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2. Literaturübersicht

2.2 Renaler Vitamin D-Metabolismus: CYP27B1 und CYP24A1

Die Aktivierung und Inaktivierung des im Blut zirkulierenden Vitamins D erfolgt durch die in den proximalen Tubulusepithelien der Niere exprimierten Enzyme CYP27B1 und CYP24A1, die auf diese Weise die Höhe des Calcitriol-Spiegels regulieren (Anderson et al., 2003) und somit auch die Höhe des Calcium- und Phosphat-Spiegels beeinflussen (Zittermann et al., 2013). Da eine zu starke Abnahme oder ein zu starker Anstieg der Calcitriol-, Calcium- und/oder Phosphat-Konzentrationen im Blut schwerwiegende Folgen wie Rachitis, Osteomalazie, Tetanien, Paresen, Herzversagen oder Gefäß- und Weichgewebe-Calcifizierungen (Kamalov et al., 2010; Oetzel, 1988; Ohnishi et al., 2009; Zittermann et al., 2013) nach sich ziehen und somit lebensbedrohliche Folgen haben können, unterliegt die Expression der beiden Hydroxylasen einer strengen Kontrolle (Suzuki et al., 2008), an der zahlreiche Faktoren beteiligt sind.

So konnte bei thyroparathyroidektomierten Tieren – anders als bei intakten Kontrolltieren – ein Anstieg der Calcitriol-Spiegel trotz restriktiver Calcium-Zufuhr nur nach Verabreichung von Nebenschilddrüsenextrakt beobachtet werden (Garabedian et al., 1972), der somit auf die Wirkung des PTH zurückgeführt wurde. Später konnte in Versuchen an renalen Zellkulturen eine expressionsstimulierende Wirkung des PTH auf die CYP27B1-Expression gezeigt werden, wobei dieser Effekt über cAMP (cyclisches Adenosin-Monophosphat) vermittelt wurde (Brenza u. DeLuca, 2000; Brenza et al., 1998). Bland et al. (1999) beobachteten nach Zugabe von PTH in das Zellkulturmedium eine signifikante Aktivitätssteigerung sowie eine Steigerung der Protein-Expression der 1α-Hydroxylase. Ergebnisse derselben Versuchsreihe sprechen darüber hinaus für die Existenz eines direkten, PTH-unabhängigen Effekts des Calcium-Spiegels auf die CYP27B1-Expression. So exprimierten humane proximale Tubulusepithelzellen in Medium mit niedrigem Calcium-Gehalt etwa fünfmal mehr CYP27B1 als in Medium mit physiologischem Calcium-Gehalt (Bland et al., 1999). In einem Fütterungsversuch mit Mäusen, die Diäten mit unterschiedlich hohem Calcium-Gehalt erhalten hatten, konnte interessanterweise kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe des PTH-Spiegels und der renalen CYP27B1-mRNA-Expression beobachtet werden.

Da jedoch wiederum die Tiere, die am wenigsten Calcium über das Futter erhalten hatten, am meisten CYP27B1-mRNA in der Niere exprimierten, wurde geschlussfolgert, dass womöglich die Höhe des Calcium-Spiegels den regulierenden Faktor darstellen könnte (Anderson et al., 2003). Auch die Höhe des Phosphat-Spiegels scheint die CYP27B1-Expression zu

beeinflussen. Bereits 1973 wurde in Versuchen an Ratten beobachtet, dass eine alimentäre Phosphat-Restriktion auch bei thyroparathyroidektomierten Tieren zu einem Anstieg des Calcitriol-Spiegels führte, der umso stärker ausfiel, je niedriger die Phosphat-Konzentration im Serum war (Tanaka u. DeLuca, 1973). Den aktuellen Kenntnissen zur Folge wird dieser PTH-unabhängige Effekt über eine Steigerung der CYP27B1-Expression in den proximalen Tubulusepithelien vermittelt (Perwad u. Portale, 2011). Eine Abnahme der Phosphat-Spiegel geht jedoch auch mit einer Abnahme der Plasmakonzentration des FGF 23 (Fibroblast Growth Factor 23) einher. Dieses Phosphatonin wird nicht nur in Situationen eines erhöhten Phosphat-Spiegels, sondern auch als Reaktion auf steigende Calcitriol-Spiegel vermehrt aus dem Knochen freigesetzt und wirkt nachweislich direkt hemmend auf die CYP27B1-Expression (Perwad et al., 2007; Shimada et al., 2003). Somit stellt sich die Frage, inwieweit es sich bei den Phosphat-abhängigen Effekten um direkte oder indirekte, zumindest zum Teil über FGF 23 vermittelte Effekte handelt (Perwad u. Portale, 2011).

Calcitriol selbst vermindert über Feedback-Mechanismen die Expression der renalen 1α-Hydroxylase. So reagierten Ratten und auch Mäuse auf eine Calcitriol-Behandlung mit einer Verminderung der CYP27B1-mRNA-Expression (Beckman u. DeLuca, 2002; Chow et al., 2013). Dieser Effekt konnte auch bei thyroparathyroidektomierten Tieren beobachtet werden und scheint somit unabhängig von PTH zu sein (Brenza u. DeLuca, 2000). VDR-Knockout-Mäuse wiesen im Vergleich zu Kontrolltieren eine stark erhöhte CYP27B1-mRNA-Expression sowie deutlich höhere Calcitriol-Spiegel auf (Kato et al., 1999; Murayama et al., 1999). Auch konnte in In-vitro-Versuchen an proximalen Tubulusepithelien eine deutliche Verminderung der Calcitriol-Produktion nach Zugabe von Calcitriol in das Medium beobachtet werden (Bland et al., 1999). Murayama et al. (1998) gelang der Nachweis eines negativen regulatorischen Elements für Calcitriol in der Promotorregion des humanen 1α-Hydroxylase-Gens. Weiterführende In-vitro-Studien zeigten, dass Calcitriol die PTH-induzierte Steigerung der 1α-Hydroxylase-Expression in proximalen Tubulusepithelien der Maus inhibiert (Murayama et al., 1999). All diese Beobachtungen sprechen für einen direkten Calcitriol-vermittelten Feedback-Mechanismus. Brenza et al. (1998) konnten hingegen kein VDRE in der untersuchten Promotor-Sequenz des CYP27B1-Gens nachweisen. Darüber hinaus beobachteten sie auch keine Calcitriol-induzierte Verminderung der 1α-Hydroxylase-Expression im Zellkulturversuch (Brenza u. DeLuca, 2000). Insbesondere vor diesem Hintergrund muss bedacht werden, dass womöglich auch FGF 23 zu der negativen Rückkopplung beiträgt. Dafür spricht, neben der direkt expressionshemmenden Wirkung des

Phosphatonins auf CYP27B1 und des Calcitriol-vermittelten Anstiegs der FGF 23-Konzentration im Blut, auch die Tatsache, dass FGF 23-Knockout-Mäuse gegenüber Wildtyp-Mäusen signifikant erhöhte Calcitriol-Spiegel aufweisen (Sitara et al., 2004).

Die Regulation der CYP24A1-Expression erfolgt genau entgegengesetzt zu der des CYP27B1. Dabei induziert Calcitriol selbst die Expression des für seine Inaktivierung verantwortlichen Enzyms. Dies konnte im Tierversuch unter anderem an Ratten und Mäusen gezeigt werden, welche auf eine Calcitriol-Behandlung mit einer signifikanten Steigerung der 24-Hydroxylase-Expression in der Niere reagierten (Beckman u. DeLuca, 2002; Chow et al., 2011, 2013). In der Promotor-Region des CYP24A1-Gens der Ratte und des Menschen wurden zudem jeweils zwei VDRE nachgewiesen, über die in Reporter Gene Assays eine Calcitriol-induzierte Expressionssteigerung vermittelt werden konnte (Chen u. DeLuca, 1995;

Ohyama et al., 1994). Diese Beobachtungen belegen, dass Calcitriol ein äußerst potenter Induktor der CYP24A1-Expression ist. Erhöhte PTH-Spiegel hingegen vermindern die CYP24A1-Expression in der Niere. Bei Calcium-restriktiv gefütterten Ratten konnte ein signifikanter Anstieg der PTH- und Calcitriol-Spiegel beobachtet werden. Gleichzeitig war im Nierengewebe dieser Tiere keine 24-Hydroxylase-Aktivität mehr messbar (Beckman et al., 1995). Dass eine stark verminderte Expression des Enzyms die Ursache für die nicht nachweisbare Enzymaktivität darstellte, scheint angesichts der Ergebnisse anderer In-vitro- und In-vivo-Studien wahrscheinlich. So verminderte die intravenöse Applikation von PTH oder cAMP eine Calcitriol-vermittelte Expressionssteigerung des Enzyms in der Niere von Ratten deutlich (Shinki et al., 1992). Auch in porzinen Nierenzellkulturen konnte eine Abnahme der 24-Hydroxylase-Expression sowohl durch PTH als auch durch den Adenylyl-Cyclase-Stimulator Forskolin herbeigeführt werden, was für einen über den PTHR vermittelten Effekt spricht (Zierold et al., 2002). Ein weiterer Faktor, der die CYP24A1-Expression beeinflusst, ist die alimentäre Zufuhr, beziehungsweise der Phosphat-Plasmaspiegel. Ratten reagierten auf eine restriktive Phosphat-Zufuhr mit einer signifikanten Abnahme der CYP24-mRNA-Expression und auch die Enzymaktivität der 24-Hydroxylase im Nierengewebe dieser Tiere war deutlich vermindert (Wu et al., 1996). Auch wenn die durch Variation der Phosphat-Zufuhr ausgelösten Änderungen des Calcitriol-Spiegels unabhängig von der Konzentration des PTH oder des ionisierten Calciums im Blut auftreten (Portale et al., 1986), stellt sich in diesem Fall wiederum die Frage, inwieweit es sich um einen direkten oder einen indirekten, FGF 23-abhängigen Effekt handelt. Tatsächlich belegen

verschiedene In-vitro- und In-vivo-Studien einen expressionsstimulierenden Effekt dieses Phosphatonins auf die 24-Hydroxylase (Perwad u. Portale, 2011).

Die Anpassung der Expressionsraten beider Enzyme erfolgt sowohl auf RNA- als auch auf Protein-Ebene sehr schnell, was wiederum ihre enorme Bedeutung für die Kontrolle des Calcitriol- und folglich des Calcium-Spiegels unterstreicht. So wurde für das renale CYP27B1-Protein von Hühnern eine Halbwertszeit von nur etwa 2,5 h ermittelt (Tanaka et al., 1972). Chow et al. untersuchten die Höhe der Calcitriol- und PTH-Spiegel sowie der Expressionsraten von CYP24A1 und CYP27B1 in der Niere von Mäusen im zeitlichen Verlauf nach einer Calcitriol-Behandlung. Dazu wurde den Tieren alle 48 h Calcitriol in pharmakologischer Dosierung verabreicht. Die Tötung erfolgte in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zu der Behandlung. Es zeigte sich, dass die mRNA-Expression mit einer Verzögerung von etwa 3 bis 9 h nach dem Calcitriol-Peak Maximal- beziehungsweise Minimalniveau (CYP27B1) erreichte. Dabei stieg und sank die Menge an CYP24A1-Protein nahezu zeitgleich mit der der mRNA. Die CYP27B1-Protein-Expression wurde in dieser Studie nicht untersucht (Chow et al., 2013). In einem anderen Versuch an Mäusen war die CYP24A1-Expression in der Niere 4 bis 8 h nach Verabreichung einer pharmakologischen Dosis Calcitriol auf Höchstwerte angestiegen. Die Enzym-Aktivität erreichte ebenfalls bereits nach 8 h Maximal-Niveau (Akeno et al., 1997).