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3.3 Kultivierung von Mikroorganismen

3.3.3 Rheologisches Verhalten von Biosuspensionen

In vielen Bioprozesse ist ein Anstieg der dynamischen Viskosität über die Zeit zu verzeichnen. Dies kann im Anstieg der Biomassekonzentration, der Änderung der Morphologie der Zellen, der extrazellulären Produktion von Polysacchariden (Xanthan, Pullulan) oder in der Zelllyse und Freisetzung von intrazellulären Makromolekülen wie DNA begründet liegen. Der Anstieg der Viskosität verändert die Hydrodynamik, den Massentransfer zwischen Gas- und Flüssigphase und den Wärmetransport im Reaktor. Im Gegensatz zu Rührkesselreaktoren im Labormaßstab, in denen von annähernd idealen

Bedingungen bezüglich der Durchmischung ausgegangen werden kann, führen nicht newtonsche Fluide in großen Bioreaktoren zu inhomogener Durchmischung und zur Ausbildung von Gradienten. Dies stellt vor allem für die Übertragung von Bioprozessen in industrielle Maßstäbe eine nicht zu vernachlässigende Schwierigkeit dar (McNeil und Harvey 1993; Newton et al. 2016).

Die Viskosität einer Flüssigkeit, bzw. die innere Reibung, kann durch zwei planparallele Platten mit gleicher Fläche A und dem Abstand y, zwischen denen sich eine Flüssigkeit befindet, beschrieben und definiert werden. Die obere Platte bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit v gegen die unter Platte und diese Bewegung führt zu einem linearen Geschwindigkeitsprofil, aufgrund der inneren Kräfte (Reibung) der Flüssigkeitsschichten zueinander. Diese Modellvorstellung ist in Abbildung 3.9 schematisch dargestellt.

Abbildung 3.9 Schematische Darstellung der Scherbeanspruchung einer Flüssigkeit zwischen zwei planparallelen Platten.

Unter der Voraussetzung, dass die Flüssigkeit an der Wand haftet und Randeffekte vernachlässigbar sind, ergibt sich nahe der oberen Platte eine Geschwindigkeit gleich v, und nahe der unteren Platte gleich null, bei laminarer Strömung. Die zur Verschiebung der Platten notwendige Kraft F pro Flächeneinheit τ(γ) (Schubspannung) ist proportional zur Geschwindigkeitsänderung senkrecht der Verschiebungsrichtung. Der Proportionalitäts-faktor wird als dynamische Viskosität η bezeichnet (Tipler und Gerlich 2004).

I([) = = \ ∙#]

#^ = \ ∙ [ (3.36)

τ(γ) … Schubspannung, Pa

η … dynamische Viskosität, Pa s γ … Scherrate, s-1

v(y)

y

Gilt für ein Fluid die Beziehung, dass der Quotient aus Schubspannung und Scherrate konstant ist, liegt ein newtonsches Fluid beziehungsweise Fließverhalten vor. Die Viskosität kann dabei als Stoffkonstante angesehen werden, die hauptsächlich von der Temperatur abhängig ist. Fluide, bei denen sich die Viskosität mit zunehmender Scherrate ändert, werden als nicht newtonsche Fluide bezeichnet, dargestellt in Abbildung 3.10. Dilatante Fluide, wie beispielsweise Stärkelösungen, zeigen einen Anstieg in der Viskosität mit steigender Scherrate, während bei strukturviskosen Fluiden die Viskosität mit steigender Scherrate sinkt. Biosuspensionen zeichnen sich oftmals durch ein strukturviskoses Fließverhalten aus.

Abbildung 3.10 Schematische Darstellung des Fließverhaltens verschiedener Fluide. Dargestellt sind das newtonsche (durchgezogene Linie), das strukturviskose (gepunktete Linie) und das dilatante Verhalten (gestrichelte Linie) der dynamischen Viskosität über die Scherrate von verschiedenen Fluiden.

Das rheologische Verhalten von Fluiden lässt sich mit dem modifizierten Carreau-Ansatz in Gleichung 3.37 beschreiben (Henzler 2007).

\ = \' − \_ U1 + C[X/(XY*)∙ \'

. D

+ \_

(3.37)

η0 … dynamische Viskosität für γ → 0, Pa s η … dynamische Viskosität für γ → ∞, Pa s m … Fließindex, -

K … Konsistenzindex, Pa sm

Scherrate, s-1

dynamische Viskosität, Pa s

Unter Vernachlässigung der in der Praxis nicht relevanten und messtechnisch schwer darstellbaren Randbereiche vereinfacht sich der Carreau-Ansatz zu folgender Gleichung:

\ = . ∙ [*YX (3.38)

Die in Gleichung 3.38 beschriebene mathematische Beziehung wird als Ostwald-de-Waele Gesetz bezeichnet. Für strukturviskose Fluide ergibt sich ein Fließindex kleiner als eins, wohingegen für dilatante Fluide der Fließindex größer als eins ist. Das newtonsche Fluid wird bei einem Fließindex von eins erreicht, bei dem die dynamische Viskosität unabhängig von der Scherrate ist. Fluide können weiterhin noch ein zeitliches und elastisches Verhalten aufweisen, die in dieser Arbeit jedoch nicht betrachtet werden.

Berechnung der effektiven Scherrate

Die zur Festlegung des Strömungszustandes und Leistungscharakteristik wichtige Reynolds-Zahl kann in nicht-newtonschen Fluiden aufgrund der Änderung der Viskosität in Abhängigkeit der Beanspruchung oder Zeit nicht direkt bestimmt werden (Kraume 2005).

Bei der Verwendung von strukturviskosen Fluiden muss entsprechend der Beanspruchung eine repräsentative, integrale Scherrate zugeordnet werden und über die Fließfunktion nach Gleichung 3.38 eine effektive Viskosität.

Die Berechnung der effektiven Scherrate beziehungsweise Schergeschwindigkeit γeff

erfolgt meist über empirische Korrelationen, die sich teilweise stark unterscheiden und für verschiedene Strömungsregime oder Rührer erstellt wurden. Im Folgenden sollen ausgewählte Verfahren dargestellt werden.

Das bekannteste Verfahren wurde bereits 1957 von Metzner/Otto vorgestellt (Metzner und Otto 1957).

[9aa = 3bc(3.39)

kMO … Metzner/Otto Konstante, - n … Rührerdrehzahl, min-1

Dieses Verfahren ist definitionsgemäß auf den laminaren Strömungsbereich beschränkt, ermöglicht aber auch im Übergangsbereich gute Näherungen. Trotz der Einschränkung auf den laminaren Strömungsbereich, wird diese Methode in vielen Arbeiten für unterschiedliche Rührer eingesetzt. Es wurden Metzner/Otto Konstanten für wandferne Rührer im Bereich von 10-13 bestimmt (Kraume 2005) und Ducla et al. (1983) gibt für Scheibenblattrührer eine Metzner/Otto Konstante von 11,5 an. Dennoch konnte gezeigt werden, dass diese Methode die effektive Schergeschwindigkeit im turbulenten Strömungszustand stark unterschätzt (Campesi et al. 2009; Henzler 2007; Kelly und Gigas 2003; Sánchez Pérez et al. 2006).

Mit Hilfe eines Computational Fluid Dynamics (CFD) Modells konnten von Kelly und Gigas (2003) empirische Gleichungen für strukturviskose Fluide bestätigt werden, bei dem neben der Rührerdrehzahl ebenso der Fließindex die Scherrate beeinflusst. Diese Gleichungen wurden für vorwiegend axial fördernde Rührer im Übergangsbereich zwischen laminarer und turbulenter Strömung erstellt. Dadurch konnte gezeigt werden, dass die Metzner/Otto Gleichung die effektive Schergeschwindigkeit im Übergangsbereich zwischen laminar und turbulenter Strömung unterschätzt.

Die von Sánchez Pérez et al. (2006) beschriebene Gleichung 3.40 ist für 6-Blatt-Scheibenrührern in Rührkesselreaktoren mit der geometrischen Beziehung von Reaktordurchmesser gleich Füllhöhe abgeleitet. Weiterhin entspricht der Reaktordurchmesser dem dreifachen Wert des Rührerdurchmessers. Diese Beziehung gilt zudem für turbulente Strömungen, und unter Berücksichtigung des Konsistenzindex und des Fließindexes, auch für strukturviskose Fluide.

[9aa = d4 ∙ e ∙ f ∙ # g ∙ 3i ∙ . j

Xk*X

∙ ( )Xk*i (3.40)

Ne … Newtonzahl Ne = f(Re, Fr), - ρ … Dichte des Fluids, kg m-3 d … Durchmesser Rührer, m K … Konsistenzindex, Pa sm m … Fließindex, -

Der als Leistungskonzept bezeichnete Ansatz nach Henzler und Kauling stellt dabei nicht ausschließlich eine Beziehung zwischen Scherrate und Rührerdrehzahl dar, sondern bezieht die mittlere Energiedissipation mit ein, dargestellt in Gleichung 3.41 (Kraume 2005).

[9aa = l ∙mf . n

(*kX)X (3.41)

ε … mittlere Energiedissipation, m2 s-3 A … rührerspezifische Konstante, -

4 Material und Methoden

Die in dieser Arbeit verwendeten Materialien und Methoden werden im Folgenden dargestellt. Dabei sind standardmäßig verwendete Materialien und Lösungen im Anhang aufgeführt. Dazu gehören die verwendeten Geräte und Verbrauchsmaterialien, Chemikalien und selbst hergestellte Puffer und Lösungen. Außerdem sind im Anhang weitere Informationen und Sicherheitsmaßnahmen zum Arbeiten mit Bakteriophagen beschrieben.