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4 Mevinsäuren

5.4 Retrosynthetische Betrachtungen

Ziel des zu entwickelnden Konzeptes war einen Zugang zu β-C-Glykosiden zu schaffen, ohne eine vorherige Unterscheidung zwischen der natürlichen D- oder der nicht natürlichen L-Reihe als Syntheseziel treffen zu müssen. Aus diesem Grund wurden zwei identische Substituenten als C-glykosidische Reste gewählt. Daraus folgen einige Besonderheiten (siehe Schema 5.4.1).

p

Die angestrebten Syntheseziele können auch als hybride C-Glykoside bezeichnet werden, die sowohl der D- als auch derL-Reihe entsprechen. Das schon in Abbildung 5.3.1 gezeigte 2,6-Anhydro-L-talo-D-glycero-heptitol 107 stellt z.B. sowohl ein C-Glykosid der D-Gulose als auch der L-Altrose dar. Entsprechendes gilt für die anderen C-Glykoside, so daß die Synthese der mittleren Verbindungen einen Zugang zu den C-Glykosiden der D- und L-Zucker gewährleistet.

p

Das β-C-Galactosid 109 und das β-C-Mannosid 110 sind ebenso wie das β−C-Gulosid 107 und das β-C-Altrosid 108 enantiomer zueinander. Die Zahl der zu synthetisierenden Verbindungen für eine abgerundete Synthesemethode verringert sich somit auf 6, wenn die Entscheidung für die Synthese eines bestimmten Enantiomers flexibel ist.

186 Die Bezifferung der Verbindungen im experimentellen Teil folgt den IUPAC-Regeln.

Abbildung 5.3.2: Verwendete Numerierungen

O

Pyranose-Num m erierung

C-Glykosid-Num merierung bicyclische

Numm erierung an C-Glykoside angelehnte Numm erierung

1'

p

Die anderen vier C-Glykoside (β-C-Allosid 111, Glucosid 112 , Idosid 113, und Talosid 114) sind meso-Verbindungen und sollen durch Anwendung einer orthogonalen Schutzgruppen-Strategie187 im Verlauf derde novo-Synthese vollständig differenzierbar sein.

Außerdem sollte eine de novo-Synthese aus gut zugänglichen Startmaterialien erarbeitet werden, um nicht auf die Verfügbarkeit chiraler Ausgangsverbindungen angewiesen und in der Synthese eingeschränkt zu sein.

In Kapitel 5.2 wurden Synthesemethoden vonβ−C-Glykosiden vorgestellt, die gerade diese Forderungen nicht erfüllen, weil Zucker-Derivate benutzt werden und so nur ganz spezielle Synthesen für einzelne Vertreter der β−C-Glykoside möglich sind. Schema 5.4.1 stellt die beschriebenen Zusammenhänge nochmals dar.

187 Schelhaas, M.; Waldmann, H. Angew. Chem. 1996, 108, 2192.

Schema 5.4.1: Hybride C-Glykoside β-C-D-Idoside 113

β-C-L-Idoside

β-C-D-Alloside 111 β-C-L-Alloside

β-C-D-Taloside 114 β-C-L-Taloside

β-C-D-Glucoside 112 β-C-L-Glucoside

β-C-D-Altroside 108 β-C-L-Guloside

β-C-D-Guloside 108 β-C-L-Altroside

Für die Synthese bot sich wiederum die Verwendung des Oxabicyclen-Konzeptesan. Aus den bicyclischen Startmaterialien sollten β-C-Glykoside durch eine Ozonolyse der Ethenobrücke mit 100 %-iger cis-Selektivität (der Hydroxymethyl-Substituenten) zugänglich sein. Dabei liefert die asymmetrische [4+3]-Cycloaddition einen enantiomerenreinen Baustein 116 (Schema 5.4.2), der schon eine äquatoriale Sauerstoff-Funktion am späteren THP-Ring des C-Glykosids trägt. Durch diese Vorgabe ist die Synthese der hybriden C-Glykoside möglich, in denen mindestens eine der zu den Hydroxymethyl-Substituenten benachbarten OH-Funktionen am THP-Ring cis-ständig zu diesen angeordnet ist (siehe Schema 5.4.1)

Die hybriden C-Glykoside der Glucosid- und Allosid-Reihe besitzen zwischen den Hydroxymethyl-Substituenten und den benachbarten OH-Funktionen eine trans-ständige Anordnung, wodurch ihre Synthese aus demmeso-Keton3über die Deprotonierung mit einer chiralen Base188 möglich ist (vgl. Kapitel 2). Bei dieser Reaktion und weiteren Transformationen wird die Struktur der bicyclischen Systeme ausgenutzt. Schema 5.4.2 zeigt den grundsätzlichen Weg unter Verwendung von Oxabicyclen als Startmaterial. Die Ozonolyse der bicyclischen Systeme stellt den letzten Schritt auf dem Weg zu den hybriden C-Glykosiden dar, wodurch die korrekte Einstellung der geforderten Stereochemie der anderen Zentren notwendigerweise vorher etabliert sein muß.

Die retrosynthetische Analyse zeigt, daß die Systeme 119-122 (siehe Schema 5.4.3) aus dem bicyclischen Vorläufer (-)-6 darstellbar sein sollten, während die C-Glykoside 123 und 124 aus der meso-Verbindung 3 zugänglich zu sein scheinen.

188 Die Deprotonierung mit einer chiralen Lithium-Amidbase führt unter Desymmetrisierung zu einem Hydroxyketon: Rose, I. Dissertation, Universität Hannover1997;vgl. auch: Simpkins, N. S.Chem. Soc. Rev.

1990,19, 335. Die nachfolgenden Transformationen werden im weiteren beschrieben und sind detailliert zu finden: Reuter, H. Dissertation in Vorbereitung, Universität Hannover.

Schema 5.4.2: Oxabicyclen als Startmaterial

O OAux*

Für die C-Glykoside mit einer cis-Anordnung der Substituenten an den Kohlenstoff-Atomen C5 und C6 ist somit die asymmetrische [4+3]-Cycloaddition die Schlüsselreaktion bei der Herstellung ihrer Ausgangsverbindungen. Im weiteren Verlauf ist die Einführung einer OH-Gruppe an C3 und deren Schützung erforderlich. Die Einstellung der Schema 5.4.3: Retrosynthese der β-C-Glykoside

O O Ph

Stereochemie an diesem Zentrum bietet sowohl den Zugang zu den Systemen mit einer cis-als auch trans-Anordnung zwischen C2 und C3. Eine stereoselektive Reduktion der Carbonylfunktion sollte schließlich die Einstellung der Stereochemie an C4 ermöglichen.

Entscheidend ist, daß alle C-Glykoside differenziert geschützt sein sollten. Festgelegt wurde dabei nur die Benzylidenacetal-Schutzgruppe für die primäre OH-Gruppe eines Hydroxymethyl-Substituenten und einer sekundären OH-Funktion am THP-Ring (siehe Schema 5.4.3). Ein Vorteil dieser Schutzgruppe ist die Möglichkeit, selektiv sowohl die primäre als auch die sekundäre OH-Funktion zu entschützen, also beide OH-Funktionen einzeln “abrufen“ zu können.189 Im Rahmen einer orthogonalen Schutzgruppen-Strategie sollten die anderen verwendeten Schutzgruppen mit dem Benzylidenacetal kompatibel sein.

Deshalb wurden eine Silyl- und eine Esterschutzgruppe für die beiden verbleibenden OH-Funktionen in Betracht gezogen. Die Schutzgruppen-Problematik wird später jedoch noch genauer beschrieben.

Die Entwicklung einer kompakten und flexiblen Synthesemethode für die hybriden ß-C-Glykosidesollte innerhalb einer Gruppe erfolgen, wobei vorrangiges Ziel dieser Arbeit die Herstellung eines Zugangs zu den C-Glykosiden der Gulosid-Serie (und dazu enantiomeren Galactosid-Serie) war.190 Die Zielverbindung mit einer an C4 inversen Stereochemie sollte von R. Dunkel191 hergestellt werden, während die Synthese der hybriden C-Glykoside mit einer trans-Stereochemie an C5 und C6 das Ziel von H. Reuter192 war. Schließlich stellte die Darstellung der beiden C-Glykoside, die sich nur in der Stereochemie an C4 unterscheiden, das Ziel der Bemühungen von C. B. W. Stark193 dar. Die enge, netzwerkartige Verknüpfung einzelner Syntheseäste erlaubte im Zuge der Entwicklung allerdings immer auch Probleme anderer Gruppenmitglieder zu bearbeiten bzw. zu lösen.

Das explizite Schema (vgl.Schema 5.4.3) zeigt die angestellten retrosynthetischen Überlegungen, wobei auf die Angabe verschiedener Schutzgruppen mit Ausnahme des Benzylidenacetals verzichtet wird. In den folgenden Kapiteln soll die Synthese der β−C-Glykoside beschrieben werden. Grundsätzlich wurden alle Syntheseansätze racemisch begonnen, trotzdem soll zuerst der Zugang zu enantiomerenreinem Startmaterial beschrieben werden, das schließlich exemplarisch für die Synthese eines β-C-Glykosids verwendet wurde.

189 Kociensky, P. J. Protecting Groups Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1994, 96.

190 Im weiteren Verlauf wird weiterhin von der Gulosid-Serie gesprochen, auch wenn zuerst mit racemischen Material gearbeitet und deshalb eigentlich keine Unterscheidung zur Altrosid-Serie möglich ist.

Entsprechendes gilt für die Galactosid- und Mannosid-Serie.

191 Die geforderte Stereochemie wurde für den enantiomeren Baustein der β-C-Mannosid-Serie hergestellt:

Dunkel, R. Dissertation, Universität Hannover, 1999.

192 Reuter, H. Dissertation in Vorbereitung, Universität Hannover.

193 Stark, C. B. W. Dissertation, Universität Hannover, 2000.