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3. Reaktivität von Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexen gegenüber Nukleophilen…

3.2 Reaktivität gegenüber C-Nukleophilen

3.2.5 Reaktivität gegenüber Alkinyl-Nukleophilen

3.2.6.1 Reaktion mit lithiiertem Phenylacetylen

Zu einer Lösung des Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt in THF wurde eine Lösung aus lithiiertem Phenylacetylen getropft. Dabei war im IR-Spektrum deutlich ein Angriff des Nukleophils sowohl am CD- als auch am CJ-Atom zu beobachten. Bei der Zugabe von TMS-OTf bei -80 °C trat eine sofortige Blaufärbung ein. Es gelang jedoch nicht den Komplex durch Säulenchromatographie zu reinigen und zu isolieren (Abbildung 128).

TMS-OTf / -80 °C +

keine Isolation oder Nachweis möglich C

Eine Abfangreaktion mit Diethylamin ergab eine Mischung aus mehreren Produkten, von denen jedoch kein Produkt isoliert werden konnte.

IR-Spektroskopisch kann die Bildung der anionischen Zwischenprodukte, des Angriff am CD- und am CJ-Atom beobachtet werden (Abbildung 129). Die Spektren der zwei Produkte unterscheiden sich durch die unterschiedliche A1-Bande bei 2047 und 2044 cm-1, bei den restlichen Banden ist kein Unterschied zu erkennen. Das ist für diese Produkte charakteristisch.

Abbildung 129: IR-Spektrum des CD- und CJ-Produkts aus der Reaktionsmischung 3.2.6.2 Reaktion mit lithiiertem Ethinylferrocen

Bei der Reaktion des Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-Fc)OEt in THF mit lithiiertem Ethinylferrocen hingegen war im IR-Spektrum hauptsächlich ein Angriff am CJ-Atom zu beobachten (Abbildung 131). Bei der nachfolgenden Zugabe von TMS-OTf bei -80 °C färbte sich die Reaktionslösung schwarz. Es gelang jedoch ebenfalls nicht, den Komplex durch Säulenchromatographie zu reinigen und zu isolieren (Abbildung 130).

2047 2044

1905

1852

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

Abbildung 130: Reaktion von (CO)5W=C(OEt)-C≡C-Fc mit Fc-C≡C-Li und TMS-OTf

Der bevorzugte Angriff am CJ-Atom lässt sich durch den erhöhten Platzanspruch des angreifenden lithiierten Ethinylferrocens erklären.

Abbildung 131: IR-Spektrum des CJ-Produkt aus der Reaktionsmischung

TMS-OTf / -80 °C +

keine Isolation oder Nachweis möglich C

C OEt (CO)5W

C Fc

C C OEt (CO)5W

C C Li Fc

C Fc C Li

C Fc

2045

1903

1845

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

3.3 Reaktivität gegenüber N-Nukleophilen Vorbemerkung

Reaktionen von Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexen mit N-Nukleophilen wurden bereits 1977 von E. O. Fischer et al. ausführlich untersucht[81]. Diese Untersuchungen konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Reaktionen mit sekundären Aminen. Bei diesen Reaktionen wird bei Raumtemperatur eine bevorzugte Bildung des CJ -Produktes, eines Alkenylcarben-Komplexes, beobachtet. Bei tiefen Temperaturen entstehen hingegen unter Aminolyse nahezu ausschließlich Alkinyl(amino)carben-Komplexe (Abbildung 132).

Abbildung 132: Reaktion eines Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexes mit sek. Aminen Durch die Verwendung von Lithiumamiden sollte sich die Entstehung von Alkenylcarben-Komplexen verhindern lassen, da nun kein Wasserstoff-Atom für einen 1,3-H-Shift zur Verfügung steht[82, 83, 150, 151] (Abbildung 133). Bei der nachfolgenden Abspaltung der Alkoxygruppe sollten Allenyliden-Komplexe entstehen.

Abbildung 133: Umlagerung (1,3-H-Shift) zu Alkenylcarben-Komplexen 3.3.1 Reaktion mit Alkylamiden

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Die Carben-Komplexe (CO)5W=C(-C≡C-R)OEt (R = Ph, Fc) wurden bei Raumtemperatur in THF mit den Lithiumamiden LiNR12 (R1 = Et, iPr) umgesetzt.

Anhand der IR-Spektren konnte die Bildung der anionischen Zwischenprodukte verfolgt werden. Die Spektren der zwei Produkte unterscheiden sich durch die unterschiedliche A1-Bande. Das CJ-Produkt ist geringfügig zu einer höheren Wellenzahl verschoben. Nach Abkühlung auf -80 °C wurde TMS-OTf zugegeben, ein Farbumschlag wurde jedoch nicht beobachtet (Abbildung 134). Der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion konnte nicht aufgeklärt werden. Auch bei Verwendung von HBF4 an Stelle von TMS-OTf als Abspaltungsreagenz konnte keine Reaktion beobachtet werden.

3.3.2 Reaktion mit Arylamiden

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Auch bei der Reaktion der Carben-Komplexe (CO)5W=C(-C≡C-R)OEt (R = Ph, tBu) in THF mit LiNPh2 konnte die Bildung anionischer Komplexe beobachtet werden. Bei Verwendung von (CO)5W=C(-C≡C-tBu)OEt trat hingegen keine Reaktion ein. Die IR-Spektren sprachen dafür, dass sowohl ein Angriff am CD- als auch ein Angriff am CJ -Atom erfolgte. Nach Abkühlung auf -80 °C wurde TMS-OTf zugegeben. Die Farbe der Lösung schlug sofort nach Blau um. Nach säulenchromatographischer Aufarbeitung wurde als Produkt der Allenyliden-Komplex 21 isoliert (Abbildung 135).

Dieser Allenyliden-Komplex ist raumtemperatur- und luftempfindlich. Eine Bildung des entsprechenden CD-Substitutionsproduktes, eines Alkinyl(amino)carben-Komplexes, konnte nicht beobachtet werden.

21

Abbildung 135: Reaktion eines Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexes mit Lithiumdiphenylamid

In einem Vorversuch wurde die Addition von aromatischen Heterocyclen an Carbenkomplexen getestet. Dazu wurde der Carben-Komplex (CO)5W=C(Ph)OEt mit Natriumpyrazolat umgesetzt. Im IR-Spektrum konnte jedoch keine Addition am CD

-Ph2NLi

Koordination von zwei Pyrazolat-Liganden entstanden ist (Abbildung 136). Deshalb wurden keine weiteren Versuche mit Alkinylcarben-Komplexen durchgeführt.

28

Abbildung 136: Reaktion eines Carben-Komplexes mit Natriumpyrazolat

Im IR-Spektrum des Allenyliden-Komplexes (CO)5W=C=C=C(Ph)NPh2 finden sich alle erwarteten Banden (Tabelle 17). Im Vergleich zu (CO)5W=C=C=C(Ph)NMePh ist die Q(CCC)-Bande zu kleineren Wellenzahl verschoben. Dies lässt sich damit erklären, dass der Raumanspruch des sperrigen NPh2-Rest in 21 verhindert eine Lage einzunehmen in der er optimal als Donor fungieren kann. Exemplarisch ist das IR-Spektrum der Verbindung aufgeführt (Abbildung 137).

Tabelle 17: IR-Daten von (CO)5W=C=C=C(Ph)NPh2 und Vergleichsdaten in THF

Verbindung CCC E A1

21 1975 1936 1912

(CO)5W=C=C=C(Ph)NMePh 1987 1933 1911

C Na Ph OEt (CO)5W

N

+ N W N

N

N N OC

CO

OC

CO

Abbildung 137: IR-Spektrum von (CO)5W=C=C=C(Ph)NPh2 in THF

Auch in den 13C-NMR-Spektren werden die erwarteten Resonanzen gefunden. Die chemische Verschiebung des CD-Atoms ist geringfügig, in Bezug auf den Komplex (CO)5W=C=C=C(Ph)NMePh, zu leicht höherem Feld verschoben (Tabelle 18). Die CD-CE-Bindung besitzt eher einen Dreifachbindungscharakter.

Tabelle 18: NMR-Daten von (CO)5W=C=C=C(Ph)NPh2 und Vergleichsdaten Verbindung CDD

21 211

(CO)5W=C=C=C(Ph)NMePh 218

1975

1936

1912

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800

Absorption

Wellenzahl (cm-1)

3.4 Reaktivität gegenüber O-Nukleophilen Vorbemerkung

Die Addition von protischen O-Nukleophilen R-OH an Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexen folgt den in Abbildung 138 aufgezeigten Wegen[152]. Die Substitution einer Alkoxy-Gruppe wird nur bei der Reaktion von Methanol mit Alkinyl(ethoxy)carben-Komplexen beobachtet[74]. Die erhalten Ausbeuten sind jedoch gering. In den meisten Fällen erfolgt eine Addition am CJ-Atom des Komplexes.

Nach anschließendem 1,3-H-Shift bilden sich Alkenylcarben-Komplexe.

Abbildung 138: Reaktion eines Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexes mit Alkoholen Die bisherigen Untersuchungen konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Reaktionen mit Alkoholen[85, 86]. Durch die Verwendung von Alkoholaten sollte die Entstehung von Alkenylcarben-Komplexen verhindert werden können. Die Abspaltung der Alkoxygruppe sollte dann zu Allenyliden-Komplexen führen.

(CO)5M C

3.4.1 Reaktion mit Alkylalkoholat

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Der Carben-Komplex (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt reagiert in THF mit Natriumethanolat unter Bildung anionischer Komplexe. Bei der Zugabe von TMS-OTF bei -80 °C wurde ein Farbumschlag beobachtet. Bei der säulenchromatographischen Aufarbeitung wurde dann der Ausgangscarben-Komplex zurück gewonnen (Abbildung 139). Der Grund dafür konnte nicht ermittelt werden.

Abbildung 139: Reaktion von (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt mit Natriumethanolat

EtONa

3.4.2 Reaktion mit Arylalkoholat

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

In der analogen Reaktion des Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt mit Natriumarylalkoholaten RONa (R = Ph, (2,4,6-tri-tert-butyl)phenyl) und nachfolgender Zugabe von TMS-OTf bei -80 °C wurde ein Farbumschlag nach Blau beobachtet.

Nach säulenchromatographischer Aufarbeitung konnten die entsprechenden Allenyliden-Komplexe 22a, b isoliert werden (Abbildung 140).

22a, b

Abbildung 140: Reaktion eines Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexes mit Natriumalkoholaten

Mit (CO)5W=C(-C≡C-tBu)OEt ist hingegen keine Reaktion zu beobachten. Bei der Verbindung 22b erhöht sich die Ausbeute der Reaktion deutlich (22a = 38%) auf 68%. Die Addition am CJ-Atom des Komplexes wird durch den äußerst sperrigen Rest begünstigt. Aus DFT-Rechnungen zur nukleophile Addition von Natriumphenolat an (CO)5W=C(OEt)-C≡C-Ph folgt, dass das CJ-Produkt um 56 kJ/mol stabiler als das C -Produkt ist. Dies macht die ausschließliche Bildung der

C RONa

In den IR-Spektren der Allenyliden-Komplexe (CO)5W=C=C=C(Ph)OR finden sich alle erwarteten Banden. Gegenüber (CO)5W=C=C=C(Ph)OMe ist die Q(CCC)-Schwingung geringfügig zu höherer Wellenzahl verschoben (Tabelle 19). Die Kombination Ph/OAryl erweist sich somit als besserer Donor als die Substituentenkombination Ph/OAlkyl. Der sperrige Rest in 22b hingegen verhindert eine optimale Überlappung des Donors, weshalb die Q(CCC)-Schwingung bei einer niedrigeren Wellenzahl als in 22a liegt. Exemplarisch ist das IR-Spektrum der Verbindung 22a aufgeführt (Abbildung 141).

Tabelle 19: IR-Daten von (CO)5W=C=C=C(Ph)OR und Vergleichsdaten in PE

Abbildung 141: IR-Spektrum von (CO)5W=C=C=C(Ph)OPh in PE

Im 13C-NMR-Spektren werden die erwarteten Resonanzen gefunden. Die Resonanz des CD-Atoms ist zu niedrigerem Feld verschoben, in Bezug auf den Komplex (CO)5W=C=C=C(Ph)OMe. (Tabelle 20).

Verbindung CCC

22a 1964

22b 1957

(CO)5W=C=C=C(Ph)OMe 1954

2082

1973 1964

1939

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800

Absorption

Wellenzahl (cm-1)

Tabelle 20: NMR-Daten von (CO)5W=C=C=C(Ph)OR und Vergleichsdaten Verbindung CDD

22a 264

22b 269

(CO)5W=C=C=C(Ph)OMe 254

3.5 Reaktivität gegenüber P-Nukleophilen Vorbemerkung

Die Reaktion von tertiären Phosphanen mit Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexen erfolgt unter Addition am CJ-Atom des Komplexes und ergibt zwitterionische Komplexe[87]. Es erfolgt dabei eine Addition am CJ-Atom des Komplexes. Bei der Addition von sekundären Phosphanen entstehen nach 1,3-H-Shift Alkenylcarben-Komplexe (Abbildung 142).

Abbildung 142: Reaktion von Alkinyl(alkoxy)carben-Komplexen mit Phosphanen Die bisherigen Untersuchungen konzentrierten sich auf die Reaktionen mit Phosphanen. Durch Verwendung von Lithiumphosphiden sollte sich die Entstehung von Alkenylcarben-Komplexen verhindern lassen, da kein Wasserstoff-Atom für einen 1,3-H-Shift zur Verfügung steht. Die nachfolgende Abspaltung der Alkoxygruppe sollte einen Weg zu Phosphinoallenyliden-Komplexen eröffnen.

(CO)5M C

Vorversuche

In einem Vorversuch wurde zunächst die Addition von Phosphiden an Carbenkomplexen untersucht. Dazu wurde der Carben-Komplex (CO)5W=C(Ph)OMe mit Lithiumdiphenylphosphid umgesetzt (Abbildung 143). Im IR-Spektrum konnte die Addition am Carben-Kohlenstoffatom festgestellt werden (Abbildung 144). Die Abspaltung der Methoxy-Gruppe mit Hilfe verschiedener Säuren wie z.B. TMS-OTf, POCl3, SiO2, HBF4 war jedoch nicht möglich.

Abbildung 143: Reaktion eines Carben-Komplexes mit Lithiumdiphenylphosphid

LiPPh2 / RT

(CO)5W C PPh2

Ph (CO)5W C OMe

OMe

Ph

Li

TMS-OTf / -80 °C

2044

1946

1900

1842

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Der Carben-Komplex (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt reagierte in THF mit Lithiumdiphenylphosphid innerhalb kurzer Zeit. unter Bildung anionischer Komplexe.

Dabei scheint ein Additionsprodukt laut IR-Spektrum eindeutig bevorzugt zu sein, da nur eine A1-Bande stark ausgeprägt ist. Bei der nachfolgenden Zugabe von TMS-OTf bei -80 °C wurde ein Farbumschlag nach Türkis beobachtet. Eine säulenchromatographische Aufarbeitung der Lösung gelang jedoch nicht (Abbildung 145). Aufgrund der Instabilität der Produkte konnte nicht abschließend geklärt werden, ob sich während der Reaktion ein Carben- oder Allenyliden-Komplex bildet.

Die Farbe der Reaktionslösung spricht jedoch für die Bildung eines Allenyliden-Komplexes.

Abbildung 145: Reaktion eines Alkinylcarben-Komplexes mit Lithiumdiphenyl-phosphid und TMS-OTf

Im IR-Spektrum kann hauptsächlich ein Angriff am CJ-Atom beobachtet werden (Abbildung 146). Dies lässt sich durch den erhöhten Platzanspruch des angreifenden Lithiumdiphenylphosphid erklären. Aus DFT-Rechnungen folgt zusätzlich, dass das CJ-Produkt um 72 kJ/mol stabiler als das CD-Produkt ist. Diese Hinweise sprechen dafür, dass sich sehr wahrscheinlich ein Allenyliden-Komplex bildet.

LiPPh2 / RT

TMS-OTf / -80 °C +

keine Isolation oder Nachweis möglich C

Abbildung 146: IR-Spektrum des anionischen Zwischenproduktes in THF

2048

1908

1865

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

3.6 Zusammenfassung

Bei der Reaktion der Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-R)OEt (R = Ph, Fc) mit Lithiumorganylen R’Li (R’ = Ph, Fc) werden nach Abspaltung der Ethoxy-Gruppe die erwarteten Alkinylcarben- und Allenylidenkomplexe erhalten. Bei der Reaktion von (CO)5W=C(-C≡C-tBu)OEt mit Phenyllithium wird hingegen ein regioselektiver Angriff am CD-Atom beobachtet (Abbildung 147). Es wird dabei nur die Bildung des entsprechenden Alkinylcarben-Komplexes beobachtet. Die sperrige tert-Butyl-Gruppe verhindert anscheinend den nukleophilen Angriff am CJ-Atom (Abbildung 147).

Carben-Komplex Allenyliden-Komplex

R = Ph, Fc 8a, 10b 19a, 19b

R= tBu 11a -

Abbildung 147: Reaktion von (CO)5W=C(OEt)-C≡C-R mit Phenyllithium und TMS-OTf bei -80 °C

Aufgrund des geringen Polaritätsunterschieds der Isomere konnten bei der Säulenchromatographie nicht alle Produktkomplexe getrennt werden. Die Komplexe konnten aber anhand des IR-Spektrums und durch Abfangreaktionen mit Diethylamin nachgewiesen werden. Nur die Ferrocenyl-substituierten Komplexe konnten säulenchromatographisch getrennt werden, da bei ihnen der Polaritätsunterschied der Regioisomere groß genug war. Es zeigte sich hier eine bevorzugte Bildung des CJ-Produktes (Abbildung 148).

C

10c 19c

Abbildung 148: Reaktion von (CO)5W=C(OEt)-C≡C-Fc mit Ferrocenyllithium und TMS-OTf bei -80 °C

Im Falle von Furanyllithium konnte zwar die Bildung anionischer Zwischenprodukte nachgewiesen werden. Die anschließende Abspaltung des Ethoxysubstituenten mit TMS-OTf glückte jedoch nicht.

Bei der Reaktion des Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-Fc)OEt mit Methyllitium kann aufgrund der Instabilität der Produkte nicht abschließend geklärt werden, ob sich während der Reaktion ein Carben- oder Allenyliden-Komplex bildet. Eine selektive Allenyliden-Komplexbildung kann bei Reaktion der Carben-Komplexe (CO)5W=C(-C≡C-R)OEt (R = Ph, Fc) mit Triphenylmethyllithium beobachtet werden (Abbildung 149).

R = Ph, Fc 20a, b

Abbildung 149: Reaktion von (CO)5W=C(OEt)-C≡C-R mit Li[CPh3] und TMS-OTf

C

Die Carben-Komplexe (CO)5W=C(-C≡C-R)OEt (R = Ph, Fc) reagieren rasch mit den lithiierten Alkinen Li-C≡C-R’ (R’ = Ph, Fc). Der Angriff des Nukeophils ist abhängig von den Alkinsubstituenten. Die Addukte reagieren ebenfalls rasch mit TMS-OTf. Es konnte aber nicht abschließend geklärt werden, ob sich bei dieser Reaktion ein Carben- oder Allenyliden-Komplex bildet.

Bei den Reaktionen der Carben-Komplexe (CO)5W=C(-C≡C-R)OEt (R = Ph, Fc) werden je nach verwendetem Lithiumamid verschiedene Produkte erhalten. Bei der Reaktion mit Alkylamiden konnten keine Bildung von Allenylidenkomplexen beobachtet werden. Wird hingegen Lithiumdiphenylamid eingesetzt, erhält man den entsprechenden Allenylidenkomplex 21 (Abbildung 150).

21

Abbildung 150: Reaktion von (CO)5W=C(OEt)-C≡C-R mit verschiedenen Lithiumamiden und TMS-OTf

Bei der Reaktion des Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt mit Alkoholaten werden je nach verwendetem Natriumalkoholat verschiedene Produkte erhalten. Bei der Reaktion mit Natriumethanolat konnte keine Bildung von Allenylidenkomplexen, sondern nur die Rückbildung des Alkinylcarben-Komplexes beobachtet werden.

Werden hingegen die Arylalkoholate RONa (R = Ph, (2,4,6-tri-tert-butyl)phenyl)

1. R12NLi

eingesetzt, erhält man die entsprechenden Allenylidenkomplexe 22a, b (Abbildung 151).

22a,b

Abbildung 151: Reaktion von (CO)5W=C(OEt)-C≡C-Ph mit verschiedenen Natriumalkoholaten und TMS-OTf

Bei der Reaktion des Carben-Komplexes (CO)5W=C(-C≡C-Ph)OEt mit Lithiumdiphenylphosphid und anschließender Abspaltung der Ethoxy-Gruppe konnte aufgrund der Instabilität der Produkte nicht abschließend geklärt werden, ob sich während der Reaktion ein Carben- oder Allenyliden-Komplex bildet. DFT-Rechnungen und IR-spektroskopischen Daten favorisieren die Bildung eines Allenyliden-Komplexes.

R = Ph,

tBu

tBu

tBu 1. EtONa

C C OEt (CO)5W

C Ph

2. TMS-OTf / -80 °C

1. RONa

(CO)5W C C C Ph OR 2. TMS-OTf / -80 °C

(CO)5W C C C Ph OEt

4. Reaktivität der Allenyliden-Komplexe (CO)

5

W=C=C=C(CPh

3

)R

Vorbemerkung

Die Auswirkung des sterisch sehr anspruchsvollen Restes (CPh3), in den neuen Allenyliden-Komplexen, auf die Reaktivität und Regioselektivität soll nun untersucht werden.

4.1 Reaktion mit Aminen Vorbemerkung

Amine reagieren vorzugsweise unter Addition an das CD-Atom der Allenylidenkette.

Als Produkte werden nach einem 1,3-H-Shift die entsprechenden Alkenylcarben-Komplexe isoliert[121]. Die Reaktion verläuft wahrscheinlich über eine vorangehende Bildung eines Stickstoff-Ylids, das anschließend tautomerisiert.

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Zu einer frisch dargestellten Lösung der Allenyliden-Komplexe (CO)5W=C=C=C(R)CPh3 (R = Ph, Fc) wurde sofort nach der Darstellung Diethylamin gegeben. Es erfolgte ein Farbumschlag nach Rot, der sich beim Erwärmen auf Raumtemperatur vertiefte. IR-spektroskopisch konnte die Reaktion durch Verschiebung der Q(CO)-Schwingung zu kleineren Wellenzahlen verfolgt werden. Nach Entfernen des Lösungsmittels und der säulenchromatographischen Aufarbeitung wurden die Alkenyl(amino)carben-Komplexe 23a, b als orange-rote Feststoffe erhalten (Abbildung 152).

20a, b 23a, b R = Ph (a), Fc (b)

Abbildung 152: Reaktion von (CO)5W=C=C=C(CPh3)R mit Diethylamin

Die IR-Spektren der Komplexe 23a, b zeigen die typischen Bandenmuster eines Amino-substituierten Alkenylcarben-Komplexes. Bei Komplex 23b sind beide A1 -Banden, eine E-Bande, sowie die intensitätsschwache B1-Bande zu sehen. Bei 23a ist nur eine A1-Bande sichtbar, die zweite bei niedrigerer Energie wird von der E-Bande verdeckt. Anhand des beispielhaften IR-Spektrum der Verbindung 23b sind alle charakteristischen Banden aufzeigt (Abbildung 153).

Abbildung 153: IR-Spektrum von (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(CPh3)Fc in THF

+ HNEt2 (CO)5W C

NEt2

C C CPh3 R -80 °C -> 20 °C

H (CO)5W C C C

CPh3 R

2059

1966

1923

1907

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

Tabelle 21: IR-Daten der Carben-Komplexe (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(CPh3)R in THF Sowohl das 1H- als auch das 13C-NMR-Spektrum weist jeweils zwei Ethyl-Signale für die NEt2-Gruppe auf. Dies deutet auf einen Doppelbindungscharakter der Bindung zwischen dem Carben-Kohlenstoffatom und dem Stickstoff-Atom hin. Die 13 C-NMR-Verschiebung des Carben-Kohlenstoffatoms bestätigt die aus den IR-Spektren abgeleiteten Folgerungen (Tabelle 22). Die NEt2-Gruppe am Carben-Kohlenstoffatom bestimmt maßgeblich die elektronische Struktur des Komplexes.

Tabelle 22: 13C-NMR-Daten der Carben-Komplexe (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(CPh3)R

Verbindung R A1 B1 E A1

23a Ph 2059 1966 1924 ---

23b Fc 2059 1966 1923 1904

Verbindung R Carben C

23a Ph 249

23b Fc 250

(CO)5W=C(NEt2)-C=C(R)2 Ph 248

Von Komplex 23a gelang es, an einem Einkristall eine Röntgenstrukturanalyse durchzuführen (Abbildung 154).

Abbildung 154: ORTEP der Struktur des Komplexes 23a im Kristall

Die C-N-Bindung ist wesentlich kürzer als erwartet. Sie besitzt einen deutlichen Doppelbindungscharakter (Tabelle 23).

Tabelle 23: Bindungslängen von (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(CPh3)Ph

Daraus folgt, dass die Grenzstruktur D# stark zur Gesamtbindungserscheinung beiträgt (Abbildung 155). In Übereinstimmung damit ist der W-CD-Abstand groß, diese Bindung besitzt im Wesentlichen Einfachbindungscharakter.

Verbindung W-CDD Abstand

CD-CE Abstand

CE-CJ Abstand

CD-N Abstand 23a 2.271(3) 1.485(4) 1.349(4) 1.316(4)

C# D#

Abbildung 155: Resonanzstrukturen der Carben-Komplexe (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(CPh3)R

Der Carben-Ligand in Komplex 23a übt, wie erwartet, einen trans-Einfluss aus. Dies kann aus den kürzeren trans-W-CO-Abstand (1.994 Å) im Vergleich zum Durchschnitt der cis-W-CO-Abstände (2.039 Å) abgeleitet werden.

4.2 Reaktion mit Iminen Vorbemerkung

Die Reaktion von Iminen mit Bis(aryl)allenyliden-Komplexen ergibt je nach verwendetem Imin entweder Alkenyl(alkylidenamino)carben-Komplexe oder Azetidinyliden-Komplexe[121]. Die Bildung des Alkenyl(alkylidenamino)carben-Komplexes verläuft über eine Umlagerung des nach der Imin-Addition an das CD -Atom gebildeten Ylid-Komplexes. Diese Umlagerung kann durch eine N-gebundene Alkylgruppe am Imin blockiert werden. Dann erfolgt eine formale (2+2)-Cycloaddition der N=C- an die CD=CE-Bindung.

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Versetzte man eine frisch bereitete Lösung des Allenyliden-Komplexes (CO)5W=C=C=C(Ph)CPh3 bei -80 °C sofort nach der Darstellung mit N-Benzylidenanilin, so erfolgte beim Erwärmen auf Raumtemperatur ein Farbumschlag nach Gelbbraun. Bei der anschließenden Entfernung des Lösungsmittels und der

(CO)5W C NEt2

C C CPh3 R

H

(CO)5W C NEt2

C C CPh3 R

H

säulenchromatographischen Aufarbeitung konnte der Azetidinyliden-Komplex 24 als orangebrauner Feststoff erhalten werden (Abbildung 156).

24

Abbildung 156: Reaktion von (CO)5W=C=C=C(CPh3)Ph mit N-Benzylidenanilin Die intermediäre Bildung des Ylid-Komplexes konnte IR-spektroskopisch nicht beobachtet werden.

Das IR-Spektrum des Komplexes 24 zeigen die typischen vier Carbonylschwingungen. Eine A1-Bande ist jedoch nur als Schulter sichtbar (Abbildung 157).

(CO)5W C C C + CPh3 Ph

-80 °C -> 20 °C

N C

H Ph Ph

N C

C (CO)5W C

Ph Ph C CPh3

Ph H

2059

1967

1926

1910

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

Alle chemischen Verschiebungen liegen alle im Bereich, wie sie für einen solchen Komplex erwartet werden können. Die 13C-NMR-Resonanz des Carben-Kohlenstoffatoms liegt bei 257 ppm. Im 1H-NMR-Spektrum ist deutlich das Ringproton bei 5.03 ppm erkennbar.

Von Komplex 24 konnten für eine Röntgenstrukturanalyse taugliche Einkristalle gezüchtet werden (Abbildung 158). Die C-N-Bindung ist wesentlich kürzer als der Erwartungswert für eine solche C-N-Einfachbindung. Sie besitzt somit einen deutlichen Doppelbindungscharakter (Tabelle 24). Dieser ist allerdings schwächer ausgeprägt als in 23a.

Tabelle 24: Bindungslängen im Azetidinyliden-Komplex 20

Abbildung 158: ORTEP der Struktur von Komplex 24 im Kristall Verbindung W-C6

Abstand

C6-C7

Abstand

C7-C9

Abstand

C6-N1

Abstand 24 2.201(5) 1.538(2) 1.342(6) 1.346(6)

In Übereinstimmung damit ist die Wolfram-Carbenkohlenstoff-Bindung kürzer als im Alkenyl(amino)carben-Komplex 23a. Dies lässt sich durch Betrachtung der Resonanzstrukturen erklären (Abbildung 159). Durch die stark elektronendonierende Wirkung des Stickstoffatoms liegt vor allem die Struktur L vor. Der Carben-Komplex-Grenzstruktur kommt somit eine geringere Bedeutung zu als bei Komplex 23a.

K L

Abbildung 159: Grenzstrukturen von Komplex 24 4.3 Reaktion mit Hydroxylaminen

Vorbemerkung

Die Reaktionen von 1,2-Dinukleophilen mit Bis(aryl)allenyliden-Komplexen sind bereits gut untersucht. Die Reaktion mit Hydroxylaminen führt zu heterocyclischen Carben-Komplexen[123]. Die Produkte sind von den verwendeten Hydroxylaminen abhängig. N,O-disubstituierte Hydroxylamine reagieren zu Alkenyl(hydroxylamino)carben-Komplexen, N-alkylsubstituierten Hydroxylamine zu den entsprechenden cyclischen Isoxazolidinyliden-Komplexen.

Präparative und spektroskopsiche Ergebnisse

Die Reaktion von (CO)5W=C=C=C(Ph)CPh3 mit N-Benzylhydroxylamin bei wurde analog der N-Benzylidenanilin durchgeführt. Beim Erwärmen auf

N

25

Abbildung 160: Reaktion von (CO)5W=C=C=C(CPh3)Ph mit N-Benzylhydroxylamin Das IR-Spektrum des Alkenyl(amino)carben-Komplexes 25 weist nur drei Carbonylschwingungen auf, da eine A1-Bande ist durch die E-Bande verdeckt ist (Abbildung 161).

Abbildung 161: IR-Spektrum des Alkenyl(amino)carben-Komplexes 25 in THF Alle chemischen Verschiebungen liegen indem für Alkenyl(amino)carben-Komplexe typischen Bereich. Im 13C-NMR-Spektrum ist die chemische Verschiebung des Carben-Kohlenstoffatoms bei 251 ppm. Im 1H-NMR-Spektrum ist das Proton am Stickstoffatom bei 8.01 ppm gut sichtbar. Die NMR-Spektren bestätigen damit die vorgeschlagene Struktur.

+ BnHNOH (CO)5W C

NHBn

C C CPh3 Ph -80 °C -> 20 °C

H (CO)5W C C C

CPh3 Ph

2060

1966

1925

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

4.4 Reaktion mit Phosphanen Vorbemerkung

Die Phosphan-Addition an Allenyliden-Komplexe ist sowohl am CD- als auch am CJ -Atom der Allenylidenkette möglich[153]. Die Regioselektivität hängt vor allem von den sterischen und elektronischen Eigenschaften des Komplexes ab, sowie von der Nukleophilie und dem Raumbedarf der Phosphane.

Präparative und spektroskopische Ergebnisse

Zu einer frisch dargestellten Lösung des Allenyliden-Komplexes (CO)5W=C=C=C(Ph)CPh3 wurde sofort nach der Darstellung Trimethylphosphan gegeben. Dabei erfolgte ein Farbumschlag nach Orange, der sich beim Erwärmen auf Raumtemperatur vertiefte. Mit Triphenylphosphan trat hingegen keine Reaktion auf. Nach säulenchromatographischer Aufarbeitung konnte der Allenyl-Komplexe 26, das Produkt der Reaktion mit PMe3, als orangefarbener Feststoff in 34% Ausbeute erhalten werden (Abbildung 162).

26 PR3

C C PMe3

(CO)5W

C Ph3C

Ph +

-80 °C -> 20 °C (CO)5W C C C

CPh3

Ph

R = Me R = Ph -80 °C -> 20 °C

Das Ausbleiben einer Reaktion mit Triphenylphosphan dürfte hauptsächlich auf dessen im Vergleich zu PMe3 deutlich geringere Nukleophilie zurückzuführen sein.

Sterischen Gründe können ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, da es mit Bis(aryl)allenyliden-Komplexen gelingt, solche Allenyl-Komplexe aufzubauen.

Möglicherweise verhindert die äußerst sperrige Triphenylmethyl-Gruppe eine Additon an das CD-Atom.

Das IR-Spektrum von Komplex 26 zeigt fünf Absorptionen im tieferen Frequenzbereich (Abbildung 163). Auffällig ist die Aufspaltung der E-Bande in zwei Banden. Durch die sperrige Trimethylphosphan-Gruppe wird das (CO)5W-Fragment verzerrt und weicht dadurch stark von der optimalen C4v-Symmetrie ab.

Abbildung 163: IR-Spektrum des Allenyl-Komplexes 26 in THF

Die chemischen Verschiebungen liegen alle im Bereich, wie sie für einen solchen

Die chemischen Verschiebungen liegen alle im Bereich, wie sie für einen solchen