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dimensionen der Eigentumsgarantie

3. Schranken der Eigentumsgewährleistung

Auch bei der Eigentumsgarantie ist - wie bereits im Rahmen der Erörte­

rungen zum Selbstand des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs hervorgehoben - deutlich zwischen der den Tatbestand umreissenden Inhaltsbestimmung des Schutzgutes und dessen Beschränkung zu unter­

scheiden. Der Inhalt bestimmt sich nicht nach Massgabe der Schranken.91

a) Schrankenziehung trotz Fehlens eines expliziten Gesetzesvorbehalts Allerdings enthält Art. 34 Abs. 1 LV keine ausdrückliche Schrankenklau­

sel. Es handelt sich also bei der Eigentumsgarantie um ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht.94 Dennoch vertritt der Staatsgerichtshof seit sei­

nen Grundsatzentscheidungen aus dem Jahre 1960 in ständiger Recht­

sprechung die Auffassung, Art. 34 Abs. 1 LV enthalte kein absolutes Recht. "Wenn auch die liechtensteinische Verfassung es nicht ausdrück­

lich sagt, sind mit dem Eigentum und insbesondere mit dem Eigentum an Grund und Boden auch soziale Verpflichtungen verbunden. Der für Bebauung und für landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehende Boden ist eine relativ kleine und unvermehrbare Grösse. Während die Bevölkerungszahl ständig zunimmt, nimmt die verfügbare Menge an Boden durch Überbauung, Anlage von Strassen etc. ständig ab. Der Eigentümer von Grund und Boden muss sich daher Verfassungsbe­

schränkungen, die aus Gründen der Wohlfahrt der Allgemeinheit gege­

ben sind, gefallen lassen .. ."95 Neben rechtsvergleichenden Erörterungen verweist der Staatsgerichtshof zur Rechtfertigung seiner These auf Art. 14 LV, wonach es oberste Aufgabe des Staates sei, die gesamte Volks­

wohlfahrt zu fördern.96 Darüber hinaus findet sich der Hinweis auf die Enteignungsbestimmung des Art. 35 LV, a us der sich ergebe, dass zum Eigentum "untrennbar" auch dessen Bindung an das öffentliche Wohl gehöre.97

,} Kritikwürdig deshalb StGH 1966/1, aaO, S. 228.

* Allgemein dazu bereits oben S. 87

So StGH 1960/8-10 - Entscheidungen vom 6. Oktober i960, ELG 1955-1961, 151 (155); 161 (164) und 169(171 f.); ferner z.B. StGH 1966/1 - Gutachten vom 6. Juni 1966, ELG 1962-1966, 227 (228 f.); StGH 1977/9 - Entscheidung vom 21. November 1977, LEG 1981, 53 (53 f.).

* S. StGH 1960/8-10, jeweib aaO.

97 StGH 1966/1, aaO, S. 228.

Freikeitsgaranüen wirtschaftlichen Handelns

Indem der Staatsgerichtshof zur Herleitung einer ungeschriebenen Schrankenklausel auf verfassungsrechtlich statuierte Grundsätze (Art. 14 bzw. 35 LV) sowie auf den Schutz der Rechte Dritter98 rekurriert, bedient er sich weitgehend der grundrechtsdogmatischen Topoi, die auch das deutsche Bundesverfassungsgericht zur Legitimierung der Schrankenzie­

hung bei vorbehaltlos gewährten Grundrechten verwendet."

b) Gesetzliche Grundlage und öffentliches Interesse

Voraussetzung für eine Beschränkung des Eigentums ist, dass sie auf einem Gesetz oder einer Verordnung beruht,100 die dem Schutz des Wohls der Allgemeinheit dient.101 Soweit die geschützten öffentlichen Interessen102 ihrerseits durch verfassungsrechtliche Staatsaufgabennor-men bzw. Gesetzgebungsaufträge gedeckt sind,103 können sie als prinzi­

piell gleichwertig im Verhältnis zur Eigentumsgarantie104 Legitimations­

grundlage für Eigentumsbeschränkungen sein. Der Staatsgerichtshof nennt als zulässige Beschränkungen bzw. "Sozialbindungen" des Eigen­

tums beispielhaft: Bau- und Planungsrecht, Natur- und Heimatschutz, Waldordnung, Jagd- und Fischereigesetz, Nachbarrecht, Mieterschutz­

recht, Steuerrecht.105 Namentlich das Grundverkehrsrecht ist vom Staatsgerichtshof als verfassungsgemässe "Legalbeschränkung" des Eigentums qualifiziert worden.106

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts107

verlangt der Staatsgerichtshof für schwere Eingriffe klare gesetzliche Bestimmungen.108

n So in StGH 1966/1, aaO, S. 229.

99 Allgemein dazu oben S. 87.

,M Zum Verbot von "Richtlinien-Eingriffen" s. SrGH 1973/5 - Entscheidung vom 2. Juli 1973, ELG 1973-1978, 361 (362 f.).

131 S. SiGH 1966/1 - Gutachten vom 6. Juli 1966, ELG 1962-1966, 227 (229).

102 Dazu eingehend G. Müller, in: Kommentar zur BV, Art. 22ter Rn. 34 ff.

IW Nachdrücklich für eine Ableitung der öffentlichen Interessen bzw. des Gemeinwohls

"aus der Verfassung selbst" G. Müller, ZSR 100 (1981) II, 1 (61 ff.).

104 Zur Gleichordnung von Eigentumsgarantie und eigentumsrelevanten Gesetzgebungs­

aufträgen vgl. auch die Leitentscheidung BGE 105 I a 330 ff.; ferner Saladin, Grund­

rechte im Wandel, S. XXXIV f.

105 S. StGH 1977/9 - Entscheidung vom 21. November 1977, LES 1981, 53 (55).

106 S. z.B. StGH 1982/15 - Urteil vom 9. Februar 1983, LES 1984, 1 (3 ).

107 Z.B. BGE 106 I a 366; zur Entwicklung auch J. P. Müller, Elemente einer schweizeri­

schen Grundrechtstheorie, S. 106 ff.; ders-, Grundrechte, S. 333 f.

108 S. etwa StGH 1960/8 — En tscheidung vom 6. Oktober 1960, ELG 1955—1961, 151 (160 f.); StGH 1973/5-Entscheidung vom 2. Juli 1973, ELG 1973-1978,361 (362).

Eigentumsgarantie und Enteignungsschutz

4. Schrankenschranken

Eigentumsbeschränkungen auf gesetzlicher Grundlage sind nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs in doppelter Weise Schranken­

schranken gezogen.

a) Übermassverbot

Zum ersten beansprucht auch hier das Übermassverbot (Grundsatz der Verhältnismässigkeit"!!!! weiteren Sinne) Geltung.109 Schon in seiner ersten Grundsatzentscheidung-zur Eigentumsgarantie hat der Staatsge­

richtshöf hervorgehoben;'die Pflichtenbindung des Eigentums besage

"in keiner Weise, dass jede gesetzliche Beschränkung des Eigentums­

rechts verfassungsmässig zulässig wäre, sondern dies gilt nur soweit, als Interessen der 'Allgemeinheit eine gesetzliche Beschränkung bedin­

gen".110 Unverhältnismässige Eingriffe sind unzulässig.111 Insbesondere dann, wenn eigentumsbeschränkende gesetzliche Vorschriften "nicht genau definierte Begriffe", das heisst unbestimmte Rechtsbegriffe, ent­

halten, sind in jedem einzelnen Fall private und öffentliche Interessen abwägend gegenüberzustellen.112

Nur bei strikter Beachtung der drei Prüfkriterien des .Übermassver­

bots lasst sich eine alle verfassungsrechtlich relevanten Ziele und Rechts­

güter optimal berücksichtigende Lösung finden.1"

b) Kernbereichsgarantie

Wie bei kaum einer anderen Grundrechtsgewährleistung bemüht der Staatsgerichtshof im Rahmen seiner Eigentumsjudikatur den

Kernbe-1:9 S. auch Fehr, Grund Verkehrs recht, S. 166 ff.; für die Schweiz etwa G. Müller, in: Kom-. mentar zur BV, ArtKom-. 22m Rn. 38 ff.

115 StGH 1960/8-10 - Entscheidungen vom 6. Oktober 1960, ELG 1955-1961, 151 (157);

161 (166) und 169 (173).

So etwa StGH 1989/14 Urteil vom 31. Mai 1990, LES 1992, 1 (4); StGH 1982/32 nicht veröffentlichte Entscheidung vom 15. Oktober 1982, S. 5; StGH 1982/33 und 34 -nicht veröffentlichte Entscheidungen vom 9. Februar 1983, jeweils S. 6.

1IJ So StGH 1973/7 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 21. Januar 1974, S. 5; ferner StGH 1974/9 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 17. Januar 1975, S. 7.

nJ Zu diesem "Prozess der Werteoprimieiung" s. G. Müller, ZSR 100 (1981) II, 1 (61 ff.) -Zitat: S. 62*, speziell im Blick auf das liechtensteinische Grundverkehrsrecht s. auch Fehr, Grundverkehrsrecht, S. 271 ff.

Freiheitsgarantien wirtschaftlichen Handelns

reichsgedanken.114 Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Kernbe­

reichs- bzw. Wesensgehaltsgarantie des Eigentums in ihrer objektiven Bedeutung115 weitgehend gleichbedeutend mit der objektiv-rechtlich verstandenen Institucsgarantie116 ist.117