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Manche der zentralen Fragen, die sich aus dem beschriebenen Rechtsfall ergeben, wurden schon von der zuständigen Richterin im Rahmen der Revision benannt.

Besonders jene, ob alle acht vom Ministerium vorgegebenen Kompetenzen die wesentlichen Bereiche im Sinne der LBVO darstellen und wie viele Verfehlungen in den wesentlichen Bereichen zu einer negativen Leistungsbeurteilung führen, sind relevant. Dies kann nämlich nicht eindeutig aus den Gesetzestexten herausgelesen werden und solange keine Rechtsprechung dazu vorliegt, sind diese Fragen individuell zu interpretieren. Weiters wäre es denkbar, dass eine VWA auch positiv beurteilt wird, ohne explizit diese acht Kompetenzen zu erfüllen, da diese im Gesetz nicht niedergeschrieben sind und lediglich in einem unverbindlichen Schreiben des Bundesministeriums für Bildung vorgegeben werden. Hier stellt sich die Frage, welche Kriterien in einer abschließenden Arbeit von den Schülern und Schülerinnen unbedingt gezeigt werden müssen, um eine positive Beurteilung zu erlangen. Die Vorgabe von Mindeststandards ist essentiell, um die Entscheidung zwischen einer positiven und negativen Note eindeutig zu gestalten. Auch eine Beschreibung, wie bzw. woran diese Mindeststandards konkret beobachtet werden können und wie die gezeigten Leistungen in die entsprechenden Noten überführt werden sollen, ist für eine klare Leistungsbeurteilung unabdingbar. Bei der Frage nach der Anzahl der zu erfüllenden Kompetenzen für eine positive Beurteilung könnte die entsprechende Gesetzesstelle auch so interpretiert werden, dass nicht alle Kompetenzen überwiegend für eine positive Note erfüllt sein müssen, sondern dass die acht Kompetenzen überwiegend – also zumindest die Hälfte der acht wesentlichen Kompetenzen – zu zeigen sind.

Weiters ist offen, welche Aspekte im Rahmen der abschließenden Arbeit auf

„vorwissenschaftlichem“ Niveau als selbstverständliche Anforderungen vorausgesetzt werden können und welche Leistungsanforderungen nicht in vollem Umfang – also nicht auf üblichem wissenschaftlichen Niveau – erfüllt sein müssen. Wobei hier generell eine Klärung des Begriffs der „Vorwissenschaftlichkeit“ von Nöten wäre, um aufzuzeigen, welche Aspekte der wissenschaftlichen Arbeitsweise mitberücksichtigt und welche vernachlässigt werden können.

7 Zwischenfazit: Uneindeutigkeit der Leistungsbeurteilung einer abschließenden Arbeit

Bevor zum empirischen Teil übergegangen wird, sollen die wichtigsten bisherigen Erkenntnisse zusammengefasst werden. Die Leistungsbeurteilungspraxis hat in Österreich mehrere Probleme. Sie ist uneinheitlich, auf vagen Formulierungen der Gesetzgebung aufgebaut, von der beurteilenden Lehrkraft abhängig und weitgehend nicht an hier definierten Leistungskriterien orientiert. Weiters werden der Findung einer Note nicht die gesetzlichen Beurteilungsstufen und ihre leistungsabhängigen Abstufungen zugrunde gelegt, sondern ein stark vereinfachendes Verfahren der Punktevergabe für Einzelaufgaben und eine Verrechnung zu Noten anhand eines Punkteschlüssels wird in der Praxis hauptsächlich angewendet. Eines der größten Probleme ist weiters, dass das Wesentliche im Sinne der LBVO nicht allgemein bestimmt wird, was jedoch eine essentielle Grundlage für eine sachliche Notengebung wäre, da die Unterscheidung zwischen negativer und positiver Note über ein Scheitern oder Bestehen im österreichischen Schulsystem entscheiden kann. Somit kommt der konkreten Trennung zwischen einem „Nicht Genügend“ und „Genügend“ die größte Bedeutung zu. Genau diese Probleme finden sich auch in der Leistungsbeurteilung der verpflichtenden abschließenden Arbeit wieder. Hier hätten einige problematische Aspekte vermieden werden können, indem das Bundesministerium für Bildung einen Fokus auf die Leistungsbeurteilung legt und konkrete, bindende (und objektiv sinnvolle) Vorgaben formuliert. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die gesetzlichen Bestimmungen konzentrieren sich hauptsächlich auf Formalia, wie Einreichfristen oder Zeichenanzahlen. Im Rahmen der Notenfindung für die abschließende Arbeit werden des Weiteren nur vage Orientierungshilfen gegeben, die die Interpretation der gesetzlichen Grundlagen und Leistungsanforderungen je Note wieder in die Hand der Lehrkräfte legen. Auch durch die Ausarbeitung von Kompetenzrastern für die AHS und BHS konnten die Probleme nicht beseitigt werden. Diese sind nämlich mit

gravierenden Mängeln versehen, was eine Nutzung der Raster für die Leistungsbeurteilung fragwürdig macht. Beispielsweise werden die Abstufungen der einzelnen Kompetenzniveaus nicht der differenzierten Notendefinition gerecht, manche Kompetenzen sind nicht überschneidungsfrei, die (falls vorhandenen) Leistungsbeschreibungen je Niveaustufe sind unkonkret und das Punktesystem des BHS-Kompetenzrasters integriert die in Kapitel 4.3.2 beschriebenen Probleme der Verrechnung von Punkten in die Notenermittlung des Kompetenzrasters mit dem Zusatz, dass hier die Punktevergabe der einzelnen Dimensionen auch noch schlecht umgesetzt ist. Weiters ist bei den beiden Kompetenzrastern problematisch, dass die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Grund- und Erweiterungsanforderungen entweder gar nicht oder zu undifferenziert angegeben werden. Werden die von den Schülern und Schülerinnen erbrachten Leistungen dennoch nach dem subjektiven Ermessen der Lehrkraft zu einer Niveaustufe zugeteilt, bleibt trotzdem unklar, wie die Leistungen zu Noten überführt werden. Hier fehlen konkrete Konversionsregeln bzw.

ein Punktesystem kann nicht als zufriedenstellende Überführungsregel angesehen werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der im Rahmen der Vorbereitungsphase der neuen Reife- und Diplomprüfung zu wenig berücksichtigt wurde, ist eine Definition des „vorwissenschaftlichen“ Charakters der abschließenden Arbeit. Hier wäre es essentiell, zu klären, welche Kompetenzen einer wissenschaftlichen Arbeitsweise als selbstverständlich vorausgesetzt werden können, in welchen Bereichen die Lehrkraft unterstützend eingreifen kann bzw. soll und auf welche Arbeitsweisen in einer

„vorwissenschaftlichen“ Arbeit verzichtet werden kann.

8 Beschreibung der empirischen Untersuchung

Im Folgenden werden die Vorgehensweise, der Aufbau und die Art der qualitativen Forschung zur Identifizierung der relevanten Kompetenzen und deren Niveauabstufungen für die abschließende Arbeit beschrieben. Zentrale Begriffe der qualitativen Forschung und der Auswertungsmethode werden nachfolgend im jeweiligen Kontext erläutert. Die Beschreibung der Vorgehensweise gliedert sich in die Zielsetzung, das Forschungsdesign, die Interviewpartner4 und die Auswertung.