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Schlussfolgerungen aus der Analyse digitaler Innovationen

Durch die Reflexion der erfolgten Analysen in diesem Kapitel k¨onnen nun bereits Er-kenntnisse zu den in Kapitel 4.1 aufgestellten Forschungsfragen zusammengefasst werden:

Forschungsfrage 1: Inwieweit hat sich die Wirtschaft durch digitale, technologische Inno-vationen ver¨andert und worin liegen dabei die Herausforderungen f¨ur die Ertragsbesteue-rung?

Die Art und Weise wie Unternehmen Wertsch¨opfung generieren und somit Gewinne er-wirtschaften k¨onnen, hat sich durch die Digitalisierung ver¨andert. Eine Gemeinsamkeit, welche die im Rahmen dieser Arbeit analysierten Innovationen aufweisen und wodurch die digitale Wirtschaft gekennzeichnet ist, ist die Bedeutung von Daten. Da aus steuerpo-litischer Sicht die Besteuerung dort erfolgen soll, wo Wertsch¨opfung generiert wird, stellt sich die Frage inwieweit der Konsument - durch Lieferung seiner pers¨onlichen Daten -zum Wertsch¨opfungsfaktor f¨ur die Unternehmen wird.

Um diese Frage zu beantworten muss jedoch weiter ausgeholt werden: Die erste Frage, die sich stellt ist, ob ¨uberhaupt Wertsch¨opfung generiert wird - laut Olbert und Spengel (2017) kann die Datensammlung als Routineaktivit¨at gesehen werden und kommt somit als Werttreiber nicht in Frage. Die Datenauswertung generiert hingegen einen Wert f¨ur das Unternehmen.168 Wird demnach rein durch die Datensammlung kein Wert f¨ur das Unternehmen erwirtschaftet, kann selbst bei Vorliegen einer digitalen Betriebsst¨atte kein

168Vgl. Olbert und Spengel 2017, S. 25.

4 Verprobung: Anwendbarkeit des Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte bei technologischen Innovationen der digitalen Welt

Gewinn der Besteuerung im Betriebsst¨attenstaat unterworfen werden - dies ergibt sich zu-mindest aufgrund der Anwendung aktueller Verrechnungspreisleitlinien der OECD. Wozu demnach die komplizierte Einf¨uhrung einer digitalen Betriebsst¨atte, wenn dann durch be-stehende Verrechnungspreismethoden und -prinzipien eine Besteuerung trotzdem nur in sehr geringem Umfang m¨oglich sein wird? Lohnt sich die komplexe Umstellung auf die di-gitale Betriebsst¨atte, wenn die Schwierigkeiten bei der Implementation beachtet werden?

Kapitel 5 der Masterarbeit wird sich diesen Fragestellungen n¨aher annehmen.

Forschungsfrage 2: Kann das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte auf einzelne technolo-gische Innovationen angewandt werden und welche Probleme hinsichtlich der Bestimmung als digitale Betriebsst¨atte treten dabei auf ?

Grunds¨atzlich kann - je nach Auslegung der teilweise noch unklar definierten Kriterien - das Vorliegen einer Betriebsst¨atte oftmals bejaht werden. Allerdings sind die angestell-ten ¨Uberlegungen in Kapitel 4.4 noch mit Unsicherheiten behaftet und Klarstellungen zu Begriffen wie Nutzer, Umsatz, usw. sind dringend erforderlich. Es ist jedoch unwahrschein-lich, dass eine Definition vorliegen kann, die bei jeder technologischen Innovation, die auf den Markt dr¨angt, die Beantwortung nach dem Bestehen einer digitalen Betriebsst¨atte trivial macht. Im Gegenteil: Ohne ein Verst¨andnis f¨ur die Funktionsweise der einzelnen Innovationen ist die Beantwortung, ob eine digitale Betriebsst¨atte vorliegt unm¨oglich.

Forschungsfrage 3: Wie m¨usste die digitale Betriebsst¨atte daher definiert werden, um Rechtssicherheit zu schaffen und eine effiziente Implementierung des Konzepts der digi-talen Betriebsst¨atte zu erm¨oglichen?

Die Beantwortung dieser Frage erfordert weitere Nachforschungen. Bisweilen ist nur klar erkennbar, dass f¨ur Rechtssicherheit klare Definitionen wichtig sind. Ob das Konzept je-doch effizient implementiert werden kann, erfordert eine Analyse s¨amtlicher Probleme, die bei Einf¨uhrung eines Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte auftauchen k¨onnen. Das Spektrum reicht dabei von Problemen der Doppelbesteuerung bis hin zu Verrechnungs-preisproblematiken.

Die Forschungsfragen konnten somit anhand der vorgenommenen Analysen nur teilweise beantwortet werden und werfen neue Fragen auf. Um ein Fazit bez¨uglich der M¨oglichkeiten einer effizienten Implementierung des Konzepts und der Sinnhaftigkeit eines solchen Vor-schlags f¨ur den ¨osterreichischen Fiskus zu erm¨oglichen, werden im n¨achsten Kapitel nun die Probleme der digitalen Betriebsst¨atte aufgezeigt.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨ atte

Wie Kapitel 4 gezeigt hat, wurden durch die Digitalisierung Gesch¨aftsmodelle ver¨andert und der Ort der Wertsch¨opfung Richtung Kundenort verlagert. Durch die Einf¨uhrung ei-ner digitalen Betriebsst¨atte k¨onnte bei einigen Unternehmen der digitalen Wirtschaft ein Ankn¨upfungspunkt im Quellenstaat geschaffen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass tats¨achlich im Quellenstaat Gewinne vorliegen, die besteuert werden k¨onnen. Die theoreti-sche Machbarkeit des Konzepts ist vorhanden - ob aber die Implementierung der digitalen Betriebsst¨atte sinnvoll ist oder mehr Probleme verursacht als l¨ost, soll in diesem Kapitel erforscht werden. Neben der exakteren Beantwortung vorangegangener Forschungsfragen soll dabei nun auch eine letzte, zentrale Forschungsfrage beantwortet werden:

Forschungsfrage 4: Ist das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte ein geeignetes Instrument zur Teilhabe an der Ertragsbesteuerung an Gesch¨aften der digitalen Wirtschaft?

In den einzelnen Unterkapiteln sollen dabei nun die grundlegenden Schwachstellen bzw.

Probleme des Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte analysiert werden. Neben allgemei-nen Problemen im Rahmen der Implementierung, liegt der Fokus dabei vor allem in der Gewinnzuteilung zu den (digitalen) Betriebsst¨atten eines Unternehmens. Denn nicht die Implementierung des Konzepts, sondern die ad¨aquate Gewinnzuteilung stellen die gr¨oßte Herausforderung bei der Schaffung eines neuen Nexus dar, soBrauner und Pistone (2018).169

5.1 Herausforderungen bei der Implementierung des Konzepts

Ein Entschluss zur Einf¨uhrung der digitalen Betriebsst¨atte w¨urde - je nach Ebene der Umsetzung (national, EU-weit oder OECD-weit) - unterschiedliche Herausforderungen in der Implementierung mit sich bringen, welche in diesem Kapitel aufgezeigt werden sollen.

5.1.1 Definitionsprobleme

Bei der Einf¨uhrung des Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte stellen sich erstmals viele Fragen hinsichtlich der Definition und den Erhebungsm¨oglichkeiten von Kriterien anhand deren der neue Nexus bestimmt wird:

169Vgl. Brauner und Pistone 2018, S. 2.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

• Identifizierung digitaler Gesch¨afte

Bevor ¨uberpr¨uft werden kann, ob die Bestimmungen f¨ur den neuen Nexus erf¨ullt sind, muss der Staat die digitalen Gesch¨afte erst wahrnehmen und identifizieren k¨onnen. Eine steuerliche Registrierung ist idR - solange keine Ums¨atze in ¨Osterreich generiert werden - nicht notwendig. F¨ur Unternehmen, die bspw. eine Webseite betreiben und von Nutzerdaten bzw. -beitr¨agen profitieren, ist keine Registrierung erforderlich, wodurch die Identifizierung und das Monitoring der digitalen Gesch¨afte f¨ur den Fiskus eine Herausforderung darstellen kann.170

• Definition des Nexus - Ab wann liegt eine signifikante digitale Pr¨asenz vor?

Der neue Nexus sollte grunds¨atzlich so definiert sein, dass m¨oglichst viele digitale Unternehmen davon umfasst sind. Beispielsweise wird als eines der Hauptkriteri-en beim Vorschlag von Hongler und Pistone bzw. auch beim Vorschlag der OECD und der EU-Kommission in der Richtlinie KOM (2018) 147 die Nutzerzahl gese-hen. W¨ahrend Nutzer bei sozialen Netzwerken sehr wichtig sind, spielt jedoch die Anzahl der Nutzer beim Gesch¨aftsmodell

”Cloud Computing“ eine weniger große Rolle. Beim Vorschlag in der Richtlinie KOM (2018) 147 wurde deshalb auch ei-ne”Entweder-oder-Formulierung“ gew¨ahlt und auf die H¨ohe des Umsatzes oder der Nutzerzahloder der Anzahl abgeschlossener Vertr¨age abgestellt.171 Im Vergleich da-zu spricht sich die OECD f¨ur eine Kombination von umsatzbasierten Faktoren und nutzerbasierten und/oder digitalen Faktoren aus.172 Bei dem sehr konkret formu-lierten Vorschlag von Hongler und Pistone hingegen wird sowohl auf den Umsatz, die Nutzeranzahl als auch auf die Gew¨ahrung eines Onlinezuganges innerhalb eines bestimmten Zeitraums abgezielt.173

Den Nexus an das ¨Uberschreiten einer bestimmten Umsatzgrenze zu binden, er-scheint insbesondere im Hinblick auf anfallende Verwaltungs- und Erhebungskosten f¨ur den Fiskus bzw. den erh¨ohten Administrationsaufwand f¨ur Unternehmen sowie der gesteigerten Gefahr f¨ur Doppelbesteuerungsf¨alle sinnvoll.174

Zusammenfassend betrachtet sollte daher ein Unternehmen dann eine digitale Be-triebsst¨atte in einem Land begr¨unden, wenn durch die angebotenen digitalen

Leis-170Vgl. OECD 2015a, S. 105.

171Vgl. Spinosa und Chand 2018, S. 493 undVorschlag f¨ur eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Vorschriften f¨ur die Unternehmensbesteuerung einer signifikanten digitalen Pr¨asenz 2018, S. 9.

172Vgl. OECD 2015a, S. 66.

173Vgl. Hongler und Pistone 2015, S. 24f.

174Vgl. Hongler und Pistone 2015, S. 26.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

tungen eine gewisse Umsatzgrenze ¨uberschritten wird. Die Nutzeranzahl kann eben-so wie die ¨Uberschreitung einer gewissen

”konsumierten“ Datenmenge als weiteres Indiz herangezogen werden. Ob diese als weitere Kriterien f¨ur das Vorliegen einer digitalen Betriebsst¨atte gelten sollen, ist davon abh¨angig, wie hoch der Erhebungs-aufwand f¨ur die Bestimmung dieser Kriterien ist.

• Definition/Erhebung der einzelnen Kriterien

Eines der Kriterien, welches am besten erhoben werden kann, ist vermutlich der generierte Umsatz pro Land - hierbei gibt es in der Regel Aufzeichnungen von Unternehmen. Jedoch muss auch definiert werden, ob der gesamte Umsatz (Vor-schlag OECD) oder etwa nur der digitale Umsatz (Vor(Vor-schlag Hongler und Pistone) zur ¨Uberpr¨ufung des ¨Uberschreitens einer bestimmten Grenze herangezogen werden sollte.

Soll auch die Anzahl der Nutzer als Kriterium gelten, stellt sich die Frage, wie diese quantifiziert werden kann. Jene Nutzer, welche durch Registrierung bzw. Vertrags-abschluss die digitalen Leistungen beziehen, k¨onnen leicht ermittelt werden - jedoch zeichnen sich zahlreiche digitale Gesch¨aftsmodelle durch den freien Zugang zu Web-seiten u.¨a. aus. Zus¨atzlich sollte die Mobilit¨at der Nutzer ber¨ucksichtigt werden: Die Inanspruchnahme einer digitalen Leistung bzw. die Nutzung von diversen Webseiten und Plattformen ist sowohl zuhause, auf Gesch¨aftsreise als auch im Urlaub m¨oglich.

Auch eine Analyse anhand von verwendeten IP-Adressen der Nutzer ist tr¨ugerisch:

Der Standort kann bspw. durch Proxy Server verschleiert werden.175 Fakt ist, dass es in der Onlinewelt gen¨ugend M¨oglichkeiten sich zu

”verstecken“ gibt - die Nut-zeranzahl zu quantifizieren, ist somit nicht einfach. Wie zuvor erw¨ahnt, kann sich das Kriterium Nutzeranzahl beim Gesch¨aftsmodell

”Cloud Computing“ als nicht aussagekr¨aftig erweisen - hierbei stellt sich bspw. auch die Frage, ob das Unterneh-men, welches Cloud Computing verwendet als Nutzer z¨ahlt oder aber jeder einzelne Mitarbeiter des Unternehmens.176

Das Kriterium des Onlinezugangs wird idR durch das Vorhandensein einer Web-seite erf¨ullt. Zudem k¨onnen auch andere digitale Innovationen einen Onlinezugang erm¨oglichen, wie die vorangegangene Analyse in Kapitel 4 gezeigt hat.

175Vgl. Gunreben 2018, [online] und OECD 2015a, S. 105.

176Vgl. dazu die Ausf¨uhrungen in Kapitel 4.2.2.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

• Definition von Wertsch¨opfung

Die Besteuerung in einem Land soll mit der generierten Wertsch¨opfung im Ein-klang stehen. Die Definition dieses Begriffs - welche die vorherige Analyse digitaler Gesch¨aftsmodelle erfordert - ist v.a. im Bezug auf die sp¨atere Gewinnzuteilung zur digitalen Betriebsst¨atte notwendig. Bisher gibt es noch keine allgemein g¨ultige Defi-nition der OECD - im Sinne der Rechtssicherheit sollte hier rasch eine global gelten-de Definition und vor allem auch Erkl¨arungen zur Bestimmung der Wertsch¨opfung folgen.177

5.1.2 Rechtliche Aspekte der Umsetzung

Um ein Besteuerungsrecht zu schaffen, muss der Tatbestand einer digitalen Betriebsst¨atte in die nationalen Gesetze aufgenommen werden. Zus¨atzlich wird es bei internationaler Einf¨uhrung dieses Konzepts zur ¨Anderung zahlreicher DBA kommen. Um die weltweit mehr als 3500 bestehenden DBA um den Tatbestand der digitalen Betriebsst¨atte zu er-weitern, ist - wie bei der ¨Ubernahme von ¨Anderungen durch das BEPS-Projekt - ein multilaterales Instrument (MLI) geeignet.178 Im Sinne der Rechtssicherheit sollte dabei von allzu vielen flexiblen Gestaltungsvarianten bzw. von der M¨oglichkeit f¨ur die einzelnen OECD-L¨ander aus einem

”Optionenkatalog“ zu w¨ahlen, abgesehen werden.

Die neuen Regelungen zur digitalen Betriebsst¨atte werden vermutlich in Art 5 OECD-MA erg¨anzt. Bereits w¨ahrend der Analyse technologischer Innovationen in Kapitel 4.4 hat sich diesbez¨uglich die Frage aufgedr¨angt, ob bei der digitalen Betriebsst¨atte ebenfalls die Ausnahmebestimmungen des Art 5 Abs 4 gelten werden. D.h. wenn die Datensammlung bei Automobilherstellern nur eine Hilfst¨atigkeit in Gesamtbetrachtung des Unternehmens darstellt, wird dann das Vorliegen einer digitalen Betriebsst¨atte aufgrund von Art 5 Abs 4 verneint? Bei der Vertreterbetriebsst¨atte iSd Abs 5 wird immerhin auch darauf verwiesen, dass dies nicht f¨ur die in Abs 4 genannten Hilfst¨atigkeiten gilt.

Diese Unklarheiten w¨urden sich er¨ubrigen, wenn der Absatz ¨uber die Ausnahmebestim-mungen aus Art 5 OECD-MA gestrichen werden w¨urde. Hongler und Pistone (2015) sprechen sich in ihrem Artikel daf¨ur aus. Denn auch wenn die Datensammlung nur eine Hilfst¨atigkeit darstellen m¨oge, hat die Datenauswertung m¨oglicherweise großen Wert f¨ur das Unternehmen, welcher durch den Ausnahmekatalog jedoch nicht in den Quellenstaa-ten besteuert werden k¨onnte.179

177Vgl. Olbert und Spengel 2017, S. 16.

178Vgl. S. Bendlinger 2018, S. 44f.

179Vgl. Hongler und Pistone 2015, S. 29f.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

5.1.3 Einhaltung der Grundprinzipien der internationalen Besteuerung

Die Grundprinzipien Neutralit¨at, Bestimmtheit, Effizienz, Einfachheit, Fairness, Flexibi-lit¨at und Wirksamkeit sollen bei der Gestaltung eines Steuersystems eingehalten werden.

Die Ber¨ucksichtigung dieser Grunds¨atze, die bereits 1998 bei der OECD-Ministerkonferenz zu E-Commerce bestimmt wurden, soll demnach auch bei Einf¨uhrung der digitalen Be-triebsst¨atte weiterhin gew¨ahrleistet sein. Durch Prinzipien wie Neutralit¨at und Fairness soll sichergestellt sein, dass Gesch¨aftstransaktionen steuerlich gleich behandelt werden -unabh¨angig vom gew¨ahlten Distributionskanal oder Produkt- bzw. Dienstleistungscharak-teristiken. Die Forderung, die digitale Wirtschaft nicht

”einzugrenzen“ geht somit Hand in Hand mit der Forderung, die Grundprinzipien einzuhalten.180

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es durch die Einf¨uhrung der digitalen Betriebsst¨atte zu einer Abgrenzung bzw. Diskriminierung von digitalen Transaktionen kommt. W¨ahrendLee-Makiyama und Verschelde (2016)in ihrem Beitrag diese Frage klar bejahen, sehen Olbert und Spengel (2017) gerade in der Einhaltung der Grundprinzipien ein entscheidendes Argument f¨ur die Einf¨uhrung einer digitalen Betriebsst¨atte im Ver-gleich zu anderen Alternativen wie etwa der Implementierung einer Digitalsteuer.181

5.1.4 Doppelbesteuerung: Implementation auf globaler Ebene notwendig

Wenn neue Regelungen wie die digitale Betriebsst¨atte eingef¨uhrt werden, dann muss dies auf globaler Ebene erfolgen. Eine L¨osung auf EU-Ebene ist bereits ein guter erster Schritt, jedoch nicht zufriedenstellend, wenn bedacht wird, dass viele Unternehmen der digitalen Welt ihren Sitz außerhalb der EU haben. Eine Implementierung auf OECD-Ebene sollte daher das Ziel sein. Die L¨ander der OECD umfassen auch wirtschaftlich wichtige L¨ander wie die USA, Japan oder Israel182 und sollten daher unbedingt Bestandteil einer globalen Einf¨uhrung sein. Dies ist nicht nur aufgrund der globalen Charakteristik des Internets wichtig, sondern vor allem auch um Steuervermeidung, Minderbesteuerung oder Doppel-besteuerung zu verhindern.183

Kommt der neue Nexus nur unilateral zum Einsatz kann dies zur Doppelbesteuerung f¨uhren, wie folgendes Beispiel verdeutlichen soll: Angenommen zwischen Land A und Land

180Vgl. OECD 2015a, S. 17 und Sch¨on 2018, S. 280f.

181Vgl. Lee-Makiyama und Verschelde 2016, S. 62-68 und Olbert und Spengel 2017, S. 16.

182Die aktuell 36 Mitgliedsstaaten der OECD sind auf der Webseite der OECD aufgelistet, siehehttp:

//www.oecd.org/about/membersandpartners/list-oecd-member-countries.htm

183Vgl. Uricchio 2016, S. 91.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

B besteht ein DBA in Anlehnung an das OECD-MA idF Update 2014. Das Beispielun-ternehmen hat seinen Sitz in Land A und besitzt ansonsten keine Betriebsst¨atten iSd Art 5 OECD-MA. In Land B - wo die digitale Pr¨asenz als neuer Nexus f¨ur ein Besteuerungs-recht eingef¨uhrt wurde - ist das Unternehmen jedoch digital ¨uber eine Webseite pr¨asent und erf¨ullt die dort geltenden Kriterien f¨ur das Vorliegen einer digitalen Betriebsst¨atte.

Dadurch kommt es zu folgender Besteuerungssituation: Land A erhebt Anspruch auf die Besteuerung s¨amtlicher Gewinne aufgrund des Art 7 OECD-MA, Land B hat jedoch auf-grund der nationalen Gesetzgebung184ebenfalls ein Besteuerungsrecht an jenen Gewinnen, die aus der digitalen Pr¨asenz des Beispielunternehmens in Land B resultieren.

Noch komplexer wird die Sachlage, wenn Staaten unterschiedliche Konzepte zur Besteue-rung der digitalen Gesch¨afte verfolgen. Wie in Kapitel 3.5.3 dargestellt, haben bereits zahlreiche L¨ander Maßnahmen zur Besteuerung der digitalen Gesch¨afte ergriffen - diese Einzelaktionen machen einen internationalen Konsens ¨uber einen neuen Nexus unwahr-scheinlich. Um jedoch keine zus¨atzlichen Doppelbesteuerungsproblematiken zu schaffen, w¨are es von gr¨oßter Wichtigkeit, die Kriterien f¨ur den neuen Nexus und vor allem auch die Regelungen zur Gewinnaufteilung zu harmonisieren.185

5.2 Problem der Gewinnzuordnung

Durch Ausweitung des Betriebsst¨attenbegriffes werden die Besteuerungsrechte des Quel-lenstaats erweitert. Das Ausmaß der m¨oglichen Ertragsbesteuerung ist in weiterer Folge jedoch abh¨angig vom zugeteilten Gewinnanteil zur (digitalen) Betriebsst¨atte.186

Im Vorwort zu BEPS Aktionsplan 1 heißt es, dass Gewinne am Ort der Wertsch¨opfung besteuert werden sollen.187 Wertsch¨opfung kann als

”Differenz zwischen dem von einem Unternehmen erzielten Umsatz und den von ihm in Anspruch genommenen Vorleistun-gen“ definiert werden.188 Ist die Wertsch¨opfung eines Konzerns bestimmt, offenbart sich die große Herausforderung der gerechten Zuteilung zu den einzelnen L¨andern, in denen das Unternehmen t¨atig ist und ein Besteuerungsrecht dem Grunde nach vorliegt.

Die Ermittlung, welches Land in welchem Ausmaß zur Wertsch¨opfung eines Unternehmens beitr¨agt, gestaltet sich schwierig: Durch Digitalisierung wurden Wertsch¨opfungsprozesse immer komplexer, wie etwa durch das Auftreten von Netzwerkeffekten. Zudem nimmt

184Anm.: Dadurch liegt ein

Treaty Override“ vor.

185Vgl. Hongler und Pistone 2015, S. 26.

186Vgl. Arbeitskreis Steuern der Schmalenbach-Gesellschaft f¨ur Betriebswirtschaft e.V. 2018, S. 130f.

187Vgl. OECD 2015a, S. 3.

188Siehe Arbeitskreis Steuern der Schmalenbach-Gesellschaft f¨ur Betriebswirtschaft e.V. 2018, S. 123f.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

die Bedeutung von Daten immer mehr zu - die zuvor unterst¨utzende Funktion von IT wird immer wichtiger: IT-Dienstleistungen, Software usw. liefern heutzutage wichtige Wertsch¨opfungsbeitr¨age f¨ur das Unternehmen. In Kapitel 4.4 wurde bereits ersichtlich, wie sehr Digitalisierung Wertsch¨opfungsprozesse ver¨andert und den Ort der Wertsch¨opfung verlagern kann, wodurch es auch zur ¨Anderung des Ortes der m¨oglichen Besteuerung kommt.189

Die Aufteilung der Wertsch¨opfung eines Konzerns zu den einzelnen Betriebsst¨atten erfolgt anhand des Instruments der Verrechnungspreise. Ebenso wie der Betriebsst¨attenbegriff sind auch die Regeln der Gewinnzuteilung zu einzelnen Staaten in einer Zeit entstan-den, in der traditionelle Gesch¨aftsmodelle vorherrschten. Deshalb wird es auch hier als notwendig erachtet, die Verrechnungspreisleitlinien in Einklang mit aktuellen wirtschaft-lichen Entwicklungen zu bringen.190

Nach kurzer Begriffsbestimmung sowie Darstellung der aktuellen Methoden der Verrech-nungspreisbestimmung im folgenden Kapitel, soll aufgezeigt werden, welche Probleme bei Anwendung dieser Prinzipien auf digitale Betriebsst¨atten entstehen und welche Adaptie-rungen daher erforderlich sind.

5.2.1 Verrechnungspreise und aktuelle Verrechnungspreismethoden

Bei der Einkommensermittlung von international t¨atigen Konzernen m¨ussen auch die Wirtschaftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen erfasst werden. Aus diesem Grund m¨ussen f¨ur den Austausch von Lieferungen und Leistungen innerhalb des multinationalen Unternehmens Preise festgelegt werden - die Verrechnungspreise.191Diese dienen in weite-rer Folge dazu, den Gewinn vor Steuern eines internationalen Konzerns auf jene L¨ander, in denen das Unternehmen durch eine Betriebsst¨atte o.¨a. vertreten ist, aufzusplitten.192 Je nachdem wie der Verrechnungspreis bestimmt wird, kommt es zur Verschiebung der Be-steuerungsrechte zwischen den Jurisdiktionen. Die Unternehmen haben einen Anreiz, die Verrechnungspreise so zu gestalten, dass der Großteil der Gewinne im Niedrigsteuerland besteuert wird, denn das Ziel der Konzerne ist es, den Gewinn nach Steuern zu maximie-ren. Die L¨ander, in denen das multinationale Unternehmen aktiv ist, m¨ochten wiederum ein m¨oglichst großes St¨uck vom

”Steuerkuchen“ und pr¨ufen daher die Bestimmung der

189Vgl. Arbeitskreis Steuern der Schmalenbach-Gesellschaft f¨ur Betriebswirtschaft e.V. 2018, S. 124f.

190Vgl. Brauner und Pistone 2018, [online].

191Vgl. V¨ogele und Fischer 2011, S. 41.

192Vgl. Dawid 2016, S. 2.

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte

Verrechnungspreise genau. Erfolgt eine unilaterale Anpassung kann Doppelbesteuerung die Folge sein. Aus diesem Grund sind Regelungen zur Berechnung von Verrechnungsprei-sen oftmals Bestandteil von Doppelbesteuerungsabkommen. Das Musterabkommen der OECD enth¨alt diesbez¨uglich Prinzipien und Leitlinien, die einzuhalten sind. Ebenso wur-den von der OECD Richtlinien zur Verrechnungspreisbestimmung und -dokumentation ver¨offentlicht, die als internationaler Standard gelten.193

Die wichtigsten, gesetzlichen Grundlagen auf internationaler Ebene bilden die Bestim-mungen in den DBA (v.a. Art 7 Abs 2 und Art 9 Abs 1 OECD-MA) sowie die Verrech-nungspreisrichtlinien (VPR). Da jedoch das Abkommensrecht keine neuen

Die wichtigsten, gesetzlichen Grundlagen auf internationaler Ebene bilden die Bestim-mungen in den DBA (v.a. Art 7 Abs 2 und Art 9 Abs 1 OECD-MA) sowie die Verrech-nungspreisrichtlinien (VPR). Da jedoch das Abkommensrecht keine neuen