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5. Diskussion

5.5 Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die untersuchten Schafe und Ziegen sowohl in der Laktation als auch unter alimentärer Calcium-Restriktion – anders als monogastrische Spezies – nicht mit einer Steigerung, sondern oftmals sogar mit einer Verminderung der Expression renaler Calcium-transportierender Strukturen reagierten. Sie weisen zudem darauf hin, dass es stattdessen zu einer Steigerung der Calcium-Resorption in weiter proximal gelegenen Nephronabschnitten kommt.

Um die der Resorptionssteigerung zugrunde liegenden Mechanismen genauer zu untersuchen und beurteilen zu können, ob vorrangig der aktive transzelluläre oder aber der passive parazelluläre Calcium-Transport zunimmt, wäre die Durchführung weiterer Bilanzstudien erforderlich, in denen neben der Fraktionellen Calcium-Exkretion auch die Fraktionelle Exkretion anderer Ionen (Natrium, Kalium, Chlorid) sowie die Konzentration des Second Messengers cAMP im Harn untersucht wird. Mittels funktioneller Studien an isolierten Nephronsegmenten könnte untersucht werden, ob und wie verschiedene Hormone die Calcium-Resorption in den unterschiedlichen Nephronsegmenten des Wiederkäuers modulieren können. Quantitative Bestimmungen des Claudin 16-, Claudin 14-, Claudin 12-, des NKCC2- und des ROMK-Gehalts im Nierengewebe könnten darüber hinaus genauere Hinweise auf den Mechanismus der Resorptionssteigerung geben. Sowohl im Hinblick auf die Regulation des renalen Calcium-Transports als auch des renalen Vitamin D-Metabolismus des laktierenden Wiederkäuers wäre es erforderlich, die Konzentration verschiedener Calcium-homöostatisch bedeutsamer Hormone, die Höhe des Calcium- und Phosphat-Spiegels sowie die Fraktionelle Calcium- und Phosphat-Exkretion laktierender Tiere auch am Tag der Tötung zu bestimmen. In Kombination mit den Daten der Exkretionsstudien könnte insbesondere die Höhe der zeitgleich bestimmten PTHrP- und Prolaktin-Spiegel Hinweise auf die Bedeutung dieser Hormone für die Regulation der renalen Calcium-Exkretion in der Laktation geben.

Die Ergebnisse der strukturellen Untersuchungen zeigen zudem, dass die Verabreichung von Calcitriol in pharmakologischer Dosierung – im Gegensatz zu dem endogenen Anstieg der Calcitriol-Spiegel – auch beim Wiederkäuer einen expressionsstimulierenden Effekt auf Calcium-transportierende Strukturen in der Niere vermitteln kann. Um auszuschließen, dass es sich dabei nicht um einen indirekten, über einen Anstieg der Calcium-Konzentration vermittelten Effekt handelt, wären In-vitro-Studien an renalen Zellkulturen vom Wiederkäuer durchzuführen. Auch könnte man die Promotorregion der entsprechenden Gene mittels Race

PCR, Sequenzanalysen und Reporter Gene Assays auf die Existenz eines positiven VDRE hin untersuchen. Auf welche Weise die unter alleiniger Calcium-Restriktion beobachtete Expressionsverminderung Calcium-transportierender Strukturen vermittelt wurde, ist unklar.

Womöglich könnte hier die Untersuchung der Expression von Coaktivatoren und Corepressoren des VDR wichtige Hinweise liefern. Andererseits könnte in In-vitro-Studien untersucht werden, inwieweit eine Aktivierung des CaSR im distalen Nephron des Wiederkäuers Einfluss auf den TRPV5-vermittelten Calcium-Einstrom sowie die Expression von CaBPD28K und NCX1 hat.

Die Expressionsstudien lieferten interessante Hinweise auf Speziesunterschiede im renalen Vitamin D-Metabolismus von Schaf und Ziege. So variierte die Calcitriol-abhängige Regulation der 1α- und 24-Hydroxylase-Expression bei der Ziege, nicht aber beim Schaf, in Abhängigkeit von der alimentären Calcium-Zufuhr. Ob ein Zusammenhang zwischen der unter Calcium-restriktiven Bedingungen offenbar schwächeren Induktion der 24-Hydroxylase-RNA-Expression und dem signifikant stärkeren Anstieg der Calcitriol-Plasmaspiegel der Ziege in eben dieser Situation besteht, ist eine wichtige Frage. In diesem Kontext ist in allererster Linie eine Untersuchung der Proteinexpression des Enzyms sowie idealerweise auch der Enzymaktivität erforderlich, bevor entsprechende Schlüsse gezogen werden können. Dabei stellt sich auch die Frage, ob die tendenzielle Verminderung der VDR-Dichte im Nierengewebe und/oder die Höhe des PTH-Spiegels für die Schwächung der Calcitriol-Effekte bei Calcium-restriktiv gefütterten Ziegen verantwortlich zu machen sind und ob es sich dabei um eine – von monogastrischen Spezies bekannte – Form der Adaptation an Calcium-Mangelzustände handelt. Eine „speziesspezifische Calcitriol-Defizienz“ des Schafes, für deren Vorliegen auch die beobachteten expressionsstimulierenden Effekte der Calcitriol-Behandlung auf den renalen VDR und PTHR sprechen, könnte wiederum im Zusammenhang mit dem Fehlen eines solchen Adaptations-Mechanismus‘ stehen. Der quantitative Nachweis von VDR, CYP24A1 und CYP27B1 in proximalen und distalen Tubulusepithelien von adäquat und restriktiv mit Calcium versorgten und insbesondere von laktierenden Tieren sowie der anschließende Vergleich der ermittelten Werte könnten hier wichtige Anhaltspunkte geben. Um den Einfluss des PTH beurteilen zu können muss zunächst eine Methode zum Nachweis des Peptidhormons im Blut oviner und capriner Spezies entwickelt werden. Die Hypothese einer „physiologischen Calcitriol-Defizienz der Schafe“

müsste zudem durch Durchführung der entsprechenden Bilanz- und Expressionsstudien an möglichst vielen Schafen verschiedener Rassen und Altersstufen überprüft werden.

Weiterhin ist es erforderlich, auch Nierengewebe von Rindern den beschriebenen molekularbiologischen Untersuchungen zu unterziehen, um beurteilen zu können, inwieweit die renalen Calcium-homöostatische Mechanismen des Rindes eher denen des Schafes oder denen der Ziege ähneln.

Sollte sich im Rahmen dieser Untersuchungen herausstellen, dass beim Wiederkäuer oder bei einzelnen Wiederkäuerspezies in Calcium-Mangelsituationen die renale VDR- und folglich die CYP24A1-Expression der Faktor ist, der die Höhe des Calcitriol-Spiegels limitiert, könnten womöglich CYP24A1-Inhibitoren eine neue Option in der Therapie der Hypocalcämie der Milchkuh darstellen. In diesem Zusammenhang wäre es besonders interessant, Nierengewebe von an Gebärparese erkrankten Ziegen und Rindern zu untersuchen, um zu überprüfen, ob die zumindest beim Rind pathogenetisch bedeutsame herabgesetzte PTH-Sensitivität sich auch auf die Expression des renalen VDR und der renalen Hydroxylasen und somit auf die Höhe des Calcitriol-Spiegels auswirkt.