen relativ voluminösen Darm, der in seiner Länge dem ca. 15-fachen der Körperlänge entspricht. Die Gesamtlänge des Darmes bei einem ausgewachsenen Tier kann zwischen 20 und 27 Metern (m) liegen, wobei der Dickdarm 3,5 m bis 6 m lang ist (VOLLMERSHAUS u. ROOS 1999). Der anatomische Aufbau des Schweinedarms ist in Abb. 2 schematisch dargestellt.

Abb. 2: Schema des Schweinedarms (aus NICKEL, SCHUMMER, SEIFERLE 2004, S. 124, modifiziert)

Der Dickdarm lässt sich in Zäkum, Kolon und Rektum einteilen. Das blind endende Zäkum ist 30 cm bis 40 cm lang und ähnelt im Aussehen einem stumpf-kegeligen Sack mit drei charakteristischen Bandstreifen oder Tänien. Es handelt sich dabei um eine ventrale, eine laterale und eine mediale Tänie. Zwischen diesen wölbt sich die Darmwand in Form von drei Poschenreihen vor. Das Kolon gliedert sich in drei Abschnitte: Colon ascendens, Colon transversum und Colon descendens. Das Colon ascendens zeigt einen besonderen Aufbau in Form einer stumpfkegeligen Spirale, bestehend aus zentripetalen und zentrifugalen

A: Magen

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Windungen. Die Gyri centripetales winden sich 2,5 bis 4,5 mal um das Gekröse. An der Spitze der Spirale sind sie durch die Ansa centralis mit den Gyri centrifugales verbunden, deren ein bis zwei Windungen im Inneren des Kolonkegels liegen und zur Basis zurück laufen. Die letzte zentrifugale Windung geht in ein kurzes Colon transversum über, an welches sich das Colon descendes anschließt. Nahe der Medianen zieht dieses geradlinig, an einem kurzen, fettgewebsreichen Gekröse befestigt, beckenwärts und geht in das Rektum über. Eine deutliche Erweiterung des Rektums in Form der Ampulla recti ist in diesem sehr kurzen Dickdarmabschnitt des Schweines sichtbar (VOLLMERSHAUS u. ROOS 1999) .

Histologischer Aufbau der Wand des Dickdarms 2.2.2

Die Darmwand (Abb. 3) besteht aus Tunica mucosa, Tela submucosa, Tunica muscularis und

Die Darmwand (Abb. 3) besteht aus Tunica mucosa, Tela submucosa, Tunica muscularis und