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4 Potenziale geothermischer Strom- und Wärmebereitstellung

4.2 Angebotspotenzial – Ergebnisse

4.2.3 Kristalline Gesteine

Zu den kristallinen Gesteinen, die für eine geothermische Stromerzeugung genutzt werden können, zählen die Rotliegend-Vulkanite mit Temperaturen über 100°C in der norddeutschen Tiefebene und die mittel- und süddeutsche Kristallinregion. Die Verbreitung dieser Gesteine jeweils mit Temperaturen von mindestens 100 °C sind in Abb. 4-17 dargestellt.

In Norddeutschland stehen Rotliegend-Vulkanite unter z. T. mächtigen jungpaläozoischen bis känozoischen Deckschichten in unterschiedlicher Teufe an. Die Verbreitung der Vulkanite, die in ausreichend großer Teufe vorliegen, so dass am Top der Vulkanite Temperaturen von über 100 °C auftreten, wird mit einer Fläche von ca. 63 000 km2 abgegrenzt /JUNG ET AL

2002/. Die mittel- und süddeutsche Kristallinregion ist ein Gebiet, in dem davon auszugehen ist, dass variszisch geprägte kristalline Gesteine in Teufen ab 3 000 m mit durchschnittlichen Temperaturen von 100 °C anstehen. Die auskartierte Fläche umfasst etwa 137 000 km² und erstreckt sich von Mitteldeutschland bis nach Süddeutschland /JUNG ET AL 2002/. Bei einem geothermischen Tiefengradienten von ca. 30 K/km ist in 7 000 m eine Temperatur von 210 °C zu erwarten.

Der Oberrheingraben stellt einen Sonderfall der mittel- und süddeutschen Kristallinregion dar. In diesem Areal ist der geothermische Gradient auf Grund der geologischen Besonderheit als Grabenzone deutlich höher. Die Temperaturen im Kristallin des Oberrheingrabens sind um etwa 30 °C höher als in vergleichbaren Teufen in der übrigen Kristallinregion. Für dieses etwa 6 300 km² große Gebiet werden deshalb die entsprechenden Potenzialabschätzungen gesondert durchgeführt.

Abb. 4-17: Gebiete mit Kristallingesteinen für die geothermische Stromerzeugung verändert nach /JUNG ET AL 2002/

4.2.3.1 Norddeutsches Becken – Rotliegend-Vulkanite

Die höchsten Mächtigkeiten der Rotliegend-Vulkanite befinden sich mit einer flächenhaften Verbreitung im östlichen Teil des Untersuchungsgebietes (Abb. 4-18 und Abb. 4-19). Es bestehen starke Mächtigkeitsunterschiede von über 1 000 m im Raum Berlin bis hin zu Mächtigkeiten über 2 500 m im Raum Neubrandenburg. Westlich der Linie Hannover - Celle - Hamburg - Kiel ist die Verbreitung der Rotliegend-Vulkanite lückenhafter und die Mächtigkeiten i. Allg. sehr viel geringer. Bei Bremen wurden Mächtigkeiten über 500 m gemessen und in der Emssenke von über 100 m nachgewiesen. Andere Vorkommen sind unbedeutend /Jung et al 2002/.

Die Tiefenlage der Vulkanitoberfläche liegt im Norddeutschen Becken i. Allg. zwischen ca.

4 000 und 5 500 m, lediglich im östlichen Teil liegt das Top bei ca. 3 000 bis 4 000 m. Im zentralen Ablagerungsraum im Gebiet zwischen Hamburg und Müritz werden Tiefenlagen von über 6 500 m erreicht. Zu den Randgebieten nach Norden und Süden steigt die Vulkanitoberfläche kontinuierlich auf ca. 1 000 m und weniger an. Mit einem geothermischen Gradienten von 30 K/1 000 m folgt die Temperaturverteilung der Tiefenlage der Vulkanite.

Abb. 4-18: Temperaturintervalle der Top Rotliegend Vulkanite /JUNG ET AL 2002/

Abb. 4-19: Temperaturintervalle der Rotliegend Vulkanite 1 000 m unter Top /JUNG ET AL 2002/

Die geothermischen Strom- und KWK-Potenziale sind in Tabelle 4-12 zusammengestellt. Das theoretische Angebotspotenzial des Kristallin im Norddeutschen Becken beträgt 13 000 EJ. Hiervon können als technisches Angebotspotenzial 2 126 GWa Strom und zusätzlich 190 EJ Wärme bereitgestellt werden. Im Temperaturintervall zwischen 160 und 190 °C liegen mit 885 GWa 40 % des Potenzials im Kristallin des Norddeutschen Becken vor. Südöstlich von Schwerin liegt ein Bereich vor, in dem Temperaturen über 190 °C erreicht werden.

Tabelle 4-12: Potenziale des Kristallin des Norddeutschen Becken nach /JUNG ET AL 2002/

Theoretisches Angebotspotenzial Temperatur-

intervall [°C]

Fläche [km²]

Wärmekapazität [J/kgK]

Dichte [kg/m³]

Thermische Energie (heat in place)

[EJ]

100 bis 130 18.560 840 2.600 2.700

130 bis 160 25.250 840 2.600 4.200

160 bis 190 24.550 840 2.600 4.700

190 bis 220 10.000 840 2.600 520

Summe 13.000

Technisches Angebotspotenzial (ausschließliche Stromerzeugung) Temperatur-

intervall [°C]

Gewinnungs- faktor

[%]

zur Stromerzeugung nutzbare thermische Energie

[EJ]

Wirkungsgrad Stromerzeugung

[%]

Elektrische Energie

[GWa]

100 bis 130 2,4 66 10,3 217

130 bis 160 4,0 170 11,7 635

160 bis 190 4,6 220 12,6 885

190 bis 220 5,0 93 13,1 389

Summe 540 2.126

Technisches Angebotspotenzial (Kraftwärmekopplung) Temperatur-

intervall [°C]

Gewinnungs- Faktor

[%]

maximal gewinnbare thermische Energie

[EJ]

zur Stromerzeugung nutzbare thermische

Energie [EJ]

Wärmeanteil

[EJ]

100 bis 130 3,2 88 66 22

130 bis 160 5,3 220 170 55

160 bis 190 6,4 300 220 82

190 bis 220 6,5 120 93 28

Summe 730 540 190

4.2.3.2 Oberrheingraben

Der deutsche Teil des Oberrheingrabens ist auf seiner gesamten Fläche von ca. 6 300 km² von Kristallin (Granit und Gneiss) unterlagert. Wie es für eine Grabenstruktur typisch ist, sind das Kristallin und die überlagernden Sedimentgesteine in eine Vielzahl von Schollen zerbrochen, die gegeneinander versetzt, verschoben oder verkippt sind. Die Teufe der Granitoberfläche ist demzufolge sehr unterschiedlich und kann von weniger als 1 000 m am östlichen und westlichen Grabenrand bis auf über 4 000 m im zentralen Teil absinken und liegt darüber hinaus im Norden deutlich tiefer als im Süden /ORTLAM 1974/. Dies in Verbindung mit dem komplexen Temperaturfeld, das z. B. unter Landau eine bedeutende Temperatur-Anomalie aufweist, macht eine genaue Berechnung des Wärmeinhalts schwierig. Nach Sichtung geologischer Längs- und Querprofile sowie von Isothermen-Profilen des Oberrheingrabens (/HAENEL & STAROSTE 1988/, /KAPPELMEYER ET AL 1997/) wurden zur Vereinfachung folgende Annahmen getroffen: Für die Kristallinoberfläche wird eine mittlere Teufe von 3 000 m angesetzt. Die Temperatur in dieser Teufe wird durchweg mit 130 °C angenommen, liegt also um genau ein Temperaturintervall höher als in den anderen hier betrachteten Regionen. Von dieser Teufe an wird ein normaler geothermischer Gradient von 30 K/km

veranschlagt. Diese Vereinfachung erscheint angesichts der Unsicherheit in den Daten angemessen.

Die Ergebnisse der Potenzialabschätzung sind in Tabelle 4-13 zusammengestellt. Der Wärmeinhalt (heat in place) beträgt ca. 10 000 EJ. Das Strompotenzial liegt bei ca.

2 000 GWa. Im Oberrheingraben befindet sich wegen des erhöhten Temperaturgradienten das Temperaturintervall zwischen 220 und 250 °C. Hier ist auch mit 733 GWa das größte technische Angebotspotenzial des Oberrheingrabens anzutreffen. Der gesamte zusätzlich zur Verfügung stehende Wärmeanteil beträgt 140 EJ.

Tabelle 4-13: Potenziale des Kristallin des Oberrheingraben /JUNG ET AL 2002/

Theoretisches Angebotspotenzial Temperatur-

intervall [°C]

Teufen- intervall [km]

Fläche [km²]

Wärmekapazität [J/kgK]

Dichte [kg/m³]

Thermische Energie (heat in place)

[EJ]

130 bis 160 3 – 4 6.300 840 2.600 1.900 160 bis 190 4 – 5 6.300 840 2.600 2.300 190 bis 220 5 – 6 6.300 840 2.600 2.700 220 bis 250 6 – 7 6.300 840 2.600 3.100

Summe 9.900

Technisches Angebotspotenzial (ausschließliche Stromerzeugung) Temperatur-

intervall [°C]

Teufen- intervall [km]

Gewinnungs- faktor

[%]

zur Stromerzeu-gung nutzbare thermische

Energie [EJ]

Wirkungsgrad Stromerzeugung

[%]

Elektrische Energie

[GWa]

130 bis 160 3 – 4 4,0 75 11,7 280

160 bis 190 4 – 5 4,6 110 12,6 443

190 bis 220 5 – 6 5,0 140 13,1 586

220 bis 250 6 – 7 5,3 170 13,5 733

Summe 480 2.041

Technisches Angebotspotenzial (Kraftwärmekopplung) Temperatur-

intervall [°C]

Teufen- intervall [km]

Gewinnungs- faktor

[%]

maximal gewinnbare thermische Energie

[EJ]

Stromanteil [EJ]

Wärmeanteil [EJ]

130 bis 160 3 – 4 5,3 99 75 24

160 bis 190 4 – 5 6,4 150 110 40

190 bis 220 5 – 6 6,5 180 140 40

220 bis 250 6 – 7 6,6 210 170 40

Summe 620 480 140

4.2.3.3 Mittel- und süddeutsches Kristallingebiet

In Süddeutschland ist die Kristallinoberfläche in einer Teufe von 3 000 m flächendeckend verbreitet. Nach Norden wird dieses Gebiet durch die Hunsrück-Taunus-Südrandstörung, durch die Nordbegrenzung der nördlichen Phyllitzone sowie den Wittenberger Abbruch und die Lausitzer Hauptabbrüche begrenzt. Im Süden im Alpenvorland taucht die Kristallinzone gegen die Faltenmolasse ab; die Tiefenlage der Kristallinoberfläche fällt kontinuierlich auf 4 500 bis 5 500 m unter NN /JUNG ET AL 2002/.

Das mittel- und süddeutsche Kristallingebiet nimmt mit einer Fläche von ca.

137 000 km² fast 40 % der Fläche Deutschlands ein /JUNG ET AL 2002/. Da in weiten Bereichen dieser Region nur wenige Tiefbohrungen vorhanden sind, wird ein einheitlicher Temperaturgradient von 30 K/km für das Gesamtgebiet angesetzt /JUNG ET AL 2002/. Die Potenzialabschätzungen für dieses Gebiet sind in Tabelle 4-14 detailliert aufgelistet.

Tabelle 4-14: Potenziale des Kristallins des Süddeutschen Molassebeckens /JUNG ET AL 2002/

Theoretisches Angebotspotenzial Temperatur-

intervall [°C]

Teufen- intervall [km]

Fläche [km²]

Wärmekapazität [J/kgK]

Dichte [kg/m³]

Thermische Energie (heat in place)

[EJ]

100 bis 130 3 – 4 137.000 840 2.600 31.000 130 bis 160 4 – 5 137.000 840 2.600 40.000 160 bis 190 5 – 6 137.000 840 2.600 49.000 190 bis 220 6 – 7 137.000 840 2.600 58.000

Summe 180.000

Technisches Angebotspotenzial (ausschließliche Stromerzeugung) Temperatur-

intervall [°C]

Teufen- intervall [km]

Gewinnungs- faktor

[%]

zur Stromerzeugung nutzbare therm. Energie

[EJ]

Wirkungsgrad Stromerzeugung

[%]

Elektrische Energie

[GWa]

100 bis 130 3 – 4 2,4 760 10,3 2.499

130 bis 160 4 – 5 4,0 1.600 11,7 5.977

160 bis 190 5 – 6 4,6 2.300 12,6 9.253

190 bis 220 6 – 7 5,0 2.900 13,1 12.130

Summe 7.600 29.859

Technisches Angebotspotenzial Temperatur-

intervall [°C]

Teufen- intervall [km]

Gewinnungs- faktor

[%]

maximal gewinnbare thermische Energie

[EJ]

Stromanteil [EJ]

Wärmeanteil [EJ]

100 bis 130 3 – 4 3,2 1.000 760 250

130 bis 160 4 – 5 5,3 2.200 1.600 53

160 bis 190 5 – 6 6,4 3.200 2.300 87

190 bis 220 6 – 7 6,5 3.800 2.900 870

Summe 10.000 7.600 2.500

Das theoretische Angebotspotenzial im Kristallin des süddeutschen Molassebeckens beträgt 180 000 EJ. Hiervon könnten als technisches Angebotspotenzial knapp 30 000 GWa Strom erzeugt werden. Zusätzlich stehen auf einem niedrigerem Temperaturniveau noch 2 500 EJ zur Wärmebereitstellung zur Verfügung.

4.2.3.4 Gesamtpotenzial

Die Strom- und KWK-Potenziale der kristallinen Gesteine für Deutschland sind in Tabelle 4-15 wiedergegeben. Wegen seiner Größe besitzt das mittel- und süddeutsche Kristallingebiet im Vergleich mit allen anderen Gebieten das mit Abstand größte Strom- und KWK-Potenzial.

Das Strompotenzial beträgt ca. 30 000 GWa (entspr. 15-fach Oberrheingraben, 14-fach Norddeutsches Becken, 21-fach Störungszonen).

Tabelle 4-15: Potenziale des Kristallins nach Temperaturintervallen /JUNG ET AL 2002/

Elektrische Energie

[GWa]

Wärme (Reinj. 30 °C) [EJ]

Norddeutsches Becken 2.126 190

Oberrheingraben 2.041 140

Mittel- und süddeutsches Kristallingebiet

29.859 2.500

Summe 34.016 2.800

Die Aufteilung des geothermischen Strom-Potenzials auf die Temperaturintervalle ist in Tabelle 4-16 aufgelistet. Der Anstieg des Strompotenzials bis zum Temperaturniveau 190 bis 220 °C ist eine Folge der von Temperaturintervall zu Temperaturintervall steigenden Temperatur, was einen entsprechenden Anstieg der nutzbaren Wärmemenge mit sich zieht. In dem Temperaturintervall 220 bis 250 °C ist das Strom-Potenzial relativ klein, da das nutzbare Energieangebot aus diesem Temperaturintervall nur im Oberrheingraben erreicht wird.

Tabelle 4-16: Strompotenzial der kristallinen Gesteine in Deutschland in den verschiedenen Temperaturintervallen /JUNG ET AL 2002/

Temperaturintervall [°C]

zur Strombereitstellung nutzbares Energieangebot

[EJ]

HDR-Strompotenzial

[GWa]

100 – 130 88 2.800

130 – 160 230 7.300

160 – 190 350 11.000

190 – 220 440 14.000

220 – 250 22 700

Summe 1.100 ca. 35.000

Abb. 4-20 zeigt einen Vergleich der Ergebnisse des theoretischen Angebotspotenzials des Kristallins für die drei betrachteten Regionen aufgeteilt nach Temperaturintervallen.

1 10 100 1.000 10.000 100.000

100 - 130 130 – 160 160 – 190 190 – 220 220 – 250 Wärmeinhalt (Heat in Place) in EJ

Norddeutschland Mittel- und Süddeutsches Kristallingebiet Oberrheingraben Temperaturintervall in °C

Abb. 4-20: Theoretisches Angebotspotenzial Kristallin

Das mittel- und süddeutsche Kristallingebiet hat aufgrund seiner großen Fläche das mit Abstand größte Potenzial. 88 % des Gesamtpotenzials fallen auf diesen Bereich und jeweils 6 % auf den Oberrheingraben und die Vulkanite des Norddeutschen Beckens.

Abb. 4-21 zeigt das Strompotenzial des technischen Angebotspotenzials nach Temperaturintervallen geordnet für alle regionalen Bereiche in Deutschland.

1 10 100 1.000 10.000 100.000

100 - 130 130 - 160 160 - 190 190 - 220 220 - 250 Temperaturintervall in °C

Strompotenzial in GWa

Norddeutschland Mittel- und Sueddeutsches Kristallin Oberrheingraben

Abb. 4-21: Technisches Angebotspotenzial der ausschließlichen Strombereitstellung im Kristallin Das Temperaturintervall 220 bis 250 °C wird lediglich im Oberrheingraben erreicht, hieraus können 733 GWa bereitgestellt werden. Insgesamt steht aus der mittel- und süddeutschen Kristallinzone aufgrund der Größe der weitaus meiste Anteil am Strompotenzial zur Verfügung.

Die hohen Temperaturen, die große Anzahl tektonischer Störungen, die in ein Hot-Dry-Rock-System miteinbezogen werden können, sowie die geringen Flüssigkeitsdrücke, die dort zur Spalterzeugung aufgewendet werden müssen, machen den Oberrheingraben zum aussichtsreichsten Gebiet für die Stromproduktion nach dem Hot-Dry-Rock-Konzept/JUNG ET AL 2002/. Die Ergebnisse aus dem Europäischen Hot-Dry-Rock-Projekt Soultz, die auf den deutschen Teil des Oberrheingrabens übertragbar sind, bestätigen dies /JUNG ET AL 2002/.

Über die Aussichten in den beiden anderen Regionen sind derzeit keine sicheren Aussagen möglich. Die laufenden Forschungsvorhaben in Bad Urach (mittel- und süddeutsches Kristallingebiet) und in Großschönebeck (Vulkanite des Norddeutschen Beckens) werden erste Hinweise dafür liefern /JUNG ET AL 2002/.