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5 Ökonomische und ökologische Analyse

5.3 Ökologische Analyse

5.3.1 Methodische Vorgehensweise

5.3.1.2 Sachbilanz

Methodik. Die Sachbilanz umfasst die Zusammenstellung und Quantifizierung von Inputs und Outputs eines gegebenen Produkts bzw. Produktsystems. Beispielsweise sind der Verbrauch an energetischen Ressourcen und die durch den Verbrauch entstandenen Stoffströme zusammenzustellen. Damit werden alle stofflichen und energetischen Inputs und Outputs für die festgelegten Bilanzgrößen für den gesamten Lebensweg quantifiziert. Auch müssen die Stoffströme auf die Kuppelprodukte elektrische und thermische Energie umgelegt werden. Hierfür müssen in geeigneten Allokationsverfahren die Emissionen nach bestimmten Schlüsseln zugeteilt werden

Die Sachbilanz besteht aus der Auflistung der festgelegten Ein- und Ausgangsgrößen, differenziert nach den Lebenswegabschnitten. Um diese Größen zu erhalten, muss die Realität soweit in ein Modell überführt werden, dass die zu bilanzierenden Größen quantifizierbar werden. Hier wird dies mittels einer Prozesskettenanalyse vorgenommen, um den Prozess beliebig genau zu beschreiben. Dabei wird die Prozesskette gebildet, indem die Prozesse, die den Lebensweg eines Produktes darstellen, entsprechend miteinander verbunden werden.

Folglich ist der Output eines Prozesses der Input eines anderen Prozesses. Der geschilderte Aufbau eines Prozesses ist in Abb. 5-18 schematisch dargestellt. Jeder Prozessschritt ist durch Produktflüsse, d. h. Inputs (z. B. Stahl) und Outputs (z. B. Rohre) sowie Elementarflüsse gekennzeichnet. Elementarflüsse sind dabei als stoffliche oder energetische Ströme definiert, die in das System eintreten bzw. vom betrachteten System an die Umgebung abgegeben werden (z. B. CO2), ohne danach durch menschliche Einflüsse verändert zu werden /ISO 140 40 1997/.

Zu jedem Prozess gehören jedoch meist Vorleistungen, welche erbracht werden müssen.

Dies hat zur Folge, dass eine je nach Detailgenauigkeit unterschiedliche Anzahl an Vorketten untersucht werden muss. Bei einer differenzierten Analyse ergeben sich so eine Vielzahl an Prozessen und daraus folgend ein erheblicher Bilanzierungsaufwand. Dagegen stellt sich am Ende oft heraus, dass nur ein kleiner Teil der betrachteten Prozessketten signifikant zu den Endergebnissen der Bilanzierung beiträgt. Außerdem ist der Aufwand, eine Seitenkette vollständig abzubilden, praktisch mit einem kaum leistbaren Aufwand verbunden. Aus diesem Grund müssen Abbruchkriterien definiert werden, um ein realistisches Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis zu bekommen. Kritisch bei diesem Vorgehen ist, dass die Bilanzresultate dann meist zu niedrig bewertet sind. In vorliegender Arbeit wird deshalb eine Ökobilanzierung nach dem Ansatz von /MARHEINEKE 2002/ durchgeführt. Nach diesem Ansatz wird die Prozesskettenanalyse durch eine Input-Output-Analyse ergänzt.

Für diesen Bilanzierungsansatz wird demnach als erster Schritt die Prozesskettenanalyse durchgeführt. Anschließend wird für jeden einzelnen Prozess eine Kostenbilanz erstellt. Der monetäre Wert des bereitgestellten Nutzens sowie die Summe aus den bezogenen, in der Prozesskette quantifizierten Vorleistungen und der Nettowertschöpfung des Prozesses wird festgestellt. Die Differenz des Wertes des bereitgestellten Nutzens und der Summe ergibt den Wert der nicht in der Prozesskette erfassten Vorleistungen. In den Input-Output Tabellen, die jährlich vom statistischen Bundesamt herausgegeben werden /STAT. BUNDESAMT 2000/, sind die Stoffströme über die Geldmenge der jeweiligen Produktionsbereiche angegeben.

Je nach Art des betrachteten Prozesses wird er einem Produktionsbereich zugeordnet und der berechnete Wert der nicht erfassten Vorleistungen entsprechend der Input-Output-Tabellen aufgeteilt. Hieraus berechnen sich dann die Teilbeträge der spezifischen kumulierten Umwelteinwirkungen der Produktionsbereiche der noch fehlenden Vorleistungen /MARHEINEKE 2002/. Abb. 5-18 verdeutlicht dieses Vorgehen. Die benötigten Kosten zu den einzelnen Prozessschritten werden Kapitel 5.2 entnommen und hier nicht mehr explizit aufgeführt.

Vorleistung 1

Vorleistung 2

1. Prozesskettenanalyse mit Stoff-, Massen- und Energiebilanzen für modellierte Prozesse

Geothermische Strom-und Wärmeerzeugung

direkte Einwirkungen

Vorleistung 3 Vorleistung

Vorleistung

2. Monetäre Bilanz für jeden Prozess derProzesskette:

Wert der erfassten Vorleistungen Nettowertschöpfung

des Prozesses

Wert der nicht in der Prozesskette erfassten Vorleistungen +

+ =

Wert des bereit-gestellten

Nutzens

3. Zuordnung des Wertes, der nicht in der Prozesskette erfassten Vorleistungen zu Sektoren der Input-Output-Tabelle und Bilanzierung über Input-Output-Analyse

Vorleistung 1

Vorleistung 2

Chem. Erzeugnisse

Dienstleistungen

...weitere Sektoren

Prozess Nutzen direkte Einwirkungen

Abb. 5-18: Vorgehen des Hybridansatzes nach /MARHEINEKE 2002/

Koppelprodukte sind zwei oder mehrere Produkte, die aus sich überschneidenden Prozessen hervorgehen. Die geothermische Energiebereitstellung liefert Strom und Wärme in Koppelproduktion. Bei solchen Koppelprodukten entsteht das Problem der eindeutigen Zuordnung (Allokation) der Vorbelastungen auf die Koppelproduktion. Unter einer Allokation wird damit die Zuordnung von Inputs (Material- und Energieverbrauch) und

Outputs (Emissionen) auf Haupt-, Kuppel- und Nebenprodukte nach bestimmten Regeln verstanden. Grundsätzlich ist eine

1. Allokation der Prozesse, 2. Substitution/Gutschrift oder 3. Erweiterung der Systemgrenzen

möglich. Hiermit gehen einige Probleme mit der Wahl des Allokationsverfahrens einher, da die Ergebnisse stark von dem gewählten Verfahren abhängen. Aus Vergleichsgründen müssen die Ergebnisse auf einen bestimmten Endenergieträger bezogen werden.

Allokationen. Der Verteilungsschlüssel und somit die Allokation kann nach unterschiedlichen Parametern erfolgen. Hierbei werden für die unterschiedlichen Produkte die Systemin- und outputs nach den gewählten Kriterien in Relation zueinander gesetzt; dies bedeutet, dass sich die Verhältnisse der gemeinsam genutzten Stoffströme im Verhältnis der Produkte widerspiegeln. Mögliche Verfahren sind hier in Bezug auf die Produkte exergetisches oder energetisches Allokieren. Sind keine physikalischen Verteilungsschlüssel möglich, können auch ökonomische Daten wie z. B. der Preis der Endprodukte herangezogen werden. Hier werden jedoch die physikalischen Allokationsverfahren angewendet.

Zum Einen kann die gesamte Strom- und Wärmebereitstellung als sogenannte „Black Box“ gesehen werden, wobei die Emissionen anteilsmäßig über das Verhältnis der Produkte zueinander aufgegliedert werden. Zum Anderen können die soweit wie möglich eindeutig zuweisbaren In- und Outputdaten den einzelnen Prozessen der Strom- oder Wärmebereitstellung zugeordnet werden. Die Prozesse werden somit in Teilprozesse zerlegt, um möglichst geringe Bereiche eines anzuwendenden Allokationsverfahrens zu erhalten. Ziel ist es, die Allokationen soweit wie möglich zu vermeiden oder lediglich nur wenige Stoffströme allokieren zu müssen.

Abb. 5-19 veranschaulicht die sogenannte „Black Box“, die alle stofflichen und energetischen Stoffströme der geothermischen Strom- und Wärmebereitstellung über die Lebensdauer repräsentiert. Zum Einen erfolgt die Aufteilung der Emissionen auf die Produkte entsprechend dem Energiegehalt und zum Anderen wird zum Vergleich eine Allokation nach dem Exergiegehalt durchgeführt, um einen Bezug zum Endenergieträger Strom zu realisieren.

Alle energetischen und stofflichen Ströme geothermischer Strom-und Wärmeerzeugung

Emissionen Elektrizität

Emissionen Wärme Allokation

Abb. 5-19: Black Box - Verfahren

Elektrische Energie stellt - im Unterschied zu der in Koppelproduktion ebenfalls anfallenden Niedertemperaturwärme – ausschließlich Exergie dar und ist damit aus energetischer Sicht "höherwertig". Bei der energetischen Betrachtungsweise werden

Elektrizität und Wärme gleich behandelt. Dazu werden die Mengen an Strom und Wärme jeweils für die unterschiedlichen Varianten über die Lebensdauer n berechnet. Nun wird nach Gleichung (5.5) die gesamte Menge von Strom Wges und Wärme Qges ohne Berücksichtigung ihrer Qualität addiert. Die Emissionen Eges werden über die gesamte Energiemenge aufgeteilt, um die spezifischen Emissionen Espez zu erhalten.

Espez = Eges/(Wges+Qges) (5.5) Espez spezifische Emissionen

Eges gesamte Emissionen

Wges gesamte über die Lebensdauer n erzeugte Strommenge Qges gesamte über die Lebensdauer n erzeugte Wärmemenge

Um einen besseren Bezug zum Endenergieträger Strom zu realisieren, kann eine Allokation über die Exergie vorgenommen werden. Dabei wird unterstellt, dass elektrische Energie als reiner Exergiestrom einen Exergiefaktor von 1 aufweist. Der Exergiegehalt der ausgekoppelten Niedertemperaturwärme ist von der Auskopplungstemperatur abhängig. Dies bedeutet nach /FISCHER 1999/ (Gleichung (5.6)) einen Exergiefaktor Ex von

Ex = Tu-273/To (5.6) Ex Exergiefaktor

Tu Umgebungstemperatur To Auskopplungstemperatur

wobei Tu und To in Kelvin ausgedrückt werden. Dies bedeutet für Fall KWK-HH und I-NT denselben Exergiefaktor bei einer Auskopplungstemperatur von 70 °C und für Fall KWK-I-PW einen entsprechend höheren Exergiefaktor bei einer Auskopplungstemperatur von 110 °C.

In dem hier beschriebenen Verfahren „Black Box“ werden bei der exergetischen Betrachtung nach Gleichung (5.7) die über die Lebensdauer bereitgestellte Menge an Strom und Wärme jeweils mit ihrem Exergiefaktor multipliziert und die gesamte exergetische Menge zueinander ins Verhältnis gesetzt. Die Stoffströme die der Elektrizität EW und die der Wärme EQ zugeordnet werden, werden nach Gleichung (5.7) über das exergetische Verhältnis von Strom oder Wärme aufgeteilt.

EW/EQ = (Wges ExW)/(Qges ExQ) (5.7) EW gesamte Emissionen, die der Elektrizität zugeordnet werden

EQ gesamte Emissionen, die der Wärme zugeordnet werden Wges gesamte über die Lebensdauer n erzeugte Strommenge ExW Exergiefaktor Elektrizität

Qges gesamte über die Lebensdauer n erzeugte Wärmemenge ExQ Exergiefaktor Wärme

Um die spezifischen Emissionen der Elektrizität EWspez und der Wärme EQspez zu erhalten, werden anschließend nach Gleichungen (5.8) und (5.9) die gesamten Emissionen EW

bzw. EQ über die jeweilige über die Lebensdauer erzeugte Produktmenge aufgeteilt.

EQspez= EQ/Qges (5.8)

EQspez spezifische Emissionen Wärme

EQ gesamte Emissionen, die der Wärme zugeordnet werden Qges gesamte über die Lebensdauer n erzeugte Wärmemenge

EWspez = EW/Wges (5.9)

EWspez spezifische Emissionen Elektrizität

EW gesamte Emissionen, die der Elektrizität zugeordnet werden Wges gesamte über die Lebensdauer n erzeugte Strommenge

Das Allokationsverfahren kann detaillierter erhoben werden, um den Fehler durch die Aufteilung nach den exergetischen oder energetischen Verhältnissen möglichst klein zu halten. Im ersten Schritt werden dazu die Sachbilanzgrößen dem jeweiligen Produkt zugeordnet. In Abb. 5-20 ist die Aufteilung in Teilprozesse auf der linken Seite dargestellt.

Die energetischen und stofflichen Ströme der gesamten Nutzungsdauer werden, soweit möglich, jeweils den zwei Teilprozessen zur Strombereitstellung und zur Wärmebereitstellung zugeordnet. Beispielsweise wird die ORC-Anlage der Strombereitstellung sowie das Nahwärmenetz mitsamt der Spitzenlastanlage und des Wärmeübertragers dem Produkt Wärme zugeordnet.

Energetische und stoffliche Ströme geothermischer Stromerzeugung

Gemeinsame energetische und stoffliche Ströme geothermischer Strom-und Wärmeerzeugung Stoffströme

zur geothermischen Wärmeerzeugung

Emissionen Elektrizität

Emissionen Wärme Allokation

Abb. 5-20: Detaillierte Zuweisung stofflicher und energetischer Ströme

Mittig sind in Abb. 5-20 jene Anlagenkomponenten dargestellt, die nicht direkt einem Produkt zugehörig sind; wie z. B. der Untertageteil, welcher beiden Produkten zuzuschreiben ist. Lediglich diese Emissionen werden allokiert und der entsprechende Anteil dem Produkt

Elektrizität oder Wärme angelastet. Nach der Aufteilung in Teilprozesse und Bestimmung der zu allokierenden Daten muss auch hier für die Zuordnung der geeignete Verteilungsschlüssel gefunden werden. Die Allokation kann ebenso wie beim Black-Box-Verfahren als energetische Allokation nach Gleichung (5.5) sowie als exergetische Allokation nach Gleichungen (5.6) bis (5.9) realisiert werden.

Substitutionsmethode/Gutschriftverfahren. Um das Problem der Allokationen zu umgehen, kann auch ein Gutschriftverfahren durchgeführt werden (Abb. 5-21). Hierbei werden die Inputs bzw. Stoffströme der Produkte Strom und Wärme gemeinsam bilanziert aber der Output, die beiden Produkte, unabhängig voneinander betrachtet. Dass heißt, dass je nach gewünschtem Bezugspunkt die spezifischen Emissionen für Strom oder die spezifischen Emissionen für Wärme durch eine andere Energiebereitstellung substituiert wird. Dabei wird der Substituent, z. B. die Energiebereitstellung aus fossilen Energieträgern, als Gutschrift für die geothermische Energiebereitstellung behandelt, da jene Umwelteinwirkungen vermieden werden.

Geothermische Strom-und Wärmeerzeugung

Strom

Gutschrift für Wärme

Abb. 5-21: Substitutionsmethode/Gutschriftverfahren

Bei der Umsetzung wird zuerst die gesamte Sachbilanz der geothermischen Strom- und Wärmebereitstellung aufgestellt. In einem nächsten Schritt wird die Bilanz einer konventionellen Wärmebereitstellung erstellt, wobei diese nun mit einem negativen Vorzeichen versehen mit in die Bilanz der geothermischen Strom- und Wärmebereitstellung eingehen. Das Problem bei diesem Verfahren ist die Wahl des jeweils angesetzten substituierten fossilen Energieträgers bzw. Endenergieträgers, da dies letztlich das Ergebnis bestimmt.

Systemerweiterung. Die Systemgrenze kWh Strom kann in „x kWh Strom + y kWh Wärme“

erweitert werden (Abb. 5-22). Diese erweiterte Bezugsgröße Strom und Wärme wird dann mit einem anderen System z. B. aus fossilen Energieträgern verglichen. Da in der Realität jedoch keine fossil betriebenen Energiebereitstellungen in diesen Leistungsgrößen betrieben werden, wird auf einen Vergleich mit der Systemerweiterung verzichtet.

Geothermische Strom-und Wärmeerzeugung

Elektrizität Wärme Ergebnis:

Elektrizität + Wärme: X g CO2- Äquiv ./(Y kWh Strom+Z kWh Wärme) Abb. 5-22: Systemerweiterung

Umsetzung. Die unterschiedlichen Allokationen werden nach oben beschriebenen Verfahren für alle Fallstudien durchgeführt und zwar sowohl für den Bezugspunkt Strombereitstellung als auch Wärmebereitstellung. Bei dem Gutschriftverfahren ersetzt in vorliegender Arbeit die

geothermische Wärmebereitstellung beispielhaft mit Gas befeuerte Einzelöfen mit 20 kW. Die Ergebnisse der Allokationen und des Gutschriftverfahrens werden am Beispiel der KWK-HH dargestellt und mit der ausschließlichen Stromerzeugung (d. h. Fall ORC) verglichen. Die Ergebnisse und Sensitivitätsanalysen werden anhand der exergetischen Allokation mit Zuordnung dargestellt.