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Die Aufnahme der steuerlichen Vorschriften der Art.95-991 in den EWG-Vertrag legte die rechtliche Grundlage für eine Steuerpolitik der Gemein-schaft auf dem Gebiet der Indirekten Abgaben. Einiges zu Inhalt und Pro-blemen der genannten Artikel ist bei der Schilderung ihrer Entstehungsge-schichte bereits angeklungen. Wenn Im folgenden auf die rechtlichen Rege-lungen nochmals vertiefend eingegangen wird, so dient das alleine dem besseren Verständnis des steuerpolitischen Harmonislerungsprozesses in der EG. Eine umfassende rechtliche Kommentierung der Vertragsartikel kann und soll die vorliegende Arbeit nicht leisten.•

3.1. Der Inhalt der Art.95-99 EWG-Vertrag Das Dlskrlmlnlerungsverbot der Art.95-97

Das an damals bereits bestehende GATT-Vorschriften3 angelehnte Diskrlml-nierungsverbot der Art.95-97 war, wie bereits betont, als Obergangs-regelung bis zu einer endgültigen Harmonisierung der Verbrauchsteuern gedacht. Das Dlskrlmlnierungsverbot untersagt den Mitgliedstaaten der EG bei weitem nicht alle steuerlichen Regelungen, die zu Wettbewerbsver-zerrungen Im Internationalen Handel führen können. Verboten werden ledig-lich solche Verhaltensweisen, die beim Intra-EG Handel In anderen Mit-gliedstaaten hergestellte Produkte diskriminieren.• Was darunter Im ein-zelnen zu verstehen Ist, wird In Art.95 und 96 ausgeführt.

Zum einen Ist die Höhe des steuerlichen Grenzausgleichs beim Import von Waren aus anderen Mitgliedstaaten auf die effektive Steuerbelastung be-grenzt, die "gleichartige Inländische Waren unmittelbar oder mittelbar" zu tragen haben (Art.95 Abs.l). Im Gegenzug wird für Exporte In andere

Mit-Alle In der vorliegenden Arbeit genannten Artikel beziehen sich, sofern nicht anders vermerkt, auf den EWG-Vertrag In seiner ursprünglichen Version von 1957.

Der Leser sei hierzu beispielsweise auf die folgenden Veröffent-lichungen verwiesen: Andel (1983c), Barents (1983), Berlin (1980), Easson (1981a), Wägenbaur (1975), Wägenbaur (1980).

3 Vgl. hierzu z.B. Couche (1960).

Das steuerliche Dlskrlmlnlerungsverbot der Art.95-97 Ist eine Vielzahl ähnlicher Verbotsvorschriften eingebettet, die alle darauf abzielen, den Intra-EG Handel nach dem Wegfall der Zölle vor Verzerrungen mit zollglelcher Wirkung zu bewahren: vgl. Barents (1978) u. Wägenbaur (1980), S.132ff.

glledstaaten vorgeschrieben, daß "die Rückvergütung für inländische Abga-ben nicht höher sein (darf) als die auf die ausgeführten Waren mittelbar oder unmittelbar erhobenen inländischen Abgaben" (Art.96). Die zwei Regeln zusammengenommen begrenzen also die Höhe des steuerlichen Grenzaus-gleichs nach oben, nicht Jedoch nach unten. Darüberhinaus ist festzuhalten, daß der Begriff der Glelchartlgkelt dehnbar ist und daher einer Auslegung bedarf. Beides wird uns später noch beschäftigen.

Art.95 Abs.1 trifft keine vorsorge für den Fall, daß ein Land zwar Importe tätigt, gleichartige Güter im Inland aber selbst nicht herstellt. Hier greift Art.95 Abs.2, der bestimmt, daß die Mitgliedstaaten "auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine Abgaben (erheben), die geeignet sind, andere Produk-tionen mittelbar zu schützen". Es ist offenkundig, daß es sich bei dem Konzept des mittelbaren Schutzeffektes um alles andere als um einen kla-ren Rechtsbegriff handelt.

In Ergänzung zu Art.95 und 96 beinhaltet Art.97 eine Ausnahmeregelung für solche Mitgliedstaaten - es waren bei Gründung der EG alle außer Frankreich - , die eine kumulative BruttoUSt erheben. Da bei einer mehr-oder allphasigen Bruttoumsatzbesteuerung die auf einem einzelenen Gut lastende Steuer nicht exakt ermittelt werden kann, wird es den Mitglied-staaten gestattet, den umsatzsteuerllchen Grenzausgleich auf der Basis von Durchschnittssätzen "für Waren oder Gruppen von Waren festzulegen"

(Art.97 Abs.l). Der genannte Artikel sieht darüberhinaus ausdrücklich vor, daß sich diese Pauschalsätze innerhalb der von Art. 95 und 96 festgelegten Grenzen halten müssen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie die Einhal-tung der gesetzten Grenzen Im Einzelfall überhaupt nachgeprüft werden soll: Durchschnittssätze werden Ja gerade deswegen vorgesehen, weil die effektive Steuerlast einzelner Güter, und damit auch die In Art.95 und 96 festgeschriebene Obergrenze, eben nicht genau bestimmbar ist.

Die Vorschriften der Art.95-97 sind für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich In dem Sinne, daß die Jeweils entscheidungsbefugten Organe gehalten sind, Ihre Steuergesetze und -verordnungen zu Jedem Zeitpunkt•

Innerhalb der vom EWG-Vertrag umschriebenen Grenzen zu halten. Bestehen In einem konkreten Fall Zweifel darüber, ob ein Mitgliedstaat dieser Ver-pflichtung nachgekommen Ist, so gibt es zwei Möglichkeiten, die Kompatibi-lität des nationalen Steuerrechts mit den EG-Normen zu überprüfen und gegebenenfalls eine Anderung der einzelstaatlichen Regelungen zu veran-lassen:•

Art.95 Abs.3 I.V.m. Art.8 Abs.l bestimmen, daß die bei Inkrafttreten des EWG-Vertrages bereits bestehenden Regelungen erst zum 1. 1.62 an die Vorschriften des Art.95 angepaßt werden müssen.

Vgl. z.B. Wägenbaur (1980), S.124.

Die Kommission verklagt den betreffenden Mitgliedstaat in einem Ver-tragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof - im fol-genden kurz EuGH genannt. Das Urteil des EuGH ist für das jeweilige Land sofort nach seiner Verkündung bindend; der EuGH gewährt den Mitgliedstaaten i.d.R. jedoch eine gewisse Frist zur Anpassung des nationalen Rechts an die von ihm ausgelegten EG-Normen.

Auf der Basis der Lehre von der unmittelbaren Wirkung der betreffen-den VertragsartikeF verklagen Bürger der Gemeinschaft betreffen-den Mitglied-staat wegen des Verstol3es gegen den EWG-Vertrag vor einem nationalen Gericht. Kommen während des Verfahrens Zweifel über die korrekte Auslegung der Vertragsartikel auf, so kann das jeweilige Gericht, und mul3 es in bestimmten Fällen sogar, den EuGH In einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren nach Art.177 um eine Interpretationshilfe bitten. Die Entscheidung des EuGH ist für das weitere Verfahren vor dem nationalen Gericht bindend.

Beide Verfahren dienen demselben Zweck: Die In Art.95-97 dem national-staatlichen Handeln gesetzten Grenzen werden für den Einzelfall konkre-tisiert.

Die Ausnahmeregelung des Art.98

Art.98 hat bislang keine Bedeutung erlangt. Er schreibt vor, dal3 ein steuerlicher Grenzausgleich für direkte Steuern nur in Ausnahmefällen, auf Vorschlag der Kommission und nachdem der Rat mit qualifizierter Mehrheit zugestimmt hat, für eine begrenzte Frist zulässig Ist. Zweck der Vorschrift Ist es, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit für eine steuerpolitische Bekäm-pfung temporärer Zahlungsbilanzungleichgewichte zu lassen. Historisch geht Art.98 auf den bereits erwähnten Kompromiß zwischen Adenauer und Mallet während der Verhandlungen zum EWG-Vertrag zurück: Die Franzosen ver-zichteten faktisch auf Ihre Forderung, die Sozialkosten In der künftigen Gemeinschaft zu harmonisieren; die Deutschen räumten Ihnen Im Gegenzug das Recht ein, den auf schwachen Füßen stehenden Franc unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich zu stützen.• So wurde in einem dem EWG-Ver-trag beigefügten "Protokoll über bestimmte Vorschriften betreffend Frank-reich" festgehalten, daß Paris seinen damals praktizierten hohen steuer-lichen Grenzausgleich, der über der in Art.95-97 fixierten Obergrenze lag, bis auf weiteres beibehalten dürfe. Die den Franzosen zugestandene Aus-nahme wurde hinfällig, nachdem der neue Staatschef de Gaulle im November

ln Abweichung von der Rechtssprechung zu Art.95 und 96 kommt Art.97 keine "unmittelbare Wirkung" zu. So entschied der EuGH in seinem Urteil vom 3.4.68 in der RS 28/67.

Vgl. Küsters (1982), S.329.

1958 den Franc stark abgewertet hatte.• Von der In Art.98 vorgesehenen Ausnahmeregelung selbst mußte In der Folgezeit nie Gebrauch gemacht werden.

Das Harmonlslerungsgebot des Art.99

Wesentlich bedeutsamer Ist dagegen das in Art. 99 niedergelegte Harmonisie-rungsgebot. Die Kommission wurde hier aufgefordert zu prüfen, "wie die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern„.lm Interesse des Ge-meinsamen Marktes harmonisiert werden können" (Art.99 Abs.l). Es Ist müßig, darüber zu debattieren, ob Art. 99 etwa eine Harmonisierung vor-schreibt - Akzent auf dem "wie" - oder ob er sie lediglich als Möglichkeit vorsieht - Akzent auf dem "können" -.10 Genauso überflüssig Ist die Frage, ob die "Harmonisierung" der Indirekten Steuern bis zu einer Vereln-heltlicliung der nationalen Steuersysteme gehen darf oder ob sie davor bereits haltmachen muß.11 Tatsache ist, daß die Kommission auf Art.99 beruhende Harmonlslerungsvorschläge von Anfang an als eine Chance be-griffen hat, nicht nur Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, sondern auch die politische Integration der Gemeinschaft voranzutreiben. Eine Tatsache ist weiterhin, daß es alleine vom politischen Wlllen des Rates abhängt, ob und bis zu welchem Grade er eine steuerliche Harmonisierung hinzunehmen bereit Ist. Denn es ist der Rat, der, wie Art.99 Abs.2 ausdrücklich vor-schreibt, die Vorschläge der Kommission einstimmig bllllgen muß.

Rein formal durchläuft eine auf Basis von Art.99 vorgenommene Steuerhar-monlslerung l.d.R. die folgenden Schrltte:12

10 11 12

Die Dienststellen der Kommission bereiten, in aller Regel in Zusammen-arbeit mit einer aus Finanzexperten der nationalen Ministerien zusam-mengesetzten Arbeitsgruppe, einen Harmonlsierungsvorschlag vor. Als zusätzliche Absicherung und u.U. auch Unterstützung holt die Kommis-sion desöfteren Stellungnahmen der von dem Vorschlag betroffenen Ver-bände ein.

Die Kommission beschließt den im Bedarfsfalle nochmals abgeänderten Entwurf und leitet ihn als Vorschlag für eine Rlchtlinle des Rates an den Rat oder genauer gesagt an den Ausschuß der Ständigen Vertreter - kurz COREPER genannt - weiter.

Vgl. Das Problem der Steuerharmonlslerung Im Gemeinsamen Markt, in:

NZZ v. 14.9.61 u. 15.9.61.

Vgl. z.B. Muller (1965), S.260.

Zum Harmonlslerungsbegrlff vgl. z.B. Andel ( 1983c), S.2.

Vgl. z.B. Glover/Levy 0974), S.208ff.

Auf Anfrage des Rates geben das Europäische Parlament - EP - und der Wirtschafts- und Sozlalausschuß der EG - WSA -, jeweils unter-stützt durch die entsprechenden Fachausschüsse, ihre Stellungnahmen zu dem Rlchtllnlenvorschlag ab. Zwar schreibt Art.99, im Gegensatz zu dem allgemeinen Harmonlslerungsgebot des Art. l 00, die Anh5rung von EP und WSA nicht zwingend vor. Aus politischen Gründen werden die beiden Gremien jedoch in der großen Mehrzahl der Fälle zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Die Kommission stützt ihre Rlchtllnlenvorschläge daher neben Art.99 auch regelmäßig auf Art.100, um die beiden genannten Institutionen von vorneherein In den Ent-scheidungsprozeß einzubeziehen. Kommission und Rat k5nnen, müssen jedoch nicht, die vom EP und WSA vorgebrachten Abänderungswünsche Im Laute der weiteren Verhandlungen berücksichtigen.

COREPER beauftragt eine aus Ministerialbeamten rekrutierte Experten-gruppe, den Richtlinien-Vorschlag zu untersuchen und über die stritti-gen Punkte Bericht zu erstatten. Meist kennen die Experten den Vor-schlag bereits bestens, da sie als Mitglieder der weiter oben erwähnten Arbeitsgruppe bei der Kommission schon bei dessen Ausarbeitung mitge-wirkt haben.

Auf der Ebene der Experten und von COREPER wird versucht, eine m5gllchst weitgehende Einigung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission zu erzielen. Die jeweilige Präsidentschaft - sie wechselt alle sechs Monate - entscheidet dann, ob und wann die noch verbleibenden Probleme auf die Tagesordnung einer Ministerratssitzung gesetzt werden.

Der Ministerrat beschließt die Richtlinie. deren Vorschriften nach dem Durchlaufen der nationalen Gesetzgebungsverfahren zu verbindlichem Recht werden.

Obwohl Art.99 hier keine Festlegung trifft, kleidet die Kommission Ihre Harmonlslerungs-Vorschläge üblicherweise In die Rechtsform einer Richt-linie. Da eine Richtlinie "für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich (lst), ... den Innerstaat-lichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel" jedoch überläßt (Art.189 Abs.3), können die Probleme gesetzestechnlscher Art, die bei der Anpassung des nationalen Rechts an die gemeinschaftlich beschlossenen Regeln unwei-gerlich auftreten, auf ein Minimum reduziert werden.

Der Wortlaut des Art.189 scheint nahezulegen, daß die Richtlinien - Im Ge-gensatz zu einer Verordnung - lediglich die gesetzgebenden Organe der Mitgliedstaaten binden, In die Rechtsbeziehung zwischen den Mitgliedstaa-ten und ihren Bürgern jedoch selbst nicht unmittelbar eingreifen. In Analo-gie zu der unmittelbaren Wirkung eines Vertragsartikels hat der EuGH In

seiner Rechtssprechung13 aber entschieden, daß auch einzelnen Bestimmun-gen einer Richtlinie, sofern sie dem Mitgliedstaat kein materielles Wahl-recht offenlassen, unmittelbare Wirkung zuzuschreiben Ist. Sie können damit, noch bevor die Richtlinie In nationales Recht umgesetzt worden Ist, von jedem Bürger vor nationalen Gerichten eingeklagt werden.14 Die Lehre von der unmittelbaren Wirkung trägt dazu bei, die Implementierung einer einmal beschlossenen Richtlinie zu beschleunigen. In gleichem Maße werden die Mitgliedstaaten jedoch vorsichtiger wenn es darum geht, Im Ministerrat einer Richtlinie zuzustimmen.

Das Verhältnis von Art.99 zu Art.95-97

Bisher haben wir das Dlskrlmlnlerungsverbot nach Art.95-97 und das Har-monlslerungsgebot nach Art.99 jeweils Isoliert untersucht. Es stellt sich nun die zusätzliche Frage, In welchem Verhältnis die beiden Vorschriften zueinander stehen. Unbestritten Ist es, daß sich der Rat als ein Organ der EG In seinen Entscheidungen nicht über verbindliche Regelungen des EWG-Vertrages einfach hinwegsetzen darf. Die vom Ministerrat auf der Basis von Art.99 erlassenen Richtlinien müssen folglich die von Art.95-97 bereits abgesteckten Grenzen respektieren. Damit ergibt sich für das Verhältnis der genannten Artikel zueinander theoretisch die folgende Konstruktion:'"

Art.95-97 schränken die steuerpolitischen Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten unmittelbar ein.

Art.99 gibt darüberhinaus dem Rat die Möglichkeit, Im Rahmen der durch Art.95-97 gesetzten Grenzen den nationalen Handlungsspielraum weiter zu beschneiden.

3.2. Die Unzulänglichkeiten des Dlskrlmlnlerungsverbotes nach Art.95-97 EWG-Vertrag

Das Dlskrlmlnlerungsverbot nach Art.95-97 Ist, wie bereits verschiedentlich angeklungen war, weder In der Lage, jegliche steuerbedlngte Wettbewerbs-verzerrung Im grenzüberschreitenden Handel zu unterbinden, noch handelt es sich um eine klare Rechtsregel. Beides Ist, wie ebenfalls schon heraus-gestellt wurde, auf die politischen und terminlichen Restriktionen während der Verhandlungen zum EWG-Vertrag zurückzuführen. Sämtliche durch die Indirekte Besteuerung In einem Gemeinsamen Markt aufgeworfenen Probleme wären gelöst gewesen, hätte man Im Vertrag einen vollständigen steuer-lichen Grenzausgleich - bzw. das BLP - und ein Verbot jeglicher

Satz-13

..

14

Zentrale Bedeutung kommt dem Urteil des EuGH v. 4.12.74 In der RS 41/74 zu. Vgl. Dashwood (1977), S.274ff.

Zu den vielfältigen Facetten der "unmittelbaren Wirkung" einer Richt-linie vgl. Insbes. die umfassende Darstellung bei Tlmmermans (1979).

Vgl. z.B. Wägenbaur (1980), S.123f .

dlfferenzlerung festgeschrieben. Aber weder auf das eine noch auf das andere konnte man sich damals einigen.

Unzulängl!chkelten bei der Festschreibung des BLP

Die In Art.95-97 erfolgte Festschreibung des BLP Ist in zweierlei Hinsicht unzulänglich: Zum einen Ist für die Höhe des Grenzausglelches keine Unter-grenze festgelegt; zum anderen existiert zwar eine OberUnter-grenze, die aber im Einzelfall nicht exakt bestimmbar ist.

1. Die fehlende Fixierung einer Untergrenze hat zur Folge, daß ein voll-ständiger Grenzausgleich und damit die Besteuerung nach dem BLP zwar erlaubt - fakultatives BLP -, aber nicht vorgeschrieben ist - obligatori-sches BLP.1• Der den Mitgliedstaaten damit belassene Spielraum gibt Ihnen ein Instrument in die Hand, die internationalen Wettbewerbsverhältnisse zugunsten einzelner Branchen zu verzerren: Liegt der Grenzausgleichssatz, in Relation gesetzt zur effektiven inländischen Steuerbelastung, bei einem Produkt höher als beim Durchschnitt der anderen Güter, so wird der ent-sprechende Produzent vor ausländischer Konkurrenz geschützt und vice versa. Der beschriebene Mechanismus ist Insbesondere bei den allgemeinen Verbrauchsteuern von Bedeutung. Dagegen kann er bei speziellen Ver-brauchsteuern vernachlässigt werden, da hier die Mltgl!edstaaten ein vitales Eigeninteresse daran haben, den Ihnen belassenen Handlungsspiel-raum in dem Sinne vollständig auszuschöpfen, daß sie den Grenzausgleich auf die maximal zulässige Höhe hinaufschrauben: Da eine Veränderung des Grenzausglelches bei speziellen Verbrauchsteuern - im Gegensatz zu einer allgemeinen Verbrauchsteuer - auf den Wechselkurs praktisch keinen Efluß haben dürfte, setzt ein zu niedrig bemessener Grenzausgleich die in-ländische Produktion automatisch in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz. De facto, wenn auch nicht de jure, schreibt Art.95 LV.m. Art.96 damit für spezielle Verbrauchsteuern das obligatorische BLP vor.

2. Art.95-97 legt mit der inländischen Steuerbelastung zwar eine Obergren-ze für den Grenzausgleich fest, die aber, und dies gilt insbesondere bei der Verwendung kumulativer USt-Systeme, im Einzelfall oft nicht exakt überprüft werden kann. Aber auch bei den speziellen Verbrauchsteuern kann es zu Problemen kommen, wenn, wie oft der Fall, nicht das an den Letztverbraucher verkaufte Endprodukt der Besteuerung unterworfen wird, sondern ein Vorprodukt. Als ein einfaches Beispiel diene die Zuckersteuer:

In der Praxis kann nicht nachvollzogen werden, wieviel Zucker eine die Grenze passierende Pral!nenschachtel genau enthält bzw. welcher Steuer-betrag auf Ihr lastet. Ahnllche Fälle sind die Besteuerung der Stammwürze anstelle des Volumens bei Bier - heute noch praktiziert in mehreren EG-Staaten - oder die Belastung des Rohtabaks anstelle der fertigen

ZI-16 Vgl. Andel (1983c), S.15f.

garetten - in Irland und Großbritannien bis zum EG-Beitritt -. Be! allen genannten Steuern ist man bei der Durchführung des Grenzausgle!ches auf Schätzungen angewiesen. Und es darf niemanden verwundern, wenn, wie die Praxis oft zeigt, die Schätzwerte in aller Regel zugunsten der heimischen Industrie und zu Lasten der Importware ausfallen.

Unzulänglichkeiten beim Verbot der Satzdifferenzierung

Mit dem unzureichenden Verbot von Satzdifferenzierungen kommen wir zur zweiten entscheidenden Lücke der Art.95-97. Wie wir oben bereits gesehen haben, können differenzierte Steuersätze selbst bei korrekter Anwendung des BLP zu protektionistischen Zwecken mi~braucht werden.17 Die Vorschrif-ten der Art.95-97 gehen nun nicht so weit, daß sie, was am einfachsten wäre, jegliche Steuersatzdifferenzierung untersagten. Sie lassen sie vielmehr grundsätzlich zu und verbieten nur solche Praktiken, die aus anderen Mitgliedstaaten importierte Waren diskriminieren. Die Identifikation einer D!skr!min!erung bleibt einer Einzelfallprüfung überlassen, die sich, wie die bisherige Rechtssprechung des EuGH und die Stellungnahmen der Kommission nahelegen, aus idealtypischer Sicht In Insgesamt drei Schritte zerlegen läßt. Die wichtigsten der dabei auftretenden Probleme sollen Im folgenden anhand eines Falles herausgearbeitet werden, der vor dem EuGH verhandelt wurde: Das Vereinigte Königreich besteuerte Ende der 70er Jahre Wein, gemessen am Volumen, 5mal so hoch wie Bler.18 Liegt hier eine Diskriminierung vor?

1. Zur Klärung der Frage, ob der Wein zu hoch besteuert wird, 1st zunächst in einem ersten Schritt zu entscheiden, welches andere Gut zum Vergleich herangezogen werden soll. Mit welchem Produkt steht Wein In einer engen Substitutions- bzw. Konkurrenzbeziehung? Ist es Bier, oder sind es Spiri-tuosen, oder gibt es, wie der Weinliebhaber vielleicht argumentieren würde, überhaupt keine Substltutlonsmögllchkeiten? Da die zu lösenden Probleme aus der nationalen Wettbewerbspolitik bereits hinlänglich bekannt sind, sollen sie hier nicht weiter vertieft werden.

2. Ist das relevante Substitutionsgut, in unserem Falle z.B. Bier, festgelegt, mu~ in einem zweiten Schritt entschieden werden, welche Meßlatte man zur Ermittlung einer wettbewerbsneutralen Besteuerung anlegen w!ll. Nimmt man den Wert der Güter als Maßstab, so wäre beispielsweise eine auf beide Güter mit gleichem Satz erhobene ad valorem Steuer als neutral einzustu-fen. Ohne weiteres könnte man allerdings auch auf das Volumen der beiden Getränke oder den darin enthaltenen Alkohol zurückgreifen.19 Bezüglich der neutralen Besteuerung von Wein und Bier hat die Kommission bisher den

17 18

19

Vgl. Kap.B. l.3.3.

RS 170/78; das Urteil des EuGH erging am 23.7.83. Eine Kommentierung findet sich bei Easson (1984).

Vgl. z.B. Easson (1984), S.59ff.

Standpunkt vertreten, die relative Belastung der beiden Getränke müsse Ihrem relativen Alkoholgehalt entsprechen. Jedem Nicht-Abstinenzler muß bei dem zunächst objektiv anmutenden Ansatz ein kalter Schauer über den Rücken laufen, scheint die Kommission doch zu unterstellen, daß es der trinkende Konsument alleine auf den Alkohol abgesehen hat, egal in wel-cher Form auch immer er dargereicht wird. Schon mit diesen kurzen Aus-führungen dürfte deutlich geworden sein, daß sich, mehr noch als bei der Ermittlung der relevanten Substitutionsbezlehung, bei der Entscheidung über den anzulegenden Vergleichsmaßstab ein Element der Willkür weder verleugnen noch vermelden läßt.

3. Nehmen wir nun an, man habe sich nach längeren Erörterungen darauf einigen können, daß ein Gut steuerlich höher belastet Ist als das relevante Konkurrenzerzeugnis. Das heißt aber nun noch lange nicht, daß eine Dis-kriminierung importierter Waren vorliegt. In einem dritten Schritt Ist vielmehr zu prüfen, ob das höher besteuerte Gut überwiegend Im Inland produziert oder aber überwiegend Importiert wird. Im Falle der britischen Weinsteuer Ist die Lage klar: Der zu fast 100% Importierte Wein wird

3. Nehmen wir nun an, man habe sich nach längeren Erörterungen darauf einigen können, daß ein Gut steuerlich höher belastet Ist als das relevante Konkurrenzerzeugnis. Das heißt aber nun noch lange nicht, daß eine Dis-kriminierung importierter Waren vorliegt. In einem dritten Schritt Ist vielmehr zu prüfen, ob das höher besteuerte Gut überwiegend Im Inland produziert oder aber überwiegend Importiert wird. Im Falle der britischen Weinsteuer Ist die Lage klar: Der zu fast 100% Importierte Wein wird