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2. Diskursanalytisches Vorgehen

3.1. Der Diskurs um Globalisierung

3.2.6. Schlußfolgerungen

Gruppen und Forschungsprozessen und das heißt letztlich: zur Veränderung von hegemonialer Formen in Wissenschaft und Gesellschaft.

Die theoretische Wahl ist ablesbar am reduzierten Gattungsbegriff (zukunftsfixiert), an der ethischen Entscheidung (Rawls Gerechtigkeitstheorie) und an der modifizierten Grenzhypothese (von den Grenzen des Wachstums zur Selbstbegrenzung).

Die Frage, ob das Dispositiv der zukunftsfähigen Entwicklung in einen modernisierungstheoretischen Bezugsrahmen einzuordnen ist, beantwortet Huber (1995) eindeutig: “Läßt man die im einzelnen in den Rio-Dokumenten niedergelegten Reformperspektiven im einzelnen Revue passieren, stellt man unschwer fest, daß es sich um ein klassisches Modernisierungs- und Strukturwandelkonzept handelt, um eine globales Konzept ökologischer Modernisierung durch technischen, wirtschaftlichen, politischen, sozialpolitischen, demografischen u.a. Strukturwandel...” (Huber 1995, 60). Der Preis für diese Transparenz ist die vollständige Abspaltung der ökologischen Ökonomie aus der diskursiven Ordnung. In der Charakterisierung der Widerstände gegen das Modernisierungsvorhaben klassifiziert Huber nach Kriterien, die nichts neues erwarten lassen:

1. Konservativer Widerstand teils als religiös motiviert, teils industrietraditionalistisch auf den Erhalt des Status Quo gerichtet.

2. Romantischer Widerstand als auf der Seite des Lebens befindlich gegen eine lebensfeindliche Strategie,

3. Sozialistisch bzw. sozialstaatlich inspirierter Widerstand mit dem Hauptargument: Die Herrschenden verfolgen eine technisch reduzierte Fortschrittskonzeption mit Ausbeutungsaspekten.

Huber hält eine derartige Kritik am Fortschritt für sinnvoll und vernünftig, wenn sie der Ausbalancierung und Selbstkorrektur der Entwicklung diene und damit integrierter und notwendiger Teil der Modernisierungsbewegung sei (Huber 1995, 68).

Kopfmüller (1995) präferiert dagegen den Ansatz der ‚strukturellen Ökologisierung‘ als der Problemlage angemessen. Hier ist als Gegenposition zu Huber herauszuarbeiten, daß es sich nicht um ein kognitives business as usual handelt und auch die Kritikprofile Hubers nicht zutreffen. Den Ansatz der strukturellen Ökologisierung – im übrigen eine Sammelbezeichnung für eine sehr zerklüftete Position – definiert Kopfmüller (1995, 107) als Erweiterung des gesellschaftlichen Wohlstandsbegriffs, die Abkehr der Ökonomik von Markt, Effizienz und Wachstum und Hinwendung zu Verteilungsfragen und der Frage nach dem optimalen Produktions- und Konsumtionsniveau einer Gesellschaft, das Konzept des

konstanten ökologischen Kapitalstocks bei Konzentration auf die Ermittlung der Belastungsgrenzen von Ökosystemen und die Stärkung partizipativer Elemente in kultureller Vielfalt. Mit den zusätzlichen Prämissen eines prioritären Handlungsbedarfs bei den Industriestaaten und natürlich-physikalischer Grenzen für menschliche Aktivitäten sieht Kopfmüller deutliche Unterschiede zu einem Konzept der ökologischen Modernisierung, das auf eine Mitteloptimierung zur Erreichung alter Ziele setze. Das, was Huber als Konzept genereller Wirtschaftsschrumpfung bezeichnet, stellt sich aus der Sicht von Booth (1998) anders dar. Die Nutzung globaler Umweltressourcen auf einem stabilen und zukunftsfähigen Niveau ermögliche es, ökologische Probleme zu lösen und zugleich ethischen Verpflichtungen gegenüber künftigen Generationen sowie der nichtmenschlichen natürlichen Welt nachzukommen. Das bedeute nicht notwendig eine Ökonomie ohne Wachstum.

Ökonomisches Wachstum ist in diesm Kontext gekoppelt an die Steigerung der

‚Ressourcenproduktivität‘. Und: “However, a steady-state economy would likely grow more slowly than a conventional high-growth capitalist economy.”138 (Booth 1998, 170). Booth wirft abschließend die Frage auf, welche Form ökonomischer Praktiken mit einem stationären Zustand vereinbar ist. Auch wenn von ihm nur Großunternehmen und Produzentenkooperativen diskutiert werden, so hebt ihn allein die Frage nach dem möglichen Zusammenhang zwischen einem Weg zur Lösung von Umweltproblemen und den Organisationsformen ökonomischer Praktiken aus der Literatur heraus.

Durch besseres Management (Der Preis dafür, weltweit ‚gehört‘ zu werden, ist die Reduzierung des Umweltschutzes zum Umweltmanagement.) kann die Welt (es ist genau besehen die Welt des Wachstumsdenkens) gerettet werden. “Die Ökologie, einstmals ein Ruf nach neuen gesellschaftlichen Tugenden, ist damit zur Suche nach neuen Verwaltungstechniken degeneriert.” (Sachs 1994, 28). Was hier von Sachs beklagt wird, hängt damit zusammen, daß es nach Foucault eine Entwicklungslogik gibt, die vom Auftauchen (der Konstruktion) von Problematiken zu adäquaten Wissensformen führt, die in Macht-/Herrschaftsstrategien eingebunden werden in der Form von ‚Techniken‘. Es ist dies

138 Die Begründung für die Nicht-Stationarität einer auf Subsistenz orientierten natural-technischen Reproduktion sieht Tjaden in den Bedarfen einer noch wachsenden Bevölkerung und eines instandsetzungsbedürftigen globalen Naturhaushaltes (Tjaden 1990, 205). Tjaden nährt im übrigen einen Zweifel am Argument der ‚Ressourcenproduktivität‘, die aus seiner Perspektive der Bewertung von Strukturierungsprozessen gesellschaftlicher Gesamtarbeit als Umorientierung der Arbeitsproduktivität erscheint:

“Die gesellschaftliche Arbeit muß sich so entwickeln, daß sie mit sparsamem Gesamtaufwand – der auch die einmaligen Aufwendungen zum Beispiel für technische Anlagen umfaßt – größtmögliche Nutzeffekte oder Dienstleistungen für die Befriedigung von Bedürfnissen erbringt, die in der Generation und Regeneration menschlichen Lebens und natürlicher Reichtümer gründen.” (Tjaden 1990, 205).

exakt der Weg von der Imagination des Spaceship Earth zu Methoden seiner Steuerung durch bestimmte Techniken. Als Material des Spaceship Earth nimmt Natur eine andere Bedeutung an. Vor allem im wissenschaftlichen Diskurs um die Bedeutung für ökonomische Praktiken findet eine Bestimmung von Natur Eingang, die diese nicht mehr einfach als Voraussetzung ökonomischer Praktiken begreift. Der Preis für die Einschreibung in eine modifizierte symbolische Ordnung ist die Umschreibung (als Neuschreibung und als etwas, das uns als ‚Natur an sich‘ nicht zugänglich ist) in einem doppelten Sinne als Ressource. Die Verbindung zwischen stofflich-physikalischer Nachhaltigkeit und zukunftsfähiger Entwicklung ist eine auf Dauer problematische, und wird für die Zukunft Anlaß zur Bildung von Problematiken sein. Die avantgardistische Verordnung von Suffizienzstrategien oder überhaupt die Verordnung bestimmter Praktiken (Daly) überschätzt die Bedeutung wissenschaftlicher Konzepte für die Gesamtbewegung von Gesellschaft und sie läuft Gefahr, zu einer weiteren Welle am Strand des Alltagsbewußtseins zu werden.139

Ökologische Problematiken werden nunmehr innerhalb des Dispositivs der zukunftsfähigen Entwicklung geschrieben, was bedeutet, daß sie ihre Exklusivität verloren haben und mit ökonomischen und sozialen Prozessen im Netz verknüpft werden. Eine nur ökologische Rhetorik ist künftig die Randposition. Die Verfahrensweisen im Dispositiv der zukunftsfähigen Entwicklung sind von entscheidender Bedeutung, ohne daß dies notwendig in einer kommunikationsoptimistischen Position (Habermas) münden muß. Vorrangig geht es nicht um Konsensbildungsprozesse, sondern um die Festlegung des Raumes des Sagbaren.

Unklar ist noch, ob es sich in der diskursiven Praxis um dauerhafte Veränderungen repräsentativdemokratischer Institutionen handelt, in dem das Verhältnis von Präsenz und Repräsentanz neu bestimmt wird, oder ob die Veränderung von Institutionen (NGO’s, Großunternehmen) in eine Phase intensiver Umstrukturierung von Raumverhältnissen gehört, deren Projektionsfläche140 die Globalisierung ist. Auch wenn Escobar (1997) die räumliche Entwicklung auf das Verhältnis von Lokalem und Globalem zuspitzt, ist ihm doch zuzustimmen, daß Konstruktionen wie Sustainable Development eine höhere Komplexität

139 Die Fortschreibung des ‚Expertengestus‘ wird von Visvanathan als vereinheitlichende Strategie kritsiert, die keine Basis für ‚Gesellschaft‘ sein kann: “What one needs is not a common future but the future as a commons.”

(Visvanathan 1991, 383).

140 Der Ausdruck Projektionsfläche spielt darauf an, daß im Globalisierungsdiskurs etwas erscheint, was für die Akteure enorm beunruhigend ist. Die eigene Position wird auf vage Weise mit Bewegungen an entfernten Punkten der bekannten Welt in Verbindung gebracht und damit relativiert. In der Beschreibung dieser phänomenologischen Perspektive ist Giddens insoweit zuzustimmen. Die klare Position z.B. des BDI hängt damit zusammen, daß seine Aufgabe die Positionierung der Industrie als Gesamtheit gegen die Irritationen Einzelner ist. Gleichzeitig bietet diese Konfrontation einen Einblick in phänomenologische und objektivistische Konstruktionsmethoden von Problematiken.

beinhalten, “and to foster a more meaningful dialogue across cultural constructions of various types (such as nature, body, technology, individual, community, etc.).” (Escobar 1997, 7).

Eine eher beiläufige Bemerkung von Escobar markiert den Wechsel in der Transformation von Produktionsbedingungen. “The role of sustainable development in articulating conceptions and practices regarding production conditions is clear. Production conditions are not just transformed by capital. They have to be transformed in and through discourse.”

(Escobar 1995, 202).141 Im Dispositiv wird damit auch um die künftige Bedeutung symbolischer Prozesse und deren interne Strukturierung gestritten.

In der folgenden Übersicht sind die Elemente des Dispositivs systematisiert:

Problematiken Wissensformen Techniken

Naturbild Thermodynamik und Effizienz und Suffizienz

Biologie (Natur als begrenztes System, Kapital und Ressource)

Zusammenhang von Natur und Drei Säulen der integrale Politiken

Gesellschaft Nachhaltigkeit

Gattung (Gegenwärtige und Gerechtigkeit Selbstbegrenzung

zukünftige Generationen) in und zwischen und selektive Generationen (Ethik Wachstumsprozesse der Vermeidung von

Selbstschädigungen)

Risiko des Unvorhersehbaren Erweiterung wissenschaftlicher Politische Entscheidungen Wissensformen (PNS)

Das Rätsel des Brundtland-Berichtes ist nicht, warum die Formel ‚Sustainable Development‘

auftauchte, sondern warum sie so breit rezipiert/gestreut wurde, nachdem sie im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich seit Goldsmith142 et al. (1972, 6) und im politischen

141 Damit läßt sich eine Brücke bilden zum poststrukturalistischen Ansatz der Regulationsschule (Boyer 1990), in dem eine stetige Akkumulationsbewegung ebenfalls diskursiv über institutionelle Formen nicht einfach beeinflußt sondern konstituiert wird.

142 ‚Blueprint for Survival‘ ging in wichtigen Punkten (Problematisierung von Produktionsweise und industriellen Beziehungen) in eine andere Richtung als ‚Limits to Growth‘. Einer der Schwerpunkte war die Forderung nach einer Dezentralisierung der Industriegesellschaft (kleinere, selbstgenügsamere und kommunale Einheiten).

Feld seit der Konzeption des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Program 1978) Bestandteil diskursiver Ordnungen wurde. Zunächst mußte zu einer globalen Problematik ein Wissen generiert werden, in dem die Verknüpfung disziplinär isolierter Wissensstrategien eine herausragende Bedeutung hat. Es ist zudem die simultane Zersetzung des politisch-ökonomischen Ordnungsmusters von Freund und Feind, von Bourgeoisie und Proletariat und die parallel einsetzende Rede von der gemeinsamen Zukunft und dem Raumschiff Erde, die eine breite Streuung der Aussagen und Praktiken des Dispositivs ermöglicht.

Stand die Armutsbekämpfung im Brundtland-Bericht noch im Zentrum, so ist für die kurze Geschichte des Dispositivs der Zukunftsfähigen Entwicklung eine Neuschreibung von Natur zentral. Diese Verschiebung von Problematiken könnte als normaler Vorgang der Readjustierung der heterogenen Elemente des Dispositivs entdramatisiert werden. Mit Bourdieu kann diese Verschiebung in anderer Weise gedeutet werden:

Können wir weiter unbefangen mit Wissens- und Herrschaftsformen umgehen, die große Teile der gesellschaftlichen Doxa aus der symbolischen Ordnung der Gegenwart ausschließen, oder anders: Ist der Preis des Sagbaren innerhalb des Dispositivs ein Unnennbares, das letztlich auch die dispositive Strategie ‚durchkreuzt‘? Wir benötigen einen Ikonoklasmus, der in diesem Sinne das “Spaceship Earth” dekonstruiert und zu einer neuen

‚Sicht der Dinge‘ führt. Denn – wie Visvanathan bereits betont: “To call Earth a spaceship is to reduce Earth to a complex but constraining machine.” (Visvanathan 1991, 383). Weder System noch Maschine sind als Bilder dem angemessen, was wir meinen, wenn wir unbefangen von ‚Natur‘ sprechen. Und: Armutsbekämpfung innerhalb der Grenzen einer Ethik der Vermeidung von Selbstschädigungen ersetzt auf Dauer nicht die Ebene gesellschaftlicher Projekte.