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gewährleistungen des Bildungsbereichs

E. Freiheitsgarantien wirtschaftlichen Handelns:

Art. 28 Abs. 1 2. Alt., 34-36 LV

Die liechtensteinische Verfassung garantiert drei Teilbereiche wirtschaft­

lichen Handelns:

(1) den freien Vermögenserwerb (Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV);

(2) die private Eigenrumsordnung (Art. 34, 35 LV);

(3) die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 36 LV).

Der europäische Grundrechtsschutz des Wirtschaftslebens erfolgt im wesentlichen durch die Eigentumsgarantie des Art. 1 des ersten Zusatz­

protokolls zur EMRK1. Doch hat das Fürstentum Liechtenstein das erste Zusatzprotokoll nicht ratifiziert.2

I. Das Recht auf Vermögenserwerb:

Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV 1. Allgemeine Bedeutung

Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV gewährleistet jedem Landesangehörigen "das Recht, ... Vermögen jeder Art zu erwerben". Mit dieser spezifischen Vermögenserwerbsfreiheit garantiert die liechtensteinische Verfassung ein Grundrecht, das in den anderen Verfassungsordnungen des deut­

schen Sprachraums keine Entsprechung findet. Die Freiheit des Liegen­

schaftserwerbs gemäss Art. 6 StGG, der in gewisser Weise als Formulie­

rungshilfe für Art. 28 Abs. 1 LV gedient hat,3 richtet sich nach der stän­

digen Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs nur gegen historisch vorgegebene Diskriminierungen.* Die Bestimmung ist

1 Zur Spruchpraxis der Strassburger Organe insoweit s. etwa Wolfgang Peukert, Schutz des Eigentums nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK, EuGRZ 1981, 97 ff.;

Villiger, EMRK-Handbuch, S. 384 ff.

2 Im übrigen geht die Bestimmung nach Auffassung des Staatsgerichtshofs "nicht weiter als Art. 34 Abs. 1 der liechtensteinischen Verfassung und kann daher auch nicht mittel­

bar, im Sinne einer Inteipretationshilfe, zu einer anderen Auslegung der landesrecht­

lichen Gewährleistung des Privateigentums herangezogen werden"; so StGH 1987/12 -Urteil vom II. November 1987, LES 1987, 4 (6); s. ferner StGH 1989/20 - -Urteil vom 27. April 1989, LES 1989, 125 (129) unter Bezugnahme auf StGH 1982/65/V - Urteil vom 15. September 1983, LES 1984, 3 (5).

3 S. auch Hanspeter Jehle, 60 Jahre liechtensteinisches Grundverkehrsrecht, LJZ 1983, 7 ff.

(7)-4 S. z.B. VfSlg. 9682/1983; 10797/1986; s. auch Ermacora, Menschenrechte, Rn. 481.

Freiheitsgarantien wirtschaftlichen Handelns

deshalb eher als ein spezieller Gleichheitssatz zu qualifizieren. In Deutschland wird diskutiert, ob die Erwerbsfreiheit als Element der Eigentumsgarantie verfassungsrechtlichen Schutz geniesst.5

In enger Beziehung zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie steht aber auch Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV. Beide Gewährleistungen "ste­

hen zueinander in Korrelation. Die Eigentumsgarantie gewährleistet dem Eigentümer die aus seiner Eigentümerstellung fliessenden Nut-zungs- und Verfügungsrechte, die Vermögenserwerbsfreiheit garantiert hingegen dem Nichteigentümer die Möglichkeit, frei Vermögen und damit Eigentum zu erwerben".6

Seiner Normstruktur nach ist das Grundrecht des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV eine kompetentielle Freiheit. Es handelt sich bei der Vermö­

genserwerbsfreiheit - ebenso wie bei der Eigentumsgarantie - um eine subjektiv-rechtliche Grundrechtsgewährleistung, die der einfachgesetz­

lich konkretisierten Ausübungshilfe bedarf.7 Ohne normative Regelun­

gen, die den Freiheitsraum erst konstituieren, kann von der Vermögens­

erwerbsfreiheit kein Gebrauch gemacht werden.8

Die Schutzfunktion des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV zielt auf die Abwehr staatlicher Eingriffe in die Freiheit, Vermögen jeder Art zu erwerben.

2. Der Tatbestand des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV

a) Sachlicher Gewährleistungsbereich

Die Weite der Formulierung des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV ("Vermögen jeder Art") deutet auf eine umfassende Gewährleistung des Grundrechts auf freien Vermögenserwerb hin. Zum Vermögen wären dann nicht nur bewegliche und unbewegliche Sachen,9 sondern Vermögenswerte Rechts­

positionen im weitesten Sinne einschliesslich öffentlich-rechtlicher Erlaubnisse und Genehmigungen (z.B. Gewerbekonzessionen) zu

5 Dazu Höfling, Vertragsfreiheit, S. 14 f.; lediglich für einen Schutz durch An. 2 Abs. 1 GG Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 209 ff.

6 So StGH 1988/19 - Urteil vom 27. April 1989, LES 1989, 122 (125) unter Hinweis auf Josef Alexander Fehr, Grundverkehrsrecht und Eigencumsgarantie im Fürstentum Liech­

tenstein, Diss. Fribourg, 1984, S. 119 f.

7 Grundsätzlich dazu Höfling, Vertragsfreiheit, S. 20 ff.

8 Zur grundrechtsdogmatischen Bedeutung näher noch unten im Rahmen der Ausführun­

gen zur Eigentumsgarantie des Art. 34 Abs. I LV, S. 1 67 f.

9 Zur Frage, ob nicht eines Tages das Recht auf freien Vermögenserwerb auf das beweg­

liche Vermögen beschränkt werden könne, s. Jehle, LJZ 1983, 7 (9).

Das Recht auf Vermögenserwerb

zählen.10 Demgegenüber scheint jedenfalls der älteren Rechtsprechung des Staatsgerichtshof eine engere, auf körperliche Gegenstände reduzierte Interpretation des Vermögensbegriffs zugrunde zu liegen. Bankkonzes­

sionen würden nicht von Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV erfasst, "da diese Bestim­

mung ihr Gewicht ausschliesslich im 'Vermögen' hat, worauf schon die Präzisierung 'Vermögen jeder Art' hinweist. Hier stehen also11 Sachen, z.B.

Liegenschaften und nicht eine menschliche Tätigkeit im Vordergrund".12

In einer Entscheidung aus neuerer Zeit, der die Beschwerde eines Anwalts gegen den Erlass eines Sicherungsgebots und des damit verbundenen Dritt­

verbotes betraf, scheint der Staatsgerichtshof aber eine andere Auffassung zu vertreten. Durch das Sicherungsgebot werde dem Beschwerdeführer nicht die grundsätzliche Möglichkeit genommen, durch Erbringung anwaltlicher Leistungen Vermögen zu erwerben, und deshalb sei auch sein in Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV gewährleistetes Recht nicht tangiert.13

Dies wird man indes nicht so verstehen dürfen, dass nunmehr die

"menschliche Tätigkeit"14 als solche auch Schutzobjekt des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. sein soll; insofern ist allein Art. 36 LV das einschlägige Grundrecht.

Vielmehr ist die zitierte Entscheidung des Staatsgerichtshofs 1989/19 dahingehend zu deuten, dass zum "Vermögen jeder An" im Sinne der Verfassungsvorschrift nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Vermö­

genswerte Rechte wie Forderungen zählen.

b) Persönlicher Gewährleistungsbereich

aa) Natürliche Personen

Ausländer gemessen nicht den Schutz des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV. Das

"ergibt sich aus dem klaren Wortlaut und dem unzweifelhaften Sinn0 der Verfassungsbestimmung.15 Auch bei Verbürgung des Gegenrechts gilt

15 S. zur vergleichbaren Bedeutung des Eigentumsbegriffs des Art. 14 Abs. 1 GG etwa Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 57 ff.; Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 RH. 83.

11 Dass gerade die weite Tatbestandsfassung gegen die vom Staatsgerichtshof gezogene Schlussfolgerung spricht, liegt auf der Hand.

u So StGH, Entscheidung vom 6. Oktober 1960, ELG 1955-1961, 145 (148).

° StGH 1988/19 - Urteil vom 27. April 1989, LES 1989, 122 (125).

M S. die Formulierung in StGH, Entscheidung vom 6. Oktober i960, ELG 1955-1961,145 (148).

15 S. StGH 1978/10 - Entscheidung vom 11. Oktober 1978, LES 1981, 7 (10); ferner etwa StGH 1977/3 - Entscheidung vom 24. Oktober 1977, LES 1981, 41 (43).

Freiheitsgarantien wirtschaftlichen Handelns

nach Auffassung des Staatsgerichtshofs nichts anderes. Art. 28 Abs. 2 LV beziehe sich nur auf das Niederlassungsrecht. Die uneingeschränkte Anerkennung des Gegenrechtes im Bereich des Grundverkehrs würde für Liechtenstein zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, da dann praktisch jeder ausländische Staatsangehörige in Liechtenstein wie ein eigener Staatsangehöriger behandelt werden müsste.16

bb) Juristische Personen

Fraglich ist, ob der Grundrechtsschutz des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV auch auf juristische Personen zu erstrecken ist. Jehle meint, diese Frage sei

"eindeutig zu verneinen".17 Soweit er sich dabei auf die Entscheidung Staatsgerichtshof 1977/3 beruft, kann dies jedoch nicht überzeugen. Die herangezogene Entscheidung ist zwar ein bedenkliches Beispiel für die verfassungsgerichtliche Rangverkehrung des Verhältnisses von Verfas­

sungsrecht und einfachem Gesetzesrecht. Doch lässt sie sich nur dahin­

gehend deuten, dass auch inländische juristische Personen des Pri­

vatrechts sich auf die Vermögenserwerbsfreiheit berufen können,18

wobei allerdings die gesetzlichen Einschränkungsmöglichkeiten insoweit weiter reichen sollen als bei natürlichen Personen.19

3. Schranken

Die Formulierung des Art. 28 Abs. 1 LV lässt Zweifel darüber aufkom­

men, ob der Gesetzesvorbehalt ("unter Beobachtung der näheren gesetz­

lichen Bestimmungen") sich allein auf die in der 1. Alternative der Ver­

fassungsbestimmung gewährleistete Niederlassungsfreiheit bezieht oder auch die Vermögenserwerbsfreiheit erfasst.

In einer Grundsatzentscheidung zur Verfassungsmässigkeit des Grundverkehrsgesetzes20 hat sich der Staatsgerichtshof ausführlich mit

16 S. StGH 1978/10, aaO, S. 10; s. aber auch StGH 1975/1 - Entscheidung vom 29. April 1975, ELG 1973*1978,373 (379). - Zur grundverkehrsrechtlichen Stellung der Ausländer s. auch Jehle, LJZ 1983, 69 (72 f.); ferner Fehr, Grundverkehrsrecht, S. 123.

" LJZ 1983, 7 ff. (7).

18 "... können sich ... in ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten gemäss Art. 28 der Verfassung beschwert und verletzt erachten" ...

19 S. StGH 1977/3 - Entscheidung vom 24. Oktober 1977, LES 1981, 41 (43).

20 Zur Entwicklung des liechtensteinischen Grundverkehrsrechts s. Jehle, LJZ 1983, 43 ff.

und 69 ff.

Das Recht auf Vermögenserwerb

der aufgeworfenen Frage befasst und sie im letzteren Sinne beantwortet.

Grammatikalische, systematische und entstehungsgeschichtliche Ausle­

gungsaspekte sprächen eindeutig dafür, den Gesetzesvorbehalt auch auf den freien Vermögenserwerb zu erstrecken.21

Ebenso wie für die Eigentumsgarantie hat der Staatsgerichtshof im Blick auf das Grundrecht des freien Vermögenserwerbs klargestellt» dass entsprechende Eingriffe nur auf der Grundlage klarer gesetzlicher Bestimmungen erfolgen dürfen.22

4. Schrankenschranken

Zusammen mit der Eigentumsgarantie des Art. 34 Abs. 1 LV bildet die Vermögenserwerbsfreiheit des Art. 28 Abs. 1 2. Alt. LV diejenigen Gnindrechtsgewährleistungen, die den Staatsgerichtshof zu näheren Überlegungen zu den Grundrechtsschrankenschranken veranlassten.23

Entscheidungen, die die Vermögenserwerbsfreiheit beschränkten, müss-ten "nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit erfolgen". Sie dürfmüss-ten nur soweit in die Freiheitssphäre des Bürgers eingreifen, als dies zur Wahrung des öffentlichen Interesses, welches bei einer Abwägung mit den Individualinteressen "eindeutig" überwiegen müsse, "unabdinglich"

sei. Das Grundverkehrsgesetz 1959 würde diesen Grundsätzen durch die Regelung des Art. 2 lit. d Rechnung tragen, der eine erhebliche Verlet­

zung des öffentlichen Interesses durch das untersagte Rechtsgeschäft verlange.24 In Anwendung dieser Massstäbe hob der Staatsgerichtshof beispielsweise eine Entscheidung der Landesgrundverkehrskommission auf, mit der dem Verkauf eines Grundstücks an einen Minderjährigen, dessen beide Elternteile bereits über Grundbesitz im Alpengebiet ver­

fügten, die Genehmigung versagt wurde. Der Entscheidungsbegründung sei nicht zu entnehmen, ob und inwieweit der Kauf des Grundstücks durch den Minderjährigen mit dem öffentlichen Interesse (etwa im Blick

" So StGH 1960/8 - Entscheidung vom 6. Oktober 1960, ELG 1955-1961, 151 (154 f.).

" S. StGH 1973/5 - Entscheidung vom 2. Juli 1973, ELG 1973-1978, 361 (362 ff.); feiner StGH 1973/1 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 26. März 1973, S. 6.

u Vgl. beispielsweise StGH 1968/3 - Entscheidung vom 18. November 1968, ELG 1967-1972, 239 (243); StGH 1973/7 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 21. Januar 1974, S. 5; StGH 1974/9 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 17. Januar 1975, S. 7;

StGH 1974/14 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 17. Januar 1975, S. 6 ff.

" S. StGH 1973/1 - nicht veröffentlichte Entscheidung vom 26. März 1973, S. 7.

Freibeitsgarantien wirtschaftlichen Handelns

auf die Knappheit an Ferienhausplätzen) kollidiere. Eine Abwägung der gegenseitigen Interessen sei nicht erfolgt. Deshalb sei der Beschwerde Folge zu geben.25

II. Eigentumsgarantie und Enteignungsschutz:

Art. 34, 35 LV

Art. 34 Abs. 1 LV gewährleistet die Unverletzlichkeit des Privateigen­

tums. Konfiskationen finden nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen statt. Nach Art. 35 Abs. 1 LV k ann aus Gründen des öffentlichen Wohls die Abtretung oder Belastung jeder Art von Vermögen gegen angemes­

sene Schadloshaltung verfügt werden; das Enteignungsverfahren ist durch Gesetz zu bestimmen (Art. 35 Abs. 2 LV).

1. Grundsätzliche Bedeutung und Gewährleistungs­