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293.1. REDE VON

D ANUTA H ÜBNER

4.1. R EDE VON H ERWIG VAN S TAA

Zunächst ist es mir eine Freude, in unserer Mitte die Kommissarin für Regionalpolitik, Frau Danuta Hübner, zu begrüßen. In ihren bemerkenswerten Ausführungen gab sie ein klares Bekenntnis für die Bedeutung der Regio-nen im Rahmen der Europäischen Union ab.

In diesem Gedenkjahr feiern wir 60 Jahre Wie-dererstehung Österreichs nach einem furcht-baren Krieg, durch den, und das sollte man nicht vergessen, manche Länder und ihre Bevölkerung hart getroffen wurden. Ich den-ke hierbei an den Holocaust und an das schwe-re Schicksal Polens, nicht nur im Laufe der Geschichte, sondern vor allem während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft.

Aber wir feiern nicht nur 60 Jahre Wiederer-richtung der Republik und 50 Jahre Staats-vertrag, sondern auch 10 Jahre Zugehörigkeit Österreichs zur Europäischen Union. Es freut mich deshalb umso mehr, dass unser Alt-Bun-deskanzler Dr. Franz Vranitzky unter uns weilt.

Österreich wurde unter seiner Regierung voll-berechtigtes Mitglied der Europäischen Uni-on und dies zählt ohne Zweifel zu den Höhe-punkten seiner Regierungszeit. Es ist mir daher

eine besondere Ehre, dass wir anlässlich die-ses Festtages zur Auszeichnung eines bedeu-tenden europäischen Regional- und Kom-munalpolitikers auch Dr. Franz Vranitzky spe-ziell für seine besonderen Leistungen für Tirol heute am Abend auszeichnen dürfen.

Der Kaiser-Maximilian-Preis wurde gestiftet anlässlich des 85. Geburtstages von Alois ger, dessen Gattin unter uns weilt. Alois Lug-ger war 27 Jahre BürLug-germeister von Innsbruck, 15 Jahre Präsident des Tiroler Landtages, Prä-sident der Vorbereitenden Versammlung der Regionen im Europarat und langjähriger Vize-präsident des Rates der Gemeinden und Regio-nen Europas. Der heute 93-Jährige ist den in der europäischen Regional- und Kommunal-politik Tätigen nach wie vor ein Begriff. Er befindet sich zurzeit im Sanatorium und wir grüßen ihn von hier aus ganz herzlich und wünschen ihm und seiner Frau alles Gute.

Mit dem Kaiser-Maximilian-Preis zeichnen das Land Tirol und die Stadt Innsbruck seit 1989 jedes Jahr Persönlichkeiten aus, die im Bereich der Regional- bzw. Kommunalpoli-tik herausragende Leistungen erbracht haben.

Vor einem Jahr wurde die Europäische Uni-on um zehn neue Mitgliedstaaten erweitert.

Es freut mich daher ganz besonders, dass heu-te Jan Olbrycht, Abgeordneheu-ter zum Europäi-schen Parlament aus Polen, mit dem Kaiser-Maximilian-Preis ausgezeichnet wird. Mit ihm ehren wir erstmals einen großen Kommunal-und Regionalpolitiker aus den neuen Mit-gliedsländern der EU.

Die Auswahl des Preisträgers erfolgt durch eine internationale Jury aus Vertretern des

Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas, des Ausschuss der Regionen Euro-pas, des Rates der Gemeinden und Regionen Europas und der Versammlung der Gemein-den und Regionen Europas. In dieser Jury sind die Stadt Innsbruck, das Land Tirol sowie die Universität Innsbruck ebenfalls vertreten. Die Wahl Jan Olbrychts erfolgte einstimmig nach sehr kurzen Beratungen, denn die Fakten waren überzeugend.

Jan Olbrycht hat sich seit 1989 sowohl in sei-ner Funktion als Bürgermeister der Stadt Cies-zyn als auch als Präsident der Region Schle-sien, in nationalen Bürgerrechtsforen und auf europäischer Ebene mit ganzer Kraft für die Wiedereinführung der Bürgerrechte in Polen eingesetzt. Er ist ein Politiker, der intensiv und erfolgreich beim Aufbau der neuen Kommu-nal- und Regionalstrukturen im größten Bei-trittsland der jüngsten EU-Erweiterungsrunde mitgewirkt hat.

In einer Zeit, die geprägt ist von vielen nega-tiven Folgen der Globalisierung und interna-tionalen Konflikten, ist die Europäische Uni-on Garant für ein ausgesöhntes und politisch starkes Europa. Im Vertrag über eine Verfas-sung für Europa wurde die Bedeutung der Regionen und Gemeinden klar erkannt und das Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich auf die lokale und regionale Ebene ausgedehnt.

Ein wirklich geeintes Europa kann nur von unten, an der Basis zusammenwachsen. Die Regionen und Kommunen verkörpern die den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten steh-enden Entscheidungsebenen, sie sind direkt

konfrontiert mit ihren Erwartungen und dem Unbehagen gegenüber einer Europäischen Union, die sich existenziellen Anliegen der Bevölkerung mitunter zu entziehen scheint.

Die Ablehnung der EU-Verfassung in Frank-reich und in den Niederlanden mag ihre Ursachen auch in nationalstaatlichen Pro-blemen haben, jedoch müssen die darin zum Ausdruck gebrachten Bedenken der Bevöl-kerung wegen deren unzureichender Ein-beziehung in Entscheidungsprozesse der Europäischen Union ernst genommen wer-den. Gefordert sind hier die Entscheidungs-träger auf europäischer Ebene ebenso wie die Politiker in den Mitgliedstaaten, durch Überzeugungsarbeit auf die echten Sorgen der Menschen einzugehen und durch Refor-men zu reagieren.

Für die Europäische Union eröffnet diese Kri-se die Chance, sich auf ihre weKri-sentlichen Auf-gaben - die gemeinsame Außen-, Sicherheits-und Verteidigungspolitik, den Binnenmarkt, die gemeinsame Geldpolitik, die Wettbe-werbsregeln und die Grundzüge der Wirt-schafts-, Sozial- und Umweltpolitik, - zu kon-zentrieren. Ich hoffe, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, eine neue EU-Verfas-sung zu ratifizieren und somit eine neue Rechtsgrundlage für Europa zu schaffen.

Mit dem Kaiser-Maximilian-Preis wird Jan Olbrychts herausragendes Engagement für die Verwirklichung der Grundsätze der Sub-sidiarität sowie der Charta der Lokalen Selbst-verwaltung und der Charta der Regionalen Selbstverwaltung des Europarates gewürdigt.

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Geboren wurde Jan Olbrycht in Rybnik in Schlesien, das im Laufe seiner Geschichte abwechselnd unter polnischer und deutscher Herrschaft stand. Er promovierte in Soziolo-gie an der JaSoziolo-giellonen-Universität in Krakau, anschließend war er Hochschuldozent an der Schlesischen und an der Jagiellonen-Universi-tät.

Als Mitglied der Bürgerrechtsbewegung Soli-darnosc war Jan Olbrycht 1989 federführend an der Vorbereitung der ersten freien Gemein-de- und Regionalwahlen in Polen beteiligt.

1990 wurde er zum ersten Bürgermeister der Grenzstadt Cieszyn gewählt und 1994 in die-sem Amt bestätigt. Während seiner Amtszeit begründete er die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Partnerstäd-ten Cieszyn und Cesky Tesin in der Tsche-chischen Republik, baute ein Netzwerk der Gemeindepartnerschaften in der Region Cies-zyn auf und war der Initiator der Euro-Regi-on Slask Cieszynski. Jan Olbrycht war der Stellenwert der lokalen Verwaltungen beim Aufbau der Demokratie in Polen immer ein besonderes Anliegen.

In seiner viel beachteten Rede bei der Abschluss-konferenz von Logon im Jahre 2005, einem von der EU geförderten Projekt, das Lokal-politiker aus den neuen und den alten Mit-gliedsstaaten zum Erfahrungstausch zusam-menbringt, gerade für diese Organisation wur-den von Österreich wesentliche Impulse gesetzt, forderte Jan Olbrycht die anwesenden Lokal-politiker auf, ihren Aktionsradius auszudeh-nen und dafür zu sorgen, dass gut ausgebil-detes, kompetentes Management die Geschicke

der Städte leitet. Denn nur so könne sicher-gestellt werden, dass die durch die europä-ischen Strukturfonds zur Verfügung gestellten Mittel nicht verloren gingen. Jan Olbrycht tritt für selbstbewusste Verwaltungen ein, die enge Beziehungen zu den nationalen, aber auch internationalen Vereinigungen pflegen. Er warnt aber ganz deutlich und zu Recht davor, die Erweiterung der Europäischen Union nur unter finanziellen Aspekten zu beurteilen. Für ihn sind Werte und politische Ethik Grundlage des politischen Lebens. Als glühender Europäer und Bewohner eines Staates, der jahrzehnte-lang unter kommunistischem Regime stand, sind ihm Friede und Toleranz nicht nur ein besonderes Anliegen, sondern auch ein Garant für ein in Vielfalt geeintes Europa.

Unmittelbar nach seiner Tätigkeit als Bür-germeister von Cieszyn über zwei Amtsperi-oden hinweg war Jan Olbrycht von 1998 bis 2002 Präsident der Region Schlesien. Er gehört zu jenen hervorragenden europäischen Regio-nalpolitikern, die sich große Verdienste um die Heranführung der polnischen Gemein-den und Regionen an die Europäische Uni-on erworben haben.

Nach der Wende im Jahr 1989 richtete Polen als einer der ersten Reformstaaten in weni-ger als zehn Jahren in allen Regionen, Bezir-ken und Gemeinden direkt-demokratisch legi-timierte Parlamente und Entscheidungsebenen ein, die ihrerseits wiederum die jeweiligen Regierungen wählen. Dadurch setzt Polen konsequent auf allen Ebenen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der subsidiären Demokratie um.

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Die Überwindung des totalitären Regimes in Polen und der Übergang von der Zentral- zur Marktwirtschaft innerhalb kurzer Zeit ist ohne jeden Zweifel ein Verdienst von Politikern wie Jan Olbrycht, die sich unermüdlich für den Aufbau demokratischer Strukturen in Polen einsetzen. Das christliche Menschenbild der polnischen Bevölkerung, in dem sowohl Eigeninitiative und Selbstverantwortung als auch Solidarität eine große Rolle spielen, mag diese Integration in die EU erleichtert haben.

Das Engagement des verstorbenen Papstes Johannes Paul II für die Solidarnosc bleibt in Polen unvergesslich und hat den Weg zu demokratischen Strukturen geebnet.

Mit großer Energie und getragen von der Über-zeugung, dass lokale Demokratie und die Strukturen der Mitbestimmung wesentlich zur Bewahrung von Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenwürde beitragen, hat sich Jan Olbrycht in verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen engagiert.

Von 1998 bis 2004 war Jan Olbrycht als Lei-ter der polnischen Delegation im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas aktiv und Mitglied zahlreicher Arbeitsgruppen und Ausschüsse, vor allem in der Arbeitsgruppe für Gemeindedemokratie.

1995 wurde er zum Vizepräsidenten der Ver-einigung Polnischer Städte ernannt und war in dieser Funktion für internationale Bezie-hungen verantwortlich.

In den Jahren 1995 bis 2001 vertrat Jan Olbrycht den Polnischen Gemeindeverband im Rat der

Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), wo er zum Vizepräsidenten und Mitglied des Exekutivbüros sowie zum Mitglied der Exper-tengruppe für grenzüberschreitende Zusam-menarbeit gewählt wurde.

Von 2000 bis 2004 war Jan Olbrycht Mitglied des Vorstandes der Versammlung der Regio-nen Europas (VRE).

Jan Olbrycht ist Gründungsmitglied der Uni-on of Cities and Local Governments, der Weltunion der Städte und Gemeinden, seit 2004 gehört er deren Präsidium an.

Als überzeugter Regionalpolitiker ist Jan Olbrycht auch in verschiedenen polnischen Vereinigungen aktiv: So gehört er der von der EU und der Polnischen Regierung zur Vor-bereitung der Verwaltungsreform in Polen ein-gerichteten „task-force“ an, war von 2002 bis 2003 Vorsitzender des Politischen Rates der Sozialen Bewegung Polens und ist seit 2004 Vorstandsmitglied der Bürgerplattform Polens.

Sein umfassendes Wissen setzte er auch als Mitglied des Ausschusses für landesweite Raumplanung der Polnischen Akademie der Wissenschaften ein. Für seine Verdienste wur-de er mit wur-dem Ritterkreuz wur-des Orwur-dens wur-der Wiedergeburt Polens ausgezeichnet.

Im Juni 2004 zog Jan Olbrycht als Abgeord-neter ins Europäische Parlament ein, wo er auf Grund seines besonderen Engagements für die Regionen und die Regionalisierung in Europa sogleich zum Vizepräsidenten des Ausschusses für regionale Entwicklung gewählt wurde. Durch seinen Einsatz für die

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weite Zusammenarbeit wurde er Mitglied des Ausschusses für die Beziehungen der Europäi-schen Union zu Bulgarien. Aber auch auf dem Gebiet der außereuropäischen Zusam-menarbeit ist Jan Olbrycht tätig, insbesonde-re im Ausschuss der Delegation für die Bezie-hungen zur Volksrepublik China.

Starke Regionen und Gemeinden sind für die erfolgreiche Gestaltung europäischer Politik unverzichtbar. Sie sind die Hüter des Subsi-diaritätsprinzips, mit den Anliegen der Bür-ger direkt konfrontiert und daher wichtig für den Aufbau eines demokratischen Europa.

Wir brauchen deshalb engagierte Regional-und Kommunalpolitiker wie Jan Olbrycht, die dazu beitragen, den Anliegen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf europäi-scher Ebene zum Durchbruch zu verhelfen.

Das europäische Einigungswerk hat uns nach den Kriegen über fünfzig Jahre Frieden und Wohlstand beschert. Europa wird dann eine Zukunft haben, wenn es ein Europa der Bür-ger ist, und dazu brauchen wir engagierte Persönlichkeiten, die fest in den Regionen verwurzelt sind und dennoch den Blick für das europäische Ganze behalten - Vorbilder wie Jan Olbrycht.