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Die Betrachtung von Ernährungsmustern als Determinanten von Erkrankungen stellt gene-rell einen vielversprechenden Ansatz zur Überwindung einiger mit der Fokussierung auf ein-zelne Ernährungskomponenten verbundener Limitierungen dar. Mit den bisher angewand-ten Methoden zur exploratorischen Herleitung von Ernährungsmustern konnangewand-ten Muster identifiziert werden, die zwar typische Ernährungsweisen einer Studienpopulation wider-spiegeln, jedoch nicht notwendigerweise für eine Erkrankung relevant sind. In der vorlie-genden Arbeit wurde deshalb die erst kürzlich in die Ernährungsepidemiologie eingeführte Methode RRR zur Musterherleitung herangezogen. Durch die Möglichkeit, zusätzlich zu den Prädiktoren sowohl mit der Ernährung als auch mit der Krankheitsentstehung assoziierte Responsevariablen in die Musterherleitung einzubeziehen, schien die RRR potenziell besser als die bisherigen Methoden geeignet zu sein, ein für die interessierende Erkrankung prädik-tives Muster zu identifizieren. Diese Annahme konnte durch die erfolgreiche Herleitung ei-nes signifikant mit dem Risiko für Typ-2-Diabetes verbundenen Ernährungsmusters bestä-tigt werden. Soweit bekannt, ist die vorliegende Arbeit die erste, die mittels ernährungsas-soziierter Biomarker verschiedener pathophysiologischer Pfade als Responses in der RRR ein mit dem Diabetesrisiko verbundenes Muster extrahierte.

Anhand von exploratorischen Methoden hergeleitete Ernährungsmuster stellen – wie das identifizierte und 48 gewichtete Lebensmittelgruppen umfassende Muster dieser Arbeit – meist sehr komplexe Expositionsvariablen dar. Folglich sind diese Muster schwer erfassbar und kaum in andere Populationen übertragbar. Die vorliegende Arbeit gehört zu den weni-gen Studien, in denen folglich angestrebt wurde, die Musterstruktur zu simplifizieren. Im Gegensatz zu den sonst subjektiven Kriterien wurde in dieser Arbeit eine schrittweise linea-re Reglinea-ressionsanalyse und somit eine objektivelinea-re Herangehensweise zur Selektion charak-teristischer Lebensmittelgruppen für die Simplifizierung verwandt. Das simplifizierte Muster setzte sich schließlich lediglich aus den acht selektierten, ungewichteten Lebensmittelgrup-pen zusammen und war somit wesentlich einfacher interpretierbar. Es konnte gezeigt wer-den, dass das simplifizierte Muster dennoch eine ähnliche Aussagekraft wie das originale Muster besaß. In zukünftigen Studien sollten Bestrebungen zur Mustersimplifizierung, die nicht nur zu einer einfacheren Interpretierbarkeit und Reproduzierbarkeit, sondern auch zu einer besseren Vergleichbarkeit von Ernährungsmustern führen kann, verstärkt werden.

Die in der RRR als Responses verwandten Biomarker können nicht nur mit der Krankheits-entstehung, sondern bereits mit der Krankheit assoziierte Informationen enthalten. Dadurch kann eine Überschätzung des mit einem Muster verbundenen Erkrankungsrisikos in der zur Musterherleitung herangezogenen Studienpopulation erfolgen. Deshalb sollten rungsmuster, die mittels Biomarker oder anderer intermediärer Größen zwischen der Ernäh-rung und einer Erkrankung als Responses hergeleitet werden, zur validen Abschätzung des Erkrankungsrisikos stets in eine weitere Studienpopulation übertragen werden. In der

vor-liegenden Arbeit führte die Übertragung des in der Fall-Kontroll-Studienpopulation identifi-zierten und simplifiidentifi-zierten Musters in eine von der Herleitung unabhängigen Kohorten-Studienpopulation zu einer moderaten Abschwächung der inversen Beziehung des Musters zum Diabetesrisiko; die Signifikanz der Beziehung blieb jedoch erhalten. Durch die durch-gehend geschlechtsstratifizierten Betrachtungen in der Kohorten-Studienpopulation konnte zudem im Gegensatz zu anderen Studien, die entweder nur ein Geschlecht oder beide Ge-schlechter zusammen in die Analysen einbezogen, festgestellt werden, dass das Muster bei den Männern und Frauen nahezu gleichermaßen mit dem Diabetesrisiko assoziiert war. Es wäre wünschenswert, in weiteren Kohortenstudien zu prüfen, ob sich das simplifizierte Er-nährungsmuster auch bei den Männern und Frauen von Populationen außerhalb der EPIC-Potsdam-Studie als Prädiktor des Typ-2-Diabetes erweisen kann.

Die Plausibilität der beobachteten Beziehung des simplifizierten Musters zum Risiko für Typ-2-Diabetes konnte anhand der Ergebnisse verschiedener Untersuchungsebenen gezeigt werden. So wurde beobachtet, dass das Muster in der Fall-Kontroll-Studienpopulation mit einem hinsichtlich der Diabetesentstehung als protektiv zu bewertenden Biomarkerprofil und in der Kohorten-Studienpopulation mit einem weitestgehend günstigen Nährstoffprofil und vorteilhaften anthropometrischen und Lebensstilfaktoren assoziiert war. Die meisten Lebensmittelgruppen des simplifizierten Musters waren zudem Indikatoren in mindestens einem weiteren mit Typ-2-Diabetes verbundenen Muster und konnten in anderen Studien signifikant mit dem Diabetesrisiko assoziiert werden. Eine auf dem simplifizierten Muster basierende Formulierung von Ernährungsempfehlungen ist zum jetzigen Zeitpunkt dennoch nicht möglich. Für eine gesicherte Ableitung von Ernährungsempfehlungen sollte sich ein Muster generell nicht nur in anderen Beobachtungsstudien als prädiktiv, sondern insbeson-dere in einem Interventionsdesign als protektiv für Typ-2-Diabetes herausstellen.

Aus der Public Health-Perspektive verdeutlichen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit dennoch das mit einem veränderten Ernährungsmuster verbundene Präventionspotenzial von Typ-2-Diabeteserkrankungen. So war in der Kohorten-Studienpopulation etwa jeder zwölfte Diabetesfall unter den Frauen und aufgrund der ungünstigeren Ernährungsweise sogar jeder fünfte Diabetesfall unter den Männern auf niedrige Scorewerte des simplifizier-ten Ernährungsmusters zurückzuführen. Angesichts der hohen Diabetesprävalenz könnsimplifizier-ten durch eine hinsichtlich des Musters günstigere Ernährungsweise allein in Deutschland po-tenziell Zehntausende von Typ-2-Diabeteserkrankungen vermieden und mehrere Millionen Euro im Gesundheitswesen eingespart werden. Dies gilt jedoch unter der Annahme einer kausalen Beziehung des simplifizierten Musters zum Diabetesrisiko und einer in der Allge-meinbevölkerung mindestens ebenso hohen, mit einem niedrigen Musterscore verbundenen Proportion von Diabetesfällen wie in der Kohorten-Studienpopulation.

Aus der epidemiologisch-methodischen Perspektive zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit und weiterer bisheriger RRR-Arbeiten, dass die neue statistische Methode RRR durch die

Ver-bindung eines exploratorischen Ansatzes mit der Einbeziehung von a priori-Informationen zur Krankheitsentstehung ein geeignetes Verfahren zur Herleitung von Mustern als Prädikto-ren von Erkrankungen darstellt. Zudem kann die Interpretation der beobachteten Beziehung eines mittels RRR identifizierten Ernährungsmusters zum Erkrankungsrisiko durch die ver-wandten Responsevariablen unterstützt werden. Um einzuschätzen, inwieweit subjektive Entscheidungskriterien bezüglich der verwandten Prädiktoren und Responses die Muster-stabilität beeinflussen, sind weitere Sensitivitätsanalysen erstrebenswert. Des Weiteren sind zur festen Etablierung der RRR als Verfahren zur Mustergenerierung in der Ernährungsepi-demiologie methodische Studien zur Prüfung der Validität und Reproduzierbarkeit der her-geleiteten Muster notwendig.

5 Zusammenfassung

Der Ernährungsmusteransatz findet aufgrund von Limitierungen, die mit der Betrachtung einzelner Nährstoffe und Lebensmittel als Determinanten von Erkrankungen verbunden sind, ein zunehmendes Interesse. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, anhand der kürzlich in die Ernährungsepidemiologie eingeführten statistischen Methode RRR ein mit dem Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiertes Ernährungsmuster herzuleiten und dieses anschließend zu simplifizieren und zu charakterisieren.

Die Herleitung und Simplifizierung des Ernährungsmusters erfolgten in einer in die prospek-tive EPIC-Potsdam-Studie eingebetteten Fall-Kontroll-Studie mit 192 verifizierten inzidenten Typ-2-Diabetesfällen und 382 Kontrollpersonen. Mittels RRR mit den Aufnahmemengen von 48 Lebensmittelgruppen als Prädiktoren und den Plasmakonzentrationen von HbA1c, HDL-Cholesterol, CRP und Adiponektin als Responses wurden vier Ernährungsmuster hergeleitet.

Ein hoher Score des ersten Musters war mit geringeren HbA1c-Werten und höheren HDL-Cholesterol- und Adiponektinwerten sowie im multivariaten bedingt logistischen Regressi-onsmodell mit einem deutlich geringeren Diabetesrisiko assoziiert als ein niedriger Score.

Die Struktur des komplexen, 48 gewichtete Lebensmittelgruppen umfassenden Musters konnte anhand einer objektiven Herangehensweise vereinfacht werden. Das simplifizierte Muster schloss lediglich acht ungewichtetete Lebensmittelgruppen ein, wobei der Konsum von Bier, kalorienreichen Softgetränken, rotem Fleisch, Hülsenfrüchten und hellem Brot in-vers und der Konsum von frischem Obst, süßem Brotaufstrich und Kaffee direkt mit dem Muster verbunden war. Dennoch wies das simplifizierte Muster eine zum komplexen Muster vergleichbare Beziehung zu den Biomarkerkonzentrationen und zum Diabetesrisiko auf.

Das simplifizierte Muster wurde in eine von der Fall-Kontroll-Studie unabhängige Kohorten-Studienpopulation der EPIC-Potsdam-Studie mit 651 verifizierten inzidenten Typ-2-Diabetes-fällen und 23948 nicht an Typ-2-Diabetes erkrankten Personen übertragen. Im geschlechts-stratifizierten multivariaten Coxschen Regressionsmodell konnte eine für Frauen und Män-ner etwa gleich stark ausgeprägte, signifikant inverse Beziehung des Musters zum Diabetes-risiko beobachtet werden. Ein hoher Score des simplifizierten Musters war bei beiden Ge-schlechtern durch ein hinsichtlich der Diabetesentwicklung günstigeres Nährstoffprofil, ei-nen niedrigeren Taillenumfang, ein höheres Alter und weniger Raucher und sportlich Inakti-ve charakterisiert als ein niedriger Score. Insgesamt konnte etwa jeder zwölfte weibliche Diabetesfall und sogar jeder fünfte männliche Diabetesfall auf einen niedrigen Musterscore zurückgeführt werden.

Diese Zahlen verdeutlichen das mit günstigen Scorewerten des identifizierten Musters ver-bundene hohe Präventionspotenzial hinsichtlich Typ-2-Diabetes. Die Ergebnisse dieser Ar-beit und weiterer bisheriger RRR-ArAr-beiten zeigen zudem, dass die RRR geeignet ist, für Er-krankungen prädiktive Ernährungsmuster zu identifizieren.