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Einleitung – Argumentationsgang der Arbeit

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 6-10)

1. Einleitung – Argumentationsgang der Arbeit

Vorliegender Arbeit liegt das Bestreben zugrunde, gezieltes Hin- und Zuhören als spezifische Wahrnehmungsform hervorzuheben und ihren Stellenwert im Erwerb sprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten aufzuzeigen. Die Fähigkeit, einen spezifischen Sprachimpuls gezielt zu erfassen, individuelle Aufmerksamkeitsressourcen bewusst auf diesen zu richten, markiert den Übergang von dem physiologischen Prozess des Hörens zu dem psychologischen, intentional geleiteten Prozess des auditiven Sprachverstehens, der Bedeutungskonstruktion. Anhand einer intensiven Auseinandersetzung mit auditiven Wahrnehmungsvorgängen und -formen, sowohl auf theoretischer als auch empirischer Ebene, wird versucht, ihre determinierende Dimension sowohl in sprach- als auch wissenserwerbsspezifischen Prozessen zu verdeutlichen.1

Formal gliedert sich vorliegende Arbeit in eine ausführliche theoretische Fundierung der Forschungsthematik und in eine empirischen Untersuchung, in der das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis und die innerhalb dieser Bereiche existierende Divergenz näher betrachtet wird.

In dem Bestreben, eine Basis zu schaffen, auf dessen Verständnis der weitere Verlauf vorliegender Arbeit beruht, bedarf es zunächst einer theoretischen Auseinandersetzung in zweierlei Hinsicht. Zum einen mit dem Gehörsinn als auditiven Wahrnehmungsanalysator und zum anderen mit dem Konstrukt der Sprache, zwei äußerst komplexen Gegenstandsbereichen, die es aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten gilt. Das auditive Wahrnehmungssystem basiert auf dem erfolgreichen Zusammenspiel einer Vielzahl anatomischer und physiologischer Faktoren, deren nähere Erläuterung einen ersten Zugang zu vorliegender Forschungsthematik schafft.2 Die darauffolgende Auseinandersetzung mit der Sprache als Konstrukt nährt sich sowohl aus neuropsychologischen Erkenntnissen als auch aus der Beschäftigung mit formalen, semantischen und wirkungsorientierten Aspekten, die Sprache als Zeichensystem konstituieren.3

In einem nächsten Schritt werden die zuvor isoliert dargelegten Gegenstandsbereiche in Beziehung zueinander gesetzt, um wesentliche Verknüpfungspunkte zwischen dem auditiven Wahrnehmungsprozess und spracherwerbspezifischen Prozessen näher zu ergründen.

1 Vgl. Leitner, Barbara: Hört! Hört!. Wege der Zuhörförderung. In: Bernius, Volker; Kemper, Peter; Oehler, Regina; Wellmann, Karl-Heinz (Hg.): Erlebnis Zuhören. Eine Schlüsselkompetenz wiederentdecken. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht GmbH &Co. KG. 2007. S. 234.

2 Vgl. Lindner, Gerhart: Pädagogische Audiologie. Ein Lehrbuch zur Hörerziehung. 4. bearb. u. erw. Aufl. Berlin:

Ullstein Mosby GmbH & Co. KG. 1992. S. 104.

3 Vgl. Günther, Herbert: Sprache hören – Sprache verstehen. Sprachentwicklung und auditive Wahrnehmung.

Weinheim u. Basel: Beltz Verlag. 2008. S. 23.

2 Hierdurch wird es ermöglicht, gezieltes Hin- und Zuhören als zentrale sprachliche Leistung erstmal hervorzuheben, eine Leistung, die nicht nur der sprachlichen Interaktion und Kommunikation dient, sondern nahezu jedem Bereich (zwischen-)menschlicher Existenz.4 Im Rahmen der Beschäftigung mit spracherwerbsspezifischen Prozessen liegt ein besonderer Fokus auf Aspekten des Zweitspracherwerbs und auf dem gezielten Herausarbeiten jener Problemfelder, denen insbesondere Schüler und Schülerinnen nicht deutscher Muttersprache im inner- und außerschulischen Sprach- und Wissenserwerbes verstärkt begegnen. Folglich sucht vorliegende Arbeit mehrfach aufzuzeigen, dass Zweitspracherwerbsprozesse mithilfe einer gezielten Förderung und Schulung auditiver Wahrnehmungsleistungen bestmöglich zu unterstützen sind, um eine erfolgreiche Sprachbildung zu ermöglichen. Ungeachtet dessen, dürfen Erkenntnisse über den Erstspracherwerb nicht ausgeklammert werden, da dieser die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich des Hörverstehens maßgeblich determiniert.5

Des Weiteren bedarf es einer theoretischen Auseinandersetzung mit wesentlichen Differenzierungsmerkmalen zwischen dem Hör- und dem Hin- und Zuhörprozess. Hierdurch lässt sich gezieltes Hin- und Zuhören als spezifische auditive Wahrnehmungsleistung des psychischen Systems, als aktive und intentionale Tätigkeiten und als selbstreguliertes Verhalten klar bestimmen. Zusätzlich zu der eingehenden Beschäftigung mit dem gezielten Hin- und Zuhören als subjektiv-selektiver Vorgang, erfolgt eine kursorische Differenzierung der beiden Begrifflichkeiten „hinhören“ und „zuhören“, auch wenn in vorliegender Arbeit stets auf eine gemeinsame Verwendung zurückgegriffen wird, um ihre enge Beziehung zueinander hervorzuheben.6 Ebenso bedarf es einer näheren Erläuterung des Konstrukts der (auditiven) Aufmerksamkeit, da es sich hierbei zwar nicht um eine auditive Wahrnehmungsleistung im engeren Sinne handelt, die Fähigkeit, individuelle Aufmerksamkeitsressourcen auf einen spezifischen Reiz zu richten jedoch ausschlaggebend ist, damit dieser zum Gegenstand der unmittelbaren Gegenwart des Individuums wird.7

4 Vgl. Imhof, Margarete: Zuhören lernen und lehren. Psychologische Grundlagen zur Beschreibung und Förderung von Zuhörkompetenzen in Schule und Unterricht. In: Bernius, Volker; Imhof, Margarete (Hg.):

Zuhörkompetenz in Unterricht und Schule. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis. Göttingen: Vandenhoeck &

Ruprecht GmbH &Co. KG. 2010. S. 22-23.

5 Vgl. Eckhardt, Andrea G.: Sprache als Barriere für den schulischen Erfolg. Potentielle Schwierigkeiten beim Erwerb schulbezogener Sprache für Kinder mit Migrationshintergrund. Münster: Waxmann Verlag GmbH. 2008.

S. 42-43

6 Vgl. Günther: Sprache hören – Sprache verstehen. S. 66-68.

7 Vgl. Wessells, Michael G.: Kognitive Psychologie. 3. verb. Aufl. München; Basel: Ernst Reinhardt, GmbH & Co, Verlag München Basel. 1994. S. 90-91

3 In Hinblick auf die der theoretischen Fundierung vorliegender Untersuchungsthematik folgende empirische Untersuchung wird in einem weiteren Schritt der pädagogische Stellenwert gezielten Hin- und Zuhörens näher erörtert, da der Fähigkeit, akustisch vermittelte Sprachinhalte erfolgreich zu erfassen und zu verarbeiten letztlich eine zentrale Dimension im gesamten schulischen Wissenserwerb zukommt.8 In diesem Teilbereich vorliegender Arbeit findet sich ebenso die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen, den Hin- und Zuhörprozess maßgeblich beeinflussende Faktoren. Hierdurch lässt sich eine geeignete Grundlage für die anschließende Konzeption differenzierter Fördermaßnahmen und -impulse schaffen.

Der letzte größere Teilbereich der theoretischen Fundierung bildet eine intensive Beschäftigung mit dem auditiven Sprachverstehen als aktiven und konstruktiven Prozess. Es gilt aufzuzeigen, dass erfolgreiches auditives Sprachverstehen auf dem Bestreben und der Intention basiert, den jeweilig spezifischen Sinn einer sprachlichen Äußerung unter Einbezug aller Aspekte zu erschließen. Für das auditive Sprachverstehen wesentliche Prozesse und Fähigkeiten dürfen keineswegs vorausgesetzt werden, sondern bedürfen einer gezielten Förderung.9

Die theoretisch erarbeiteten Erkenntnisse werden anschließend im Rahmen der empirischen Untersuchung um eine praxisorientierte Forschungsperspektive erweitert. Hierfür wurde ein qualitativer Forschungszugang gewählt, eine Datenerhebung in Form leitfadenorientierter Experten- und Expertinneninterviews und in Form von Unterrichtsbeobachtungen mit ethischer Forschungsperspektive. Zu Beginn erfolgt eine eingehende Methodenbeschreibung, in der das Verfahren der Datenerhebung und -aufbereitung umfassen dargestellt wird. Im Rahmen der leitfadenorientierten Experten- und Expertinneninterviews war es von großem Interesse, zu erfahren, ob ein grundlegendes Verständnis des Forschungsgegenstandes auf Seiten der befragten Experten und Expertinnen vorhanden ist. Zusätzlich sollen Erkenntnisse über das Hin- und Zuhörverhalten der Schüler und Schülerinnen und über etwaige Herausforderungen gewonnen werden, die mit dem Schaffen einer hin- und zuhörfreundlichen Arbeitsatmosphäre einhergehen. Komplettiert werden die Informationen durch das Erheben weiterer Beobachtungsdaten, die es ermöglichen, Einblicke in die tatsächliche Unterrichtsrealität zu erlangen. Für die Datenauswertung vorliegender Forschung wurde das Verfahren der

8 Vgl. Imhof, Margarete: Zuhören und Instruktion. Empirische Ansätze zu psychologischen Aspekten auditiver Informationsverarbeitung. Münster: Waxmann Verlag. 2004. S. 11-12.

9 Vgl. Kahlert, Joachim: Hören, Denken, Sprechen – Die Rolle der Akustik in der Schule. In: Bernius, Volker;

Kemper, Peter; Oehler, Regina; Wellmann, Karl-Heinz (Hg.): Der Aufstand des Ohrs – die neue Lust am Hören.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht GmbH &Co. KG. 2006. S. 324-325.

4 qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING10 herangezogen, das ebenfalls kursorisch skizziert wird. Anschließend bedarf es einer Darlegung der für vorliegende Datenauswertung konzipierten Kategoriensysteme. Des Weiteren erfolgt eine Schilderung wesentlicher Rahmenbedingungen der praktischen Durchführung und eine strukturierte Darstellung der Ergebnisse, die den jeweiligen Kategorien zugeordnet werden. Für vorliegende Dateninterpretation und -diskussion wurden die Ergebnisse der einzelnen Unterkategorien zusammengetragen, um einen gemeinsamen Datenkorpus in den jeweiligen Hauptkategorien zu gewinnen. Die Dateninterpretation und -diskussion erfolgt stets mit Blick auf bereits zuvor theoretisch erarbeitete Erkenntnisse, da insbesondere der Untersuchung des Spannungsfeldes zwischen Theorie und Praxis ein hoher Stellenwert in vorliegender Arbeit zukommt. Die Konzeption unterschiedlicher Fördermaßnahmen zur Schulung auditiver Wahrnehmungsprozesse und leistungen, die im Anschluss an die Dateninterpretation und -diskussion erfolgt, orientiert sich sowohl an theoretisch gewonnen Erkenntnissen als auch an jenen, die aus der empirischen Untersuchung hervorgegangen sind. Ein besonderer Fokus wird hierbei erneut auf Fördermaßnahmen gerichtet, die jenen Schüler und Schülerinnen zugutekommen, die mit den sprachlichen Strukturen der Unterrichtssprache noch nicht ausreichend vertraut sind und vielfältigen Schwierigkeiten im innerschulischen Lern- und Arbeitsprozess begegnen. Die abschließende Konkretisierung pädagogischer Handlungsfelder und die Skizzierung differenzierter Fördermaßnahmen und -impulse ein Zusammenführen aller, in vorliegender Arbeit dargelegten Erkenntnisbereiche.

10 Vgl. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. aktual. u. überarb. Aufl.

Weinheim, Basel: Beltz Verlag. 2010.

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2. Der Gehör-Sinn als auditiver Wahrnehmungsanalysator

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