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Die Relevant einer gezielten Förderung auditiver Wahrnehmungsprozesse und -leistungen

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 57-61)

5. Die Fähigkeit gezielten Hin- und Zuhörens als Schnittstelle zwischen dem Hörprozess und dem Hör-

5.3. Gezieltes Hin- und Zuhören als individuelle Wahrnehmungsleistung des psychischen Systems . 43

5.4.2. Die Relevant einer gezielten Förderung auditiver Wahrnehmungsprozesse und -leistungen

Auditive Wahrnehmungsleistungen als zentrale Dimension des Spracherwerbs zu verkennen und das Integrieren spezifischer Fördermaßnahmen an den „Rand“ des Unterrichtsgeschehen zu verbannen, gefährdet den gesamten Sprach- und Wissenserwerb der Schüler und Schülerinnen. Auditives Sprachverstehen bildet die Grundlage dieser Erwerbsprozesse und basiert auf dem Vorhandensein aufmerksamkeits- und wahrnehmungsspezifischer Fähigkeiten, weshalb es einer gezielten, fächerübergreifenden Förderung bedarf. In diesem Zusammenhang gilt zunächst auf den bereits dargelegten Stellenwert zu verweisen, der dem Sprach- und Sprechverhalten in Bezug auf auditive Wahrnehmungsprozesse zukommt. Dieses bezieht sich nicht nur auf das klare Formulieren und Artikulieren sprachlicher Äußerungen, sondern ebenso auf die Angemessenheit von Satzstellung, Pragmatik und Wortschatz. Das Sprach- und Sprechverhalten der Lehrenden muss an die Sprachkenntnis und Verarbeitungskapazität der Schüler und Schülerinnen angepasst werden. Eine Konkretisierung dieser Aspekte erfolgt in einem weiteren Teilbereich.119

Vor dem Hintergrund einer gezielten Förderung auditiver Wahrnehmungsleistungen kommen zusätzlich den unterrichtsbezogenen Arbeitsaufträgen und ihrer sprachlichen Aufbereitung ein enorm hoher Stellenwert zu. Zum einen bestimmen diese in hohem Maße die unterschiedlichen Lern- und Arbeitsprozesse der Schüler und Schülerinnen, da sie die jeweilige Auseinandersetzung mit der spezifischen Unterrichtsthematik steuern. Zum anderen ermöglichen Arbeitsaufträge nicht nur eine bewusste Schulung auditiver Verstehensprozesse, sondern dienen ebenso ihrer Überprüfung, da Schüler und Schülerinnen aufgefordert sind, die

118 Vgl. Behrens: Aspekte eines Kompetenzmodells zum Zuhören und Möglichkeiten ihrer Testung. S. 47-48.

119 Vgl. Schlatter, Katja; Tucholski, Yvonne; Curschellas, Fabiola: DaZ unterrichten. Ein Handbuch zur Förderung von Deutsch als Zweitsprache in den Bereichen Hörverstehen und Sprechen. 1. Aufl. Bern: Schulverlag plus AG.

2016. S. 20-21.

53 auditiv erfassten Instruktionen unmittelbar in Handlungen umzusetzen. Hierdurch können etwaige Verständnislücken erkannt und durch das Setzen bewusster Handlungsschritte geschlossen werden. Zwar können Verständnisschwierigkeiten durch das Heranziehen konkreter nonverbaler und paraverbaler Mittel entgegengewirkt werden, mit zunehmender Sprachkenntnis sollen diese jedoch nicht mehr als ausschlaggebender Träger einer Botschaft fungieren. Durch das Integrieren gezielter Fördermaßnahmen gilt es Schüler und Schülerinnen systematisch zu befähigen, Arbeitsaufträge über den auditiven Wahrnehmungskanal erfolgreich zu erfassen, zu verarbeiten und zu verstehen.120

Das bewusste Fördern auditiver Wahrnehmungsleistungen lässt sich als ein zentraler Bildungsauftrag charakterisieren, der innerhalb schulischer Unterrichtspraxis verstärkt fokussiert werden muss. Nicht nur die erfolgreiche Sprachproduktion, sondern ebenso die sinnerfassende Sprachrezeption ermöglicht es Schülern und Schülerinnen, aktiv an der Gesellschaft und an ihren vielfältigen Tätigkeitsbereichen teilzuhaben. Sprache als Medium kommunikativen Austausches und dialogischen Handelns ist stets auf ein Gegenüber ausgerichtet, worin sich bereits die duale Dynamik erkennen lässt, die jeder sprachlichen Kommunikations- und Interaktionssituation zugrunde liegt. Folglich bedarf es einer gezielten Förderung sowohl produktiver als auch rezeptiver Sprachfähigkeiten. An dieser Stelle gilt auf die bereits dargelegte interdependente Beziehung zwischen beiden Sprachbereichen zu verweisen. Eine verstärkte Förderung auditiver Wahrnehmungsleistungen käme ebenso der Entwicklung produktiver Sprachkompetenzen zugute. Zusätzlich leisten Lehrende hierdurch einen wertvollen Beitrag für die erfolgreiche Entwicklung autonomer Handlungsfähigkeiten, da es sich bei auditiven Wahrnehmungsleistungen bekanntlich um äußerst aktive und intentional beeinflussbare Prozesse handelt.121

Mit dem Blick auf die theoretisch erarbeiteten und empirisch gewonnen Erkenntnisse, erfolgt im Anschluss an die empirische Dateninterpretation und -diskussion eine umfangreiche Skizzierung konkreter Fördermaßnahmen, die der bewussten Schulung auditiver Wahrnehmungs- und Verstehensprozesse dienen. Vorab gilt es jedoch betonen, dass ein Konzipieren und Integrieren spezifischer Fördermaßnahmen stets individuell auf die vorhandenen Kenntnisse der Schülerin und Schülerinnen abgestimmt werden muss. Folglich handelt es sich hierbei um das Setzen von Förderimpulsen und um das Schaffen eines differenzierten Zuganges zu möglichen Förderschritten.

120 Vgl. ebd. S. 32-34.

121 Vgl. Zellerhoff, Rita: Vielfalt der sprachlichen Bildung. Handlungsorientierte und erfahrungsoffene Wege zur Sprachkultur. Vom elementaren Austausch bis zur Konzeptionalisierung abstrakter Begriffe. Frankfurt am Main:

Peter Lang GmbH. Internationaler Verlag der Wissenschaften. 2013. S. 134-135.

54 5.4.3. Die Sprach- und Sprechverhalten der Lehrenden und ihr Beitrag zu der Förderung auditiver Wahrnehmungsleistungen innerhalb schulischer Unterrichtspraxis

Vorliegender Teilbereich greift einen bereits zuvor kursorisch skizzierten Aspekt, das Sprach- und Sprechverhalten der Lehrenden erneut auf und konkretisiert diesen in Hinblick auf die Förderung auditiver Wahrnehmungsleistungen. Die Unterrichtspraxis lässt sich als ein themenzentriertes, soziales Geschehen charakterisieren, das durch mehrere Akteure und Akteurinnen konstituiert wird. Lehrenden ist es mithilfe entsprechender Unterrichtskonzeptionen möglich, subjektiv wirksame Lernsituationen und differenzierte Zugänge zu den Unterrichtsinhalten zu schaffen. Hierfür bedarf es einem Handlungsraum, der es Schülern und Schülerinnen ermöglicht, Bezüge zu individuellen Erfahrungen und ihrer unmittelbaren Lebenswelt herzustellen und Lern- und Problemlösestrategien zu entwickeln und anzuwenden. Zusätzlich gilt es Schüler und Schülerinnen zu befähigen, sowohl konstruktive Ratschläge und Kritik zu äußern als auch mit diesen umzugehen. Den jeweiligen Lern- und Arbeitsprozess auf Seiten der Schüler und Schülerinnen mithilfe spezifischer Sprachäußerungen zu initiieren, bedingt, dass diese zunächst erfasst und erfolgreich verstanden werden. Ein Missverstehen kann den Ursprung einer, sich fortwährend weiterentwickelnden Diskrepanz zwischen dem individuellen Beschäftigungsgegenstand und dem geforderten Unterrichtsgegenstand bilden. Folglich kann das Sprachhandeln der Lehrenden erfolgreiches auditive Sprachverstehen nicht nur initiieren, unterstützen und gezielt fördern, sondern ebenso erheblich beeinträchtigen. Ohne einem Bewusstsein für Schwierigkeiten, die dem auditiven Erfassen und Verarbeiten mündlich vermittelter Sprachinhalte zugrunde liegen, kann sich eine zunächst unscheinbare Verständnislücke zunehmend erweitern und zu einer ungeahnten Wissenslücke werden.122

Zunächst gilt auf die bereits zuvor dargelegten verbalen, nonverbalen und paraverbalen Komponenten einer Sprachhandlung und auf ihren Stellenwert im erfolgreichen auditiven Erfassen und Verarbeiten unterschiedlicher Kommunikationsinhalte zu verweisen.

Insbesondere metakommunikative Gegebenheiten bedürfen an dieser Stelle einer näheren Betrachtung, da sie auditive Verstehens- und Interpretationsprozesse maßgeblich beeinflussen können. Sprach- und sprechausdrucksspezifische Wirkungen lassen sich insbesondere durch Körpersprache verstärken. In einer offenen Körperhaltung drückt sich nicht nur eine hörer- und hörerinnenbezogene Zugewandtheit aus, sondern ebenso ein erhöhtes Maß an Interesse,

122 Vgl. Kahlert: Hören, Denken, Sprechen – Die Rolle der Akustik in der Schule. S. 321-322.

55 Wertschätzung, Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber den Gesprächspartnern und -partnerinnen. Zusätzlich lässt sich bei etwaigen Verständigungsschwierigkeiten ebenfalls auf die Körpersprache, auf nonverbale Kommunikationsmittel zurückgreifen. Des Weiteren wird der gesamte Sprechausdruck letzten Endes durch den Körperausdruck, die Körperspannung determiniert. Zusätzlich ist auf Seiten der Lehrenden eine gezielte Auseinandersetzung mit Atemtechniken und Übungen zur Stimmbildung äußerst empfehlenswert. Die Stimmlage, die Stimmfarbe und der Stimmeinsatz wirken sich ebenfalls auf auditive Wahrnehmungsprozesse aus, insbesondere in Situationen, in denen keine visuellen Hinweise erfolgen. Zusätzlich leistet die Aussprache zusammen mit einer wirkungsvollen Sprechdynamik, die sich aus der Lautstärke, der Betonung, den melodischen Aktzenten und dem Sprechtempo konstituiert, einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer hin- und zuhörfreundlichen Arbeitsatmosphäre.123 Das Sprach- und Sprechverhalten wirkt sich sowohl auf das verbale Äußerungsvermögen und das Stimmorgan aus als auch auf die Kommunikations- und Interaktionsbeziehung zwischen den am Unterricht Beteiligten. Verbale, nonverbale und paraverbale Aspekte sprachlicher Äußerungen determinieren nicht nur den erfolgreichen „Ablauf“ auditiver Wahrnehmungsprozesse, sondern können ebenso die Bereitschaft, die individuell verfügbaren Aufmerksamkeitsressourcen auf einen spezifischen Sprachinhalt zu richten, erheblich erhöhen.

Die gesamte Effektivität sprachlicher Kommunikation gerät durch ein mangelndes Bewusstsein für das eigene Sprach- und Sprechverhalten in Gefahr. Dieses Bewusstsein gilt es jedoch nicht nur auf Seiten der Lehrenden zu schärfen, sondern ebenso auf Seiten der Schüler und Schülerinnen. Lehrende müssen ihr Sprachhandeln stets mit Blick auf ihre Vorbildfunktion reflektieren und an die vorherrschenden Kommunikationsbedingungen anpassen. Innerhalb schulischen Rahmens findet ein laufender Wechsel der Gesprächsrollen statt, weshalb es zwingend notwendig ist, eine bewusste Auseinandersetzung mit den Aspekten sprachlichen Handelns in den Unterricht zu integrieren.124

Der erfolgreiche Erwerb und Einsatz auditiver Wahrnehmungsfähigkeiten kann durch eine zu stark inhalts- und leistungsbezogene Unterrichtsgestaltung maßgeblich beeinträchtigt werden, da nicht ausreichend Raum für verständnis- und lernorientierte Prozesse geschaffen wird.

Zusätzlich widerspricht eine Interaktions- und Kommunikationsstruktur, die erschwerende Wahrnehmungsbedingungen schafft, den Regeln eines wertschätzenden und respektvollen

123 Vgl. Pabst-Weinschenk, Marita: So sprechen, dass man gut zuhören kann. In: Bernius, Volker; Imhof, Margarete (Hg.): Zuhörkompetenz in Unterricht und Schule. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht GmbH &Co. KG. 2010. S. 163-170.

124 Vgl. Friedrich, Gerhard: Die Stimme und ihre Wirkungen. In: Huber, Ludowika; Odersky, Eva (Hg.): Zuhören – Lernen – Verstehen. 1. Aufl. Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH. 2000. S. 69-71.

56 kommunikativen Miteinanders. Gezieltes Hin- und Zuhören wird häufig mit Gehorsamkeit gleichgesetzt, was von einem völlig verfehlten Verständnis auditiver Wahrnehmungsleistungen zeugt. Auf das Fehlen einer gezielten Hin- und Zuhörhaltung auf Seiten der Schüler und Schülerinnen und auf das Vorhandensein etwaiger Störfaktoren gilt in einer Art und Weise zu reagieren, die unter keinen Umständen als verbale Gewalt erlebt werden darf. Dem Sprach- und Sprechverhalten kommt folglich nicht nur im Rahmen der Wissensvermittlung ein enorm hoher Stellenwert zu, sondern auch im Umgang mit etwaigen Belastungsfaktoren.125 Das pädagogische Bestreben darf sich nicht auf die Sensibilisierung und Förderung wahrnehmungsspezifischer Prozesse beschränken, sondern muss ebenso ein Bewusstsein für sprachliche Verhaltens- und Handlungsweisen innerhalb unterschiedlicher Kommunikationssituationen schaffen. Lehrende, die sich nicht nur in ihrer Lehrrolle als Wissensvermittler und -vermittlerinnen begreifen, können durch ihr eigenes Hin- und Zuhörverhalten als Vorbild für Schüler und Schülerinnen fungieren. Hierdurch lässt sich das Bewusstsein der Schüler und Schülerinnen auf implizite Weise dafür schärfen, dass auditiven Wahrnehmungsleistungen ein aktives Handlungsvermögen zugrunde liegt. Der auditive Wahrnehmungs- und Verstehensprozess sprachlicher Reize ist derart eng miteinander verflochten, dass die gesamte Artikulation von Sprache einen erheblichen Einfluss auf das erfolgreiche Entfalten dieser Prozesse ausübt.126

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 57-61)