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Regeln fürs Verstehen sprachlicher Ausdrücke!

Im Dokument Die Normativität sprachlicher Bedeutung (Seite 119-132)

Das Ergebnis des letzten Abschnitts war, dass semantische Regeln nicht als Regeln für die Verwendung von sprachlichen Ausdrücken verstanden werden können. Dieser Abschnitt soll eine Alternative zu dieser Auffassung entwickeln: Semantische Regeln regeln das Verstehen sprachlicher Ausdrücke. Ich werde dabei so vorgehen, dass ich mich an Kripkes Einführung der Normativitätsthese inWittgenstein on Rules and Private Language (1982) orientieren und seine Ausführungen um eigene Überlegungen ergänzen werde. Dies tue ich in drei Schritten, denen jeweils ein Abschnitt entspricht.

4.2.1 Das Analogieargument

Ich möchte zunächst einen Schritt zurücktreten: Wie kommt man überhaupt auf den Gedanken, einen Zusammenhang zwischen Bedeutung und Regeln herzustellen? Es gibt meines Erachtens ein grundlegendes Argument für einen Zusammenhang zwischen Bedeutung und Regeln, das auch die Grundlage für das Regelfolgenproblem darstellt.

Gleichzeitig ist es auch ein Argument, das als solches meines Wissens in der gegenwärtigen Philosophie nicht diskutiert wird.

Kripke steht zu Beginn seines Buches vor einem ähnlichen Problem wie ich in diesem Kapitel: Er muss plausibel machen, dass das Thema Regelfolgen ein Thema ist, dass alle „meaningful uses of language“ betrifft (Kripke 1982: 7). Wie stellt Kripke diesen Zusammengang her?

„I, like almost all English speakers use the word ‘plus’ and the symbol ‘+’

to denote a well-known mathematical function, addition. The function is defined for all pairs of positive integers. By means of my external symbolic representation and my internal mental representation, I ‘grasp’ the rule for addition. One point is crucial to my ‘grasp’ of this rule. Although I myself have computed only finitely many sums in the past, the rule determines my answer for indefinitely many new sums that I have never previously considered.

This is the whole point of the notion that in learning to add I grasp a rule: my past intentions regarding addition determine a unique answer for indefinitely many new cases in the future.“ (Kripke 1982: 7 f., meine Hervorhebung)

Da Kripke im unmittelbaren Anschluss an dieses Zitat beginnt, sein bekanntes Beispiel zu entwickeln, ist dies die Stelle, an der seine Antwort auf die Frage, was Regeln und Bedeutungen überhaupt miteinander zu tun haben, zu finden sein muss – wenn es denn überhaupt eine Antwort auf diese Frage bei Kripke gibt. Auch wenn sich hier keine genaue

Antwort identifizieren lässt, gibt Kripke doch wichtige Winke: Der zentrale von Kripke benannte Aspekt ist, dass eine Regel wie die Bedeutung eines Wortes „determine[s] a unique answer for indefinitely many new cases“. Mit anderen Worten, sowohl Regeln wie Bedeutungen sind etwas Allgemeines, das auf unbestimmt viele, oft sogar unendlich viele Fälle eine Anwendung bestimmt. So bestimmt zum Beispiel die Regel, dass der Läufer diagonal zu ziehen ist, für unbestimmt viele Fälle, wie der Läufer zu ziehen ist.

Ebenso bestimmt die Regel, dass der Rangniedrigere den Ranghöheren zuerst zu grüßen hat, in unbestimmt vielen Fällen, wer was zu tun hat. Bedeutungen sind ebenfalls in genau diesem Sinn etwas Allgemeines: Sie bestimmen für jeden von unbestimmt vielen Einzelfällen, ob ein sprachlicher Ausdruck, der diese Bedeutung hat, auf den Einzelfall zutrifft oder nicht. Aus dieser Beobachtung folgt nicht, dass die Bedeutung eines Wortes mit einer Regel zu identifizieren ist. Es folgt jedoch, dass Bedeutungen und Regeln eine wichtige Eigenschaft teilen: Sie sind beide allgemein, wobei unter Allgemeinheit zu verstehen ist, dass etwas bezüglich vieler Einzelfälle bestimmt wird. Der Grund, warum diese Gemeinsamkeit oder Analogie ins Spiel gebracht wird, ist meines Erachtens, dass Regeln vertrauter und verständlicher sind als Bedeutungen. Das schwer zu verstehende – Bedeutung und Erfassen der Bedeutung – soll durch etwas leichter zu Verstehendes – Regel und Regelfolgen – verständlich gemacht werden. Dieses Argument möchte ich das Analogieargument nennen.

Einige Anmerkungen zu diesem Argument möchte ich noch anschließen. Kripke betont das Stichwort Unendlichkeit, während ich es vermieden habe. Ich denke nicht, dass es hier auf Unendlichkeit ankommt. So kann man einwenden, dass „der Läufer zieht diagonal“

doch nur auf Schachstellungen anwendbar ist. Die Anzahl der Schachstellungen ist groß, aber endlich. Das gilt sowohl, wenn man Schachstellungen abstrakt individuiert, als auch, wenn man unter einer Schachstellung die Stellung der konkreten Schachfiguren auf einem konkreten Brett versteht. Im letzteren Fall gibt es nur endlich viele Schachstellungen, weil esde facto nur endlich viele Schachfiguren und Bretter gibt.12 Wichtig ist erst einmal nur, dass jemand, der die Schachregeln kennt und versteht, sie kennt und versteht, ohne dass er bereits alle Schachstellungen durchgegangen sein muss. Dies ist auch dann nicht notwendig,

12 Man kann hier zwei Wege einschlagen, um doch noch zu zeigen, dass es unendlich viele Schachstellungen gibt: Man kann darauf hinweisen, dass auch noch der Zeitpunkt hinzugenommen werden muss, das heißt, dass die gleiche Schachstellung (dieselben Figuren, dasselbe Brett) zu verschiedenen Zeitpunkten verschiedene Schachstellungen ergibt. Man kann außerdem mögliche Schachfiguren und -bretter mit hinzunehmen. Obwohl die Identitätskriterien von möglichen Schachfiguren strittig sind (siehe Quines Mann in der Tür), ist nicht auszuschließen, dass es unendlich viele mögliche Schachfiguren gibt, die ich jetzt schnitzen könnte. Die Schachregeln würden auch für diese Figuren bestimmen, wie sie zu ziehen sind. Zum Glück muss ich alle diese Fragen nicht klären. Denn im Haupttext kommt es mir nur darauf an, dass man das Regelfolgenproblem verstehen kann ganz egal, ob man „Schachstellung“ so versteht, dass es endlich viele gibt, oder so, dass es unendlich viele gibt. Ob eine Regel unendlich viele oder nur endlich viele Anwendungsfälle hat, ist für das Analogieargument (und damit übrigens auch für das Regelfolgenproblem) unerheblich.

wenn wir davon ausgehen, dass die Schachregeln nur auf endlich viele Fälle angewendet werden können. Kripke wählt ein arithmetisches Beispiel, so dass unmittelbar einsichtig ist, dass es unendlich viele Anwendungsfälle gibt. Hier ist dann ebenfalls unmittelbar einsichtig, dass niemand jeden Anwendungsfall bereits durchgegangen sein kann. Das ist geschickt, aber nicht notwendig: Denn bei Beispielen, bei denen nicht ohne Weiteres klar ist, dass es unendlich viele Anwendungsfälle gibt, genügt folgende Überlegung: Es ist möglich, die Bedeutung zu erfassen bzw. die Regel zu kennen, ohne bereits alle Anwendungsfälle durchgegangen zu sein. Deshalb ist unendliche Anwendbarkeit kein Bestandteil des Analogieargumentes.13

Eine zweite Anmerkung betrifft die Frage, was damit nun hinsichtlich Normativität gezeigt ist. Die Antwort kann nur „nicht viel“ lauten. Denn dass Bedeutungen und Regeln Anwendungsfälle bestimmen, ist nicht zwingend etwas Normatives. Das liegt ganz daran, wie „bestimmen“ zu verstehen ist. Das Analogieargument kann daher nur ein erster Schritt sein, um die Normativitätsthese zu verteidigen. Im folgenden Abschnitt gehe ich den zweiten Schritt.

4.2.2 Das Regelfolgenargument

Die Normativitätsthese, wie Kripke sie einführt, ist eng verwoben mit dem sogenannten Regelfolgenproblem. Ich werde daher zunächst der Frage nachgehen, was das Regelfolgen-problem ist, um dann auf mein eigentliches Thema zurückzukommen, die Normativität der Bedeutung.

Meine Diagnose war: Wenn einmal die Extension von „Erpel“ feststeht, dann folgt, wie „Erpel“ zu verwenden ist, aus Sprechaktregeln wie „Behaupte nur Wahres“. Das Analogieargument sollte die Aufmerksamkeit Blick darauf richten, dass der Regelbegriff eingeführt wird, um besser zu verstehen, wie man überhaupt einen Ausdruck wie „Erpel“

im konkreten Fall anwenden kann. Einen Ausdruck zu verstehen ist immer etwas Allge-meines und insofern regelartig, so das Ergebnis des Analogiearguments. Verstehen hat jedoch noch mehr mit Regeln zu tun. Das werde ich zeigen, indem ich ein weiteres Mal auf Überlegungen Kripkes zurückgreife.

Dazwischen schieben möchte ich jedoch eine generelle Bemerkung zum Regelfolgenar-gument: Das Regelfolgenargument beruht darauf, dass eine skeptische Frage gestellt wird, nämlich ob und wie sich eine bestimmte Alternative ausschließen lasse. Welche Alternative das ist, wird jedoch von Kripke (und Autoren, die Kripke referieren) unterschiedlich beantwortet: Manchmal heißt es, die Optionen seien:

(A) Ich meine mit „plus“ plus. (B) Ich meine mit „plus“ quus.

13 In der Regelfolgendebatte wird der Unendlichkeitsaspekt oft betont. Im Lichte des Haupttextes ist das ein Irrtum. Ein Beispiel ist Esfeld, der zwei Aspekte von Bedeutung für essentiell für Kripkes

Dagegen können die Optionen unter Verweise auf mindestens ebenso viele Textstellen auch so formuliert werden:

(A*) Die richtige Anwendung von „plus“ in diesem Anwendungsfall ist „125“.

(B*) Die richtige Anwendung von „plus“ in diesem Anwendungsfall ist „5“.

Die skeptische Herausforderung besteht darin, eine von mehreren konkurrierenden Op-tionen auszuwählen. Aber welches Paar von OpOp-tionen ist das? Ich möchte mich für das zweite Verständnis des Regelfolgenproblems aussprechen: Es geht darum, eine Anwendung als richtig und alle anderen als falsch zu erweisen. Es geht nicht (primär) darum, zwischen mehreren Meinens- bzw. Bedeutungszuschreibungen auszuwählen.14

Die skeptische Herausforderung ist also, so meine These, nicht die Frage, ob ich mit „plus“

plus oderquus meine. Dennerstens ist es triviales disquotationales Wissen, dass ich in der Sprache, die ich jetzt gerade spreche, mit „plus“ plus meine. Nichts – auch kein Argument der Art „die Leiter muss weggeworfen werden“ – wird mich davon abbringen können.

Zweitens hülfe eine Antwort auf diese Frage nicht bei der Entscheidung, ob „5“ oder „125“

die richtige Antwort ist. Angenommen ich weiß, dass ich mit „plus“ plus meine. Dann steht immer noch die Frage im Raum, wie ich von diesem allgemeinen Wissen zur Anwendung im konkreten Einzelfall gelange. Beim Regelfolgenproblem wird dieser Übergang von der Regel (oder dem Meinen) zur Anwendung thematisch. Die Frage, ob ich mit „plus“

vielleicht quus meine, ist nur ein Requisit, das bei der Einführung der skeptischen Herausforderung hilft, und nicht selber schon die skeptische Herausforderung.15

Ich werde also das Regelfolgenproblem so verstehen, dass es immer um den nächsten Schritt, die Anwendung eines Ausdrucks auf einen Einzelfall geht. Das Problem betrifft jedoch nicht die Frage, wie ich einen Ausdruck in einem Einzelfall zu verwenden habe, auch wenn die beiden Fragen leicht miteinander verwechselt werden könnten. Wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass „plus“ angewendet auf 68 und 57 „125“ bestimmt, muss ich nicht „125“ antworten. Ich kann mich auch, ohne die Regel für „plus“ zu verletzen, dazu entscheiden, „115“ zu antworten. Vielleicht habe ich mich ja nur deshalb gefragt, welche Antwort durch die Regel für „plus“ bestimmt wird, um eine falsche Antwort geben zu können. Es ist leichter, absichtlich eine falsche Antwort zu geben, wenn man die richtige Antwort kennt. Dies gilt insbesondere dann, wenn man eine falsche, aber keine absurd

skeptisches Argument hält, den „Infinitätsaspekt“und den „Normativitätsaspekt“ (Esfeld 2003: 128 f.).

14 Sekundär oder indirekt geht es auch die Entscheidung zwischen konkurrierenden Meinens-Hypothesen.

Doch nur die zweite Lesart macht deutlich, auf welchen Aspekt des Meinens die Regelfolgenüberlegungen ein Licht werfen sollen. Nur weil gerne unbestimmt gelassen wird, was dieser Aspekt ist, auf den die Regelfolgenüberlegungen abzielen, konnte sich die Auffassung verbreiten, dass „’the rule-following considerations’ is, strictly speaking, a misnomer for the discussion on offer“ (Boghossian 1989: 516).

15 Eine dritte Begründung nimmt Bezug auf die skeptischeLösung und soll deshalb nur im Vorbeigehen genannt werden: Wenn Kripke die Behauptbarkeitsbedingungen, die die skeptische Lösung ausmachen sollen, nennt, stellt er nicht nur Bedingungen für „Ich meine [bzw. Jones meint] mit ‚plus‘plus“ auf,

falsche Antwort geben möchte. Wir brauchen semantische Regeln nicht, um zu wissen, wie wir den Ausdruck zu verwenden haben (denn das legt die semantische Regel nicht fest), sondern damit überhaupt bestimmt ist, worauf der Ausdruck zutrifft und worauf nicht. Die semantische Regel bestimmt dies auch dann, wenn wir aus welchen Gründen auch immer nicht wissen oder sogar nicht wissen können, ob der Ausdruck im Einzelfall zutrifft oder nicht. So legt die semantische Regel für „+“ fest, was „+“ angewendet auf

„68!“ und „57!“ ergibt, auch wenn ich das Ergebnis (ohne technische Hilfsmittel) niemals herausbekommen werde. Kenntnis der Regel ist daher notwendig, aber nicht hinreichend, um für beliebige Zahlen zu wissen, was die Summe ist. (Was bzw. wie viel man wissen muss, um zu wissen, was ein Ausdruck bedeutet, ist Gegenstand vonKapitel 7.)

Dieses „ob er im Einzelfall zutrifft oder nicht“ kann je nach Art des sprachlichen Ausdrucks etwas anderes bedeuten: Ob ein Prädikat im Einzelfall zutrifft oder nicht, ist leicht zu verstehen: Es geht darum, ob ein gegebener Gegenstand zu der Extension des Prädikats zu zählen ist oder nicht. Ob ein Eigenname im Einzelfall zutrifft oder nicht, meint, ob ein Gegenstand mit dem Träger des Namens zu identifizieren ist. Das Regelfolgenproblem bei „Anna“ ist daher, ob ein gegebener Gegenstand – eine vor mir stehende Person, der Absender eines Briefes oder dergleichen mehr – identisch ist mit der Person, die Träger dieses Namens ist. Ähnliches gilt für „mein Schaukelstuhl“ usw.

Ob ein Junktor wie „und“ im Einzelfall zutrifft oder nicht, wiederum kann man auf mehrere Weisen verstehen. Man kann dies so verstehen, dass es darum geht, ob ein entsprechendesinference ticket besteht oder nicht. Aber man kann dies auch so verstehen, dass es darum geht, eine Wahrheitsfunktion anzuwenden. Wir müssen dies hier nicht entscheiden. Wichtig ist dagegen, dass wir bei allen Ausdrücken das Regelfolgen so verstehen können, dass wir entscheiden, ob ein Ausdruck im Einzelfall zutrifft oder nicht.

Vertritt man eine wahrheitskonditionale Semantik, kann man dies so ausdrücken, dass immer entschieden wird, ob etwas unter die Extension des Ausdrucks fällt oder nicht.

Dann geht es beim Regelfolgen darum, die Extension zu entwickeln. Die Extension des Ausdrucks ist dann nichts Vorgegebenes, aus dem Normen für die Verwendung folgen.

Stattdessen wird beim Regelfolgen allererst eine Extension entwickelt. Aber, wie bereits gesagt, wir können all das auch mittels „im Einzelfall zutrifft oder nicht“ ausdrücken, ohne uns darauf festzulegen, dass jeder Ausdruck eine Extension hat oder nicht. (So haben Ausrufe wie „Aua!“ oder „Alter Schwede!“ sicherlich keine Extension, aber man kann sich ganz im Sinne des Regelfolgenproblems fragen, ob „Aua!“ in einer gegebenen Situation angemessen ist oder nicht.)

Halten wir fest: Das Regelfolgenproblem ist nicht die Frage, wie ein Ausdruck zu verwenden ist. Das Regelfolgenproblem ist die Frage, ob ein Ausdruck im Einzelfall zutrifft oder nicht. Die Formulierung „zutrifft oder nicht“ ist dabei so weit so verstehen, dass man sich auch fragen kann, ob ein Eigenname oder ein Ausruf wie „Aua!“ im

sondern auch Bedingungen für „Diese Antwort ist richtig“ (Kripke 1982: 90 f. und vgl. Kraft 2010: 156 f.).

Einzelfall zutrifft oder nicht. Einen Ausdruck zu verstehen, heißt also nicht, ihn auf eine bestimmte Weise zu verwenden.

Diese Ausführungen helfen jedoch noch nicht, das Normative am Regelfolgen dingfest zu machen. Was wir mit dem Ergebnis einer Regelfolgenfrage wie (A*) und (B*) machen, ist keine Sache der Bedeutung der Ausdrücke. Das Normative muss daher im Übergang vom Allgemeinen zum Einzelfall bestehen. Der Übergang von meinem Verständnis von

„plus“ zu „125“ muss normativ sein. Genau dafür, dass dieser Übergang normativ ist, bedarf es jedoch eines Arguments. Auch hier möchte ich wieder auf Kripkes Überlegungen zurückgreifen. Kripke beschreibt das Anwenden eines Ausdrucks auch so:

„The sceptic doubts whether any instructions I gave myself in the past compel (or justify) the answer ‘125’ rather than ‘5’.“ (Kripke 1982: 13, meine Hervorhebung)

„How can I justify my present application of such a rule [. . . ]? [. . . ] when we consider a mathematical rule such as addition, we think of ourselves as guided in our application of it to each new instance.“ (Kripke 1982: 17, meine Hervorhebung)

„[. . . ] use to justify my application of ‘green’ to a new object [. . . ]“ (Kripke 1982: 20, meine Hervorhebung)

„For the sceptic created an air of puzzlement as to myjustification for respon-ding ‘125’ rather than ‘5’ [. . . ] He thinks my response is no better than a stab in the dark. Does the suggested reply advance matters? How does itjustify my choice of ‘125’?“ (Kripke 1982: 23)

Diese Formulierungen kehren wieder, wenn Kripke im weiteren Verlauf des Kapitels einzelne „straight solutions“ zurückweist:

„Precisely the fact that our answer to the question of which function I meant isjustificatory of my present response is ignored in the dispositional account and leads to all its difficulties.“ (Kripke 1982: 37)

„Recall that a fact as to what I mean now is supposed to justify my future actions, to make theminevitable if I wish to use words with the same meaning with which I used them before. [. . . ] Remember that I immediately and unhesitatingly calculate ‘68+57’ as I do, and the meaning I assign to ‘+’ is supposed to justify this procedure.“ (Kripke 1982: 40)

Weitere Stellen dieser Art finden sich auf den Seiten 40 (gegen Einfachheitsüberlegungen), 51 (gegen den „unique introspectible state view“) und 52 (gegen den Platonismus). Neben der Vielzahl von Stellen zeigt auch noch ein weiterer Umstand, wie wichtig für Kripke die rechtfertigende und anleitende Kraft des Meinens ist. Wenn er das skeptische Paradox das erste Mal formuliert, schreibt er:

„This, then, is the sceptical paradox. When I respond in one way rather than another to such a problem as ‘68+57’, I can have no justification for one response rather than another.“ (Kripke 1982: 21, meine Hervorhebung)

Hier spielt Kripke offensichtlich auf die bekannte Formulierung des Paradoxes aus Witt-gensteins Philosophischen Untersuchungen an. Bei Wittgenstein heißt es jedoch:

„Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen sei.“

(PU: § 201)

Dass Kripke in der Parallelstelle zu dieser Formulierung statt „bestimmen“ „rechtfertigen“

wählt, ist meines Erachtens kein Zufall. Er zeigt hier, wie er Wittgensteins Paradox versteht und zwar nicht als ein Paradox des Bestimmens, sondern als ein Paradox des Rechtfertigens. Das soll nun erklärt werden:16

Die Rede von Bestimmen lässt zu, dass das Verhältnis von Verstehen zu Anwendung bloß analog zu dem Verhältnis von irgendetwas Allgemeinem zum Einzelfall ist. Die Relation des Bestimmens kann es auch geben, ohne dass etwas Normatives im Spiel sein muss. Die Schwierigkeit ist, dass viele der hier verwendeten Ausdrücke doppeldeutig sind:

„Bestimmen“, „festlegen“, „zwingen“ kann sowohl deskriptiv als auch normativ verstanden werden. Das macht es so schwierig, zu entscheiden, ob das Verstehen die Anwendung in einem normativen Sinne bestimmt oder in einem deskriptiven. Kripke wählt statt dessen die Ausdrücke „rechtfertigen“ und „anleiten“, um deutlich zu machen, dass das Meinen bzw. Verstehen nicht (nur) kausal eine Anwendung bestimmt, sondern sie normativ bestimmt. Wie ist das zu verstehen, dass das Verstehen die Anwendung rechtfertigt oder anleitet?

Die Idee ist gut, doch so ganz stimmen kann diese Überlegung noch nicht.17 Denn oft, wenn jemand einer Regel folgt, handelt der Regelfolger einfach gemäß seinen Neigungen oder tut, was ihm natürlich erscheint. Die Begründungen sind hier schnell erschöpft. Dies ist nicht nur eine der zentralen Bemerkungen Wittgensteins zum Regelfolgen (vgl. PU:

§ 211, § 217, § 219), sondern wird auch von Kripke betont (1982: 15, 17). Beide stehen daher vor dem Problem, wieeinerseits das Anwenden oder Verstehen eines Ausdrucks im Einzelfall ein Regelfolgen und damit kein „unjustified leap in the dark“ (Kripke 1982:

17) sein kann, andererseits aber mit der offensichtlichen Tatsache umgegangen werden kann, dass wir es hier nicht (nur) mit einem kausalen Mechanismus zu tun haben.

16 Gibt Kripke im Rahmen der skeptischen Lösung nicht die These auf, dass Bedeutung normativ ist (vgl. Kusch 2006: Kap. 2, Hattiangadi 2007)? Wenn diese Vermutung zuträfe, ist es müßig zu erklären, was am Regelfolgen normativ ist, da Normativität dann gerade eine paradox-erzeugende Eigenschaft wäre. Ich denke nicht, dass die Vermutung zutrifft, kann das aber hier nicht zeigen. In Kraft 2010 gebe ich meine Interpretation der skeptischen Lösung und nenne zumindest eine Möglichkeit, die skeptische Lösung mit der Normativität der Bedeutung zu vereinbaren.

17 Wikforss argumentiert ebenfalls dafür, dass die Rede von Rechtfertigung alleine nicht die Normativität

Ich möchte dieses Problem so angehen: Fragen wir uns, was der Fall sein müsste,

Ich möchte dieses Problem so angehen: Fragen wir uns, was der Fall sein müsste,

Im Dokument Die Normativität sprachlicher Bedeutung (Seite 119-132)