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5.2 Die Beurteilungskriterien und der Kompetenzraster zur Diplomarbeit 27

5.3.2 Kritik am Kompetenzraster der BHS

Kompetenzen auf wahrnehmbare Leistungen. Der Arbeitsprozess dahinter ist irrelevant (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2016b, S. 4-16).

Zusammenfassend zum Kompetenzkatalog der VWA kann gesagt werden, dass er eingangs ganz solide wirkt, bei genauerer Betrachtung fallen hingegen gravierende Mängel ins Auge, die den Kompetenzraster als Orientierungshilfe für Lehrer und Lehrerinnen in Frage stellen. Ein wesentlicher Punkt hierbei ist, dass er nur vermeintlich die Leistungsbeurteilung der VWA österreichweit vereinheitlicht, da er zum einen nicht verpflichtend ist und zum anderen den Lehrkräften einen großen Spielraum zukommen lässt. Die zugrunde gelegten Kriterien sind nur als ein Pool an Fähigkeiten konzipiert, aus dem die Lehrperson frei wählen kann. Somit wird eine sachliche Beurteilung untergraben. Weiters werden in den jeweiligen Niveaustufen keine konkreten Anhaltspunkte zu deren Erreichung gegeben, wesentliche Kriterien im Sinne der LBVO für einen positiven Abschluss der acht Kompetenzen sowie Konversionsregeln fehlen. Ein weiteres Problem ist die Orientierung einiger Deskriptoren am Arbeitsprozess, den die Lehrkraft nicht beobachten und somit nicht beurteilen kann. All diese Kritikpunkte münden in dem Umstand, dass die Leistungsbeurteilung der VWA rein von der Lehrkraft bzw. ihren Präferenzen für relevante Leistungen und Einschätzungen abhängt und so die Beurteilung nicht kriterienorientiert vorgenommen wird. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn es um die negative oder doch positive Beurteilung einer VWA geht. Der Umstand, dass alle acht Hauptkompetenzen für eine positive Gesamtbeurteilung zu erfüllen sind, löst das Problem durch den großen Spielraum in den jeweiligen Kompetenzen nicht.

unzureichende Erfüllung einer Dimension auch aufgelistet wird. Welcher Notenstufe die jeweiligen Ausprägungen zuzuordnen sind, wird nicht vermerkt. Nur durch die inhaltliche Formulierung wird deutlich, dass die schlechteste Ausprägung ein

„Nicht Genügend“ darstellt. Wie die anderen bis zu drei Niveaustufen den vier Noten im positiven Bereich zuzuordnen sind, ist nicht erkennbar. Ob die beste Ausprägung auf einer Erweiterungsanforderung basiert, kann inhaltlich nur vermutet werden. Eine den fünf Notenstufen entsprechende Anzahl an Leistungsabstufungen bzw. die Kenntlichmachung der Grund- oder Erweiterungsanforderungen würde die Handhabung des Rasters und eine Überführung der erreichten Leistungen in Noten erleichtern (siehe Kapitel 4.4). Was positiv angemerkt werden kann, ist, dass die Dimensionen und die dazugehörigen Leistungsniveaus weitgehend überschneidungsfrei sind und die Kompetenzen so formuliert sind, dass sich die zu zeigenden Leistungen der Schüler oder Schülerinnen am Endprodukt und nicht am Arbeitsprozess, der von der Lehrkraft schwer kontrollierbar ist, orientieren. Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Raster der AHS ist der Versuch, die einzelnen Niveaustufen zu definieren. Dies führt dazu, dass eine nähere Erläuterung der Unterkompetenzen durch Indikatoren nicht nötig ist, was die Übersichtlichkeit und Handhabung des Rubrics verbessert. Die Auswahl und die Gewichtung der Kompetenzen werden nicht (wie in der AHS) der Lehrperson überlassen.

Problematisch ist jedoch trotzdem, dass die Beschreibungen der Niveaus unkonkret und zu undifferenziert sind. Meist unterscheiden sich die einzelnen Niveaus durch Adverbien wie „zumeist“, „überwiegend“, „durchgängig“, „alle“, „nicht“ oder

„hinreichend“. Die übrigen Formulierungen der Anforderungen bleiben meist annähernd unverändert bzw. es ändert sich die Konjunktion der Anforderungen von

„oder“ zu „und“ oder Teile der Anforderungen kommen hinzu. Dies ist zu undifferenziert, um der Notendefinition zu genügen. Zum einen werden die genannten Adverbien nicht näher erläutert, was der beurteilenden Lehrkraft einen Interpretationsspielraum zukommen lässt und zum anderen sind „Sehr Gute“ oder

„Gute“ Leistungen nicht durch die „durchgängige“, „umfassende“ oder „sämtliche“

Erfüllung der Grundanforderungen erreichbar. Hier müssten sich Leistungsbeschreibungen, die sich auf die Eigenständigkeit oder die selbstständige Anwendung von Wissen oder Können beziehen, wiederfinden. Des Weiteren kann durch die unkonkrete Formulierung der Dimensionen in Zusammenhang mit der Beurteilung eines individuellen Teils aus dem Gruppenprodukt die Verwendung der sozialen Bezugsnorm gefördert werden. Indem Adverbien wie „teilweise“ oder

„überwiegend“ verwendet und Kriterien, die lediglich ein mehr oder weniger in der Erreichung einer Leistung vorgeben, formuliert werden, könnte die Lehrkraft versucht sein, den fehlenden Bezug dieser Adverbien durch den Vergleich der individuellen Teilleistungen der Gruppe zu schaffen (siehe Kapitel 4.2). Konkrete Anforderungen je Niveaustufe wären entscheidend, um auch die Verwendung der sachlichen Bezugsnorm zu fördern. Ein weiteres Problem ist, dass das Wesentliche im Sinne der LBVO im Kompetenzraster nicht ersichtlich ist. Es tritt nicht hervor, welche Leistungen unbedingt für eine positive Absolvierung notwendig sind. Der Umstand, dass die Dimensionen unterschiedlich viele Ausprägungen haben, macht es noch schwieriger, die Niveaustufen, die das „Wesentliche“ definieren, zu identifizieren. In diesem Zusammenhang ist eine weitere und auch die gravierendste Problematik, dass die Umrechnung der erreichten Niveaustufen zu Noten durch ein Punktesystem geschieht. Dies führt hier zu den gleichen Folgen, wie sie in Kapitel 4.3.2 beschrieben wurden. Durch die Verrechnung mit Punkten gehen Informationen zu den gezeigten Leistungen verloren. Die Erreichung des „Wesentlichen“ ist in der Endnote nicht mehr erkennbar. Alle Leistungen sind durch Leistungen auf höheren oder niedrigeren Niveaus kompensierbar. Produktive Anforderungen sind für ein „Gut“ oder „Sehr Gut“

nicht nötig. Das Setzen einer 50 % Marke für eine positive Absolvierung ist unsachgemäß. Dies alles findet sich durch die Verwendung eines Punktesystems im Kompetenzraster der Diplomarbeit wieder. Was die Bedeutung der einzelnen Leistungen für die Gesamtnote noch mehr verschwimmen lässt, ist die zusätzliche

Gewichtung der Punkte durch Faktoren. Dies beeinflusst die Wertigkeit der drei Bereiche der Diplomarbeit (schriftlicher Teil, Präsentation und Diskussion) und hat eine Auswirkung auf die Endnote. Dies hat zur Folge, dass die gezeigten Leistungen im Rahmen der Präsentation punktemäßig wenig bedeutend sind, wohingegen die Leistungen der Diskussion, die nur aus einer Dimension bestehen, durch den Faktor von vier fast doppelt so viel wie die Präsentation zählen. Es steht hier nicht mehr im Vordergrund, welche Mindestkriterien die Lernenden im jeweiligen Bereich zeigen und davon abhängig, welche Note sie erreichen, sondern die punktemäßige Bedeutung des jeweiligen Bereichs in Bezug auf die anderen Bereiche steht im Fokus der Notenfindung. Durch welche Leistungen die Endnote zustande kommt, ist irrelevant.

All die genannten Aspekte, die durch den Einsatz eines Punkteschemas entstehen, sind allein schon gravierend genug. Trotzdem kommt hinzu, dass die Umsetzung des Punktesystems auch noch schlecht gelungen ist. Beispielsweise könnten die Konversionsregeln nach NEUWEG & KRAUSKOPF (2015, S. 70) als Vergleich herangezogen werden, die bestimmen, dass zumindest alle Grundanforderungen überwiegend zu erfüllen sind, um ein „Genügend“ zu erreichen, Würde man diese Regel auf den BHS-Kompetenzraster anwenden, müsste ein Lernender oder eine Lernende, der oder die alle Kompetenzen überwiegend erfüllt (im Raster Kompetenzen mit einem Punkt), für die Leistung ein „Genügend“ erhalten. Dies ist hier allerdings nicht der Fall. Das Resultat ist trotzdem ein „Nicht Genügend“, da die Punkte auf dieser Stufe zu niedrig angesetzt wurden, um bei kompletter Erfüllung derselben ein

„Genügend“ zu erreichen. Acht Punkte fehlen auf ein „Genügend“ bei einem Mindestmaß von 36 Punkten (= 51 % der Gesamtpunkte) für eine positive Note.

Weiters lautet eine Übersetzungsregel nach NEUWEG &KRAUSKOPF (2015, S. 70), dass zumindest alle Grundanforderungen zur Gänze erfüllt sein müssen (Kompensationsmöglichkeiten werden in diesem Beispiel vernachlässigt), um ein

„Befriedigend“ zu erlangen. Wendet man dies auf den BHS-Kompetenzraster an (im Raster Kompetenzen auf dem zweithöchsten Niveau, wenn nicht möglich auf dem

höchsten Niveau), ergibt der Punkteschlüssel ein „Genügend“. Nur die Anzahl, wie oft das höchste Kompetenzniveau zusätzlich erreicht wird, entscheidet über die Noten

„Befriedigend“ bis „Sehr Gut“. Wenn hier schon fälschlicherweise die Übersetzungsregeln mit Punkten gestaltet werden, hätte der Bepunktung der Dimensionen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen, um eine zumindest annähernd adäquate Überführung der erreichten Anforderungsniveaus zu den entsprechenden Noten zu gewährleisten. Dies wurde komplett vernachlässigt (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2016c, S. 1-6).

Durch den Versuch, die einzelnen Niveaustufen mit Leistungsanforderungen auszuformulieren und dem Weglassen von zusätzlichen Beschreibungen der Dimensionen, kommt der Lehrperson bei der Verwendung dieses Kompetenzrasters weniger Spielraum zu als einer Lehrkraft, die den AHS-Raster verwendet. Trotzdem sind die Abstufungen zu unkonkret. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Abgrenzung der Niveaus oft nur durch eine Abänderung der verwendeten Adverbien oder Konjunktionen erfolgt und generell wenig konkrete Anhaltspunkte, an denen man den Erfüllungsgrad der Leistung sehen könnte, gegeben werden. Diese beiden Umstände können die Verwendung der sozialen Bezugsnorm begünstigen. Weiters sind die Aspekte, dass keine Zuordnung der Abstufungen zur jeweiligen Note gegeben werden und dass das Wesentliche im Sinne der LBVO nicht ersichtlich ist, in der Konstruktion vernachlässigt worden. All diese Konstruktionsmängel werden durch die Verwendung eines Punkteschemas zur Notenermittlung umgangen. Die Verrechnung von Punkten zu Noten und die genannten Probleme der falschen Punktevergabe in diesem Kompetenzraster liefern selbst schon einige gravierende Kritikpunkte. Dies alles führt dazu, dass die unwesentlichen, die wesentlichen und die darüberhinausgehenden Leistungen verschwimmen und keine klare Grenze zwischen einer negativen und positiven Beurteilung gezogen wird.

6 Rechtsfall: Negative Beurteilung einer

„vorwissenschaftlichen“ Arbeit