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Digitale Wirtschaft - digitale Betriebsstätte?

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Academic year: 2022

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Elisabeth Hennerbichler, BSc

Digitale Wirtschaft - digitale Betriebsst¨ atte?

Eine explorative Literaturanalyse zur Identifikation m¨ oglicher Probleme einer digitalen Betriebsst¨ atte

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science

der Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universit¨at Graz

Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Rainer Niemann

Institut f¨ur Unternehmensrechnung und Steuerlehre

(2)

Ehrenw¨ ortliche Erkl¨ arung

Ich erkl¨are ehrenw¨ortlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbst¨andig und ohne fremde Hil- fe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen w¨ortlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wur- de bisher in gleicher oder ¨ahnlicher Form keiner anderen inl¨andischen oder ausl¨andischen Pr¨ufungsbeh¨orde vorgelegt und auch noch nicht ver¨offentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

. . . . Datum

. . . . Unterschrift

(3)

Gender Erkl¨ arung

Aus Gr¨unden der besseren Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der m¨annlichen Form geschlechtsunabh¨angig verstanden werden soll.

(4)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abk¨urzungsverzeichnis IV

Tabellenverzeichnis VI

Abbildungsverzeichnis VI

1 Einleitung 1

1.1 Relevanz der Thematik . . . 1

1.2 Problemstellung und Zielsetzung . . . 3

1.3 Aufbau der Arbeit . . . 4

2 Systematik der internationalen Besteuerung 6 2.1 Grunds¨atze des internationalen Steuerrechts . . . 6

2.2 Doppelbesteuerung . . . 7

2.2.1 Begriff der Doppelbesteuerung und ihre Vermeidung . . . 7

2.2.2 Doppelbesteuerungsabkommen . . . 8

2.3 Der Begriff der Betriebsst¨atte . . . 11

2.3.1 Die Betriebsst¨atte im ¨osterreichischen Ertragssteuerrecht . . . 11

2.3.2 Die Betriebsst¨atte im OECD-MA . . . 12

2.3.3 Entwicklung des Betriebsst¨attenbegriffs . . . 13

2.3.4 Das BEPS Projekt der OECD: Aktionsplan 7 . . . 13

2.3.5 Adaptierung des Betriebsst¨attenbegriffs durch das Multilaterale Ab- kommen . . . 15

2.3.6 Digitale Wirtschaft erfordert weitere Anpassungen bzw. eine Neu- konzeption des Betriebsst¨attenbegriffs . . . 18

(5)

Inhaltsverzeichnis

3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft 20

3.1 Digitalisierung der Wirtschaft . . . 20

3.2 Definition und Charakteristiken der digitalen Wirtschaft . . . 21

3.3 Steuerliche Herausforderungen durch die digitale Wirtschaft . . . 24

3.4 Challenge accepted: L¨osungsans¨atze f¨ur die Besteuerung der digitalen Wirt- schaft . . . 26

3.5 Neuer Nexus: Die digitale Betriebsst¨atte . . . 28

3.5.1 Ausgangspunkt: Vorschlag der OECD . . . 29

3.5.2 Analyse weiterer Literaturbeitr¨age . . . 32

3.5.3 Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen auf internationaler Ebene 35 3.5.4 Offene Fragestellungen zur digitalen Betriebsst¨atte . . . 38

4 Verprobung: Anwendbarkeit des Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte bei technologischen Innovationen der digitalen Welt 39 4.1 Vorgehensweise und Forschungsfragen . . . 39

4.2 Evaluierung von Fallstudienergebnissen digitaler Gesch¨aftsmodelle . . . 40

4.2.1 E-Commerce . . . 40

4.2.2 Cloud Computing . . . 43

4.2.3 Internet advertising . . . 45

4.2.4 Internet App Store . . . 46

4.3 Bestimmung von relevanten, technologischen Innovationen der digitalen Wirtschaft . . . 47

4.4 Fallstudienhafte Analyse von (technologischen) Innovationen bzw. Trends in der digitalen Welt . . . 49

4.4.1 3D Druck . . . 49

4.4.2 Autonome Fahrzeuge . . . 52

4.4.3 Smarte Lautsprecher . . . 55

4.4.4 Nutzerinteraktive Plattformen bzw. Sharing Economy . . . 57

4.5 Schlussfolgerungen aus der Analyse digitaler Innovationen . . . 59

(6)

Inhaltsverzeichnis

5 Probleme der digitalen Betriebsst¨atte 61

5.1 Herausforderungen bei der Implementierung des Konzepts . . . 61 5.1.1 Definitionsprobleme . . . 61 5.1.2 Rechtliche Aspekte der Umsetzung . . . 64 5.1.3 Einhaltung der Grundprinzipien der internationalen Besteuerung . . 65 5.1.4 Doppelbesteuerung: Implementation auf globaler Ebene notwendig . 65 5.2 Problem der Gewinnzuordnung . . . 66 5.2.1 Verrechnungspreise und aktuelle Verrechnungspreismethoden . . . . 67 5.2.2 Digitale Wirtschaft: Probleme der zwischenstaatlichen Erfolgsab-

grenzung . . . 71 5.2.3 Adaptierung der Verrechnungspreismethoden f¨ur die Gewinnzutei-

lung zu einer digitalen Betriebsst¨atte . . . 75 5.2.4 Alternativkonzepte . . . 79 5.3 Zwischenfazit: Kriterien f¨ur eine effiziente Implementierung . . . 80

6 Zusammenfassung und Fazit 83

Literaturverzeichnis VII

(7)

Abk¨urzungsverzeichnis

Abk¨ urzungsverzeichnis

Abs Absatz

AOA Authorized OECD Approach

Anm. Anmerkung

Art Artikel

B2B Business to Business

B2C Business to Consumer

BEP S Base erosion and profit shifting

BIP Bruttoinlandsprodukt

BM F Bundesministerium f¨ur Finanzen bspw. beispielsweise

bzgl. bez¨uglich

bzw. beziehungsweise

CAD Computer-Aided Drawing

CF E Confederation Fiscale Europeene

DBA Doppelbesteuerungsabkommen

E−Commerce Electronic Commerce

EStG Einkommensteuergesetz

etc. etcetera

EU Europ¨aische Union

GAT T General Agreement on Tariffs and Trade

gem. gem¨aß

GKKB Gemeinsame konsolidierte K¨orperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage ICT Information and communications technology

idF in der Fassung

idR in der Regel

iHv in der H¨ohe von

IP Internetprotokoll

iSd im Sinne des

(8)

Abk¨urzungsverzeichnis

IT Informationstechnologie

iZm im Zusammenhang mit

KStG K¨orperschaftsteuergesetz

lit litera

LLC Limited Liability Company M LI Multilateral Instrument o.¨a. oder ¨ahnlichem

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OECD−M A OECD Musterabkommen

OECD−M K OECD Musterkommentar

u.a. unter anderem

U N United Nations

U SA United States of America

usw. und so weiter

u.v.m. und viele mehr

v.a. vor allem

vgl. vergleiche

V P Verrechnungspreis

V P R Verrechnungspreisrichtlinien

z.B. zum Beispiel

(9)

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

2.1 Anrechnungs- versus Freistellungsmethode . . . 10

Abbildungsverzeichnis

1 Platz 1-20 der gr¨oßten b¨orsennotierten Unternehmen . . . 2

2 Zusammenspiel technologischer Innovationen f¨uhrt zur Digitalisierung der Wirtschaft . . . 21

3 Prozentanteil der weltweiten Exporte von IT-Services in Milliarden US Dollar 23 4 Definition der digitalen Betriebsst¨atte von Hongler und Pistone (2015) . . 33

5 Anzahl der Online-Shopper (in Prozent) in ¨osterreichischen Haushalten von 2003-2017 . . . 41

6 Prozentuelle Nutzung von Cloud Computing in Unternehmen (Unterschei- dung nach Unternehmensgr¨oße) . . . 44

7 40 Technologien der Zukunft . . . 48

8 Ver¨anderung des Produktionsprozesses durch 3D Druck . . . 50

9 Verrechnungspreismethoden im ¨Uberblick . . . 69

10 Darstellung der Wertbeitragsanalyse (oben) und Residualgewinnanalyse (unten) . . . 77

(10)

1 Einleitung

1 Einleitung

Globalisierung und Digitalisierung sind zwei Schlagworte, welche die Wirtschaft in heuti- gen Zeiten stark pr¨agen. Immer mehr Gesch¨aftstransaktionen finden grenz¨uberschreitend und online ¨uber das Internet statt. Dieser Wandel hin zu einer digitalen Wirtschaft1 f¨uhrt auch zu großen Herausforderungen in der Besteuerung dieser Aktivit¨aten. Grunds¨atzlich gilt gem. Artikel 7 OECD-Musterabkommen (OECD-MA)2, dass jenem Staat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, das Besteuerungsrecht zusteht. Wird das Unternehmen jedoch in einem anderen Land ¨uber eine dort gelegene Betriebsst¨atte t¨atig, hat auch der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht an den - der Betriebsst¨atte zurechenbaren - Gewinnen.

Um Doppelbesteuerung zu vermeiden, wendet der Ans¨assigkeitsstaat eine Vermeidungs- norm laut dem zur Anwendung kommenden Doppelbesteuerungsabkommen an.

Die seit langem bestehende Regelung bez¨uglich der Aufteilung der Besteuerungsrechte st¨oßt jedoch mittlerweile an ihre Grenzen. Das Konzept der Betriebsst¨atte kn¨upft an eine physische Pr¨asenz im Quellenstaat an - ein Kriterium, welches in der digitalen Wirtschaft nicht notwendig ist.

1.1 Relevanz der Thematik

Informations- und Kommunikationstechnologien haben es in den vergangenen Jahren m¨oglich gemacht, in einem Land t¨atig zu werden, ohne dort eine feste Gesch¨aftseinrichtung zu besitzen. Fehlt jedoch der steuerliche Ankn¨upfungspunkt mangels Vorliegen einer Be- triebsst¨atte, k¨onnen Gewinne von IT-Unternehmen wie Alphabet3, Amazon oder Face- book im Quellenstaat nicht besteuert werden. Dies f¨uhrt zu großen Protesten der betrof- fenen Staaten, denen durch bestehende Regelungen bedeutendes Steuersubstrat verloren geht. Denn immerhin sind diese Unternehmen auch jene, welche – gewichtet nach der Marktkapitalisierung – die weltweit gr¨oßten b¨orsennotierten Unternehmen darstellen und j¨ahrlich Milliardengewinne erzielen. 4 Der Vormarsch namhafter IT-Unternehmen wird durch Abbildung 1 gut ersichtlich.

1 Zur Definition der digitalen Wirtschaft siehe OECD 2015a, S. 15.

2 Es wird auf das OECD-Musterabkommen idF Update 2014 Bezug genommen. Ein Entwurf sowie eine gek¨urzte Version des OECD-MA idF Update 2017 ist bereits vorhanden, die endg¨ultige Version ist zum aktuellen Stand (15. September 2018) jedoch noch nicht ver¨offentlicht.

3 Anm.: Alphabet ist das Mutterunternehmen von Google.

4 Vgl. PwC 2017, [online].

5 Entnommen aus: PwC 2017, S. 35.

(11)

1 Einleitung

Abbildung 1: Platz 1-20 der gr¨oßten b¨orsennotierten Unternehmen5

Neue Besteuerungsregelungen, die der digitalen Wirtschaft gerecht werden und eine faire Aufteilung der Besteuerungsrechte, d.h. eine Besteuerung am Ort der generierten Wert- sch¨opfung, zwischen den Staaten garantieren, werden daher gefordert. Auf die Missst¨ande diesbez¨uglich aufmerksam geworden, initiierte die OECD im Jahr 2015 das BEPS-Projekt.

Das Projekt wurde mit dem Ziel, die Steuervermeidungspolitik internationaler Konzerne einzud¨ammen, gestartet und befasst sich in Aktionsplan 1 mit Herausforderungen durch die digitale Wirtschaft. Ebenso soll die M¨oglichkeit, das Bestehen einer Betriebsst¨atte k¨unstlich zu vermeiden, unterbunden werden (Aktionsplan 7). Eine Adaptierung der Be- triebsst¨attendefinition hat durch ein multilaterales Abkommen (MLI) bereits Eingang in so manche OECD-Doppelbesteuerungsabkommen gefunden. Jedoch muss beachtet wer- den, dass es den L¨andern im Rahmen des MLI m¨oglich war, flexibel zu bestimmen welche Anderungen ¨¨ ubernommen werden - die jeweils g¨ultige DBA-Definition der Betriebsst¨atte ist daher im Einzelfall zu ¨uberpr¨ufen.

Manche Staaten, wie etwa Israel, haben bereits unilaterale Maßnahmen f¨ur die Besteue- rung der digitalen Wirtschaft gesetzt. Israel ist dahingehend besonders interessant, da hier schon das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte eingef¨uhrt wurde. Im April 2016 ver¨offentlichte die israelische Steuerbeh¨orde ein Rundschreiben, wo erkl¨art wurde, dass ausl¨andische Unternehmen auch bei einer signifikanten digitalen Pr¨asenz bereits eine Be- triebsst¨atte in Israel begr¨unden k¨onnen - ein physischer Ankn¨upfungspunkt ist nicht er- forderlich.6

6 Vgl. OECD 2017c, S. 17. N¨ahere Ausf¨uhrungen diesbez¨uglich finden sich in Kapitel 3.5.3.

(12)

1 Einleitung

1.2 Problemstellung und Zielsetzung

Durch die Anpassung des Betriebsst¨attenbegriffs im OECD-MA wird zwar die Schwel- le, ab welcher der Quellenstaat unternehmerische Gewinne steuerlich erfassen kann, ge- senkt - strukturelle Probleme werden jedoch kaum gel¨ost. Denn immer noch ist die physi- sche Pr¨asenz der entscheidende Ankn¨upfungspunkt f¨ur das Bestehen eines Besteuerungs- rechts.7 Als eine M¨oglichkeit zur Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft wird die digitale Betriebsst¨atte gesehen - eine genaue ¨Uberpr¨ufung der Sinnhaftigkeit bzw. Anwendbarkeit dieser Neukonzeption wird jedoch bisher vermisst. Des Weiteren ist fraglich, ob aktuelle Regelungen der Gewinnzuteilung von Konzernen zu den (digitalen) Betriebsst¨atten noch ad¨aquat sind. Das erkl¨arte Ziel der OECD ist es außerdem, Gewinne dort zu besteuern, wo die Wertsch¨opfung generiert wird.8 Diesbez¨uglich fehlt jedoch die Erl¨auterung, wo und wie bei Gesch¨aften der digitalen Wirtschaft Wert generiert wird.

Ziel der Masterarbeit ist es daher, die Gesch¨aftsmodelle der digitalen Wirtschaft genauer zu betrachten um festzustellen, ob und wie die aktuellen Besteuerungsregelungen adaptiert werden m¨ussen. Durch Identifikation und Analyse wichtiger technologischer Innovationen soll zudem das Potenzial f¨ur die Wirtschaft, aber auch die resultierenden Herausforderun- gen f¨ur den Fiskus dargestellt werden.

Weiters sollen im Rahmen der Masterarbeit die weitreichenden Konsequenzen der Einf¨uhr- ung der digitalen Betriebsst¨atte aufgezeigt werden. Denn das Besteuerungsrecht durch eine digitale Betriebsst¨atte n¨utzt dem Staat relativ wenig, wenn dieser Betriebsst¨atte laut aktuellen Verrechnungspreisprinzipien dann keine bzw. kaum Gewinne zugeteilt werden k¨onnen.

Das seit langem bestehende Betriebsst¨attenkonzept hat gewiss einen Reformbedarf - ob jedoch die Einf¨uhrung einer digitalen Betriebsst¨atte zielf¨uhrend ist, ist fraglich und soll

¨uberpr¨uft werden. Durch die kritische Analyse soll dem ¨osterreichischen Fiskus ein wich- tiger Beitrag bez¨uglich der Frage, ob ein Konzept der digitalen Betriebsst¨atte tats¨achlich eine M¨oglichkeit darstellt, um einen gerechten Anteil am Gewinn multinationaler Konzer- ne in ¨Osterreich besteuern zu k¨onnen, geliefert werden. Ebenso sollen mit dieser Arbeit die Probleme der digitalen Betriebsst¨atte aufgezeigt werden und so ein Fazit ¨uber den Wert bzw. die Sinnhaftigkeit dieses Besteuerungskonzepts erm¨oglichen.

7 Vgl. Kofler, Mayr und Schlager 2017, S. 372.

8 Vgl. OECD 2015a, S. 21.

(13)

1 Einleitung

Mithilfe der vorliegenden Arbeit sollen demnach die folgenden Fragestellungen beantwor- tet werden k¨onnen:

1. Werden die aktuellen internationalen Besteuerungsregelungen der digitalen Wirt- schaft gerecht?

2. Ist das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte zielf¨uhrend um technologische Innova- tionen ad¨aquat zu besteuern?

3. Welche Probleme bringt die Einf¨uhrung einer digitalen Betriebsst¨atte mit sich?

Kann eine Empfehlung f¨ur die Einf¨uhrung der digitalen Betriebsst¨atte ausgespro- chen werden?

1.3 Aufbau der Arbeit

Um eine klare Struktur zu schaffen, ist die vorliegende Masterarbeit in sechs Kapitel unterteilt, wobei die einzelnen Kapitel die folgenden Inhalte umfassen.

Im ersten Kapitel wird in das Thema durch Hervorhebung der Aktualit¨at und Relevanz der Problematik eingef¨uhrt. Die sich aus der Problemstellung ergebende Zielsetzung sowie der Aufbau der Arbeit werden in einem n¨achsten Schritt kurz dargestellt.

Um sich der Thematik zu n¨ahern, sollen in Kapitel 2 die Grundlagen des internationalen Steuerrechts, die Problematik der Doppelbesteuerung und ihre Vermeidung abgehandelt werden. Ebenso wird der Begriff der Betriebsst¨atte analysiert, wobei zun¨achst auf die Ent- wicklung und die Definition des Betriebsst¨attenbegriffs im OECD-MA 2014 eingegangen wird. In einem weiteren Schritt wird die Adaptierung des Betriebsst¨attenbegriffs durch das MLI betrachtet. Da jedoch der aktuelle Begriff die Probleme durch die Digitalisierung der Wirtschaft - nach Meinung zahlreicher Politiker - unzureichend l¨ost, schl¨agt u.a. die

¨osterreichische Regierung das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte vor. 9

Bevor dieses Konzept n¨aher erl¨autert wird, soll in Kaptitel 3 der vorliegenden Arbeit genauer beleuchtet werden, was unter dem Begriff der digitalen Wirtschaft verstanden werden kann und wie sich die Wirtschaft durch Informations- und Kommunikationstech- nologien ver¨andert hat. Schwerpunkt dieses Kapitels wird vor allem sein, die Charakte- ristiken digitaler Gesch¨aftsmodelle auszuarbeiten, um so aufzuzeigen, wo grundlegende Herausforderungen in der Besteuerung liegen. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird

9 Vgl. ¨Osterreichische Bundesregierung 2017.

(14)

1 Einleitung

evaluiert, wie sich das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte pr¨asentieren k¨onnte. Dabei sollen Vorschl¨age bez¨uglich steuerlicher Ankn¨upfungspunkte verglichen werden und so ein m¨ogliches Konzept identifiziert werden, anhand dessen in weiterer Folge in Kapitel 4 die Anwendbarkeit der digitalen Betriebsst¨atte auf Gesch¨aftsmodelle der digitalen Wirtschaft untersucht werden kann.

In Kapitel 4 sollen durch Analyse von Beispielen digitaler Gesch¨aftsmodelle die Heraus- forderungen in der Besteuerung dieser Gesch¨afte ersichtlich werden. Da jedoch keinesfalls behauptet werden kann, dass der Wandel der Gesch¨aftsmodelle durch die Digitalisierung bereits abgeschlossen ist, soll exemplarisch anhand technologischer Innovationen und Zu- kunftstrends gezeigt werden, welche neuen Schwierigkeiten f¨ur die Besteuerung digitaler Gesch¨aftsmodelle dadurch hervortreten k¨onnen. Nach Identifikation der relevanten tech- nologischen Innovationen wird zun¨achst ein grundlegendes Verst¨andnis ¨uber die Funkti- onsweise der jeweiligen Innovation geschaffen. Darauf aufbauend soll dargestellt werden, ob anhand der aktuellen Betriebsst¨attendefinition bereits ein Besteuerungsrecht f¨ur den Quellenstaat vorliegen kann, oder ob die Einf¨uhrung einer digitalen Betriebsst¨atte not- wendig bzw. sinnvoll ist.

Im f¨unften Kapitel werden anschließend die im Kapitel 4 bereits exemplarisch darge- stellten Herausforderungen bei der Anwendung des Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte genauer analysiert. Die Untersuchung der Konsequenzen bzw. Probleme der Einf¨uhrung eines Konzepts der digitalen Betriebsst¨atte stellt einen Schwerpunkt der Masterarbeit dar.

Schl¨usselkriterium ist nicht nur die Einhaltung von bestehenden Besteuerungsprinzipien, sondern vor allem auch die M¨oglichkeit der Gewinnzuteilung zur digitalen Betriebsst¨atte.

Dabei ergeben sich große Schwierigkeiten bei der Anwendung bestehender Verrechnungs- preisleitlinien der OECD. Zudem wird aufgezeigt, dass unilaterale Einzelaktionen kaum zielf¨uhrend sind und eine globale Implementation der digitalen Betriebsst¨atte erschweren.

Ob die Probleme der digitalen Betriebsst¨atte ein zu großes Hindernis f¨ur die erfolgreiche Implementation des Konzepts darstellen, soll in Kapitel 6 zusammengefasst werden. Ein Fazit und ein Ausblick auf m¨ogliche weitere Entwicklungen und den weiteren Forschungs- bedarf runden die Arbeit mit diesem Kapitel ab.

(15)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

2 Systematik der internationalen Besteuerung

Um sich der Problematik zu n¨ahern, ist es erforderlich die Grundlagen der internationalen Besteuerung kurz darzustellen. In diesem Sinn sollen im folgenden Kapitel die Grundlagen des internationalen Steuerrechts, die Problematik der Doppelbesteuerung und ihre Ver- meidung kurz abgehandelt werden. Im n¨achsten Schritt soll der Begriff der Betriebsst¨atte analysiert werden. Dazu wird zun¨achst auf die Entwicklung und bisher g¨ultigen Definiti- on des Begriffs eingegangen. Die durch das BEPS-Projekt der OECD im Aktionsplan 7 vorgeschlagenen ¨Anderungen wurden 2017 durch das MLI teilweise in bestehenden Dop- pelbesteuerungsabkommen g¨ultig. Ebenso wird noch f¨ur dieses Jahr das OECD-MA idF Update 2017 mit Adaptierungen des Betriebsst¨attenbegriffs erwartet. Die aktuell g¨ultige Definition soll in diesem Kapitel dargestellt werden, bevor anschließend analysiert wird, ob dieses Definition den ge¨anderten Rahmenbedingungen der Wirtschaft durch die Digi- talisierung gerecht wird.

2.1 Grunds¨ atze des internationalen Steuerrechts

Das internationale Steuerrecht kommt zur Anwendung, wenn nat¨urliche oder juristische Personen grenz¨uberschreitend t¨atig werden. Als Rechtsquelle ist - neben nationalen Nor- men, die sich auf internationale Sachverhalte berufen (nationales Außensteuerrecht) - das V¨olkervertragsrecht (DBA zwischen einzelnen Staaten) von großer Relevanz. Ebenso m¨ussen Richtlinien, Verordnungen und ¨ahnliches der EU als supranationale Rechtsquelle beachtet werden.10

Die einzelnen Rechtsquellen sind alle gemeinsam zu beachten. ¨Osterreich ist als Mitglied der EU an die Einhaltung des europ¨aischen Rechtes gebunden. Liegt ein internationaler Steuersachverhalt vor, muss neben der ¨Uberpr¨ufung von nationalen Gesetzestexten - bei Vorliegen eines DBA zwischen den betroffenen Staaten - zudem auch gepr¨uft werden, ob der nach nationalen Rechtsvorschriften vorliegende Besteuerungsanspruch tats¨achlich Geltung erlangt, oder ob Besteuerungsrechte durch das DBA eingeschr¨ankt werden.11 Jeder Staat darf aufgrund des Souver¨anit¨atsprinzips innerhalb seines Hoheitsgebietes Steueranspr¨uche autonom festlegen. Eingeschr¨ankt wird die Souver¨anit¨at nur durch die Souver¨anit¨at anderer Staaten sowie durch supranationale Vertr¨age (z.B. EU-Vertrag). Als Ankn¨upfungspunkte f¨ur ein Besteuerungsrecht gelten sowohl pers¨onliche als auch sachli-

10 Vgl. Doralt, Mayr und Ruppe 2013, S. 554f.

11 Vgl. Scheffler 2009, S. 113f.

(16)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

che Merkmale. Wird an die Person angekn¨upft, kann in Wohnsitzstaatsprinzip (Wohnsitz der nat¨urlichen Person bzw. Sitz der Gesch¨aftsleitung bei juristischen Personen) oder Na- tionalit¨atsprinzip (Staatsangeh¨origkeit der nat¨urlichen Personen bzw. zivilrechtlicher Sitz der juristischen Personen) unterschieden werden. Der Besteuerungsanspruch kann jedoch auch aufgrund der sachlichen Beziehung zum Staat gerechtfertigt werden: Das Quellen- prinzip besagt, dass ein Besteuerungsrecht vorliegt, wenn inl¨andische Einkunftsquellen vorliegen.

Im n¨achsten Schritt wird der Umfang der Besteuerung bestimmt. Hierbei kann in Welt- einkommensprinzip (Besteuerung des in- und ausl¨andischen Einkommens) und Territoria- lit¨atsprinzip (Besteuerung der wirtschaftlichen Aktivit¨aten innerhalb des Staatsgebietes) differenziert werden. In ¨Osterreich wird das Welteinkommensprinzip angewendet, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz bzw. den Sitz der Gesch¨aftsleitung in ¨Osterreich hat (unbeschr¨ankte Steuerpflicht). Fehlt der Wohnsitz bzw. Sitz der Gesch¨aftsleitung in Osterreich, ist der Steuerpflichtige mit dem in ¨¨ Osterreich erwirtschafteten Einkommen steuerpflichtig (beschr¨ankte Steuerpflicht). Werden die ausl¨andischen Eink¨unfte sowohl im Inland (Wohnsitzstaatprinzip in Kombination mit Welteinkommensprinzip) als auch im Ausland besteuert (Quellenprinzip in Kombination mit Territorialit¨atsprinzip) liegt Doppelbesteuerung vor.12

2.2 Doppelbesteuerung

2.2.1 Begriff der Doppelbesteuerung und ihre Vermeidung

Ist ein Steuerpflichtiger grenz¨uberschreitend t¨atig, l¨asst sich der Sachverhalt der Doppel- besteuerung meist nicht vermeiden. ¨Osterreich besteuert als Ans¨assigkeitsstaat nach dem Welteinkommensprinzip, wodurch - sofern der Quellenstaat gem¨aß Territorialit¨atsprinzip die in jenem Staat erwirtschafteten Gewinne besteuert - die ausl¨andischen Eink¨unfte dop- pelt besteuert werden.

Je nach Identit¨at des Steuersubjekts kann in wirtschaftliche und juristische Doppelbe- steuerung unterschieden werden. Wird derselbe Steuerpflichtige von zwei oder mehreren Staaten f¨ur den gleichen Steuertatbestand und im selben Zeitraum der Besteuerung un- terworfen, liegt eine juristische Doppelbesteuerung vor. Unterscheidet sich jedoch das Steuersubjekt, wird von einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gesprochen.13

12 Vgl. Br¨ahler 2010, S. 3-6. und Djanani und Pummerer 2011, S. 4ff.

13 Vgl. Br¨ahler 2010, S. 16ff. Zu den Ursachen der Doppelbesteuerung siehe S. 19f oder auch Scheffler 2009, S. 9-13.

(17)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

Um Doppelbesteuerung zu vermeiden, m¨ussen von den einzelnen Staaten Maßnahmen ge- troffen werden. Diese k¨onnen sowohl unilateraler Natur sein oder auch bilateral bzw. multi- national erfolgen. Zus¨atzlich gibt es noch supranationale Maßnahmen, wie etwa die von der EU erlassene und von den Mitgliedsstaaten anzuwendende Mutter-Tochter-Richtlinie.14 Unilaterale Maßnahmen werden von den Staaten eigenst¨andig beschlossen, d.h. ohne Ab- sprache mit anderen Staaten. In ¨Osterreich bildet §48 BAO die Basis f¨ur die unilaterale Vermeidung von Doppelbesteuerung. Effizienter bei der Beseitigung von Doppelbesteue- rung sind jedoch bilaterale Maßnahmen, d.h. Maßnahmen die von zwei Staaten getroffen werden (z.B. durch Abschluss eines DBA). In diesen Abkommen werden die Besteue- rungsrechte zwischen den beiden Staaten aufgesplittet. Um die oftmals komplexen Ver- handlungen zu vereinfachen, wurde von der OECD ein Musterabkommen entwickelt, an dem sich die ¨osterreichische Abkommenspraxis weitgehend orientiert. Eher selten kommen auch mulitlaterale Abkommen, d.h. Abkommen zwischen mehreren Staaten, zur Anwen- dung.15

2.2.2 Doppelbesteuerungsabkommen

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hat ¨Osterreich mit Stand J¨anner 2017 mit 90 Staaten ein DBA abgeschlossen.16 DBA sind bilaterale Vertr¨age, wobei jedes DBA f¨ur sich ein eigener Staatsvertrag ist und Unterschiede zwischen den verschiedenen DBA bestehen. Somit kann immer nur das jeweils g¨ultige DBA herangezogen werden. Dop- pelbesteuerungsabkommen bed¨urfen dabei keiner Transformation in das nationale Recht, sondern sind unmittelbar anwendbares Recht. Alslex speciales gehen DBA zudem inner- staatlichen Regelungen vor.17 Nur durch einen sogenannten

”Treaty Override“ h¨atte das nationale Recht alslex posterior Vorrang. Ein

”Treaty Override“ liegt vor, wenn durch neu geschaffenes nationales Recht, die Bestimmungen in den abgeschlossenen DBA beeinflusst bzw. ver¨andert werden. Die verfassungsrechtliche Korrektheit eines solchen unilateralen Vorgehens ist jedoch strittig.18

Kommt ein DBA zur Anwendung, kann eine Doppelbesteuerung durch die ausschließliche Zuordnung des alleinigen Besteuerungsrechts an einen Vertragsstaat vermieden werden.

14 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 11.

15 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 11f, Br¨ahler 2010, S. 21 und Djanani und Pummerer 2011, S. 8f.

16 Die aktuelle Auflistung der von ¨Osterreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen kann unter www.bmf.gv.at/steuern/int-steuerrecht/oesterreichische-doppelbesteuerungsabkommen.

html abgerufen werden.

17 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 19 und S. 412 sowie VwGH 30.4.1964, 880/62.

18 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 415 und Doralt, Mayr und Ruppe 2013, S. 559f, Rz 1312.

(18)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

D¨urfen jedoch grunds¨atzlich beide Staaten gewisse Eink¨unfte - wie zB. Betriebsst¨attenge- winne - besteuern, bedarf es einer Regelung um Doppelbesteuerung zu verhindern. In diesem Fall wendet idR der Ans¨assigkeitsstaat eine Vermeidungsmethode an. Im OECD- MA vorgesehene Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind:19

• Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt (Art 23a)

• Anrechnungsmethode (Art 23b)

Beispiel: Es liegen Eink¨unfte aus Gewerbebetrieb vor, d.h. Artikel 720 kommt zur Anwen- dung und der Ans¨assigkeitsstaat hat das Besteuerungsrecht. Besteht jedoch im anderen Vertragsstaat eine Betriebsst¨atte, hat dieser ebenfalls das Recht zur Besteuerung der Ge- winne, die der Betriebsst¨atte zugerechnet werden k¨onnen. In diesem Fall ist vorgesehen, dass der Ans¨assigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch Gebrauch des Methodenartikels vermeidet.21

Die Anrechnungsmethode sieht vor, dass bei Doppelbesteuerung der Ans¨assigkeitsstaat die im Quellenstaat eingeforderte Steuer auf die inl¨andische Steuerschuld anrechnet. Grund- s¨atzlich f¨uhrt diese Methode dazu, dass inl¨andische und ausl¨andische Investitionen der gleichen Steuerbelastung unterliegen - Kapitalexportneutralit¨at liegt vor. Jedoch ist der Anrechnungsbetrag begrenzt, d.h. die anrechenbare entrichtete Quellensteuer ist mit dem inl¨andischen Steuerbetrag, der auf die ausl¨andischen Eink¨unfte zu zahlen gewesen w¨are, beschr¨ankt. So wird vermieden, dass der Ans¨assigkeitsstaat wom¨oglich eine Steuergut- schrift gew¨ahren m¨usste. Bei der Freistellungsmethode hingegen, werden die ausl¨andischen Eink¨unfte nicht in die inl¨andische Bemessungsgrundlage aufgenommen - ein Progressi- onsvorbehalt ist jedoch idR vorgesehen. Dieser bewirkt, dass die Steuerschuld schließ- lich mit dem Durchschnittssteuersatz berechnet wird, der auf das Welteinkommen entfal- len w¨urde - d.h. das ausl¨andische Einkommen wird nur zur Ermittlung des Steuersatzes ber¨ucksichtigt. Wird die Freistellungsmethode angewandt, liegt Kapitalimportneutralit¨at vor: Es werden nur die inl¨andischen Eink¨unfte besteuert, wohingegen die ausl¨andischen Eink¨unfte immer dem ausl¨andischen Steuerniveau unterworfen sind. Dies bedeutet, dass die Investitionen unabh¨angig vom Ans¨assigkeitsstaat des investierenden Unternehmens immer im Staat der Investition besteuert werden.22

19 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 12 und Djanani und Pummerer 2011, S. 147.

20 Anm.: Es wird auf das OECD-MA idF Update 2014 Bezug genommen.

21 Vgl. Djanani und Pummerer 2011, S. 151.

22 Vgl. Moris Lehner 2015, S. 140 Rz 25, Bendlinger u. a. 2015, S. 12f und Djanani und Pummerer 2011, S. 9ff und S. 159-165.

(19)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

Im Fall von aktiven Eink¨unften wird in der ¨osterreichischen Abkommenspolitik haupts¨ach- lich die Freistellungsmethode angewendet, w¨ahrend bei passiven Eink¨unften23die Anrech- nungsmethode pr¨aferiert wird.24

In Tabelle 2.1 sind die Unterschiede zwischen der Anrechnungsmethode und Freistellungs- methode nochmals ¨ubersichtlich zusammengefasst.25

Tabelle 2.1: Anrechnungs- versus Freistellungsmethode

Anrechnungsmethode Freistellungsmethode Zielsetzung Kapitalexportneutralit¨at Kapitalimportneutralit¨at Einschr¨ankungen Anrechnungsh¨ochstbetrag Progressionsvorbehalt Anwendung v.a. bei aktiven Eink¨unften v.a. bei passiven Eink¨unften

Das OECD Musterabkommen (OECD-MA)

Das OECD-MA wurde mit dem Ziel der Harmonisierung von DBA entwickelt.26 Doppel- besteuerungsabkommen zwischen Industriel¨andern basieren meist auf dem OECD-MA, wohingegen bei Verhandlungen zwischen Industrie- und Entwicklungsl¨andern auf das UN- Musterabkommen zur¨uckgegriffen wird. Dieses versucht einen Kompromiss zwischen ka- pitalimportierenden und -exportierenden L¨andern zu erreichen.27

Die Artikel 1-5 des OECD-MA idF 2017 widmen sich dem Anwendungsbereich sowie Begriffsdefinitionen. Das Herzst¨uck des OECD-MA stellen die Artikel 6-8 bzw. 10-21 dar, die die Verteilungsnormen beschreiben. In Artikel 23a bzw. 23b werden die beiden grunds¨atzlichen Methoden zur Vermeidung von Doppelbesteuerung erl¨autert.28

Das OECD-MA wird ebenso wie der OECD-MK laufend von der OECD ¨uberarbeitet und so den aktuellen Entwicklungen angepasst. 2018 wird die finale Version des OECD- MA idF Update 2017 erscheinen, wo auch die aktuellen Erkenntnisse im Rahmen des

23 Darunter sind v.a. Eink¨unfte iSd Art. 10 (Dividenden), Art. 11 (Zinsen) und Art. 12 (Lizenzgeb¨uhren) des OECD-MA zu verstehen.

24 Vgl. Lang, Schuch und Staringer 2013, S. 22.

25 In Anlehnung an: Djanani und Pummerer 2011, S. 159.

26 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 401.

27 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 23.

28 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 418f.

(20)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

BEPS-Projekts der OECD einfließen werden.29

Große Relevanz f¨ur die vorliegende Masterarbeit haben vor allem Artikel 7, wo die Zu- teilung der Besteuerungsrechte von Unternehmensgewinnen geregelt wird, sowie Artikel 5, welcher die Betriebsst¨atte definiert. Zudem wird das OECD-MA idF Update 2014 auf- grund der Relevanz und Bedeutung als Ausgangsbasis f¨ur zahlreiche ¨osterreichische DBA in weiterer Folge als Grundlage f¨ur die Analysen in Kapitel 4 dienen.

2.3 Der Begriff der Betriebsst¨ atte

Um Unternehmensgewinne im Quellenstaat besteuern zu k¨onnen, ist gem. Art 7 OECD- MA das Vorliegen einer Betriebsst¨atte notwendig - ansonsten hat der Ans¨assigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht. Die Definition der Betriebsst¨atte ist daher von großer Wichtigkeit, denn nur wenn die Deklaration als solche m¨oglich ist, hat der Quellenstaat ein Recht auf die Besteuerung der Gewinne. Das Konzept der Betriebsst¨atte ist tief verankert im internationalen Steuerrecht und war bisher kaum großen ¨Anderungen unterworfen.

Mit dem Entstehen neuer, digitaler Gesch¨aftsmodelle ist jedoch auch die Forderung nach einem neuen Betriebsst¨attenbegriff immer lauter geworden.

2.3.1 Die Betriebsst¨atte im ¨osterreichischen Ertragssteuerrecht

Gem¨aß §98 Abs 1 Z3 EStG unterliegen Eink¨unfte aus Gewerbebetrieb der beschr¨ankten Steuerpflicht, wenn im Inland eine Betriebsst¨atte vorliegt oder ein st¨andiger Vertreter be- stellt wurde. Der Begriff der Betriebsst¨atte ist im nationalen Recht in §29 BAO definiert.

Dieser Paragraph stellt f¨ur ausl¨andische Unternehmer, die in ¨Osterreich wirtschaftlich t¨atig werden, den steuerlichen Ankn¨upfungspunkt f¨ur eine beschr¨ankte Steuerpflicht dar.

In§29 Abs 1 BAO wird die Betriebsst¨atte als

”jede feste ¨ortliche Anlage oder Einrichtung, die der Aus¨ubung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Gesch¨aftbetriebes gem. §31 BAO dient“ definiert. In §29 Abs 2 BAO wird festgelegt, welche Einrichtungen insbesondere als Betriebsst¨atte zu klassifizieren sind - dies sind u.a. die St¨atte der Gesch¨aftsleitung, Zweigniederlassungen, Warenlager und Bauausf¨uhrungen, die eine Dauer von sechs Mo- naten ¨ubersteigen. Steuerpflichtig sind in einem weiteren Schritt jedoch nur die auf die inl¨andische Betriebsst¨atte entfallenden Eink¨unfte.30

Liegt laut ¨osterreichischer Definition eine Betriebsst¨atte vor, muss ¨uberpr¨uft werden, ob auch die Kriterien des geltenden DBA-Rechts erf¨ullt sind. Denn liegt laut DBA-Recht

29 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 403ff.

30 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 43-46.

(21)

2 Systematik der internationalen Besteuerung

keine Betriebsst¨atte vor, hat ¨Osterreich auch kein Besteuerungsrecht. Ebenso gilt, dass das DBA keine Besteuerungsrechte begr¨unden darf, wenn laut§29 BAO keine Betriebsst¨atte vorliegt.31 Insgesamt betrachtet sind die Tatbestandsmerkmale des§29 BAO leicht erf¨ullt, w¨ahrend die Definition der Betriebsst¨atte in OECD-MA Art 5 enger gew¨ahlt ist.32 2.3.2 Die Betriebsst¨atte im OECD-MA

Grunds¨atzlich ist unter einer Betriebsst¨atte gem. Art 5 Abs 1 OECD-MA eine

”fes- te Gesch¨aftseinrichtung, durch die die Gesch¨aftst¨atigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausge¨ubt wird“ zu verstehen. Zus¨atzlich werden in weiterer Folge Tatbest¨ande angef¨uhrt, die vom Begriff der Betriebsst¨atte umfasst sind (Abs 2) und es wird fest- gelegt, dass auch bei Bauausf¨uhrungen der Tatbestand erf¨ullt sein kann (Abs 3). In Abs 4 hingegen werden Einrichtungen definiert, bei denen das Vorhandensein einer Be- triebsst¨atte grunds¨atzlich verneint wird. Dieser Ausnahmekatalog umfasst bspw.

”Ein- richtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von G¨utern oder Waren des Unternehmens benutzt werden“.33 Abs 5 widmet sich der sogenann- ten ”Vertreterbetriebsst¨atte“: Ein Unternehmen, dass durch einen Vetreter im anderen Land t¨atig wird, kann so auch unter bestimmten Umst¨anden ohne Existenz einer festen Gesch¨aftseinrichtung eine Betriebsst¨atte im jeweiligen Staat haben. Hilfreich in der An- wendung und Auslegung des Betriebsst¨attenbegriffs gem. Art 5 OECD-MA ist in weiterer Folge vor allem der OECD-MK.34

Die Definition der Betriebsst¨atte laut Artikel 5 OECD-MA unterscheidet sich in folgenden Punkten von jener des §29 BAO:

• Bauausf¨uhrungen sind gem. Artikel 5 OECD-MA ab einer Dauer von ¨uber 12 Mo- naten als Betriebsst¨atte zu betrachten, wohingegen die Schwelle gem. §29 Abs 2 lit c BAO bereits mit sechs Monaten angesetzt ist.

• Art 5 des OECD-MA enth¨alt in Abs 4 einen Ausnahmekatalog von Unterneh- menseinrichtungen wie bspw. Warenlager, welche nicht als Betriebsst¨atte gelten sollen. In §29 BAO Abs 2 lit b wird ein Warenlager hingegen als Beispiel f¨ur das Vorliegen einer Betriebsst¨atte genannt.

31 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 56 und BFG 15.7.2015, RV/7103360/2014.

32 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 59.

33 Siehe OECD-MA idF Update 2014 Art 5 Abs 4 lit a.

34 Vgl. Bendlinger u. a. 2015, S. 481f.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

• Der Begriff der Vertreterbetriebsst¨atte wird in der ¨osterreichischen Bundesabgaben- ordnung enger definiert. In §29 Abs 2 lit b BAO muss f¨ur den st¨andigen Vertreter eine Gesch¨aftsstelle bzw. eine anderwertige Gesch¨aftseinrichtung vorhanden sein, um eine Betriebsst¨atte zu konstituieren.35

2.3.3 Entwicklung des Betriebsst¨attenbegriffs

Der Betriebsst¨attenbegriff wurde bereits vor langer Zeit erstmalig eingef¨uhrt. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts, d.h. vor mehr als 100 Jahren, waren sich viele Staaten des Problems der Doppelbesteuerung bewusst und entsprechende Vertr¨age zur Vermeidung der Doppel- besteuerung wurden aufgesetzt. Im Jahr 1899 fand der Begriff der Betriebsst¨atte in einem Vertrag zwischen dem K¨onigreich Preußen und der K.K. ¨Osterreichischen Regierung be- reits Erw¨ahnung. Schon damals wurden bspw. Zweigniederlassungen, Fabrikationsst¨atten und st¨andige Vertreter als Betriebsst¨atte definiert. Die OECD entwickelte nach deren Gr¨undung im Jahr 1963 das erste OECD-MA. Der dabei definierte Betriebsst¨attenbegriff hat sich seither kaum ver¨andert: Die OECD hat etappenweise ¨Anderungen am OECD-MA und am OECD-MK vorgenommen, zu Art 7 gab es beim Update des OECD-MA im Jahr 2017 eine Adaptierung im Hinblick auf die Besteuerung des Betriebsst¨attengewinns. Der Tatbestand einer Betriebsst¨atte kn¨upfte jedoch nach wie vor an der physischen Pr¨asenz als Kriterium an. W¨ahrend sich der Betriebsst¨attenbegriff demnach nur marginal wei- terentwickelt hat, ver¨andert sich die Wirtschaft hingegen durch neue Entwicklungen in Technologie und Wissenschaft kontinuierlich.36

Durch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft haben sich die Gesch¨aftsmodelle stark ver¨andert und somit ist der aktuelle Betriebsst¨attenbegriff nur mehr bedingt ge- eignet, um ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates zu sichern. Um die Aktivit¨aten zur Steuervermeidung zahlreicher Unternehmen einzud¨ammen, steht auch die Adaptierung des Betriebsst¨attenbegriffs auf der Agenda des BEPS-Projekts. In Aktionsplan 7 wurde sich daher dem Betriebsst¨attenbegriff gewidmet - erste Anpassungen fanden durch ein multilaterales Abkommen bereits Eingang in so manche Doppelbesteuerungsabkommen (siehe Kapitel 2.3.5).

2.3.4 Das BEPS Projekt der OECD: Aktionsplan 7

Das OECD BEPS-Projekt wurde mit der Initiative gestartet, Steuervermeidungsprak- tiken multinationaler Konzerne einzud¨ammen. Durch das Ausnutzen von zahlreichen

35 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 231.

36 Vgl. S. Bendlinger 2017b, S. 1f und Moris Lehner 2015, S. 145f.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

Schlupfl¨ochern bei internationalen Besteuerungsregelungen - beispielsweise durch Gewinn- verlagerung in Niedrigsteuerstaaten - geht vielen Staaten Steuersubstrat verloren. Die BEPS Aktionspl¨ane sollen dem entgegenwirken. Die Abk¨urzung BEPS steht dabei f¨ur

”Base Erosion and Profit Shifting“. Das Projekt wurde 2013 gestartet und umfasst ins- gesamt 15 Aktionspl¨ane, wobei sich Aktionsplan 7 mit der Vermeidung der k¨unstlichen Umgehung des Betriebsst¨attenbegriffs befasst. Weitere Aktionspl¨ane, wie z.B. Aktionsplan 1 zu den Herausforderungen der digitalen Wirtschaft bzw. Aktionsplan 8-10 zu Neurege- lungen betreffend den Verrechnungspreisen, werden sp¨ater im Rahmen der Masterarbeit noch aufgegriffen.37

Aktionsplan 7 befasst sich mit der Verhinderung der k¨unstlichen Umgehung des Status als Betriebsst¨atte. M¨oglich ist dies f¨ur multinationale Konzerne durch Schaffung bestimmter Kommission¨arsstrukturen ohne unter die Definition der Vertreterbetriebsst¨atte zu fallen oder durch Ausnutzen der vorhandenen Ausnahmen des Art 5 Abs 4 OECD-MA. Dieser Ausnahmekatalog erm¨oglicht es bspw. ein Lager in ¨Osterreich zu unterhalten ohne dabei eine Betriebsst¨atte zu begr¨unden. Die Gewinne k¨onnen somit in ¨Osterreich nicht der Be- steuerung unterworfen werden, selbst wenn ein nicht unwesentlicher Anteil am Umsatz des Unternehmens hier erwirtschaftet werden w¨urde. Ziel des Aktionsplan 7 ist es daher, den Betriebsst¨attenbegriff dahingehend zu ¨andern, dass jene Staaten in denen wesentli- che Gewinne erwirtschaftet werden, nicht mehr aufgrund der k¨unstlichen Verhinderung des Tatbestands einer Betriebsst¨atte durch die Finger schauen, sondern auch ein Be- steuerungsrecht an den Gewinnen besitzen. M¨oglich wird dies laut Aktionsplan 7 durch folgende Maßnahmen:38

• Straffung des Ausnahmekatalogs in Art 5 Abs 4 OECD-MA:Eine Gesch¨afts- aktivit¨at wird nur mehr dann als Hilfst¨atigkeit angesehen, wenn diese bei Gesamt- betrachtung der Unternehmenst¨atigkeit eine solche darstellt. Ist das Hauptgesch¨aft eines Onlineh¨andlers bspw. der Handel von Waren, werden Warenlager ein essen- tieller Bestandteil im Gesch¨aftsprozess sein und somit nicht unter die Ausnahmen des Betriebsst¨attenbegriffs fallen. In Zukunft wird in jedem einzelnen Fall zu pr¨ufen sein, ob eine Ausnahme des Betriebsst¨attenbegriffs vorliegen kann - jeweils abh¨angig von der Gesch¨aftst¨atigkeit des Unternehmens.

• Ausweitung des Tatbestands einer Vertreterbetriebsst¨atte: Die Auslegung des Art 5 Abs 5 und Abs 6 f¨uhrte bislang in der Verwaltungspraxis zu Unklarhei-

37 Vgl. OECD 2013, S. 13-26.

38 Vgl. OECD 2015d, S. 9ff und S. Bendlinger 2017c, S. 11.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

ten - aus diesem Grund war eine Neufassung der beiden Abs¨atze im OECD-MA notwendig. Bisher konnten Unternehmen Kommission¨are einsetzen, um Gesch¨afte im Quellenstaat abzuwickeln - dieser handelte auf eigenen Namen und wurde somit in der Rechtsprechung oftmals als unabh¨angiger Vertreter gesehen, der keine Be- triebsst¨atte begr¨undet. Vertriebsgewinne des Unternehmens, f¨ur das der Vertreter t¨atig wurde, unterlagen somit nicht der Besteuerung im Quellenstaat. Hier soll ei- ne Versch¨arfung stattfinden, denn selbst wenn der Vertreter unabh¨angig agiert, soll eine Betriebsst¨atte vorliegen - und zwar dann, wenn dieser ausschließlich oder zu- mindest haupts¨achlich f¨ur ein Unternehmen agiert und eine wesentliche Rolle beim Abschließen von Vertr¨agen spielt.39

• Anti-Fragmentation-Rule:Durch Aufteilung zusammengeh¨origer Gesch¨aftsakti- vit¨aten in kleine Einheiten konnte oftmals der Tatbestand einer Betriebsst¨atte ver- mieden werden - hier soll nun eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlich zusammen- geh¨origen Gesch¨aftst¨atigkeiten stattfinden, um festzustellen ob eine Betriebsst¨atte vorliegt.

Mit den vorgeschlagenen ¨Anderungen der OECD wird der Betriebsst¨attenbegriff enger gefasst und den Quellenstaaten mehr Besteuerungsrechte verliehen. Jedoch ist umstritten, ob sich der Verwaltungsmehraufwand im Vergleich zu den Gewinnen, die tats¨achlich den Betriebsst¨atten in den Quellenstaaten zugeteilt werden k¨onnen, lohnt. Dies zweifeln auch kritische Beitr¨age zahlreicher Wirtschaftsteilnehmer in den ver¨offentlichten Kommentaren zu BEPS Aktionsplan 7 an.40

Die ¨Uberarbeitungen des Betriebsst¨attenbegriffs durch die Erkenntnisse des BEPS Akti- onsplan 7 fanden Eingang in das OECD-MA idF Update 2017. Um auch bei bestehenden DBA die Betriebsst¨attendefinition enger zu fassen, entschied sich die OECD f¨ur ein mul- tilaterales Abkommen.

2.3.5 Adaptierung des Betriebsst¨attenbegriffs durch das Multilaterale Abkommen Um die Neukonzeption des Begriffs der Betriebsst¨atte auf die aktuellen DBA anwenden zu k¨onnen, wurde als Implementierungsinstrument ein mulitlaterales Abkommen (MLI) gew¨ahlt. Ein multilaterales Abkommen ist ein ¨Ubereinkommen mehrerer Staaten, mit Hil- fe dessen die gleichzeitige ¨Anderung aller bestehenden DBA zwischen den Staaten, die das

39 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 251-256.

40 Vgl. OECD 2015c und S. Bendlinger 2016, S. 257.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

MLI unterzeichnet haben, m¨oglich ist. Damit k¨onnen u.a. die vorgeschlagenen Adaptie- rungen des Betriebsst¨attenbegriffs rasch in bereits existierende DBA ¨ubernommen werden.

Die Entwicklung des multilateralen Abkommens war Bestandteil des Aktionsplans 15, um die weltweit mehr als 3.500 DBA schnell adaptieren zu k¨onnen. Haben beide Vertrags- parteien eines DBA das MLI unterzeichnet, sind neben dem jeweiligen DBA zus¨atzlich auch die Erg¨anzungen des MLI zu ber¨ucksichtigen. Das MLI ersetzt demnach nicht die bestehenden DBA, sondern passt lediglich deren Inhalt an.41

Das 49 Seiten umfassende Abkommen wurde im Juni 2017 in Paris von ¨Osterreich gemein- sam mit 67 anderen OECD- bzw. G20-Staaten unterzeichnet.42Weitere Unterzeichnungen sind jederzeit m¨oglich - mit Stand 22.3.2018 haben bereits 78 Staaten das MLI unterzeich- net, weitere Staaten sollen noch folgen.43

Das MLI kann direkt angewendet werden - spezielle legistische Maßnahmen zur Umset- zung in ¨osterreichisches Recht sind nicht erforderlich. Mit der Genehmigung des National- rats und des Bundesrats ¨Osterreichs Ende Juni 2017 ist das Ratifikationsverfahren bereits abgeschlossen. Gem¨aß Art 34 MLI ist die Ratifizierung von insgesamt 5 Staaten erforder- lich bevor das Abkommen g¨ultig werden kann. Nach ¨Ubermittlung der Ratifizierungsur- kunde Sloweniens Anfang 2018, konnte die OECD am 22. M¨arz 2018 das Inkrafttreten mit 1. Juli 2018 verk¨unden. Das MLI ist nun zwischen jenen Staaten, die bereits den Ratifizierungsprozess abgeschlossen haben, anwendbar. F¨ur ¨Osterreich gilt das MLI dann in Bezug auf die DBA zu Polen und Slowenien. Mit den beiden weiteren Staaten Isle of Man und Jersey hat ¨Osterreich kein DBA. Mit anderen DBA-Staaten kann das MLI eben- falls noch bereits 2019 anwendbar sein, sofern diese die Ratifizierungsurkunde bis 1. Juli 2018 an die OECD ¨ubermitteln.44 Um bei Inkraftreten des MLI f¨ur Rechtssicherheit zu sorgen, steht es den Staaten frei, konsolidierte Neufassungen der betroffenen bilateralen Abkommen zu verfassen, wodurch die Wirkung des MLI auf die jeweiligen DBA besser erkenntlich wird.45 Zudem bietet die OECD zur besseren ¨Ubersicht eine

”MLI Matching Database“ an, woraus ersichtlich wird, welche Artikel des MLI zwischen zwei Staaten zur

41 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 25 und S. 257f und Lang 2017, S. 625.

42 Vgl. Jirousek, Z¨ohrer und Dziwinski 2017, S. 393.

43 Anm.: Bei letztmaligen Abruf der OECD-Liste der unterzeichneten L¨andern am 13.9.2018 hat sich diese Zahl bereits auf 83 Staaten erh¨oht. Eine aktuelle Liste aller unterzeichneter Staaten kann auf der Homepage der OECD abgerufen werden, siehehttp://www.oecd.org/tax/treaties/

beps-mli-signatories-and-parties.pdf.

44 Zum Abruf des aktuellen Standes siehe http://www.oecd.org/tax/treaties/

beps-mli-signatories-and-parties.pdf.

45 Vgl. Jirousek 2017, S. 632f sowie S. 638 und Jirousek, Z¨ohrer und Dziwinski 2017, S. 393.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

Anwendung kommen k¨onnen.46

Eines der Hauptcharakteristika des MLI ist die große Flexibilit¨at, die den Staaten ein- ger¨aumt wird. Es besteht nicht nur die Wahl, bei welchen DBA das MLI gelten soll, sondern es besteht auch bei vielen Artikeln die M¨oglichkeit zwischen Optionen zu w¨ahlen bzw. durch Positionierung eines Vorbehalts die Anwendbarkeit eines Artikels auszuschlie- ßen. Nur f¨unf Artikel betreffend dem Bereich Abkommensmissbrauch und Streitbeilegung sind sogenannte Mindeststandards und zwingend einzuhalten - bei rund 80% der Arti- kel besteht freie Entscheidungswahl hinsichtlich deren Anwendung. Ziel der Einr¨aumung der Flexibilit¨at war es, so viele Staaten wie m¨oglich zur Unterfertigung des Abkommens zu bewegen - die Effektivit¨at und Transparenz des MLI wird durch die Durchsetzung einzelner nationaler Interessen jedoch leiden. Viele Staaten waren sehr vorsichtig bei der Auswahl der anwendbaren Artikel - wom¨oglich auch deshalb, weil es nur im Rahmen des Unterschriften- und Ratifizierungsprozesses erlaubt ist, Vorbehalte einzulegen und Artikel auszuschließen.47

Osterreichische Positionen im Rahmen des MLI¨

Das MLI wird bei jenen ¨osterreichischen DBA zu ber¨ucksichtigen sein, wo auch der jeweils andere Vertragsstaat das MLI unterzeichnet hat. Dies ist mit Stand 3. Juli 2018 bei 38 von insgesamt ca. 90 abgeschlossenen DBA der Fall.48 Die von ¨Osterreich ¨ubernommenen Anderungen werden jedoch nur dann f¨¨ ur das jeweilige DBA wirksam, wenn der andere Vertragsstaat ebenso die gleiche Optionenwahl getroffen hat bzw. keinen Vorbehalt gegen die Anwendung eines Artikels eingelegt hat. D.h. es muss im Einzelfall ¨uberpr¨uft werden, welche Artikel des MLI zur Anwendung kommen und welche nicht. Fokussiert man dabei auf den Bereich des MLI, der sich mit ¨Anderungen bez¨uglich des Betriebsst¨attenbegriffs befasst, dann bleiben 15 DBA ¨ubrig, wo die neue Definition hinsichtlich Art 5 Abs 4 (Ausweitung des Ausnahmekatalogs) zur Anwendung gelangt.

Wie bereits erw¨ahnt, gaben sich viele Staaten hinsichtlich der ¨ubernommenen ¨Anderungen vorsichtig - so auch ¨Osterreich. Maßnahmen, die im Rahmen des Aktionspunkts 7 des BEPS-Projekts vorgeschlagen wurden, werden nur teilweise ¨ubernommen: ¨Osterreich legte Vorbehalte bei den ¨Anderungen im Hinblick auf die Vertreterbetriebsst¨atte und in Bezug auf die Anti-Fragmentation-Rule ein. Einzig bei der Ausweitung des Ausnahmekatalogs

46 ur n¨ahere Informationen siehe https://www.oecd.org/tax/treaties/mli-matching-database.

htm

47 Vgl. Hap 2017,[online] und Jirousek und Z¨ohrer 2017, S. 218f.

48 Quelle: IBFD Tax Research Platform.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

wurde Option A gew¨ahlt - dies hat zur Folge, dass Einrichtungen nur dann vom Vorliegen einer Betriebsst¨atte befreit sind, wenn es sich dabei tats¨achlich - in Gesamtbetrachtung des Unternehmens - um eine Hilfseinrichtung handelt. Wird die ¨osterreichische Position hinsichtlich der ¨Anderung des Betriebsst¨attenbegriffs mit den weiteren DBA verglichen, so reduziert sich die Anzahl der DBA bei denen Konsens hinsichtlich der Optionenwahl in diesem Bereich herrscht auf 15 DBA.49

Die ¨Anderung des Betriebsst¨attenbegriffs, die durch das BEPS-Projekt hervorgerufen wur- de und mithilfe des MLI implementiert wird, ist daher nur marginal. Wird zus¨atzlich bedacht, dass die ¨osterreichische Verwaltungspraxis schon zuvor dazu tendiert hat, Art 5 Abs 4 derart auszulegen, sind die vorgenommenen Adaptierungen aus ¨osterreichischer Sicht eine bloße Klarstellung.50 Der große Wandel, die vielfach erhoffte Antwort auf die Herausforderungen f¨ur die Besteuerungssystematik durch die digitale Wirtschaft ist somit ausgeblieben.

2.3.6 Digitale Wirtschaft erfordert weitere Anpassungen bzw. eine Neukonzeption des Betriebsst¨attenbegriffs

Auf die ge¨anderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurde bereits teilweise reagiert und im Rahmen des OECD-MK Abschnitte eingef¨ugt, welche die Auslegung des OECD- MA in Bereichen wie z.B. E-Commerce unterst¨utzen soll. Hier wurde ein Kommentar zu E-Commerce und Server verfasst, worin festgehalten wird, dass ein Server - da er die Tatbestandsmerkmale einer festen Einrichtung erf¨ullt - theoretisch eine Betriebsst¨atte darstellen kann. Keine Betriebsst¨atte begr¨undet hingegen das bloße Unterhalten einer Ho- mepage, da hier keine physische Pr¨asenz vorhanden ist.51 Eigene Besteuerungsregelungen wurden f¨ur das E-Commerce Gesch¨aft nicht eingef¨uhrt - darauf einigten sich Vertreter der OECD-L¨ander im Rahmen der

”Ottawa Ministerial Conference on Electronic Commerce“

im Jahr 1998 in Ottawa. Besteuerungsprinzipien wie Neutralit¨at, Effizienz, Einfachheit, Fairness u.a. sollen eingehalten werden.52 53

Bloße Auslegungshilfen im Rahmen des OECD-MK werden jedoch nicht ausreichend sein - die Rufe nach weiteren ¨Anderungen des Betriebsst¨attenbegriffs sind laut, denn die Art und Weise wie gewirtschaftet wird, hat sich durch die Informations- und Kommunikations-

49 Vgl. Jirousek, Z¨ohrer und Dziwinski 2017, S. 393-397.

50 Vgl. S. Bendlinger 2017a, S. 364.

51 Siehe dazu Rz 42ff OECD-MK.

52 Diese Prinzipien sollen auch weiterhin gelten - n¨ahere Ausf¨uhrungen dazu in Kapitel 5.1.3

53 Vgl. Mitterlehner 2016, S. 58.

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2 Systematik der internationalen Besteuerung

technologien stark ver¨andert. Die digitale Wirtschaft bringt Herausforderungen mit sich, die daran zweifeln lassen, dass der aktuelle Betriebsst¨attenbegriff ausreicht, um tats¨achlich auch Gesch¨afte der digitalen Wirtschaft besteuern zu k¨onnen. Doch worin genau liegen die Schwierigkeiten f¨ur das Steuersystem durch die digitale Wirtschaft? Was ist die digitale Wirtschaft? Wie kann eine ad¨aquate L¨osung zur Besteuerung dieser gefunden werden?

Woran k¨onnte der neue Betriebsst¨attenbegriff ankn¨upfen?

Um alle diese Fragen analysieren zu k¨onnen, gilt es zun¨achst festzuhalten wie die digitale Wirtschaft verstanden werden kann und wodurch Gesch¨aftsmodelle der digitalen Wirt- schaft charakterisiert sind. In weiterer Folge wird sich in Kapitel 3 die Frage gestellt, wel- che Herausforderungen die digitale Wirtschaft f¨ur die internationale Besteuerung bringt und welche Konzepte dabei helfen k¨onnen, um auch Gewinne der digitalen Wirtschaft abzusch¨opfen und der Besteuerung im Quellenstaat unterwerfen zu k¨onnen. Vor allem das Konzept der digitalen Betriebsst¨atte wird dahingehend in Kapitel 3 genauestens be- leuchtet.

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3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

3.1 Digitalisierung der Wirtschaft

Durch Informations- und Kommunikationstechnologien hat sich das Wirtschaftsleben in den letzten Jahrzehnten stark ver¨andert. Die Erfindung des Computers und die Entwick- lung des Internets waren der Startschuss f¨ur eine wahrhafte Explosion zahlreicher Inno- vationen. Mit enormer Geschwindigkeit stieg die Bedeutung von Informations- und Kom- munikationstechnologien und f¨uhrte zu einem Wandel traditioneller Gesch¨aftsmodelle.

W¨ahrend das Internet anfangs vor allem den Zweck der Informationsbeschaffung und Kommunikation erf¨ullte, formen heute immer mehr die Anwender selbst die Inhalte, die im sogenannten World Wide Web zu finden sind. Daraus folgen 3 Erkenntnisse:54

1. Der Mensch wird vom Konsument zum Produzent. Die Bedeutung des

”Prosumer“

ist vor allem in der Medienbranche hoch. Hier stellen die Beitr¨age und Kommentare zu diversen Medienberichten eine

”Key Ressource“ dar.55

2. Informations- und Kommunikationstechnologien erm¨oglichen eine globale Vernet- zung. Nationale Grenzen sind unbedeutend, wenn Gesch¨afte ¨uber das Internet er- folgen.

3. Werden Gesch¨afte online abgewickelt, ist eine physische Pr¨asenz des Unternehmens im Staat des K¨aufers nicht notwendig.

Wird der große Anteil an Investitionen in Forschung und Entwicklung in den ICT-Sektor betrachtet, ¨uberrascht es kaum, dass immer mehr Innovationen auf den Markt dr¨angen.

Laut dem OECD Digital Economy Outlook 2017 werden 24% aller Forschungs- und Ent- wicklungsausgaben in diesen Sektor investiert.56 Innovationen und Trends wie etwa 3D Druck, Robotics und Ger¨ate des

”Internet of Things“ sind bereits Bestandteil unseres Le- bens geworden und haben das Arbeits- und Wirtschaftsleben ver¨andert.57 Vielfach wird nun von der digitalen Wirtschaft gesprochen - doch wie kann diese definiert werden?

54 Vgl. Andelfinger und H¨anisch 2015a, S. 1ff und OECD 2017a, S. 24.

55 Vgl. Krause und Pellens 2018, S. 171ff.

56 Vgl. OECD 2017a, S. 130.

57 Vgl. Boccia und Leonardi 2016, S. 124f.

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3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

3.2 Definition und Charakteristiken der digitalen Wirtschaft

Die OECD definiert die digitale Wirtschaft wie folgt:58

”The digital economy is the result of a transformative process brought by information and communication technology (ICT), which has made technologies cheaper, more powerful, and widely standardised, improving business processes and bolstering innovation across all sectors of the economy.”

In weiterer Folge wird betont, dass eine strikte Differenzierung zwischen der digitalen Wirtschaft und der restlichen Wirtschaft nicht m¨oglich ist. Vielmehr ist die digitale Wirt- schaft in die Wirtschaft integriert, da die Digitalisierung in allen Branchen sp¨urbar ist.59 Technologische Innovationen finden in allen Gesch¨aftsbereichen statt, eine Trennung ist aufgrund der starken Vernetzung untereinander oftmals nicht m¨oglich - im Gegenteil: Erst das Zusammenspiel verschiedener Technologien erm¨oglichte die digitale Transformation der Wirtschaft, wie aus Abbildung 2 ersichtlich wird:

Abbildung 2: Zusammenspiel technologischer Innovationen f¨uhrt zur Digitalisierung der Wirtschaft60

58 Siehe OECD 2015a, S. 11.

59 Vgl. OECD 2015a, S. 11.

60 Entnommen aus: OECD 2017a, S. 206.

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3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Merkmale der digitalen Wirtschaft:

Im Rahmen des BEPS Aktionsplan 1 wurden von der OECD Merkmale der digitalen Wirtschaft herausgearbeitet. Dabei kristallisieren sich im Vergleich mit Beitr¨agen anderer Autoren61 folgende drei Merkmale als Hauptcharakterisiken heraus:62

1. Mobilit¨at hinsichtlich folgender drei Aspekte:

• Mobilit¨at der immateriellen Wirtschaftsg¨uter:

Gesch¨aftsmodelle im IT-Sektor basieren vor allem auf der Nutzung immateri- eller Verm¨ogensgegenst¨ande wie etwa Software - diese sind maßgeblich f¨ur die Wertsch¨opfung verantwortlich. Immaterielle Verm¨ogensgegenst¨ande sind nicht physisch und k¨onnen daher flexibel in allen M¨arkten eingesetzt werden.

• Mobilit¨at der Nutzer und Konsumenten:

Kunden von Unternehmen im IT-Sektor k¨onnen die Services nutzen wann und wo sie m¨ochten - Staatsgrenzen spielen keine Rolle mehr. Selbst die IP-Adressen lassen keinen R¨uckschluss auf den Standort des Konsumenten zu - Technolo- gien wie Proxy-Servern und virtuellen private Netzwerke (VPN) sei Dank. Ein anonymes Bewegen im World Wide Web stellt somit kein Problem dar und festzuhalten, wo der Umsatz stattgefunden hat, ist schwierig bis unm¨oglich.

• Mobilit¨at der Gesch¨aftsfunktionen:

Auch das Unternehmen ist mobil hinsichtlich der Standortwahl, denn eine phy- sische Pr¨asenz im Land der Umsatzgenerierung ist nicht unbedingt erforderlich - die Gesch¨afte k¨onnen mittels Informations- und Kommunikationstechnologien von einem zentralen Standort abgewickelt werden. F¨ur die Standortwahl spielen daher vor allem Beweggr¨unde wie die Steueroptimierung und IT-Infrastruktur eine Rolle. Von diesen Standorten werden die IT-Leistungen exportiert. Wird die Anzahl an IT-Exporten pro Land in Abbildung 3 betrachtet, wird deutlich, welche Standorte gerne von IT-Unternehmen gew¨ahlt werden.

2. Abh¨angigkeit bzw. Bedeutung von Daten und Nutzerinteraktivit¨at

• Durch das Sammeln und Analysieren von Nutzerdaten ist es Unternehmen m¨oglich, existierende Produkte bzw. Dienstleistungen zu verbessern und neue

61 Siehe bspw. Boccia und Leonardi 2016, S. 119-123 oder Mitterlehner 2016, S. 59.

62 Vgl. OECD 2015a, S. 64-73 und Boccia und Leonardi 2016, S. 119-123.

63 Entnommen aus: OECD 2015a, S. 66.

(32)

3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Abbildung 3: Prozentanteil der weltweiten Exporte von IT-Services in Milliarden US Dollar63

Produkte bzw. Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, die den Kunden- w¨unschen entsprechen.

• ICT-Technolgien und Nutzerteilhabe auf diversen Plattformen schaffen mehr Daten als jemals zuvor (Stichwort: Big Data), die hinsichtlich zahlreicher Aspek- te analysiert werden k¨onnen.

• Die Datenanalyse stellt einen maßgeblichen Wertsch¨opfungsfaktor der digita- len Wirtschaft dar und ist Ausgangspunkt f¨ur immer mehr (technologische) Innovationen.

3. Netzwerkeffekte

• Dieses Merkmal bezieht sich auf die Tatsache, dass durch die Nutzung des an- gebotenen Services von einem Konsumenten der Nutzen f¨ur den anderen Kon- sumenten ebenfalls erh¨oht wird. Dies ist der Fall bei zahlreichen Plattformen, wie YouTube, Airbnb usw. Je mehr Nutzer diese Plattformen haben, desto h¨oher wird der Wert f¨ur die weiteren Konsumenten und das Unternehmen.

• Ein weiteres Beispiel ist die Software, die Unternehmen einsetzen. Je mehr Gesch¨aftspartner ebenfalls diese Software im Unternehmen einsetzen, desto kompatibler ist die Zusammenarbeit. Aus diesen Gr¨unden werden andere Un- ternehmen bei der Wahl der Software, die Verbreitung der Software mitber¨uck- sichtigen.

(33)

3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Zudem k¨onnen laut OECD noch folgende Kennzeichen der digitalen Wirtschaft zugeordnet werden:64

• Eine Tendenz zu Monopolen und Oligopolen, die durch Notwendigkeit von Netzwer- keffekten erkl¨art werden kann.

• Mehrseitige Gesch¨aftsmodelle, die sich sowohl auf K¨aufer und Verk¨aufer beziehen (z.B.: Online-Plattformen wie Ebay und Airbnb).

• Volatilit¨at, die zum einen durch die geringen Einstiegsbarrieren in den Markt er- kl¨art werden kann und zum anderen auch durch die rasante Technologieentwicklung zustande kommt.

Durch all diese Merkmale der digitalen Wirtschaft ergeben sich f¨ur die Besteuerung zahl- reiche Herausforderungen. Aktuelle Besteuerungsreglungen f¨ur internationale Gesch¨aftst¨a- tigkeiten basieren noch auf der Funktionsweise traditioneller Gesch¨aftsmodelle.

3.3 Steuerliche Herausforderungen durch die digitale Wirtschaft

Neue Informationstechnologien machen es immer schwieriger internationale Gesch¨afte nach dem traditionellen Betriebsst¨attenkonzept zu erfassen.65Dadurch mangelt es an einer fairen Aufteilung des steuerbaren Gewinns zwischen den Staaten, die in Gesch¨aftstransak- tionen verwickelt sind. F¨ur ein vitales Steuersystem ist laut Boccia und Leonardi (2016) Fairness jedoch ein wichtiges Kriterium.66 Dass dieses Kriterium nicht mehr erf¨ullt ist, konnte auch anhand von Abbildung 3 gesehen werden - so manche L¨ander wie etwa Ir- land profitieren vom Aufstieg der Informations- und Kommunikationstechnologien mehr als andere L¨ander.67

Irland ist vor allem aufgrund des - im Vergleich mit Resteuropa - niedrigen K¨orperschaft- steuersatzes von 12,5% als Unternehmenssitz beliebt. Auch Google LLC hat seinen Sitz in Irland. Die Struktur des Unternehmens wird immer wieder als Paradebeispiel f¨ur das Ausnutzen von Steuerschlupfl¨ochern genannt. Wird der j¨ahrliche Gewinn bzw. Umsatz des

64 Vgl. OECD 2015a, S. 71ff.

65 Vgl. S. Bendlinger 2016, S. 135.

66 Vgl. Boccia und Leonardi 2016, S. 129.

67 Vgl. Holroyd und Coates 2015, S. 14.

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3 Herausforderung: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Unternehmens mit der Konzernsteuerquote verglichen ist das Missverh¨altnis ersichtlich:

Durch Steuervermeidung - vor allem in Europa - ist es Google gelungen, die Konzern- steuerquote gering zu halten. M¨oglich ist dies durch das sogenannte

”Double Irish Dutch Sandwich“: In Europa besitzt Google zwei wesentliche Tochtergesellschaften68 in Irland.

Die Google Ireland Ltd. weist jedoch nur einen geringen Gewinn auf, da Lizenzzahlungen an die Niederlassung in den Niederlande geleistet werden. Dieser Lizenzertrag wird je- doch nicht in den Niederlanden besteuert, sondern durch Lizenzzahlungen an die Google Ireland Holdings ausgeglichen. Diese Lizenzertr¨age werden in weiterer Folge jedoch auch nicht in Irland besteuert, da die Holding eine doppelt ans¨assige Gesellschaft ist, ihren Verwaltungssitz auf Bermuda hat und daher in Irland nicht der Steuerpflicht unterliegt.

In Bermuda wiederum wird keine K¨orperschaftssteuer erhoben.69

Dieses Beispiel dient nur der Veranschaulichung - Steuervermeidungspraktiken, wie et- wa jene von Google, werden von zahlreichen Unternehmen der IT-Branche praktiziert.

Steuervermeidung wird dabei nicht nur durch das Verschieben von Lizenzzahlungen er- reicht, sondern auch durch das fehlende Besteuerungsrecht zahlreicher Staaten mangels physischer Pr¨asenz des Unternehmens. Die Herausforderungen f¨ur die Besteuerung dieser Unternehmen lassen sich in folgende drei Hauptkategorien unterteilen:70

• Pr¨asenz (Nexus)

• Daten

• Charakterisierung

Pr¨asenzbezieht sich auf die Herausforderung, dass bei Unternehmen der digitalen Wirt- schaft f¨ur den Markteintritt keine Pr¨asenz im eigentlichen Sinne notwendig ist. Die große Frage ist daher, ob etwa das Betriebsst¨attenkonzept noch einen passenden Nexus f¨ur die Besteuerung in den jeweiligen Staaten darstellt.71

Bei digitalen Gesch¨aftsmodellen gelten Daten als bedeutender Wertsch¨opfungsfaktor.

Diese Daten k¨onnen ¨uberall gesammelt werden - der Wertbeitrag einzelner Personen wird

68 Als wesentliche Tochtergesellschaften werden die Google Ireland Holdings und die Google Ireland Limited gesehen, welche das operative Gesch¨aft in Europa abwickeln. Andere Gesellschaften, wie etwa die Google Deutschland GmbH bieten nur Servicedienstleistungen an und begr¨unden dort mangels fehlender physischer Pr¨asenz keine Betriebsst¨atte und sind somit nicht zu Steuerzahlungen verpflichtet.

ur n¨ahere Informationen siehe Pinkernell 2012, S. 369-374.

69 Vgl. Pinkernell 2012, S. 369-372.

70 Vgl. OECD 2015a, S. 99, Olbert und Spengel 2017, S. 8f und Kofler, Mayr und Schlager 2017, S. 373.

71 Vgl. Kofler, Mayr und Schlager 2017, S. 373.

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