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4 Mevinsäuren

4.4 Synthese des Lacton-Fragments der Mevinsäuren

4.4.4 Oxidativer Abbau der C 2 -Brücke zu Tetrahydropyran-Systemen

Nach erfolgreicher Desymmetrisierung zum sekundären Alkohol (+)-52 konnte nun die Synthese des Lacton-Bausteins der Mevinsäuren durchgeführt werden. Die entsprechende Sequenz mit anti-Systemen wurde von R. Dunkel104 im Rahmen von Spongistatin -Fragment-Synthesen verfolgt. Literaturbekannt war die Strategie von Yadav et al.117 zur Synthese eines bicyclischen Lactons, das für die Öffnung zum THP-System mehrere Ansatzpunkte liefern sollte. Dazu wurde der Alkohol (+)-52zuerst zum Keton (+)-56oxidiert.

Dies gelang mit PCC auf Silica in sehr guter Ausbeute. Ebenfalls in sehr guter Ausbeute gelang die Baeyer-Villiger-Oxidation in gepuffertem Medium zum bicyclischen Lacton (-)-57.

Für die Öffnung derartiger bicyclischer Systeme waren grundsätzlich 2 Varianten bekannt:

die reduktive Öffnung mit LiAlH4 zum Polyol-System 117 sowie eine sauer katalysierte Methanolyse zum THP-System.105, 126Die sauer katalysierte Alkoholyse konnte problemlos auf das hergestellte System übertragen werden und lieferte nach der Öffnung einen THP-Baustein 58 mit einem anomeren acetalischen Zentrum und einer C2-Esterseitenkette.

Diese Öffnungsmethode wurde in der Arbeitsgruppe H. M. R. Hoffmann an vielen Substraten erprobt und weiterentwickelt. So konnten sowohl bicyclische Lactone127 als auch

126 Weiß, J. M.; Hoffmann, H. M. R. Tetrahedron: Asymmetry 1997, 8, 3913.

127 Dunkel, R.; Hoffmann, H. M. R. Tetrahedron 1999, 55, 8385.

Schema 4.4.4.1: Oxidations-/ Baeyer-Villiger-Sequenz

O OBn

(+)-52 HO

O OBn

(+)-56 O

O OBn

(-)-57 O O

PCC/SiO2

DCM, 97 % m-CPBA, NaHCO3

DCM, 95 %

Schema 4.4.4.2: Saure Methanolyse

O OBn

(-)-57 O O

MeOH, H2SO4 (katal.) 92 %

O OCH3 O

H3CO

OBn

OCH3 OCH3

= α

= β

58 α : β = 1 : 4.5

verschiedene anomere Methylacetale128 unter Lewis-saurer Katalyse mit diversen Nukleophilen geöffnet werden. Die direkte Öffnung eines ähnlichen bicyclischen Systems zum Lactol unter basischen Bedingungen konnte auch schon erfolgreich durchgeführt werden.129

Um die in den Mevinsäuren vorhandene Lacton-Einheit zu gewinnen, wurde nun zunächst das anomere Methylacetal 58 zum Lactol gespalten. Die Acetalspaltung gelang im sauren Medium nach einer vonR. Dunkel104gefundenen Spaltung, die leicht modifiziert übernommen werden konnte (siehe Schema 4.4.4.3). Dabei wird das Methylacetal58in einem Gemisch aus Essigsäure, THF und Wasser bei 50°C in hoher Verdünnung gerührt. Entscheidend für das Erzielen akzeptabler Ergebnisse ist, diese Bedingungen auf jedes Substrat neu anzupassen. So kann das Lactol59 trotz der relativ drastischen Bedingungen in guter Ausbeute von 82 % als Anomerengemisch (α/β : 1.3/1) isoliert werden.

Abschließend mußte das Lactol zum Lacton oxidiert werden. Hierbei wurde zuerst die Dess-Martin-Oxidation130 untersucht. Als einziges Produkt ließ sich jedoch nur ein Acetylacetal in schlechter Ausbeute isolieren. Dies weist auf eine Säureempfindlichkeit des Lactols59hin, obwohl die Spaltung zum Lactol59 auch im sauren Medium verlief. Offenbar sind unterschiedliche Konzentrationen der Säure entscheidend, zumal bei der Oxidation nach Dess-Martin im Reaktionsverlauf Essigsäure entsteht. Nachdem die für das anti-System (Lactol 67, Schema 4.5.1) erfolgreiche Oxidationsmethode mit CAN/NaBrO3 sich nicht übertragen ließ, mußte ein anderer Weg gefunden werden.131

Prinzipiell bieten sich mehrere Methoden für die Oxidation an. So konnte durch eine Oxidation mit NIS nach Hanessian et al.132 das gewünschte Lacton (+)-60 isoliert werden.

Problematisch bei dieser Methode ist allerdings die Aufreinigung des Rohprodukts, da sich das entstandene Jod schlecht abtrennen läßt und das Lacton als gelbliches Öl vorliegt.133

Aufgrund der hohen Dichte an Sauerstofffunktionen und der cyclischen Struktur des Moleküls wurde schließlich ein von Leyet al.zur Oxidation ähnlicher Alkohole entwickeltes Reagenz (TPAP) benutzt.134 Ein Vorteil dieser Oxidationsmethode ist neben der leichten Aufreinigung des durch einfache Filtration erhaltenen Rohproduktes die Verwendung von nur katalytischen Mengen des Reagenzes TPAP unter Zusatz des Co-Oxidanzes NMO (N-Methyl-N-morpholinoxid).

128 a) Gaertzen, O.; Misske, A. M.; Wolbers, P.; Hoffmann, H. M. R. Synlett 1999 1041. b) Gaertzen, O.;

Misske, A. M.; Wolbers, P.; Hoffmann, H. M. R. Tetrahedron Lett. 1999, 40, 6359.

129 Eggert, U. unveröffentlichte Ergebnisse, Universität Hannover. Vgl. auch Ref. 128.

130 a) Dess, D. B.; Martin, J. C.J. Org. Chem.1983,48, 4156. b) Dess, D. B.; Martin, J. C.J. Am. Chem. Soc.

1991, 113, 7277.

131 Der Oxidationsversuch mit Cerammoniumnitrat (CAN) führt nur zu Zersetzungsprodukten, da zuvor Entschützung der Benzylgruppe auftritt. Zur Oxidation mit CAN siehe: Tomioka, H.; Oshima, K.; Nozaki, H.

Tetrahedron Lett. 1982, 23, 539.

132 Hanessian, S.; Wong, D. H.; Therien, M. Synthesis 1981, 394.

133 Die so erzielte Ausbeute von 94 % sollte sich demnach durch vollständige Entfernung des Jods nach unten korrigieren.

134 TPAP = Tetra(n-propyl-)ammoniumperruthenat; Ley, S. V.; Norman, J.; Griffith, W. P.; Marsden, S. P.

Synthesis 1994, 639.

Diese milde Methode der Oxidation lieferte schließlich das gewünschte Lacton (+)-60 in sehr guter Ausbeute als farbloses Öl, das im Kühlschrank auskristallisierte.

4.5 Zwischenfazit

In Zusammenarbeit mitR. Dunkel, der die 3,5-anti-Diole bearbeitete, konnte eine modulare Synthese von δ-Valerolactonen entwickelt werden.135 Diese Synthesen wurden schließlich exemplarisch für jeweils ein Enantiomer der beiden Enantiomerenpaare des syn- bzw.

anti-Typs gezeigt. Die synthetisierten Bausteine stellen Substrukturen in vielen Naturstoffen dar.136Dabei sind die beiden Lactone (+)-60und (-)-68 in nahezu identischen Ausbeuten und optischen Reinheiten zugänglich.

135 Dunkel, R.; Mentzel, M.; Hoffmann, H. M. R. Tetrahedron, 1997, 53, 14929.

136 Die Bausteine mit anti-Konfiguration sind unter anderem wichtige Synthone in der Fragment-Synthese der Spongistatine sowie Phorboxazole und Bryostatine; vgl. hierzu Ref.104 sowie: Wolbers, P. Dissertation, Universität Hannover 1999.

Schema 4.4.4.3: Abschluß der Fragment-Synthese

O OCH3 O

H3CO

58 OBn

HOAc, THF, H2O 82 %

O OH O

H3CO

OBn

O O

O H3CO

OBn 59

(+)-60 3,5-syn-Konfiguration,

Lacton-Fragment der (+)-Mevinsäuren OCH3

OCH3

= α

= β α : β = 1 : 4.5

OCH3 OCH3

= α

= β α : β = 1.3 : 1 TPAP (5 mol%)

NMO, DCM 95 %

Das Lacton-Fragment der Mevinsäuren (+)-60 ist ausgehend von dem meso-Keton 3 in 8 Schritten und einer Gesamtausbeute von 41 % darstellbar. Der größte Vorteil dieser Synthese besteht darin, daß vor allem die Substrat-Kontrolle zum Aufbau der Stereozentren am bicyclischen System ausgenutzt wird und entsprechend vergleichsweise einfache Reagenzien eingesetzt werden können.

Schema 4.5.1: Übersicht über die modulare Synthese von β–Hydroxy-δ-valerolactonen

O

Damit kann auf enantiomerenreine Startmaterialien verzichtet werden, deren großer Nachteil in der fehlenden Flexibilität bezüglich einer Synthesemethodik liegt. Betrachtet man sich die zu den Lacton-Formen entsprechenden acyclischen Verbindungen, so stellt die entwickelte Methodik auch einen Zugang zu C7-Polyacetat-Bausteinen dar, die allgemein schwierig zugänglich sind (vgl. Kapitel 2). Dabei ist nicht nur die Synthese aller Stereoisomeren möglich, sondern zusätzlich die vollständige Differenzierung gewährleistet.

Außerdem ist die Verwendung anderer Schutzgruppen prinzipiell denkbar, wenngleich ihre Kompatibilität mit den einzelnen Reaktionsschritten geprüft werden müßte.

Die Schlüsselschritte der entwickelten Synthese sind die diastereoselektive Reduktion der Carbonylfunktion am bicyclischen meso-Keton 3, sowie die Desymmetrisierung der meso-Ether 47 und 61 zu allen vier möglichen Stereoisomeren. Die erreichte Synthese des Lacton-Fragments der Mevinsäuren hält einem Vergleich mit den in der Literatur beschriebenen Darstellungsmethoden (Kapitel 4.3) stand. Sowohl in der Anzahl der benötigten Schritte als auch in Bezug auf die Gesamtausbeute ist sie konkurrenzfähig.

Schema 4.5.2 stellt diese Zusammenhänge nochmals dar. Hier sind auch die acyclischen Formen gezeigt, die im Fall der 3,5-cis-Bausteine differenzierten “meso“-Verbindungen und im Fall der 3,5-trans-Bausteine differenzierten “C2-symmetrischen“-Verbindungen entsprechen. Solche Bausteine haben im Aufbau acyclischer Systeme mit definierter Stereochemie ein großes synthetisches Potential (vgl. Kapitel 2.1.2.).

Schema 4.5.2: β-Hydroxy-δ-valerolactone als cyclischeÄquivalente für C7-Polyketide vom Polyacetat-Typ

5 C-Glykoside