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Rezeption der Theologie Calvins im Großfürstentum Litauen und im Königreich Polen

1. Vorbemerkungen

Zur Wirkung und Nachwirkung der Gedanken der bedeutenden historischen Gestalten, zu denen Johannes Calvin zweifelsohne zählt, gehört es wesent-lich, dass sie eine Art Sogwirkung entfalten, der man sich als Zeitgenosse kaum entziehen kann. Unabhängig davon, welche Position man diesen Ge-danken gegenüber einnimmt – ob begeistert bejahende, oder strikt ablehnen-de –, steht man in ihrem Bann: Man kann nicht anablehnen-ders, als sich mit ihnen aus-einandersetzen und somit ihnen je nach dem bezogenen Standpunkt einen mehr oder minder bedeutenden Platz im eigenen Leben einräumen. Sie be-herrschen jedenfalls den gelehrten Diskurs, und im Fall ihrer positiven Re-zeption werden sie nicht selten zu den Grundpfeilern der die eigene Identität wesentlich bestimmenden Anschauungen.

Wenn im Folgenden von der Rezeption der Theologie Calvins im Groß-fürstentum Litauen und im Königreich Polen die Rede sein wird, soll gerade die Sogwirkung veranschaulicht werden, die dort in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem von einem spezifischen Lehrstück der Theologie Calvins, der Abendmahlslehre, ausging. Dabei wird man sich nicht nur auf die Skizze der positiven Rezeption der Theologie Calvins im Allgemeinen und seiner Abendmahlslehre im Besonderen beschränken können, die zur He rausbildung der reformierten Kirche führte und die folgerichtig als erstes behandelt wird. Thematisiert werden auch – zweitens – die abgebrochene Aneignung seiner Theologie in der entstehenden antitrinitarischen Kirche,

der sogenannten ecclesia reformata minor, sowie – drittens – ihre negative Rezeption durch die katholischen Kontroverstheologen an dem Wilnaer Jesu-itenkolleg bzw. an der 1579 aus dem JesuJesu-itenkolleg hervorgegangenen Wil-naer Universität. Erst wenn man diese drei grundlegenden Typen der zahlrei-chen zeitgenössiszahlrei-chen Reaktionen auf Calvins Theologie näher kennen ge-lernt hat, kann man ein ungefähres Bild von der Tiefe und Breite gewinnen, die ihrer Wirkung im Großfürstentum Litauen und im Königreich Polen be-schieden waren.

Die bisher erfolgte Nennung des Großfürstentums Litauen vor dem Kö-nigreich Polen dient pragmatischen Zwecken und hat lediglich anzuzeigen,

welchem geographischen Gebiet die für die vorliegende Fragestellung aus-sagekräftigen Beispiele schwerpunktmäßig entstammen. Beide Gemeinwe-sen waren seit dem 15. Jahrhundert durch Personalunion vereint, die 1569 auf dem Lubliner Sejm durch die Realunion ersetzt wurde, und die in den 1550er Jahren anhebende Rezeption der Theologie Calvins hat vor wie nach der Lubliner Union in den beiden Teilen der polnisch-litauischen Adelsrepu-blik deutliche intellektuelle Spuren hinterlassen. In chronologischer Hinsicht allerdings wäre zutreffender, von der Rezeption der Theologie Calvins im Königreich Polen und im Großfürstentum Litauen zu sprechen: Die Schrif-ten und das Gedankengut Calvins bahnSchrif-ten sich vornehmlich über Kleinpolen und dessen politisches wie auch intellektuelles Zentrum Krakau ihren Weg, um in den beiden Gemeinwesen ihre Wirkung zu entfalten.

2. Die positive Rezeption und das Festhalten an der Theologie Calvins in der sich herausbildenden reformierten Kirche

Die ersten historisch belastbaren Belege für die im Königreich Polen und im Großfürstentum Litauen anhebende rege Rezeption der Gedanken der Schweizer Reformatoren im Allgemeinen und der Theologie Calvins im Besonderen stammen aus dem Spätsommer 1550. Sie sind in dem am 24.

August verfassten Brief des in Wittenberg weilenden polnischen Gelehr-WHQ-DQ0ąF]\QVNLFD௘±FD௘1 an den befreundeten Züricher Pro-phezeiprofessor Konrad Pellican (1478–1556) zu finden, in dem berichtet wird, dass in Polen auf dem letzten Reichstag zu Piotrków (Petrikau, Mai bis Juli 1550) an die hundert Exemplare der Werke Calvins und Zwinglis unter die Leute gebracht worden seien und dass man diese nun mit

gro-‰HP%HLIDOOOHVH௘2

$XFKHU0ąF]\QVNLGHUYRUGHU5FNNHKULQVHLQH+HL-1 -DQ0ąF]\ĔVNLWUXJVLFK]XPHUVWHQ0DOLQGLH0DWULNHOGHU/HXFRUHDHLQZR0HODQFK-thon von seinen philologischen Fähigkeiten im Lateinischen angetan war. Nach anschließen-GHQNXU]HQ6WDWLRQHQLQ6WUD‰EXUJXQG3DULVNDP0ąF]\ĔVNLLQGLH6FKZHL]:lKUHQGVHLQHV Züricher Aufenthaltes, der bis Ende 1546 dauerte, wohnte er bei Konrad Pellican und hörte die 9RUOHVXQJHQ%XOOLQJHUV%LEOLDQGHUV*ZDOWHUVX௘D'LH=HLWYRP)UKMDKUELV]XP)UK - MDKUYHUEUDFKWH0ąF]\ĔVNLLQ3DGXDXPLP)UKOLQJZLHGHULQ:LWWHQEHUJ]XZHL-len. Vgl. ausführlicher zu seiner Person Henryk BARYCZ-DQ0ąF]\ĔVNL/HNV\NRJUDI3ROVNL

;9,ZLQ5HI3RO±6±.ĊVWXWLVDAUGIRDAS, Andreas Volanus und die Reformation im Großfürstentum Litauen, Mainz 2008, S. 46, Anm. 177.

2 Vgl. Theodor WOTSCHKE (Hg.), Der Briefwechsel der Schweizer mit den Polen, Leipzig 1908, Nr. 18, S. 28: »Calvini et Zuinglii opera communiter magno cum applausu apud nos iam leguntur, quemadmodum mihi magister quidam Polonus retulit, per cuius manus in proximis comitiis regni centena exemplaria distracta sunt«. Um welche Werke es hier geht, kann leider QLFKWPHKUHUPLWWHOWZHUGHQ:HUVLFKKLQWHUGHPYRQ0ąF]\QVNLQDPHQWOLFKQLFKWEHQDQQWHQ

»polnischen Magister« verbirgt, kann ebenfalls nicht eindeutig geklärt werden. Wotschke hat YHUPXWHWGDVVHVVLFKXP*UHJRULXV3DZHáKDQGHOH9JOHEG$QP

mat stehende ehemalige Student der Schweizer, werde vor allem seine Zü-richer Lehrer nicht vergessen, und, wo immer er sein werde, dort werden auch sie sein3.

'DV 9HUVSUHFKHQ GHU /HKUHU ]X JHGHQNHQ O|VWH 0ąF]\QVNL LP 9HU-lauf der anschließenden Jahre gewissenhaft ein. Nach der Beendigung der peregrinatio academica trat er 1553 bei einem der einflussreichs-WHQ0DJQDWHQLP*UR‰IUVWHQWXP/LWDXHQ1LNRODXV5DG]LZLááJHQDQQW der Schwarze (1512–1565)4, den Dienst als Sekretär an. Schon bald da-rauf – seit dem beginnenden Jahr 1555 – stand dieser Magnat, wie zahl-reiche andere in Litauen und Polen auch, mit den Schweizer Reformato- UHQLP%ULHIZHFKVHOZREHL]XGHP.UHLVGHU5DG]LZLááVFKHQ.RUUHVSRQ-denten solche illustren Persönlichkeiten stießen, wie etwa der Züricher Nachfolger Zwinglis, Heinrich Bullinger (1504–1575)5, oder der ehemals in Straßburg tätige, seit 1549 in Bern lehrende Theologieprofessor Wolf-gang Musculus (Müslin, 1497–1563)6. Auch der große Genfer, Johannes Calvin, nahm mit dem vom 1. Februar 1555 datierten reformatorischen 0DKQVFKUHLEHQ ]X LKP .RQWDNW DXI௘௘7 XQG GLH VHLWHQV 5DG]LZLááV DP -XQLHUIROJWHZDUPKHU]LJH$QWZRUW௘8 markierte den Beginn einer für die theologische Richtung der entstehenden reformatorischen Kirche be-deutenden Beziehung.

Die Voraussetzungen dafür, dass die mit der Reformation sympathisieren-den polnisch-litauischen Adligen und Prediger der Theologie der Schweizer gegenüber offen stünden, waren zum Zeitpunkt der Anknüpfung dieser per-sönlichen Kontakte nicht ungünstig. Der zu Beginn der 1550er Jahre im be-nachbarten herzoglichen Preußen mit großer Erbitterung ausgefochtene Osiandrische Streit hatte den reformatorisch Gesinnten in Litauen und Po-len die innere Zerrissenheit der Wittenberger Reformation vor Augen ge-führt und auf diese Art und Weise ihre Abwendung von diesem Zweig der Reformation begünstigt, der ursprünglich vor allem im Großfürstentum prägend gewesen war9. Noch viele Jahre später galt die von dem von Herzog

3 Vgl. ebd.: »Nole enim absque Tigurinis domi meae esse, sed ubi ego sum, ibi etiam mecum et Tigurini sint, hoc est praeceptores cum discipulo. Ideo nequaquam excistimare (sic!) debetis, me per ipsam in patriam reditionem memoriam vestri depositurum esse«.

4 Vgl. zu seiner politischen wie auch reformatiosgeschichtlichen Bedeutung die ältere, aber nach wie vor grundlegende Monographie Józef JASNOWSKI0LNRáDM&]DUQ\5DG]LZLáá±

.DQFOHU]LPDUV]DáHN]LHPVNL:LHONLHJR.VLĊVWZD/LWHZVNLHJRZRMHZRGDZLOHĔVNL:DUV]DZD 1939.

5 %XOOLQJHU VFKULHE 5DG]ZLáá DP 1RYHPEHU DQ 9JOWOTSCHKE, Der Briefwechsel, Nr. 30, S. 34.

6 0XVFXOXVVHW]WHVLFKLQ%H]LHKXQJ]X5DG]LZLááPLWGHPLP-DQXDUYHUIDVVWHQUHIRUPDWR -rischen Mahnschreiben. Vgl. ebd., Nr. 47, S. 36.

7 Vgl. CO 15, Nr. 2113, Sp. 428f.

8 Vgl. ebd., Nr. 2227, Sp. 654.

9 Vgl. DAUGIRDAS, Volanus, S. 32f.

Albrecht gestützten Andreas Osiander (1496 / 1498–1552) angefachte Ausei-nandersetzung um die Rechtfertigungslehre den litauischen Zeitgenossen als ein Inbegriff des Grundübels unter den Brüdern, der in Bezug auf den an-gerichteten Schaden dem Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli in QLFKWVQDFKVWDQG௘10. Selbst der Lehnsherr von Preußen, der mit der Reformati-on in seinen jungen Jahren durchaus sympathisierende Sigismund II. August (reg. 1548–1572), hatte ihn deutlich vernommen und äußerte sich im Oktober 1551 dazu wie folgt: »Ich hette das meyn leben langk nit glaubet, das meyn brüder der hertzog [sc. Albrecht] etc. sich durch eynen menschen [sc. Osian-der] alzo solte vorfuren lassen und sich jtzo uff sayn alter in so gros geschrey EH\MGHUPHQQLJOLFKHQEULQJHQ©௘11.

Vor diesem Hintergrund mussten die von Calvin und den Zürichern voran-getriebenen erfolgreichen innerschweizerischen Bemühungen um eine theo-logische Einigung, wie sie im 1549 ausgehandelten und angenommenen Con-sensus Tigurinus zu Tage traten, auf die polnisch-litauischen Zeitgenossen wie ein leuchtendes Gegenbeispiel wirken und ihre Blicke nicht zuletzt auf die in dem Konsens festgehaltene Abendmahlslehre lenken12. Der auf dem Höhepunkt seines Wirkens stehende Calvin erledigte das Übrige, indem er auf die theologische Ausgestaltung der Reformation in diesem Teil Osteuro-pas aktiv Einfluss nahm und sich auch um die Verbreitung der eigenen Wer-ke bemühte. Er widmete beispielsweise 1549 seinen Kommentar zum He-bräerbrief dem polnischen König und litauischen Großfürsten Sigismund II.

$XJXVW௘13, und, als sich der ehemalige Beichtvater der Königin Bona Sfor-]D)UDQFHVFR/LVPDQLQL±௘14LQGHQ-DKUHQ௘௘LQ*HQIXQG Zürich aufhielt, ließ sich Calvin von ihm anregen, den polnisch-litauischen Hochadel gezielt anzuschreiben und für eine entschiedene Fortführung der

10 Vgl. Szymon BUDNY2XU]ĊG]LHPLHF]DXĪ\ZDMąFHPKJYRQ6WDQLVáDZKOT, Warszawa 6 I ª.WR SRPQL VSyU 0DUFLQD /XWKHUD ] &ZLQJOLXVHP NWyU\ PLHOL R :LHF]HU]ą

&KU\VWXVRZĊ DOER NWR R QLHP F]\WD VQDGQLH PL WHJR SRPRĪH ĪH WDNLFK VSRUyZ QLHPDV]

FR FKZDOLü 7DNĪH NWR ZLH F]HJR Z 3UXVLHFK VSyU 2VLDQGUyZ QDEURLO L WHQ WRĪ FR MD U]HF musi«.

11 Vgl. Bernhard Pohibel an Herzog Albrecht, 4. Oktober 1551, in: Documenta ex Archivo Regio-montano ad Poloniam spectantia, XIV Pars, HBA, B 2b, 1546–1567, Romae 1978, Nr. 65, S. 61.

12 Dass man den Consensus Tigurinus im Großfürstentum Litauen und im Königreich Polen hoch VFKlW]WH EH]HXJW GHU %ULHI 5DG]LZLááV GHV 6FKZDU]HQ DQ &DOYLQ YRP -XOL LQ GHP X௘DGDYRQGLH5HGHLVWGDVVGLHSROQLVFKHQXQGOLWDXLVFKHQ.LUFKHQªGHQ.RQVHQVGHUKHOYH tischen und der allobrogischen Kirchen mit großer Einmütigkeit« befolgen würden. Vgl. CO 20, Nr. 4125, Sp. 328.

13 Vgl. Calvin an Sigismund August, 23. Mai 1549, in: CO 13, Nr. 1195, Sp. 281f. und 285.

14 Vgl. ausführlicher zu Lismanini und seiner Bedeutung für den weiteren Verlauf der Reformation in Polen und Litauen Theodor WOTSCHKE, Francesco Lismanino, in: ZHG 18 (1903), S. 213–332;

Konrad GÓRSKI*U]HJRU]3DZHá]%U]H]LQ0RQRJUDILD]G]LHMyZSROVNLHMOLWHUDWXU\DULDĔVNLHM XVI wieku, Kraków 1929, S. 73–75.

Reformation zu werben15. Das Ergebnis der Bemühungen fiel zunächst ganz in seinem Sinne aus.

Die in der Institutio klar und wohlgeordnet zusammengefasste Theologie Calvins entfaltete vor allem in Bezug auf die Abendmahlslehre eine nach-KDOWLJH :LUNXQJ .LUFKHQRUJDQLVDWRULVFK GXUFK GDV :LUNHQ -DQ àDVNLV (Johan nes a Lasco, 1499–1560)16 flankiert, der in die Heimat zurückge- NHKUWXQGLP0lU]LQ:LOQDYRQ5DG]LZLááGHP6FKZDU]HQPLWHQW-VSUHFKHQGHQILQDQ]LHOOHQ0LWWHOQDXVJHVWDWWHWZRUGHQZDU௘17, setzten sich Calvins Abendmahlslehre und Abendmahlspraxis alsbald in den meisten Gemeinden Kleinpolens und des Großfürstentums Litauen durch. Was das Großfürstentum anbelangt, so kann man die Annahme der Abendmahls-lehre des Genfer Reformators zeitlich ziemlich genau ermitteln. Sie er-folgte auf den richtungweisenden Zusammenkünften (congregationes) der Verantwortlichen der Wilnaer Gemeinde, die sich vom 18. Januar bis zum 15. Februar 1558 erstreckten. Während dieser Zusammenkünfte machte sich der Wilnaer Pfarrer Simon Zacius (gest. um 1576 / 1577) für Calvins Verständnis des Abendmahls stark. Er votierte für das im Abendmahl erfol-gende spirituelle Eins-Werden mit Christus durch den Glauben, wobei Seele und Glaube an Christus im Himmel heranreichen18 – die Nähe zum calvi-nischen sursum corda bei gleichzeitigem lokalen Verständnis der leiblichen Anwesenheit der Menschheit Christi im Himmel und geistvermittelter Ge-meinschaft mit ihm sind unübersehbar. Die von Zacius eingeleitete Übernah-me der Abendmahlslehre Calvins, der die restlichen Pfarrer zustimmten, zog sogleich den veränderten Abendmahlsritus nach sich. Die Zeitgenossen be-richten im April 1558 von »new angefangene ceremonien«19, was nichts an-GHUHVEHGHXWHWDOVGDVVPDQYRQQXQDQGDV%URWEUHFKHQSUDNWL]LHUWH௘20.

15 Vgl. dazu WOTSCHKE, Der Briefwechsel, Nr. 19–22, 24, 33–41, S. 31f., 34f.

16 9JO ]X -DQ àDVNL +HQQLQJ 3JÜRGENS, Johannes a Lasco in Ostfriesland. Der Werdegang eines europäischen Reformators, Tübingen 2002; Christoph STROHM (Hg.), Johannes a Lasco (1499–1560). Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum inter-nationalen Symposium vom 13.–17. Oktober in der Johannes-a-Lasco Bibliothek Emden, Tübingen 2000; Oskar BARTEL-DQàDVNL±%HUOLQ

17 9JO-DQ8WHQKRYHDQ%XOOLQJHUX௘D-XQLLQ&21U6S

18 9JO$NWD7KRLHVW6SUDZ\=ERUXNU]HĞFLDĔVNLHJR:LOHĔVNLHJRNWRUHVLĊSRF]HOL53 0LHVLąFD'HFHPEUD'QLD=DVSUDZąN[LĊG]D6LPRQD]3URVVRZLFWHJR]ERUXVXSHULQWHQ-GHQWD.D]QRG]LHLH2ĞZLHFRQHJR.[LąĪĊüLDSDQD0LNRáDLD5DGĨLZLáD:RLHZRG\:LOHĔVNLHJR etc. W Brzesciu Litewskiem M. D. Lix. (ND in: Monumenta Reformationis Polonicæ et /LWKXDQLF  =ELyU SRPQLNyZ UHIRUPDF\L NRĞFLRáD SROVNLHJR L OLWHZVNLHJR ; :LOQR :DUV]DZD 6 = ± XQG ± ª$ F]áRZLHN JG\ WR ELHU]H ELHU]H &KU\VWXVD SU]\áDQF]\ZVV\VLHZLDUąNQLHPXNWRUHWKR]áąF]HQLHDOERVSRLHQLHPRĪHNWRFKFHQD]ZDü GXFKRZQLHP]áąF]HQLHP>@/HüGRU]HF]\QLHELHVNLFKDGXFKRZQ\FK>@W\ONRGRVLĊJDGXVVD QDVVD \ ZLDUD Z]JRUĊ SRGQLHVLRQD GR QLHED JGĨLH &KULVWXV VLHGĨL QD SUDZLF\ %RJD R\FD ZVVHFKPRJąFHJR>@©

19 Bernhard Pohibel an Herzog Albrecht, 26. April 1558, in: Documenta, Nr. 126, S. 127.

20 Vgl. ebd., S. 127f.: »[...] dy sacrament anderst dan vorhyn gibt [...]«.

Zum großen Leidwesen und Ärger Calvins verharrte jedoch die ent-stehende Kirche in den anschließenden Jahren weder im Großfürstentum Litauen noch in Kleinpolen bei seiner genuinen Lehre. Unter dem Ein-IOXVV GHV PLW 1LNRODXV 5DG]LZLáá GHP 6FKZDU]HQ EHIUHXQGHWHQ $U]WHV Giorgio Biandrata (1515–1588)21, aber auch der in Italien ausgebildeten (LQKHLPLVFKHQGLHZLHHWZD3HWUXV*RQHVLXV3LRWU]*RQLąG]D*RQHG-zius, ca. 1530–1573)22, mit antitrinitarischen Gelehrten, z.B. Matteo Gri-baldi (ca. 1500–1563), in Kontakt gekommen waren und ihr Gedankengut übernommen hatten, begnügte man sich nicht mit dem Zurechtrücken der Abendmahlslehre. Das reformatorische Prinzip radikal anwendend, mein-ten die litauischen und polnischen Theologen vielmehr, auch die traditio-nelle Trinitätslehre sowie die Zwei-Naturen-Lehre einer Kritik unterzie-hen zu müssen, was ihre baldige Ablehnung als unbiblisch zur Folge hatte.

Vergebens versuchte Calvin, diesen Entwicklungen Einhalt zu gebieten, LQGHPHU5DG]LZLááGHP6FKZDU]HQGLH]ZHLWH$XIODJHVHLQHV.RPPHQ-tars zur Apostelgeschichte widmete und in dem am 1. August 1560 un-terschriebenen Widmungsschreiben23 sowie in den im Oktober 1561 ver-fassten Briefen ausdrücklich vor Biandrata warnte24. Die meisten intel-lektuell führenden Pfarrer und Gelehrten in Litauen und Kleinpolen, die sich im Verlauf der fünfziger Jahre Calvins Abendmahlsauffassung ange-schlossen hatten, wechselten zu Beginn der sechziger Jahre in das anti-trinitarische Lager: So der Superintendent des Wilnaer Distrikts Nikolaus :ĊGURJRZVNL JHVW XQG ZHLWHUH OLWDXLVFKH 3IDUUHU XQG *HOHKUWH wie Martin Czechowic (1532–1613)25, Szymon Budny (ca. 1530–1593)26, Laurentius Criscovius (Wawrzyniec Krzyszkowski, ca. 1530–gest. nach VRZLHGLH.OHLQSROHQ*UHJRULXV3DZHá*U]HJRU]3DZHá]%U]H]LQ ca. 1525–1591)27, Martin Krowicki (ca. 1500–1573), Georg Schoman (gest.

X௘D8PGDV-DKUZXUGHQGLHGRJPDWLVFKHQ'LIIHUHQ]HQMHGHQ-falls derart gravierend, dass es in der entstehenden Kirche zur Spaltung in

21 Vgl. dazu ausführlicher DAUGIRDAS, Volanus, S. 41–44.

22 Vgl. zu Petrus Gonesius Konrad GÓRSKI, Studia nad dziejami polskiej literatury antytryni-tarskiej XVI wieku, Kraków 1949, S. 52–100.

23 Vgl. CO 18, Nr. 3232, Sp. 158.

24 9JO-RKDQQHV&DOYLQDQ1LNRODXV5DG]LZLáá2NWREHULQ&21U6SGHUV an die Wilnaer Pfarrer, 9. Oktober 1561, in: Ebd., Nr. 3562, Sp. 38.

25 Vgl. zu diesem bedeutenden Antitrinitarier Lech SZCZUCKI, Marcin Czechowic (1532–1613).

Studium z dziejów antytrinitaryzmu polskiego XVI wieku, Warszawa 1964.

26 Vgl. zu Szymon Budny Stefan FLEISCHMANN, Szymon Budny. Ein theologisches Portrait des SROQLVFKZHL‰UXVVLVFKHQ +XPDQLVWHQ XQG 8QLWDULHUV FD ± .|OQ 6WDQLVáDZ KOT, Szymon Budny. Der größte Häretiker Litauens im 16. Jahrhundert, in: Studien zur älteren Geschichte Osteuropas, I. Teil, Wien 1956, S. 63–118.

27 *UXQGOHJHQG]XP:HUGHJDQJXQG%HGHXWXQJGHV*UHJRULXV3DZHáLVWGÓRSKI*U]HJRU]3DZHá z Brzezin.

die sogenannte ecclesia reformata maior und die antitrinitarische ecclesia reformata minor kam.

Trotz der Spaltung, von der sich die an der traditionellen Trinitätslehre und Christologie festhaltende reformierte Kirche erst in den siebziger Jahren all-PlKOLFKHUKROHQVROOWH௘28, blieben die Werke Calvins weiterhin im Zentrum der theologischen Diskussionen. Insbesondere die Institutio diente als eine Art Richtschnur für die trinitätstheologischen und christologischen Kontro-versen, und die Tatsache, dass sowohl Bestreiter als auch Befürworter des trinitarischen Denkens nicht ohne Bezüge auf dieses Kompendium der Cal-vinschen Theologie auskamen, belegt auf eindrückliche Art und Weise die lebendige Präsenz der Gedanken des Genfers in Litauen und Polen. Sehr auf-schlussreich sind in dieser Hinsicht die Angriffe des bereits erwähnten Pe-trus Gonesius auf den angeblichen Sabellianismus Calvins, die er in den zu Beginn der sechziger Jahre verfassten und 1570 in einem Sammelband Doctrina pura & clara im Druck veröffentlichten Traktaten vorbrachte. Als Vertreter des subordinatianischen Tritheismus29 ging Gonesius gegen die Tri-nitätslehre Calvins vor und polemisierte gegen entsprechende Abschnitte aus der neuesten, 1559 erschienenen Auflage der Institutio30.

Die Verfechter der Trinitätslehre in der reformierten Kirche, die sich um und nach 1565 vor allem im Großfürstentum Litauen aufgrund des Ein-schwenkens fast aller Pfarrer auf die antitrinitarische Linie vornehmlich aus dem theologisch interessierten Adel rekrutierten, hielten ihm ihrerseits zur Ehrenrettung des Genfer Reformators Abschnitte aus diesem Werk entge-gen, die die Rechtgläubigkeit von dessen Lehre beweisen sollten. Ein schönes Beispiel dafür bilden die im Frühling 1565 verfasste Epistola ad Nicolaum Pacium des Andreas Volanus (ca. 1531–1610) – von ihm wird noch im Zu-sammenhang mit den jesuitischen Kontroverstheologen die Rede sein – und die im Sommer 1566 entstandene Orthodoxa fidei confessio des mit der

Re-28 Vgl. zum Prozess der allmählichen Konsolidierung der reformierten Kirche im Großfürsten-tum Litauen DAUGIRDAS, Volanus, S. 63–73.

29 Vgl. zu seiner tritheistischen Theologie ebd., S. 183–192.

30 Vor allem die in Inst. 1, 13.6 vorgetragene Auffassung Calvins, die drei göttlichen Personen seien aufgrund der relational verstandenen, je eigentümlichen Seinsweise (»subsistentia«) im Wesen (»essentia«) Gottes zu unterscheiden, tendiere – so Gonesius – prinzipiell zum Sabellianismus: Die so verstandene Person sei, auch wenn man das nicht zugebe, lediglich ein Akzidens ohne eigenständige Seinsweise (»subsistentia«), denn subsistieren können eigentlich nur Substanzen. Vgl. Petrus GONESIUS, DE DEO, ET FILIO EIVS CHRISTO IESV, ET SPI-RITV SANCTO, CONTRA monstrosam Sabellianorum Trinitatem, in: Ders., Doctrina pura

& clara DE PRÆCIPVIS CHRISTIANÆ RELIGIONIS Articulis, contra SABELLIANO-RVM, EBIONITASABELLIANO-RVM, NESTORIANOSABELLIANO-RVM, et aliorum Haereticorum impia et perplexa Sophismata, ex puro et expresso Dei Verbo collecta, idq[ue] secundum ueterum eius illustrati-onem, PER PETRVM GONEDZIVM. 2. Timoth: 1. Exemplar teneto sanorum sermonum, quos á me audisti, in fide & caritate quæ est in Christo Iesu. VEGROVIÆ Anno DOMINI secundum carnem, 1570, fol. 19v–21r.

formation sympathisierenden Kiever Bischofs Nikolaus Pac (gest. 1585)31. In der Epistola ad Nicolaum Pacium zitierte Volanus nämlich wörtlich aus dem 6. Kapitel der Institutio (Auflage: 1554) die Zeilen32, mit denen Calvin die Unterscheidung der drei göttlichen Personen herausstrich33. Pac hingegen hielt apodiktisch fest, dass man die Trinitätslehre auf gar keinen Fall aufge-ben dürfe, denn ohne sie – und hier bedient sich der Verfasser eines fast wört-lichen Zitats aus der Institutio (Auflage: 1559) – »schwirrt der nackte und leere Begriff ›Gott‹ ohne Gott selbst in unserem Hirn umher«34.

3. Die abgebrochene Aneignung der Theologie Calvins in der sogenannten ecclesia reformata minor

Ein sehr interessantes, in der Forschung bislang aber wenig berücksichtigtes Kapitel in der Rezeptionsgeschichte der Gedanken Calvins bildet das Ver-hältnis der litauischen und polnischen Antitrinitarier zu seiner Theologie und seinen Schriften. Wie aus dem bisher Ausgeführten ersichtlich gewor-den sein sollte, teilten die heterodoxen Theologen vorerst seine Abendmahls-lehre. Sie sollte denn auch bis in die neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts hi-nein die offizielle Lehre der sogenannten ecclesia reformata minor bleiben, die in den ausgehenden sechziger Jahren die tritheistische Theologie

allmäh-31 Beide Werke erschienen in Königsberg unter dem Gesamttitel ORTHODOXA FIDEI CON-FESSIO DE VNA EADEMQVE DEI PATRIS, FILII, ET SPIRITVS SANCTI DIVINITATE, AC TRIBVS PERSONIS, tam e scriptura sacra, quam uetustißimis Ecclesiæ doctoribus

sum-matim collecta. REGIOMONTI BORVSSIAE in officina Iohannis Daubmanni, Anno D. 1566.

32 Bzw. 4. Kapitel, wenn es sich um die Edition aus dem Jahr 1539 handeln sollte. Aufgenommen ist der Abschnitt 18.

33 Vgl. Andreas VOLANUS, Epistola ad Nicolaum Pacium, in: Orthodoxa fidei confessio, fol. V3v–V4r: »Veram certe distinctionem insinuant patris, filij & spiritus sancti uocabula, ne quis nuda epiteta eße putet, quibus uarie designetur Deus, sed disctinctionem, non diuisionem.

Proprietatem sibi á filio distinctam ostendit pater, dum per Zachariam socium uel propin quum uocat. Vt enim nulla est creaturis cum Deo cognatio, ita socius aut cognatus sibi ipsi non

Proprietatem sibi á filio distinctam ostendit pater, dum per Zachariam socium uel propin quum uocat. Vt enim nulla est creaturis cum Deo cognatio, ita socius aut cognatus sibi ipsi non