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Der Massenwechsel von Z. griseana zeichnet sich im Oberengadin durch eine auffal-lend starke Abundanzdynamik und eine außergewöhnliche Periodizität seiner Grada-tionen aus. Dies deutet darauf hin, daß die Fluktuation 12 des Lärchenwicklers in seinem Daueroptimalgebiet (Tisch 1 er, 1955) in erster Linie von populationsdichteabhän-gigen Prozessen reguliert wird. Der Lärchenwickler dürfte eines der seltenen Beispiele darstellen, wo die Populationsbewegung vorwiegend durch intraspezifische Konkurrenz gesteuert wird (sieheMilne, 1957).

Unter den gradationsbestimmenden Prozessen treten besonders die Natalität und die Vitalität als Äußerungen der Konstitution der Population hervor. Als Folge einer ver-schärften Konkurrenz während des Raupenstadiums innerhalb der Eruptionsphase ver-ringern sie sich stark und üben dadurch einen negativen Einfluß auf den Populations-trend aus. Zusätzlich wirkt bei hoher Populationsdichte die Viruskrankheit der Raupen entscheidend auf die Populationsentwicklung ein, währenddem die Parasitierungsmorta-lität erst bei niedriger Populationsdichte an Bedeutung gewinnt. Die Wirkungsfolge die-ser Prozesse stellt ein eindrucksvolles Beispiel des Kompensationsprinzips (So 1 o m o n, 1957) dar.

Von den 7 Arten des Parasitenkomplexes gewinnen nur 2 Arten Einfluß auf die Grada-tion ihres Wirtes, indem sie bei sinkender PopulaGrada-tionsdichte ihre relative Wirkung zu steigern vermögen. Angesichts der Tatsache, daß die Viruskrankheit gleichzeitig in ihrer Wirkung abnimmt und die Natalität nach der eigentlichen Schadenperiode wieder steigt, dürfte die praktisch allein noch wirksame Parasitierungsmortalität das

Popula-12 Fluktuation ist im Sinne von Schwer d t fege r (1957) als langfristige Dichteänderung zu verstehen.

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tionsniveau der Regressionsphase wesentlich beeinflussen. Da nun aber der Massenwech-sel von Z. griseana im Oberengadin keine Latenzperiode aufweist, sondern gleich wieder in die Progressionsphase übergeht, wirkt sich die Höhe dieser Endpopulation auch auf die Dauer der folgenden Progressionsphase aus.

Die Bedeutung der Parasitierungsmortalität besteht demnach darin, daß durch die zusätzliche Erniedrigung der Schädlingspopulation in der Regressionsphase das Eintreten der folgenden Schadenperiode im günstigen Falle um 1-2 Jahre hinausgezögert wird.

Da jede Gradation an sich individuelle Züge aufweist, kann jedoch die Wirkung der Parasiten in der Regressionsphase durch andere Faktoren überdeckt werden. Es soll in diesem Zusammenhang besonders auf die schwer erfaßbare Vitalitätsverminderung hin-gewiesen werden.

Der Einblick in die Wirkungsweise der Parasitenfauna erlaubt abschließend noch einige kurze Betrachtungen zur möglichen Bekämpfung des Schädlings beizufügen.

Chemische Bekämpfung

Die praktische Erfahrung hat gezeigt, daß Großbekämpfungsaktionen mit Insektizi-den oft unerwünschte Störungen im Lebenshaushalt der Biocoenose zur Folge haben.

In neuerer Zeit wird daher dem Zeitpunkt der Anwendung chemischer Giftstoffe beson-dere Aufmerksamkeit geschenkt, um die andern Lebewesen des Biotopes vor der Ver-nichtung zu bewahren (Zöbelein, 1957). Im Falle der Anwendung von Insektiziden gegen den Lärchenwickler müßte zur größtmöglichen Schonung seiner Parasitenfauna ein phänologisch sehr früher Zeitpunkt gewählt werden. Eine Bekämpfungsaktion wäh-rend des L3-Larvenstadiums würde die häufigste Parasitenart, P.spec.A., infolge ihres verhältnismäßig späten Auftretens weitgehend unbeeinflußt lassen. Diese Ansicht be-stätigte sich bei meiner nachträglichen Überprüfung von Fangtuchmaterial aus dem lokalen Bekämpfungsversuch bei Zuoz im Jahre 1953 (Maksym ov und Aue r, 1955).

Biologische Bekämpfung

Im ungestörten Gradationsablauf entziehen die Eulophidae spp. durch Co-Parasitis-mus das Vermehrungspotential von P. spec. A. in zunehmenden Maße. Ihrerseits aber stark an eine verminderte Vitalität des Wirtes gebunden, vermögen sie auf die Dauer einen Populationsanstieg des Wirtes allein nicht zu verhindern. Würde man den durch Co- und Super-Parasitismus verursachten Verlust des Vermehrungspotentials von P. spec. A. durch einen jährlichen, künstlichen Masseneinsatz dieser Art ersetzen, ließe sich angesichts der niedrigen Populationsdichte des Grauen Lärchenwicklers im Über-gang von der Regressions- zur Progressionsphase am ehesten eine Wirkung erzielen. Ob damit aber auch eine nachhaltige Kontrolle der Z.griseana-Population erwartet werden dürfte, kann nur in zukünftigen Freilandversuchen nachgewiesen werden. Diese Be-kämpfungsmethode setzt zudem eine wirtschaftlich tragbare und erfolgreiche Massen-zucht von P.spec.A. voraus.

Die überraschende Regelmäßigkeit im Verlauf der Gradationen des Grauen Lärchen-wicklers bildet eine selten beobachtete Erscheinung in der Insektenwelt. Dank dieser

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Periodizität wird es möglich sein, in zukünftigen Gradationen die Ergebnisse der vor-liegenden Arbeit zu überprüfen, aber auch die neuaufgeworfenen Probleme, im beson-deren jenes der Vitalitätsverminderung, weiter zu verfolgen.

8 Zusammenfassung

Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung des Grauen Lärchenwicklers im Engadin wurden 1954, Untersuchungen über dessen Parasitenfauna begonnen. Ins-gesamt stellte man 33 Arten aus den Familien der Braconidae, lchneumonidae, Eulophi-dae und Tachinidae als Parasiten der beiden Formen von Z.griseana fest. Für 20 Arten wird Z. griseana erstmals als Wirt angegeben.

Die Biologie der 9 wichtigsten Z. griseana-Lärchenformparasiten wurde weitgehend abgeklärt. Es betrifft dies die Arten Horogenes exareolatus Ratz., Lypha dubia Fall., Eulophus spec. s. l., Elachertus spec., Triclistus podagricus G r a v., Triclistus spec., Cho-rinaeus funebris Grav., Phytodietus spec.A. und Phaeogenes osculator Thunb. In-folge der besondern Art und Weise der Eiablage jeder einzelnen Parasitenart konnte eine enge artspezifische Bindung an die verschiedenen Larvenstadien und an das Pup-penstadium des Wirtes nachgewiesen werden. Im Rahmen einer ganzheitlichen Betrach-tung kann demnach von einer eigentlichen phänologischen Parasitenfolge gesprochen werden. Die artspezifische Eiablage der 9 Parasiten führt aber auch zu einer gradolo-gischen Parasitenfolge, indem unter dem zusätzlichen Einfluß der interparasitären Be-ziehungen und der Vitalität der Wirtepopulation die Abundanz der einzelnen Parasiten-arten sich im Verlaufe der Gradation stark ändert.

Auf Grund der Biologie der Arten des Parasilenkomplexes wurde eine Methode zur Bestimmung der quantitativen Bedeutung der Parasiten ausgearbeitet. Im Rahmen der starken Populationsverminderung von Z. griseana stellte man eine starke Zunahme de!' Co- und Super-Parasitismus fest. Der Einfluß der Parasiten auf die Gradation des Lär-chenwicklers wurde im Vergleich mit drei andern gradationsbcstimmenden Prozessen, der Viruskrankheit, der Natalität und der Vitalität beurteilt. Währenddem diese Pro-zesse unmittelbar als Folge der Übervölkerung während der Eruptionsphase zu wirken begannen und den Zusammenbruch der Wirtepopulation herbeiführten, erreichten die Parasiten erst in der Regressionsphase ihre größte Wirksamkeit. Als praktisch einziger noch wirkender Mortalitätsfaktor in der spätem Regressionsphase vermindern die Para-sitenarten Phytodietus spec. A. und Eulophidae spp. das Populationsniveau des Wirtes und zögern auf diese Weise die Progressionsphase der folgenden Gradation hinaus.

Es konnte nachgewiesen werden, daß die Wirksamkeit des Vermehrungspotentials der Parasiten bei 83

%

spezieller Parasitierung infolge von Co- und Super-Parasitismus ihr Maximum erreichte, obgleich die potentielle Parasitierung 100

%

beträchtlich überstieg.

Die Steuerung der Lärchenwicklerkalamität durch die Prozesse der intraspezifischen Konkurrenz und der Viruskrankheit sowie durch die Parasiten bilden ein Musterbeispiel des Kompensationsprinzips in einer natürlichen Lebensgemeinschaft.

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