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2.1 Raman-Spektroskopie

2.1.4 RM von Kohlenstoffverbindungen

RM ist eine geeignete Methode um die Struktur von geordneten, kristallinen und amorphen Kohlenstoffverbindungen zu untersuchen. Als Grenzfälle sollen zunächst die Raman-Spektren von Diamant, Graphit und Graphen betrachtet werden, bevor näher auf die in dieser Arbeit untersuchten Verbindungen Kohle, Ruß und Huminsäuren eingegangen wird.

Diamant

Diamant ist eine kubische Modifikation des Kohlenstoffs, bei der alle Atome te-traedrisch mit vier Nachbarn eine Bindung eingehen (siehe Abbildung 2.6a). Die Kohlenstoffatome sind vollständig sp3- hybridisiert, was zusammen mit der Sym-metrie die große Härte des Diamanten in Vergleich zu anderen Materialien erklärt.

Auf Grund der hohen Symmetrie besitzen alle Bindungen im Diamant die gleiche

Orientierung und Stärke, daher kann nur eine einzelne Anregungsfrequenz der Git-terschwingungen (sogenannte Phononen) beobachtet werden. Diese entspricht der T2g-Symmetrie und ist dreifach entartet. Im Raman-Spektrum findet sich folglich eine scharfe Bande bei 1332 cm-1 (vgl. Abbildung 2.6b).[19]

Graphit

Graphit besteht aus einzelnen übereinander angeordneten Kohlenstoffschichten (vgl. Graphen). Diese Schichten setzen sich aus annelierten Sechsringen

zusam-men, in denen alle Kohlenstoffatome sp2-hybridisiert sind. Die Schichtstruktur besitzt ein AB-Muster (vgl. Abbildung 2.7). Die Atome der Schicht B befinden sich dabei in den Mittelpunkten der Sechsringe der Schicht A und über jedem zweiten Atom der Schicht A.[20] Die Schichten sind lediglich über Van-der-Waals-und π-π-Wechselwirkungen aneinander gebunden, wodurch sich die Spaltbarkeit und Verschiebbarkeit der Schichten zueinander erklären lässt. Graphit besitzt im Vergleich zu Diamant eine deutlich verringerte Symmetrie. Die Einheitszelle ist der Flächengruppe PG3/mmc (= D6h4 ) zuzuordnen. Die irreduzible Zerlegung der zuge-hörigen Punktgruppe D6h liefert erlaubte Schwingungen folgender Symmetrie[21–

23]

2B2g+ 2E2g +A2u+E1u . (2.9)

Von diesen Schwingungen sind die beiden E2g-Schwingungen Raman-aktiv, die A2u- und die E1u-Schwingung IR-aktiv und die beidenB2g-Schwingungen optisch inaktiv (vgl. Abbildung 2.8). Die beiden Raman-aktiven Schwingungen sind nach theoretischen Berechnungen bei 47 und 1582 cm-1 zu erkennen.[23] Tatsächlich zeigt das Raman-Spektrum von hochreinem Graphit (hochgeordneter pyrolytischer Graphit,engl.: highly ordered pyrolytic graphite, HOPG) einen Peak um 1580 cm-1, welcher meist als G-Bande (graphitische Bande) bezeichnet wird. (Gängige Kerb-und Kantenfilter schneiden bis ca. 50 cm-1ab, daher lässt sich der Peak bei 47 cm-1 normalerweise nicht erkennen).

Alle weiteren graphitischen Materialien zeigen zusätzlich zur G-Bande noch ein weiteres Signal bei ca. 1350 cm-1, welches sich aus den vorausgegangenen Überle-gungen nicht ableiten lässt. Die Intensität dieses Signals nimmt (für Graphit) mit höherem Anteil an ungeordnetem Kohlenstoff und abnehmender Kristallitgröße zu. Durch kleine Fehlstellen und die Grenzflächen der Graphitkristallite ist eine weitere Schwingung erlaubt. Diese ist der A1g-Symmetrie zuzuordnen und wird als D-Bande (Defekt-Bande) bezeichnet.[21] Eine Besonderheit der D-Bande ist, dass sie auf Grund der Doppelphononenresonanz dispersiv ist, d.h. die Position und Intensität ändert sich mit der Anregungswellenlänge.[22]

2.1. Raman-Spektroskopie

a b

Abb. 2.7.: (a) Struktur des Graphits, (b) Lage der Schichten im Graphit.

Abb. 2.8.: Erlaubte Schwingungen im Graphitgitter mit zugehörigen Frequenzen in cm-1. Nach [23].

a b

Abb. 2.9.: (a) Vergleich der Raman-Spektren von Graphen und HOPG (im Bild als Gaphite bezeichnet); (b) Dispersion der 2D-Bande in Abhängigkeit der Schichtanzahl. Modifiziert nach [25].

Graphen

Die einzelnen wabenförmigen Schichten von Graphit werden als Graphen bezeichnet (vgl. Abbildung 2.7a). Lange Zeit wurde Graphen nur in theoretischen Überlegungen verwendet, bis 2004 erstmals die Synthese von isoliertem Graphen gelang.[24] Be-reits kurz darauf wurde die RM zur Analytik von Graphenschichten verwendet.[25]

Da die RM sowohl Aussagen zu atomaren wie auch elektronischen Eigenschaf-ten liefert, erfreute sie sich innerhalb kürzester Zeit großer Beliebtheit bei der Untersuchung von Graphen.[26, 27] Abbildung 2.9a zeigt den Vergleich zwischen HOPG und einschichtigem Graphen (SLG, engl.: single layer graphene). Die zuvor beschriebene G-Bande tritt auch in Graphenspektren auf. Sie ist um einige Wellen-zahlen (2–5 cm-1) blauverschoben, was durch chemische Dotierungseffekte erklärt werden kann.[25] Eine weitere Bande lässt sich bei ca. 2700 cm-1 erkennen, welche bei Graphen deutlich intensiver ausgeprägt ist als im Graphit. Sie ist der erste Oberton (zweite Harmonische) der A1g-Schwingung. Im Gegensatz zum Grundton (vgl. D-Bande bei Defekten im Graphit) ist die Schwingung des ersten Obertons auch bei hoch geordneten Strukturen erlaubt, da die Impulserhaltung durch den Zweiphotonenprozess sichergestellt ist.[26, 27] Da die 2D-Bande folglich auch in HOPG auftritt, wird sie historisch bedingt auch als G’-Bande bezeichnet. In Gra-phen ist die 2D-Bande deutlich stärker ausgeprägt als in Graphit, was durch eine Dreiphononenresonanz in SLG erklärt werden kann.[27] Die 2D-Bande verändert sich deutlich mit zunehmender Schichtdicke von Graphen, was deren Bestimmung mittels RM ermöglicht (vgl. Abbildung 2.9b).

2.1. Raman-Spektroskopie

Tab. 2.1.: Raman-Banden (erster Ordnung, 514 nm Anregungswellenlänge) von Ruß, ungeordnetem Graphit und hochgeordnetem Graphit (HOPG) (Bandenintensitäten: vs=sehr stark, s=stark, m=mittel, w=schwach);

modifiziert nach [28].

Bande Raman-Verschiebung (cm-1) Ursache der Schwingung

Ruß Ungeordneter

Graphit HOPG

G 1580 (s) 1580 (s) 1580 (s) Ideales Graphitgitter mit E2g-Symmetrie

D3 1500 (m) amorpher Kohlenstoff

D4 1200 (w)

Ungeordnetes Graphitgitter (Grenzflächen, Fehlstellen) mitA1g-Symmetrie, Polyene und ionische Verunreini-gungen

Ungeordnete und amorphe Kohlenstoffverbindungen

Bei den in dieser Arbeit untersuchten Kohlenstoffverbindungen wie Ruß, Kohle und Huminsäuren handelt es sich größtenteils um ungeordnete und amorphe Substanzen.

Die zugehörigen Raman-Spektren lassen sich jedoch generell als Spektren von stark gestörten und ungeordneten Graphitschichten nähern. Die in Raman-Spektren sichtbaren D- und G-Peaks entstehen durch eine Überlagerung von insgesamt 5 Banden, welche als D1-, D2-, D3- und D4- und G-Banden bezeichnet werden.[21, 23, 28–32] In dieser Arbeit werden zum besseren Verständnis die im Spektrum sichtbaren Signale als Peaks bezeichnet, während die aus dem Fit erhaltenen Signale Banden genannt werden. Aus einer Überlagerung von G- und D2-Bande resultiert der G-Peak, während der D-Peak aus der Kombination der D1-Bande mit der D4-Bande besteht. Die D3-Bande wird durch amorphen Kohlenstoff hervorgerufen und liegt im Bereich zwischen D- und G-Peak. Tabelle 2.1 gibt eine Übersicht über alle beteiligten Banden und deren Interpretation. Nach Sadezky et al.[28]

ist für eine optimale Beschreibung der Spektren eine Regressionsanalyse mit fünf Lorentz- (G, D1, D2, D4) und einer Gauß-förmigen (D3) Banden geeignet. Diese ist in Abbildung 2.10 anhand eines Spektrums von Holzkohle gezeigt.

Abb. 2.10.: Fünfbandenfit des Raman-Spektrums einer Holzkohle.

Aus dem Verhältnis der Intensitäten von D- und G-Peak (I(D)/I(G)) können Aussa-gen über die strukturelle Ordnung getroffen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Intensitäten in ungeordneten und amorphen Strukturen anders verhal-ten als im Graphit (vgl. Abbildung 2.11). Bei graphitischen Strukturen nimmt die Intensität des D-Peaks bei gleichbleibender Wellenlänge mit abnehmender Cluster-größe der Kristallite La zu, da sie vor allem durch aromatische Ringe hervorgerufen wird. Eine weitere Zunahme der Unordnung führt zu immer kleineren und gestörten Clustern, bis diese sich öffnen und nicht mehr vorhanden sind. Die Intensität der G-Bande und damit des G-Peaks hängt jedoch von der Anzahl an sp2-hybridisierten Atomen ab und ändert sich ebenfalls mit zunehmender Unordnung, was zu einer Umkehr der Relation bei ungeordneten Strukturen führt. Das Intensitätsverhältnis hängt für kleine Clustergrößen von der Wahrscheinlichkeit ab Sechsringe zu finden, welche mit steigender Ordnung zunimmt.[22] Zusammenfassend lässt sich festhalten:

• Für graphitähnliche Strukturen mit La >> 2 nm nimmt I(D)/I(G) mit abnehmender Clustergröße zu.

• Für amorphe Strukturen mitLa<<2 nm nimmt I(D)/I(G) mit abnehmender Clustergröße ab.