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1.4 Fragestellungen dieser Arbeit

2.1.3 Raupenfutter

Eine der wesentliche Zielsetzungen dieser Arbeit war die Untersuchung von Einfl¨ussen der Raupennahrung und darin enthaltener Flavonoide auf die Fl¨ugelfarben der Imagines. Dazu zog ich Tiere auf Bl¨uten und Bl¨attern von f¨unf verschiedenen, in Mitteleuropa im Freiland von P. icarus genutzten Pflanzenarten und auf verschiedenen k¨unstlichen Futtermedien auf. Insgesamt untersuchte ich den Einfluß von 15 verschiedenen Futterbehandlungen.

Die Raupen erhielten den Futtertyp ihrer Futterbehandlung m¨oglichst ab dem Schlupf aus dem Ei, sp¨atestens aber ab dem Beginn des dritten Larvenstadiums. Erst ab dem dritten Larvenstadium ließen sich erste Spuren von Flavonoiden in ihnen nachweisen, und die Hauptmasse der Flavonoide wird erst im vierten Larvenstadium sequestriert (Frank Burghardt, pers¨onliche Mitteilung).

In jeder Futterbehandlung wurden Nachkommen verschiedener Weibchen eingesetzt.

Es wurden mindestens 15 Individuen jeder Futterbehandlung f¨ur die Bestimmung der Fl¨ugelfarben durch Spektroradiometrie verwendet. BeiCoronilla varia konnte diese Stich-probengr¨oße nicht erreicht werden, da nur etwa 10 % der Tiere die Entwicklung bis zur Imago vollendeten und alle anderen vorher verendeten. Die hohe Sterblichkeit mag auf eine evtl. starke Cyanogenit¨at des verf¨utterten Pflanzenmaterials zur¨uckzuf¨uhren sein (Kon-rad Fiedler, pers¨onliche Mitteilung), was auch schon fr¨uher als Grund f¨ur eine schlechte Raupenentwicklung von P. icarus auf Coronilla varia vermutet wurde (Burghardt 1994, Burghardt & Fiedler 1996). Zumindest Trifolium repens und Lotus corniculatus weisen einen genetisch bedingten Polymorphismus der Cyanogenit¨at auf. F¨ur P. icarus

wur-de aber, im Gegensatz zu einigen anwur-deren Insekten owur-der Mollusken, keine Bevorzugung schwach oder nicht cyanogener St¨amme dieser Arten bei der Eiablage oder bei der Wahl des Raupenfutters nachgewiesen (Jones 1970, Crawford-Sidebotham 1972, Dritschiloet al.

1979, Jones 1988, Burgess & Ennos 1987, Briggs 1990a, Jones 1998, und die darin zitier-ten Arbeizitier-ten). In diesen Untersuchungen wurden jedoch keine pozitier-tentiellen Auswirkungen (stark) cyanogener Nahrung auf die Entwicklung oder das ¨Uberleben von P. icarus un-tersucht.

Nat¨urliche Futterpflanzen

P. icarus nutzt im Freiland eine Vielzahl von krautigen Arten der Fabaceae als Raupen-futterpflanze (Dennis 1984, Mart´ın Cano 1984, Ebert & Rennwald 1993, Nielsen 1994, Burghardt et al. 2001a). F¨ur diese Arbeit traf ich eine repr¨asentative Auswahl aus den in Mitteleuropa, der Herkunft meiner Versuchstiere, am h¨aufigsten genutzten Arten, ¨uber die nach M¨oglichkeit auch Daten ¨uber die Flavonoidsequestrierung vorlagen bzw. gerade erarbeitet wurden. Ich w¨ahlte f¨unf Pflanzenarten aus verschiedenen Gattungen, wobei je-weils Raupen getrennt auf Bl¨uten und auf Bl¨attern aufgezogen wurden. Es wurde peinlich genau darauf geachtet, daß das Futter nur aus den jeweiligen Pflanzenorganen bestand und auch Bl¨utenknospen aus der Blattnahrung entfernt wurden. Bei der Bl¨utennahrung wurden meist ganze Bl¨utenk¨opfchen verf¨uttert, also Bl¨uten incl. Sepalen, Corolla, Andro-coeum und Gynoeceum. Sepalen und Stengel wurden im allgemeinen nicht gefressen.

Das Futterpflanzenmaterial wurde entweder lokal im Freiland von wildwachsenden Populationen gesammelt oder im Garten gezogen. F¨ur die Erhaltungszucht im Winter kam auchMedicago sativa aus dem Gew¨achshaus zum Einsatz. Die daraus resultierenden Tiere wurden nicht f¨ur die spektroradiometrischen Untersuchungen verwendet.

F¨ur die meisten dieser Futterbehandlungen existieren Angaben zur Flavonoidseque-strierung durch P. icarus. Einen ¨Uberblick ¨uber mehrere der hier verwendeten Futter-pflanzen geben vor allem Burghardt (2000) und Burghardt et al. (1997a, 2001a).

Lotus corniculatus L. Lotus corniculatus (Gew¨ohnlicher Hornklee) ist die in Mitteleu-ropa wohl bedeutendste Futterpflanze von P. icarus (Ebert & Rennwald 1993, Tillmanns 1995). Diese Art ist, wie auch Trifolium repens, wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als Futtermittel sehr gut untersucht. Angaben ¨uber sekund¨are Pflanzeninhaltsstoffe die-ser Pflanze und deren Bedeutung f¨ur Herbivoren, incl. P. icarus, findet man bei Par-sons & Rothschild (1964), Jones (1962), Butler (1965), Lane & Rothschild (1962), Jones (1966, 1968, 1970, 1971), Crawford-Sidebotham (1972), Compton & Jones (1985), Briggs (1990a,b), Goverde et al. (1999) und Jones (1998). Foo et al. (1996) analysierten die Proanthocyanidine (kondensierte Tannine) dieser Art, eine Klasse von Flavonoiden, die Burghardt (2000) nicht untersuchte.

Trifolium repens L. Auch Trifolium repens (Weiß-Klee) z¨ahlt zu den ¨uberall verf¨ ug-baren und h¨aufig genutzten Futterpflanzen (Ebert & Rennwald 1993). Zus¨atzliche An-gaben zur Flavonoidsequestrierung finden sich bei Schittko (1997) und Schittko et al.

(1999). In j¨ungster Zeit untersuchten Foo et al. (2000) die Phenole incl. Flavonoide der Bl¨uten von Trifolium repens und wies dabei weitere Flavonoide nach. Angaben ¨uber an-dere Pflanzeninhaltsstoffe dieser Art und ihre Bedeutung f¨ur Herbivoren, incl. P. icarus, findet man bei Butler (1965), Jones (1968, 1971), Crawford-Sidebotham (1972), Jones

et al. (1973), Dritschilo et al.(1979), Ennos (1981), Horrill & Richards (1986), Burgess &

Ennos (1987), Ellsbury et al. (1992), Jones (1998) und Lindroth et al. (2000).

Medicago sativa L. Bei der im allgemeinen als Medicago sativa (Luzerne) bezeichne-ten, in Mitteleuropa als Futterpflanze kultivierten und ¨uberall verwilderten Art handelt es sich fast immer um den BastardM.×varia Martyn von der aus Vorderasien stammen-den M. sativa L. mit der in Mitteleuropa einheimischen M. falcata L. (Gelbe Luzerne, Sichelklee) (Vollrath 1973, Seybold 1992, Sch¨onfelder & Bresinsky 1990, Haeupler & Muer 2000, Oberdorfer 2001). Da aber die Bezeichnung M. sativa noch ¨ublich ist, behielt ich sie f¨ur diese Arbeit bei. Auf M. sativa wurden zahlreiche Eiablagen im Freiland beob-achtet und diese Art wird von Ebert & Rennwald (1993) auch zu den h¨aufig genutzten Raupenfutterpfanzen gez¨ahlt. Burghardt (2000) konnte f¨ur ein in der T¨urkei gefangenes Exemplar von P. icarus aufgrund des charakteristischen Flavonoidmusters M. sativa – und hier wohl die urspr¨ungliche Art – als Raupenfutterpflanze nachweisen. Zus¨atzliche Angaben zur Flavonoidsequestrierung finden sich bei Wiesen (1993) und Wiesen et al.

(1994).

Melilotus officinalis (L.) Pall. Melilotus officinalis (Gew¨ohnlicher Steinklee) ist in Deutschland in den Habitaten vonP. icarusweit verbreitet (Haeupler & Sch¨onfelder 1988, Sch¨onfelder & Bresinsky 1990), wurde bisher aber nur in der T¨urkei als Raupenfutter-pflanze nachgewiesen (Hesselbarth et al.1995). Mitteleurop¨aische Tiere wurden mehrfach erfolgreich aufMelilotus officinalis gez¨uchtet (Schweizerischer Bund f¨ur Naturschutz 1987, Burghardt & Fiedler 1996).

Coronilla varia L. Coronilla varia (Bunte Kronwicke) wurde in Mitteleuropa als nat¨urliche Raupenfutterpflanze nachgewiesen (Ebert & Rennwald 1993), und P. icarus wurde auf dieser Art erfolgreich gez¨uchtet (Burghardt 1994, Wiesenet al.1994, Burghardt

& Fiedler 1996). Auf die schlechte Entwicklung der Raupen bei meinen Experimenten mit dieser Futterpflanze wurde bereits hingewiesen. Zus¨atzliche Angaben zur Flavonoidseque-strierung finden sich bei Wiesen (1993) und Wiesen et al. (1994).

K¨unstliche Raupenfuttermischungen

Die Unterschiede im Flavonoidgehalt und in den Typen von Flavonoiden zwischen den Arten und Organen nat¨urlicher Futterpflanzen gehen zwangsl¨aufig mit Variationen von anderen, im allgemeinen unbekannten Pflanzeninhaltsstoffen einher. Um die Auswirkung von Flavonoiden in der Raupennahrung auf die Fl¨ugelf¨arbung eindeutig auf die Wirkung dieser Polyphenole zur¨uckf¨uhren zu k¨onnen, ben¨otigte ich ein semisynthetisches Futter (im folgenden nur kurz Kunstfutter genannt), das in seiner Reinform praktisch frei von (sequestrierbaren) Flavonoiden war, von den Raupen gut gefressen und vertragen wurde sowie nach Bedarf mit Flavonoiden angereichert werden konnte. Ich konnte ein Futter entwickeln, das diesen Anforderungen gen¨ugte. Es basiert auf gr¨unem Erbsmehl, Wei-zenkeimen und Hefe mit beigef¨ugtem Luzerneblattpulver als Fraßstimulans. Angaben zur Zubereitung und genauen Zusammensetzung finden sich im Anhang A (Seite 185ff). Die-ses Kunstfutter enthielt nur geringste Spuren von Flavonoiden, und darauf aufgezogene Raupen und Falter von P. icarus enthielten keine mittels HPLC detektierbaren Mengen von Flavonoiden (Burghardt 2000). Aus diesem (f¨ur praktische Zwecke) flavonoidfreien

Futter stellte ich durch Zusatz der Flavonoide Quercetin oder Rutin Futtermischungen her, die sich nur im Flavonoidgehalt, nicht aber in der Zusammensetzung anderer Stoffe unterschieden.

Quercetin (Abb. 2.1A) ist, zumeist als Glykosid, eines der verbreitetsten Flavonole (Formica & Regelson 1995, Hollman et al. 1997). Rutin (Quercetin-3-O-rutinosid) ist das 3-O-Glykosid des Quercetins mit dem Disaccharid Rutinose (Glukosyl-(1 → 6)-L-rhamnose) (Abb. 2.1B) und das im Pflanzenreich am weitesten verbreitete Flavonolglyko-sid (Harborne & Baxter 1999a). Quercetin kommt in glykoFlavonolglyko-sidierter Form und, in geringe-rer Menge, auch als Aglykon in zahlreichen nat¨urlichen Futterpflanzen vonP. icarus vor, wo Quercetinderivate oft die Hauptmenge der Flavonoide ausmachen (Burghardt 2000).

P. icarus sequestriert aus Futterpflanzen bevorzugt Quercetinderivate, besonders wenn es sich um 3-O-Glykoside handelt (Burghardt 2000).

Neben dem flavonoidfreien Kunstfutter verf¨utterte ich Kunstfutter mit Quercetin in den Konzentrationen 0,5 % und 2,5 %, und Kunstfutter mit Rutin in den Konzentrationen 0,98 % und 4,9 % (jeweils Massen-%). Konzentrationsangaben von Flavonoiden beziehen sich in dieser Arbeit immer auf die Trockenmasse. In den flavonoidhaltigen Futtermi-schungen lagen bei der niedrigen und bei der hohen Konzentration jeweils die gleichen molaren Konzentrationen von Quercetin und Rutin vor, also auch die gleichen molaren Konzentrationen des Chromophors. Unterschiede waren allerdings in der physiologischen Verf¨ugbarkeit der Flavonoide f¨ur die Tiere zu vermuten, da es sich um ein Flavonoidagly-kon (Quercetin) und ein Diglykosid davon handelte (Abb. 2.1).

F¨ur Rutin liegen wegen der pharmakologischen Bedeutung Konzentrationsmessungen von zahlreichen Pflanzenarten vor. Dabei wurden regelm¨aßig Konzentrationen (immer bezogen auf die Trockenmasse) von etwa 3 % in Angiospermen gefunden, wo es eine der Hauptkomponenten in den Bl¨attern ist. Nachdem Rutin im allgemeinen nur eines von mehreren Flavonoiden in einer Art ist, deutet dies auf einen mittleren Gesamtflavonoid-gehalt von 5 % in den meisten Angiospermen hin, mit Werten zwischen etwa 1 % und 10 % Es k¨onnen vereinzelt aber noch deutlich h¨ohere Mengen von Flavonoiden in Pflanzen vor-kommen. So enthalten Teebl¨atter ¨ublicherweise 20 % Catechin und mehr (Harborne 1991).

Towers (1964) nennt f¨ur Pflanzen Gehalte nur eines Flavonoids von 1–5 % des Frischge-wichts nicht ungew¨ohnlich.