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1. Einleitung

2.3 Alkinyl-substituierte nicht-heteroatomstabilisierte Carben-Komplexe… 58

2.4.1 Reaktion mit Aminen

Mit der erfolgreichen Entwicklung von Synthesewegen für verschiedene Typen von Alkinylcarben-Komplexen standen diese für gezielte Reaktivitätsstudien zur Verfügung.

Die Reaktivität von nicht-heteroatomstabilisierten Carben-Komplexen wird vor allem durch die erhöhte Elektrophilie des Carben-Kohlenstoffatoms geprägt. Diese Komplexe reagieren oft schon bei tiefen Temperaturen auch mit schwachen Nukleophilen. Anhand repräsentativer ausgewählter Modellreaktionen sollten im Folgenden Grundreaktionsmuster untersucht werden.

2.4.1 Reaktion mit Aminen Vorbemerkung

Verwandte, sehr elektrophile Benzyliden-Komplexe additieren Amine am Carben-Kohlenstoffatom[109] (Abbildung 89). Die Stabilität der dabei gebildeten Komplexe hängt stark vom sterischen Anspruch der verwendeten Amine ab.

R1, R2, R3 = H, Alkyl

Abbildung 89: Reaktion des Benzyliden-Komplexes mit Aminen

Bei Alkinyl-substituierten Carben-Komplexen erhöht sich jedoch die Zahl der möglichen Reaktionsstellen (Abbildung 90), da ein Angriff des Nukleophils sowohl am Carben-Kohlenstoffatom (Cα) als auch am CJ-Atomin Betracht kommt. Prinzipiell wäre auch eine Addition an beiden Atomen zugleich denkbar.

(CO)5W C

NR1R2R3

H (CO)5W C Ph

Ph

H

NR1R2R3 +

A ’’’’ B’’’’ C’’’’

Abbildung 90: Resonanzstrukturen der Carben-Komplexe (CO)5W=C(R1)-C≡C-R2 Die Regioselektivität einer Reaktion mit Aminen dürfte vom sterischen Anspruch sowie von den elektronischen Eigenschaften des Carben-Komplexes und des Nukleophils abhängen. Bei einem Angriff am Cα-Atom sollte ein zwitterionischer Alkyl-Komplex entstehen, bei einem JAngriff primär ein zwitterionischer Allenyl-Komplex. Dieser dürfte sich rasch unter Wasserstoffwanderung in den isomeren, jedoch stabileren Alkenylcarben-Komplex umlagern. Dieser Komplex sollte durch die Donorwirkung des Amins sehr stabil und somit gut handhabbar sein (Abbildung 91).

C

Präparative Ergebnisse

Lösungen der entsprechenden Carben-Komplexe (CO)5W=C(R)OMe (R = Ph, C6H4OMe-p, C6H4CF3-p, C6H4CH3-p, Fc) oder (CO)4(PPh3)W=C(Ph)OMe wurden bei Raumtemperatur mit dem jeweiligen Lithiumacetylid versetzt. Je nach Reaktivität konnte sofort oder erst nach Stunden anhand des IR-Spektrums eine Umsetzung beobachtet werden. Beim Versetzten mit TMS-OTf nach Abkühlung auf -80 °C trat der erwartete Farbumschlag auf. Direkt danach wurde zu der Lösung Diethylamin gegeben. Es erfolgte ein Farbumschlag nach Rot, der sich beim Erwärmen auf Raumtemperatur vertiefte. Anschließend wurde das Lösungsmittel entfernt und der dabei erhaltene Rückstand säulenchromatographisch aufgearbeitet. Aus den spektroskopischen Daten der isolierten Verbindungen konnte abgeleitet werden, dass es sich um die Komplexe 13a-d, 14a, 14b und 15 handeln musste (Abbildung 92).

13a 13b 13c 13d 14a 14b 15

R1 = Ph C6H4CF3-p C6H4Me-p C6H4OMe-p Ph Fc Ph

R2 = Ph Ph Ph Ph Fc Fc Ph

L = CO PPh3

Abbildung 92: Reaktion von (CO)4(L)W=C(R1)-C≡C-R2 mit Diethylamin

Die Komplexe erwiesen sich als temperaturstabil und nur bedingt luftempfindlich, so dass sie sehr gut handhabbar waren. Ein Produkt, das aus einem Angriff am Carben-Kohlenstoffatom resultieren würde, konnte nicht isoliert werden. IR-Spektroskopisch konnte nur die Bildung eines Carben-Komplexes beobachtet werden. Als einziges Nebenprodukt wurde der Aminkomplex (CO)5W-NHEt2 isoliert.

NHEt2

Spektroskopische und strukturanalytische Ergebnisse

In den IR-Spektren zeigen die Komplexe 13a-14b wiederum die für eine lokale C4v -Symetrie der (CO)5W-Gruppe typischen Bandenmuster. Es sind jedoch nicht drei sondern vier Carbonylschwingungen sichtbar. Bei diesen Komplexen sind beide A1 -Banden, eine E-Bande, sowie die intensitätsschwache B1-Bande zu sehen. Ein für diese Komplexe typisches IR-Spektrum ist am Beispiel von 13d dargestellt (Abbildung 93).

Abbildung 93: IR-Spektrum von (CO)5W=C(C6H4OMe-p)-C=C(Ph)NEt2 in THF Die Komplexe 13a-d unterscheiden sich nur geringfügig in ihren Wellenzahlen (Tabelle 7). Erwartungsgemäß liegen die Q(CO)-Absorptionen der Ferrocenyl-substituierten Komplexe 14a und 14b bei den niedrigsten Energien (Tabelle 7). Bei Verbindung 14b, die zwei Ferrocenyl-Substituenten und einen Stickstoff-Donor enthält, liegt die höchste Elektronendichte unter allen gemessenen Komplexen vor.

2046

1955

1915

1887

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800 Wellenzahl (cm-1)

Absorption

Tabelle 7: IR-Daten der Carben-Komplexe (CO)5W=C(R1)-CH=C(R2)NEt2 in THF Für Komplex 15 ist aufgrund des zusätzlichen Phosphan-Liganden ein anderes Spektrum zu erwarten. Es liegt nun eine lokale C2v-Symetrie der (CO)4W-Gruppe vor, bei der zwei A1-Banden, eine B1-Bande sowie eine B2-Bande zu erwarten sind. Die vierte Bande erscheint jedoch nur als schwach ausgeprägte Schulter am niedrigenergetischen Ende der intensivsten Absorption (Abbildung 94).

Abbildung 94: IR-Spektrum des Komplexes (CO)4(PPh3)W=C(Ph)-CH=C(Ph)NEt2 in THF

Verbindung R1 R2 A1 B1 E A1

13a Ph Ph 2047 1955 1915 1888

13b C6H4CF3-p Ph 2048 1958 1917 1892 13c C6H4Me-p Ph 2048 1960 1921 1900 13d C6H4OMe-p Ph 2046 1955 1915 1887

14a Ph Fc 2044 1948 1905 1877

14b Fc Fc 2042 1945 1905 1874

1993

1890 1869

2200 2150 2100 2050 2000 1950 1900 1850 1800

Absorption

Wellenzahl (cm-1)

Im Vergleich zum Carben-Komplex (CO)4(PPh3)W=C(Ph)OMe sind die Wellenzahlen um fast 20-30 cm-1 zu kleineren Wellenzahlen verschoben (Tabelle 8). Dies verdeutlicht die stark ausgeprägte Donorfähigkeit des Amino-Substituenten, selbst über mehrere Bindungen hinweg.

Tabelle 8: IR-Daten des Carben-Komplexes (CO)4(PPh3)W=C(R1)-CH=C(R2)NEt2 in THF und Vergleichsdaten

Die Resonanzen des Carben-Kohlenstoffatoms in den 13C-NMR-Spektren hängen erwartungsgemäß von den Substituenten ab. Mit zunehmendem Donorpotential des Cα-gebundenen Substituenten R1 verschiebt sich die Cα-Resonanz zu höherem Feld (Tabelle 9 und Abbildung 95). Ein ähnlicher Effekt wird bei Austausch des Cγ -gebundenen Phenyl- durch die Ferrocenylgruppe beobachtet. Der Ersatz der Cα -gebundenen Phenylgruppe durch C6H4OMe-phat annähernd die gleiche Auswirkung wie der von Cγ-Phenyl durch Cα-Ferrocenyl. Was wiederum beweist, wie stark die Abschwächung der donierenden Wirkung über mehrere Bindungen ist. In die Tabelle wurde auch der auch der Komplex (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(Ph)2 mit aufgenommen.

Ein Vergleich von Komplex 13a mit (CO)5W=C(NEt2)-CH=C(Ph)2 ergibt eine um 18 ppm zu tieferem Feld verschobene Cα-Resonanz. Dies verdeutlicht die Abschwächung der π-donierenden Wirkung von NEt2 über mehrere Bindungen hinweg. Im Vergleich mit den IR-Spektren ist ersichtlich, dass sich die Vorhersagen des IR-Spektrums nicht in allen Punkten mit denen des NMR-Spektrums decken. Im IR-Spektrum kann z.B. durch Lösungsmitteleffekte eine Verfälschung des ursprünglichen Spektrums entstehen.

Verbindung R1 R2

15 Ph Ph 1993 1890 1870

(CO)4(PPh3)W=C(R1)(R2) Ph OEt 2017 1918 1897

Tabelle 9: 13C-NMR-Daten des Carben-Kohlenstoffatoms in den Carben-Komplexen (CO)5W=C(R1)-CH=C(NEt2)(R2) und Vergleichsdaten

(* aufgrund paramagnetischer Störungen war keine Messung möglich)

Abbildung 95: Chemische Verschiebung des Carben-Kohlenstoffatoms in den Carben-Komplexen (CO)5W=C(R1)-CH=C(NEt2)(R2)

Bei Komplex 15 ist aufgrund des zusätzlichen Phosphan-Liganden ein anderes NMR-Spektrum zu erwarten. Es ist deshalb nicht mit den Komplexen 13a-14b zu

Verbindung R1 R2 Carben C

13b C6H4CF3-p Ph 275

13a Ph Ph 266

13c C6H4Me-p Ph 261

14a Ph Fc 252

13d C6H4OMe-p Ph 249

14b Fc Fc *

(CO)5W=C(R1)-CH=C(R2)2 NEt2 Ph 248

240 250 260 270 280

Substituenten

pp m

C6H4CF3-p/ Ph Ph/ Ph

Ph/ Fc

C6H4OMe-p / Ph C6H4Me-p / Ph

alle zu tieferem Feld im Vergleich zu 13a verschoben sind. Die Resonanz des Carben-Kohlenstoffatoms in Verbindung 15 liegt zwischen der des entsprechenden Ethoxy(phenyl)carben- und der des Amino(phenyl)carben-Komplexes (Tabelle 10).

Die elektronischen Eigenschaften des 2-Diethylamino(2-phenyl)vinyl-Substituenten liegen also ebenfalls zwischen derjenigen eines Ethoxy- und eines Aminosubstituenten. Überraschenderweise liegt die Resonanz des Carben-Kohlenstoffatoms auch bei tieferem Feld als der Pentacarbonyl(carben)-Komplexe, trotz der erhöhten Elektronendichte am Zentralmetallatom und der zu erwartenden stärkeren W-CarbenC-Rückbindung.

Tabelle 10: 13C-NMR-Daten des Carben-Kohlenstoffatoms im Carben-Komplex (CO)4(PPh3)W=C(R1)-CH=C(R2)NEt2 und Vergleichsdaten

Von den Komplexen 13a und 15 gelang es, an einem Einkristall eine Röntgenstrukturanalyse durchzuführen (Abbildung 96 und 97).

Verbindung R1 R2 Carben C

15 Ph Ph 286

(CO)4(PPh3)W=C(R1)(R2) Ph OEt 318 (CO)4(PPh3)W=C(R1)(R2) Ph NH2 269

Abbildung 97: ORTEP der Struktur von Komplex 15 im Kristall

(Der PPh3-Ligand wurde der besseren Übersichtlichkeit halber nur angedeutet.) Der Carben-Ligand ist in beiden Komplexen identisch, sie unterscheiden sich lediglich im L5W-Teil des Moleküls. Damit besteht die Möglichkeit, die strukturellen Auswirkungen des Austausches eines CO- gegen einen PPh3-Liganden auf den Carben-Liganden zu ermitteln. Es sei allerdings anzumerken, dass wegen der relativ großen Standardabweichungen nur Tendenzen in den strukturellen Unterschieden diskutiert werden können.

Tendenziell werden in 13a und 15 ähnliche Bindungslängen in der Hauptkette des Komplexes erhalten (Tabelle 11). Der Wolfram-CD-Abstand ist in 15 etwas kürzer als in 13a, der CD-CE-Abstand länger und der CE-CJ-Abstand wiederum kürzer. Dies lässt auf eine verstärkte W-CD-Rückbindung in 15 und als Folge davon auf eine verringerte π-Donor-Wechselwirkung des Aminosubstituenten mit der Doppelbindung und dem Carben-Kohlenstoffatom schließen. Ein Vergleich mit (CO)5 W=C(OEt)-CH=C(Ph)(NC4H8) zeigt aufgrund der π–Wechselwirkung des Ethoxy-Substituenten mit dem Carben-Kohlenstoffatom erwartungsgemäß einen noch längeren CD-CE -Abstand und einen kürzeren CE-CJ-Abstand (Tabelle 11).

Tabelle 11: Vergleichsdaten der Bindungslängen verschiedener Carben-Komplexe In beiden Komplexen sind, anders als bei den meisten Carben-Komplexen beobachtet, die Carbenebene (W, C6, C7, Cipso) und eine mer-W(CO)3-Ebene nahezu koplanar. Der Winkel zwischen den Ebenen beträgt 4.5 ° (13a) und 6.0 ° (15). Um destabilisierende, sterische Wechselwirkungen zu minimieren sind in beiden Komplexen sowohl die Aryl-Ebene als auch die Olefinebene (C6, C7, C8, N1) deutlich um 31.5 ° (13a) und 42.0 ° (15) gegen die Carben-Ebene gedreht. Auch die terminale Aryl-Gruppe ist in beiden Komplexen aus den gleichen Gründen um 23.8 ° (13a) und 23.2 ° (15) gegen die Olefinebene verdreht.

Um die W-CD-π–Rückbindung zu maximieren ist die W-P-Achse nahezu orthogonal (88.3 °) zur Carbenebene angeordnet. Sowohl der Carben- als auch der Phosphan-Ligand üben einen trans-Einfluss aus. Die zu diesen Phosphan-Liganden jeweils trans-W-CO-Bindung ist signifikant kürzer als der Mittelwert der cis-W-CO-trans-W-CO-Bindungen. In Komplex 13a ist der trans-W-CO-Abstand (2.004(5) Å) kürzer als der Durchschnitt der cis-W-CO-Abstände (2.030 Å). Aufgrund der starken Donorwirkung des Phosphan-Liganden in Verbindung 15 ist die zum Phosphan trans-ständige W-CO-Bindung erwartungsgemäß kürzer (1.986(7) Å) als die beiden cis-ständigen W-CO-Bindungen (2.048(7) und 2.022(7) Å). Aus der Tatsache, dass die trans-ständige W-CO-Bindung kürzer ist als diejenige trans zum Carben-Liganden, kann geschlossen werden, dass das π-Donor/Akzeptorpotential des Phosphans größer als das des Carben-Liganden ist.

Aus diesen strukturellen Befunden wird deutlich, dass die Bindung in diesem Komplexen im Wesentlichen durch die beiden mesomeren Grenzstrukturen A# und B# beschrieben werden kann (Abbildung 98). Die dipolare Resonanzstruktur B# sollte

Verbindung W-CDD

A# B#

L = CO, PPh3

Abbildung 98: Resonanzstrukturen der Carben-Komplexe (CO)4(L)W=C(Ph)-CH=C(Ph)NEt2

C C Ph (CO)4(L)W

C NEt2

Ph C

C Ph (CO)4(L)W

C NEt2 Ph

H H

Zusammenfassung

Die Alkinyl-substituierten Carben-Komplexe (CO)4(L)W=C(R1)-C≡C-R2 reagieren mit Diethylamin ausschließlich zu Alkenylcarben-Komplexen (Abbildung 99). Die Reaktion verläuft hoch regioselektiv, ein Angriff des Amins am Cα-Atom des Alkinyl-substituierten Carben-Komplexes wurde nicht beobachtet.

13a 13b 13c 13d 14a 14b 15

R1 = Ph C6H4CF3-p C6H4Me-p C6H4OMe-p Ph Fc Ph

R2 = Ph Ph Ph Ph Fc Fc Ph

L = CO PPh3

Abbildung 99: Reaktion von (CO)4(L)W=C(R1)-C≡C-R2 mit Diethylamin

Die erhaltenen Komplexe sind sehr stabil. Die Bindungsverhältnisse werden stark von der Resonanzstruktur B# geprägt werden (Abbildung 100).

A# B#

2.4.2 Reaktion mit Phosphanen